Neuer Wirtschaftsplan: USA versprechen "blühende Landschaften" in Lateinamerika

Samstag, 28. Dezember 2019

https://amerika21.de/2019/12/235701/usa-lateinamerika-wirtschaft-crece

6.12.2019 USA / Lateinamerika / Politik / Wirtschaft
Von
Logo der US-Regierung für das Projekt "Wachstum in den Amerikas"
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Washington. Die Regierung der USA hat vergangene Woche den Plan "Wachstum in den Amerikas" (Growth in the Americas, spanisch "América crece") gestartet und Lateinamerika eine bessere Zukunft aufgrund zukünftigen privatwirtschaftlichen Investments versprochen. Man wolle "mit Verbündeten und Wirtschaftspartnern an Wachstum und Reformen arbeiten". Dadurch solle der Privatsektor angetrieben und so Investitionen in die Energiewirtschaft und lokale Infrastruktur ermöglicht werden, erklärte US-Finanzminister Steven Mnuchin am Dienstag.
Infolge der von der US-Regierung öffentlich erklärten Reaktivierung der Monroe-Doktrin versucht die Regierung von Präsident Donald Trump nun offenbar, nach bestem neoliberalen Rezeptbuch verstärkt Märkte in Lateinamerika für US-Unternehmen (wieder)zueröffnen. Teil der Doktrin sind auch die Drohungen einer militärischen Intervention in Venezuela oder die Einmischung in Wahlprozesse durch die US-dominierte Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), unter anderem in Bolivien oder im Karibikstaat Dominica.
Mit der Umsetzung dieses Projekts beabsichtigen die USA, "übermäßige rechtliche, erwerbs- und marktregulierende Hindernisse für Investitionen abzubauen, die Beschäftigung zu erleichtern und das Wirtschaftswachstum zu beschleunigen".
"Die US-Wirtschaft wurde auf der Stärke von wettbewerbsfähigen offenen Märkten aufgebaut, die private Investitionen stimulieren. Und das ist etwas, das wir nachbilden wollen", so Mnuchin in dieser Woche. Die Strategie sieht vor, dass der Privatsektor der "wichtigste Wachstumsmotor für die Entwicklung von Infrastrukturen wie Flughäfen, Energieversorgung, Häfen, Autobahnen, Telekommunikation und digitale Netze ist."
Der Sonderberater von Trump und leitende Direktor für Angelegenheiten der westlichen Hemisphäre beim Nationalen Sicherheitsrat der USA, Mauricio Claver-Carone, sagte gegenüber dem staatlichen US-Auslandssender Voice of America, das Vorhaben werde "ein Katalysator für den Privatsektor" sein. Man habe bereits Vereinbarungen mit den Regierungen von Panama, Chile, Argentinien, Jamaika, Kolumbien, Peru, Brasilien und El Salvador unterzeichnet. Auch Guatemala wird sich beteiligen.
Bei der Vorstellung des Planes waren Minister aus diversen lateinamerikanischen Ländern anwesend, darunter auch der neue argentinische Energieminister, Sergio Lanziani, sowie Guillermo Nielsen, der Präsident der staatlichen Ölgesellschaft YPF.
Neben dem Finanzministerium sind aus den USA auch das Wirtschafts- und Energieministerium, die Behörde für Entwicklungszusammenarbeit (USAID), die Handels- und Entwicklungsagentur (USTDA) sowie die Gesellschaft für privates Überseeinvestment (OPIC) beteiligt.

