(zas, 10.10.17) Wenn
es eilt, eilt es. Ein Schweizer Journalist in Venezuela festgenommen – am
letzten Freitag, und frei gelassen erst zwei Tage später! NZZ-Brühwiller ist
keiner, den so etwas kalt lassen könnte. Noch am Sonntag veröffentlichte
er einen Artikel auf der Homepage seines Blatts. „Ein weiterer Fall von Angriffen auf die Pressefreiheit in Venezuela“,
erfahren wir schon im Lead. Ihrer drei waren es, die den Zuständen in einem
Gefängnis im Gliedstaat Aragua auf die Spur kommen wollten und, statt eine
Besuchserlaubnis zu erhalten, deshalb verhaftet wurden. Sagt die NZZ. Nun ja,
ich geb’s zu, meine Empörung wurde ein wenig weniger, als ich las, für wenn der
Tessiner Filippo Rossi schreibt – für den italienischen Il Giornale. Seit ich vor
gut 10 Jahren im Berlusconi-Blatt eine Serie über einen Angriff kommunistischer
italienischer PartisanInnen auf deutsche Besatzungstruppen gelesen hatte, habe
ich …Vorbehalte zu diesem Organ. Artikeltenor von Il Giornale: Terroristen,
Meuchelmörder, haben das internationale Recht gebrochen, schliesslich waren die
Deutschen damals die legale Ordnungskraft im Land. Dass ein mit verhafteter italienischer
Kollege für das gleiche Medium arbeitet, und der dritte Verhaftete für das „äusserst regierungskritische Online Medium ‚Dolar
Today‘“, liess mich auch nicht aufheulen vor Wut über die chavistische
Diktatur. Dolar Today ist von der ganz üblen Sorte (von Brühwiller folgerichtig
mit einem Link auf einen kleinen Jubelartikel versehen), ein wichtiges Instrument
im Wirtschaftskrieg.
Fast lustig wird
die NZZ übrigens, wenn sie, unter Berufung auf die berüchtigten „Reporter ohne
Grenzen“ schreibt: „Inzwischen gibt es
kaum noch unabhängige Medien in Venezuela. Die Berichterstattung in Venezuela
wird stark von den staatlichen Rundfunkanstalten dominiert.“ Das stimmt,
wenn man von den grossen Zeitungen und Sendern mal absieht.
Was es nun mit
den 2-Tages-Verhaftungen auf sich hat, weiss ich nicht. Quelle, auch für drei
Berichte im Tages-Anzeiger, ist die rechte Mediengewerkschaft SNTP.
Aber zum
Beispiel dies sollten wir wissen:
Am letzten 6.
Oktober, also am Tag der von Brühwiller geschilderten Verhaftung in Venezuela, berichtete
die Zeitschrift Proceso über den Mord am Journalisten Edgar Daniel Esqueda in
San Luis Potosí, Mexiko. Tags zuvor war der Fotoreporter von Männern, die sich
als Mitglieder der Policía Ministerial
des Gliedstaates auswiesen, aus seiner Wohnung mitgenommen worden, zu der sie
sich gewaltsam Zugang verschafft hatten. Am nächsten Tag wurde seine Leiche in
der Nähe des Flughafens gefunden. In der Regierungszeit von Peña Nieto wurden
vor Edgar Daniel Esqueda schon 36 JournalistInnen ermordet. Nach Angaben von
Menschenrechtsorganisationen war Esqueda am vergangenen 13. Juli von
Mitgliedern der Policía Ministerial
bei der Ausübung seines Berufs als Kriminaljournalist bedroht worden. Weder
Brühwiller noch seine Pendants beim Tages-Anzeiger, fühlten sich bisher
bemüssigt, ein Wort zu dieser Sache zu verlieren, ungeachtet dessen, dass sie
international Aufsehen erregte. Vermutlich müssen sie sich demnächst doch zu
einer „kritischen“ Beanstandung gedrängt sehen, nachdem offenbar die EU,
Norwegen und die Schweiz in einem gemeinsamen Communiqué von der mexikanischen
Regierung Aufklärung zum Mord verlangt haben, wie desinformemonos.org heute berichtet.
Die Webseite zitiert aus dem auf der EDA-Page nicht auffindbarem Communiqué
Folgendes: „Der Tod von Herrn Esqueda
Castro kommt zu mindestens zehn weiteren in diesem Jahr bisher ermordeten
Journalisten hinzu, was das besorgniserregende Ausmass an Gewalt und
Einschüchterung aufzeigt, mit dem viele Journalisten in Mexiko konfrontiert
sind.“
Und auch dies ist „wissenswert“:
Der
ehemalige Exekutivsekretär der Lateinamerikanischen JournalistInnen-Föderation
FELAP, Ernesto Carmona, schrieb gestern,
dass der honduranische Journalist Osmín Antonio España Chávez (50) im
Department Copán an den Folgen eines Kopfschusses starb. Die Polizei schliesse
ein Raubmotif aus, da sie in der Tasche des in Copán offenbar beliebten
Medienmitarbeiters eine grössere Menge Geld gefunden habe. Carmona: „Mit dem Tod dieses in Santa Rosa de Copán
sehr beliebten TV-Präsentators sind in Honduras zwischen 2001 und 2017 laut
Angaben des JournalistInnenverbands Colegio de Periodistas de Honduras 72
Medienmitarbeitende ermordet worden.“ Anzufügen ist, dass die Mehrzahl seit
dem Putsch von 2009 ermordet wurde, und von diesen war wiederum die Mehrzahl
klar oppositionell.
Osmín Antonio España Chávez |
In
Venezuela gab es m. W. seit Jahren keinen Mord an Medienschaffenden. Für Brühwiller
macht das vielleicht „den venezolanischen
Präsidenten Maduro zu den schlimmsten Feinden der Pressefreiheit weltweit“.