(zas, 20.4.19) Vor einer Woche veröffentlichte der Recherchierjournalist
Max Blumenthal den Artikel US
Military Attack on Venezuela Mulled by Top Trump Advisors and Latin American
Officials at Private DC Meeting. Blumenthal berichtete darin über ein vom Center
for Strategic and International Studies (CSIS) organisiertes Off-the-record-Treffen
am 10. April zum Thema „Assessing the Use of Military Force in Venezuela“ ( Einen
Militäreinsatz in Venezuela einschätzen). Das CSIS ist ein seit Jahrzehnten
besonders eng mit dem militärisch-industriellem Komplex in den USA verbundener
Thintank. Zwei zum Geheimtreffen eingeladene Personen (Sarah Baumunk vom CSIS
und Santiago Herzoiga von Hills & Company, einer führenden Wirtschafts- und
Strategieconsultingbude in Washington), bestätigten das Treffen. Gekommen
waren, so Blumenthal, „einige der einflussreichsten BeraterInnen in Sachen
Venezuela-Politik der Trump-Administration. Darunter aktuelle oder ehemalige
Offizielle des State Departments, des National Intelligence Council, des
National Security Council und Admiral Kurt Tidd, der bis vor kurzem das
US-Südkommando kommandiert hatte. Ranghohe Offizielle der Botschaften von
Kolumbien und Brasilien sowie die Washingtoner Vertretung der Schattenregierung
des venezolanischen Putschleaders Juan Guaidó nahmen ebenfalls teil.“
Blumenthal, Sohn eines mit Hillary Clinton verbandelten
Politikers und bekannt auch als Autor eines Buches auf der Bestsellerliste der
New York Times, hängt die Liste der rund 40 zum Treffen Eingeladenen an seinen
Artikel an. Nach den Misserfolgen der bisherigen Putschstrategie (die „humanitäre“
Show an der kolumbianisch-venezolanischen Grenze am 23. Februar, die einander folgenden,
bisher fruchtlosen Aufrufe Guaidós zu Grossmobilisierungen – die nächste ist
auf den 1. Mai angesagt - u. a.) „signalisiert
das CSIS-Treffen, dass die Administration Trump militärische Optionen wieder
ernsthafter prüft“. Über den Verlauf des Treffens lagen Blumenthal keine
Informationen vor.
aus der TeilnehmerInnenliste. Bild: Grayzone. |
Interessant dafür seine Angaben zu den Teilnehmenden, dem
„Who’s Who der PutschberaterInnen der Trump-Administration“. Mit am
Relevantesten zweifellos der frühere State-Department-Diplomat William
Brownfield, der als eine der treibenden Kräfte hinter dem aktuellen Sanktionsregime
gegen Venezuela gilt und sich ihres verbrecherischen Charakters bewusst ist (s.
dazu «Zur
Logik der Sanktionen»). Zu den bekannteren Neocons in der heutigen
Venezuela-Politik zählt Roger Noriega, berüchtigt aus den Jahren der Zentralamerika-Kriege
von Reagan und Bush Sr., später u. a. Leiter der Lateinamerikaabteilung State
Department. Er hatte Ende letzten Oktober im Miami
Herald Brownfield für eine besondere Position in Sachen Venezuela
vorgeschlagen: „Eine drängende Aufgabe ist die Weisung an die US-Armee, sich
zusammen mit unseren Verbündeten für wahrscheinliche Notsituationen zu wappnen,
um Menschenleben zu retten und die Ordnung wieder herzustellen. Der
Karrierediplomat a. D. William Brownfield ist dafür ein logischer Kandidat.“
Auch Noriega befleissigte sich im Herald der mittlerweile
zum Markenzeichen dieser Szene gewordenen Sprache: „Die Führer der
venezolanischen Kabale – Maduro, Tareck El Aissami und Diosdado Cabello – haben
sich für einen kriminellen Weg entschieden, der sie in ein amerikanisches
Gefängnis oder in einen frühen Tod führen wird“. Pedro Burelli, ein
weiterer Teilnehmer am CSIS-Treffen, früher bei JP Morgan und vor
Regierungsantritt von Chávez Chef der venezolanischen Ölgesellschaft PDVSA, teilte
letzten Januar Maduro per Twitter
Folgendes mit: „Hör zu, du hast in den nächsten 24 Stunden nur zwei
Optionen: 1. Wie [der frühere Diktator von Panama] Noriega büssen für
Drogenhandel und danach Internationaler Strafgerichtshof in Den Haag wegen
Menschenrechten; 2. Oder à la Gaddafi.“ Weitere Kostprobe: John Bolton, Trump’s
Nationaler Sicherheitsberater, Faschist und besessener Kriegstreiber, sagte am
1. Februar in einem Radiointerview:
„Nun, ich sagte gestern in einem Tweet, ich wünsche ihm [Maduro] einen
langen und ruhigen Ruhestand an einer schönen Küste weit weg von Venezuela. Und
je schneller er das ausnützt, desto eher wird er wahrscheinlich einen netten Ruhestand
an einer hübschen Küste haben statt in einer anderen Küstenregion wie
Guantánamo.“ Als die USA den ganzen Bankensektor Venezuelas mit Sanktionen
belegte, meinte
der gleiche Bolton am 22. März 2019 unter Bezug auf einen der grössten Unholde
in der sog. Popkultur: „Die Wirkung der
Sanktionen ist kontinuierlich und akkumuliert sich. Es ist wie in ‚Star Wars’,
wenn Darth Vader jemanden erwürgt. Das machen wir wirtschaftlich mit dem
Regime.“
Wir sehen, wes Geistes Kind diese Figuren sind.