Die Falschspieler von der OAS II

Samstag, 21. Dezember 2019


Vorbemerkung:
(zas, 21.12.19) Linke werden sich vielleicht fragen, ob die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS)  und ihre Angaben zu einem «Wahlbetrug» in Bolivien relevant genug seien, um ein wiederholtes Zurückkommen auf diese Fragen zu rechtfertigen. Wir denken schon. Der Neoputschismus in Lateinamerika und der Karibik wird im westlichen Imperium a) weg gelogen und b) gefeiert. Man empört sich mit der OAS über einen erfundenen Wahlbetrug und findet kaum etwas oder nichts an systematischer Repression durch die eigenen Kräfte. Dass ein Neoputsch dank aktiver faschistischer, mit Polizei und Armee kooperierenderer Kräfte mit einer realen Basis in weiten Teilen der Mittelschichten (inkl. des Gros der NGO-Entwicklungsagenturen) in Bolivien möglich war, ist erschreckend. Eben noch heimste der gestürzte Präsident Evo Morales vom IWF bis zu «unseren» Medien gute Noten ein, nun ist er bloss noch ein machtbesessener Autokrat. Das verdeckt, wie gut vorbereitet der Putsch war: vom «Einlullen» der Wegzuputschenden über die organisierte Arbeitsteilung von wildgewordenen Mittelstandsmilien mit den «Sicherheitskräften» samt einfühlsamer transnationaler medialer Begleitung bis neuen Taktiken wie jener, «freiwillige Rücktritte» von Ministern und Parlamentarierinnen bis zu BürgermeisterInnen oder Leitungsmitgliedern von sozialen Organisationen zu provozieren. Denn was tun, wenn die Tochter anruft und sagt, die Oppositionellen seien brutal ins Haus eingedrungen und drohten ihr mit Vergewaltigung, falls Papi nicht zurücktrete? Noch wissen wir wegen der schwierigen Kommunikationslage im extrem repressiven Klima nicht, in wie vielen Fällen der rund 90 «Rücktritte» diese so erzwungen wurden, aber die Sache ist in mehreren Fällen gesichert.
Die Weisswasch-Propaganda ist ein wichtiges Element in der internationalen Strategie des Neoputschismus. Ihr muss entgegen getreten werden, auch argumentativ.
Speziell für «kritische» Linke: Eine solidarische und mitunter auch scharfe Kritik am Modell der gestürzten Regierungspartei MAS ist durchaus nötig. Doch jetzt dienen die meisten diesbezüglichen Stellungsnahmen mehr der Rechthaberei, der Frustverarbeitung oder gleich der Leugnung und damit Unterstützung des Putsches, ganz «non-binär» entlang dem Schema: Die Faschisten von rechts und die Autokraten von links liefern sich Hahnenkämpfe. Die Zeit wird kommen, in der eine öffentliche kritische Aufarbeitung unabdingbar sein wird. [1]
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Softwarezauber
Am letzten 4. Dezember veröffentlichte die OAS ihren Schlussbericht zu den Wahlen in Bolivien (Análisis de Integridad Electoral, Bolivia 2019). Ein langer Teil des Auditberichts dreht sich um den Bereich IT und Wahlsoftware. Insbesondere seien ein unautorisierter und ein «verborgener» Server bei der Schnellauszählung TREP (s. Kasten am Schluss) zum Einsatz gekommen. In einem anderen Teil versichert das OAS-Gremium, bei den Wahlakten sei es zu «Manipulation» gekommen, was ihre «Glaubwürdigkeit» in Frage stelle. Weiter teilen die AutorInnen mit, im Cómputo – also der offiziellen Auszählung (s. Kasten) - seien ein Teil der Resultate und der entsprechenden Aktenkopien aus dem TREP übernommen worden, womit die Aussage, dass der Cómputo von allfälligen Mängeln der TREP-Software nicht beeinflusst werde, «kategorisch hinfällig» sei. Betroffen seien Akten in «mehr als 5 Prozent» der Fälle, nämlich jene aus dem Ausland und die in den «Protesten» verbrannten Unterlagen.
Laut den OAS-ExpertInnen war der Unterbruch in den TREP-Veröffentlichungen «das Hautpereignis, das das Vertrauen in den Wahlprozess in Frage stellte» (S. 8). Sie insistieren wiederholt, z. B. auf Seite 14, dass es dafür «keinesfalls ein technisches Motiv gab». Schon im zweiten Satz zu Berichtbeginn sprechen sie von einer «absichtlichen und willkürlichen Paralysierung [des TREP], ohne technischen Grund». Das verdeutlicht schlicht ihre Entschlossenheit, auf Teufel komm raus ein Betrugsambiente zu behaupten. Natürlich wussten auch sie von Beginn weg, dass a) die für den TREP noch fehlenden Daten aus entlegenen ländlichen Gebieten mit ausgeprägter Unterstützung für Morales stammten, und dass es b) von Anfang klar war, dass wie schon bei früheren, von der OAS nie beanstandeten,  Wahlgängen der TREP unvollständig bleiben würde, weil am Sonntag eben ein Teil der Daten noch fehlen und dann die offizielle Auszählung beginnen würden. (S. zu diesem Komplex den ersten Bericht des Center for Economic and Policy Reserach (CEPR) oder einen Artikel dazu auf diesem Blog).
Ein Wort noch zu den Software-Problemen. Falls die OAS-Angaben nicht wie nachweislich in anderen Teilen des Berichts scharf an der Wahrheit vorbei zielen, wäre das mit der TREP-Zählung betraute Privatunternehmen Neotec unter die Lupe zu nehmen, Und zwar nicht, weil seine Leitung einen technischen Wahlbetrug organisiert hätte, sondern entweder wegen im OAS-Bericht angetönter Unfähigkeit  oder wegen dem Legen absichtlicher falscher Fährten für das Betrugsnarrativ. Da wäre etwa der laut OAS für der Wiederaufnahme der TREP-Auszählung eingesetzte «verborgene» Server, den die OAS-ExpertInnen «entdeckt» haben, wie wir zig Male mitgeteilt bekommen. Das Detail: Natürlich hinterlässt die Online-Verbindung eines Computer mit einem anderen eine Datenspur, die für Fachleute eruierbar ist. Die Regierung Morales war sich eindeutig keiner Schuld bewusst, sonst hätte sie nicht die (Polit-) Technos der OAS mit der Untersuchung beauftragt.
In ihrem Auditbericht vermeidet die OAS den Begriff «Wahlbetrug». Ihr ist klar, dass sie trotz aller Nebelpetarden und dem ganzen Softwarezauber allenfalls Schwachstellen schildert, die für einen Betrug hätten missbraucht werden können, aber nicht ein einziges Indiz für ein reales solches Vorkommnis. Der Begriff «Softwarezauber» drängt sich aus einer einfachen Überlegung auf. Von der ersten Berichtsseite an wird uns permanent eingehämmert, dass ein Betrug stattgefunden hat, ohne dieses Wort selbst zu benutzen. Der grösste Teil dieses Feuerwerks hat mit Softwareaspekten zu tun. Nicht ein einziges Mal wird deutlich ausgesprochen, dass die entscheidende offizielle Auszählung … ähm, manuell gelaufen ist – in den departementalen Wahlbehörden. Wahlakte für Wahlakte wurde da mit Beteiligung der Parteivertretungen (die alle Kopien davon hatten) und Beobachtungsmissionen begutachtet und die Resultate wurden erst dann in den Computer eingespiesen und mit zusammen mit den Aktenscans im Web veröffentlicht, wo sie von den Parteien etc. kontrolliert (und nachgerechnet) werden konnten. Die OAS erwähnt denn auch eine praktisch hundertprozentige Übereinstimmung der physischen Akten mit den ihren Kopien im Web. M. a. W., auch wenn alles zutreffen sollte, was die OAS über Schwachstellen und Ungereimtheiten im Bereich Software behauptet - es bliebe angesichts des manuellen, kontrollierten und immer noch kontrollierbaren Auszählmodus für die Resultatsermittlung irrelevant.
Así de simple.
Es gibt verschiedene kritische Antworten auf das Audit der OAS. Es folgen Auszüge aus zwei Reaktionen, zum einen aus einer vorläufigen Stellungsnahme (Preliminary Analysis of the Findings of the Final Report on the OAS Audit) des Center for Economic and Policy Research (CEPR) vom 12. Dezember und zum anderen aus Análisis del informe final de la OEA sobre las elecciones en Bolivia des Centro Estratégico Latinoamericano de Geopolítica (CELAG) vom 6. Dezember.