Bolton, Vader |
Blumenthal stellte weitere TeilnehmerInnen des
Geheimtreffens vor, Figuren der staatlichen Entwicklungsagentur USAID, Michael
Shifter, Chef des Inter-American Dialogue (Führungsfiguren aus Politik und
Wirtschaft der Amerikas), Emiliana Duarte, Artikelverfasserin im Caracas
Chronicle, dem rechtsextremen englisch-sprachigen Oppositionsorgan, von dem
Artikel auch in der „trotzkistischen“ Westschweizer Homepage Alencontre
verbreitet werden u.a. Halten wir uns noch einen kleinen Moment beim
Treffenteilnehmer Fernando Cutz auf. Der Mann leitete unter Obama die
Südamerika-Abteilung des Nationalen Sicherheitsrats. Seine Teilnahme an der
Kriegsberatung des CSIS steht für den „überparteilichen“ Willen, in
Lateinamerika (und zuvorderst in Venezuela) um jeden Preis „aufzuräumen“. Ein
Ziel der von ihm mitformulierten Intervention in Venezuela formulierte er einem
Streitgespräch
in CGTN America, dem Amerikas-Ableger des chinesischen Medienkonglomerats CGTN,
am letzten 12. Februar tatsächlich so: Es gehe darum, „Venezuelas Platz als
Land der oberen Mittelklasse wiederherstellen“ (Min. 22:15).
Die verschärften Angriffe auf Kuba (s. Die
USA wollen die Monroe-Doktrin gegen Kuba wieder aufleben lassen) oder etwa
die Sanktionierung
der wichtigen nicaraguanischen Bank Bancorp durch das US-Finanzministerium am
17. April machen deutlich, woher der wind weht. Bancorp hatte Finanztransfers
für die venezolanische Hilfe an Sozialprogramme in Nicaragua getätigt. Gegen
Venezuela wird das Sanktionsprogramm der ökonomischen Erdrosselung und
Verschärfung der Alltagsnot schon fast im Wochenrhythmus verschärft. Und doch
propgierte Rick Scott, Senator aus Florida, in einer Rede
vor dem American Enterprise Institute vom 11. April eine US-Militärintervention:
“Und wenn Armeeeinsatz seitens der USA und unserer Verbündeter in der Region
nötig ist, um die Plage von Maduro und seinen Schurken loszuwerden, dann dürfen
wir ihn nicht ausschliessen.“ Es gibt viele derartige Beispiele aus der
letzten Zeit. Es gibt auch Gegenstimmen. Der in Sachen US-Politik gegen
Lateinamerika relevante Miami Herald etwa oder in
CNN Juan Gonzalez, früher Kader für Lateinamerika im State Departtment und
heute für diese Region zuständig in der ebenfalls am CSIS-Treffen beteiligten
Cohen Group, einer weiteren Washingtoner Strategieconsulting, wandten sich postwendend
gegen die These von Rick Scott. Tenor dieser Fraktion: „Wir können sie mit
Sanktionen aushungern, ohne Komplikationen mit Armeeeinsätzen zu riskieren.“ Dennoch
ist unbestreitbar, dass sich die Prokrieg-Statements von
EntscheidungsträgerInnen häufen. Alles nur psychologische Kriegsoperation,
alles nur Wahlkampf?
Im März 2016 pries
Obamas Finanzminister Jack Lew die US-Sanktionspolitik, warnte aber auch davor,
dieses hervorragende Instrument – oft eine „silver
bullet“ - der globalen Machtpolitik nicht durch inflationären Gebrauch
abzunutzen. Werden Sanktionen zu flächendeckend eingesetzt, wirken sie kontraproduktiv:
Die Sanktionierten suchen nach Wegen für Finanztransaktionen ausserhalb des
Dollarsystems, wo doch „die Zentralität unseres
Finanzsystems seit dem 2. Weltkrieg eine Quelle enormer Stärke für unsere
Wirtschaft, ein Vorteil für US-Unternehmen und eine treibende Kraft für die
globale US-Führung gewesen sind“. Die Neocons in Washington belegen heute
in rasendem Tempo stets weitere nicht-genehme Akteure rund um den Globus mit Sanktionen,
mit dem Ergebnis, dass diese unter Leitung von Russland und China nach
Wirtschaftsbeziehungen ausserhalb des Dollars suchen. Promovieren tonangebende
Machtcliquen in den USA einen neuen „permanenten Krieg“ auch, um das von Lew
genannte Risiko zu neutralisieren? Im Falle von Venezuela zusätzlich auch, weil
sich die Möglichkeit abzeichnet, dass die silver bullet der Sanktionen allein
nicht ausreicht, genügend Menschen in die Knie zu zwingen?
Chavistische Basis im Widerstand: Comuna Altos de Lídice. |