Aus dem CEPR-Bericht
Jake Johnston
Sicherheitsschwachstellen und Manipulation der Wahlresultate
·         Fast die Hälfte des Schlussaudits ist der Informationstechnologie und Sicherheitsschwachstellen in der Wahlsoftware gewidmet. Die Analyse kommt zum Schluss: «Es ist dem Audit-Team nicht möglich, die Datenintegrität zu garantieren und Sicherheit bzgl. der Resultate herzustellen.» Die OAS-AuditorInnen scheinen besonders von der Entdeckung eines «versteckten» Servers beunruhigt zu sein, der nach der Suspendierung der vorläufigen Auszählung des TREP-Systems des Wahltags eingerichtet wurde und von dem die Berichtsautoren suggerieren, er könnte eine direkte Manipulation der Wahlresultate ermöglicht haben.
·         Während ihres Wahlaudits hätte die OAS eine Reihe von verschiedenen Überprüfungen der Legitimität der Resultate durchführen können, z. B. um festzustellen, ob der «versteckte» Server oder andere Schwachstellen der Datenbank tatsächlich für eine Manipulation der Resultate benutzt worden seien. Diese Tests sind simpel und liegen für alle mit Wahlbeobachtung Befassten auf der Hand.
·         Störender ist der Fakt, dass der Audit-Bericht Informationen verheimlicht oder zu veröffentlichen versäumt, die grundlegende, von den Auditoren durchgeführte Verifizierungen des Wahlmaterials betreffen und die Beweise – wenn sie denn existieren – für eine mögliche Manipulation der Weahlresultate hätten erbringen können.
·         Die Auditoren anlysierten Abbildungen der Wahlakten auf den Webseiten der provisorischen TREP- und der offiziellen Schlussauszählung. Auf Seite 82 ihres Berichts stellt die OAS fest, dass in 99.8 % der Fälle die Wahlaktenabbildungen im System der offiziellen Auszählung mit den Wahlakten selber übereinstimmen.[2]
·         Der Audit-Schlussbericht lässt diesen Befund mit der Bemerkung unberücksichtigt, die Bildanalyse würde die Authentizität der Wahlakten nicht beweisen. Aber nirgends im Bericht halten die Auditoren fest, dass es einfache Möglichkeit der Authentifizierung der Wahlakten gibt.
·         Im Bericht gibt es keinen Hinweis, dass die OAS-Auditoren die online publizierten Aktenabbildungen mit Kopien der physischen Wahlakten verglichen hätten, die am Wahltag den politischen Parteien, den NotarInnen und den lokalen Wahloffiziellen übergeben wurden.
·         Auf Seite 84 des Berichts halten die Auditoren fest, dass 894 Wahlakten aus einer stastistischen Probe von 2863 analysiert wurden, um sie mit dem ursprünglichen Wahlmaterial abzugleichen. Die Grösse der Probe wird nicht erklärt und nur in einer Fussnote erwähnt. Die OAS berichtet, dass PrüferInnen in fünf Departemente geschickt wurden, um die 894 Wahlaken zu überprüfen, und dass von diesen 230 verbrannt wurden, was ihre Verifizierung verhindere.
·         Nirgends im Bericht gibt es Verifizierungsbefunde für den Rest der Probe. Um das deutlich zu machen: Die OAS-führte einen Test zur Verifizierung der Wahlakten selber durch und veröffentlicht nichts zu den Testergebnissen im definitiven Auditbericht.
·         Soweit die OAS-AuditorInnen die Akten nicht verifizieren konnten, lag das vorwiegend an der Zerstörung von Wahlmaterial. Das Audit schliesst die Zerstörung von Wahlmaterialien in ihren Befunden zu «Handlungen mit der Absicht, die Wahlresultate zu manipulieren» ein. Der Bericht gibt keine Kontextinformation zur Zerstörung von Wahlmaterialien.
·         Die Interamerikanische Menschenrechtskommission, ein autonomes Organ der OAS, ermittelte, dass Protestierende[3] in den Tagen nach der Wahl Gebäude der departamentalen Wahlbehörden, in denen relevante Wahlunterlagen gelagert wurden, in den Departmenten von Chuquisaca, Potosí, Beni und Santa Cruz niedergebrannt haben. Lokalen Nachrichten zufolge sind auch die Büros im Department Pando während der Proteste angegriffen worden. Auf Seite 78 des Auditberichts informiert die OAS, dass 99.98 % der verbrannten oder zerstörten Wahlakten und 100 % der verbrannten oder zerstörten Wahlkontrollisten in diesen fünf Departementen gelagert waren. 
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Aus dem CELAG-Bericht
1.       Zur TREP-Analyse
(…)
Der Leiter des mit dem TREP befassten Unternehmens Neotec, Marcel Guzmán de Rojas,sagte [10 Tage vor dem Wahlgang]: «Es werden in zwei Stunden 34'000 Akten verifiziert, um noch am Wahltag zwischen 80 % und 90 % der Resultate zu haben.»[4]
(…)
Da der OAS-Bericht den TREP in den Fokus nimmt, ist eigenartig, dass er der zentralen Rolle des damit beauftragten Unternehmens nur wenige Zeilen widmet. Es überrascht auch, dass die OAS den Fakt ignoriert, dass dieses System auf ihren Rat hin in Bolivien installiert wurde. In Sachen des erwähnten Unternehmens verschweigt die OAS mindestens drei entscheidende Faktoren:
·         Wie das Wahlgerichtmitglied Costas[5] sagt[6], hat man diese Technologie zum ersten Mal benutzt, weshalb Unerfahrenheit die entdeckten Unvorsichtigkeiten erklären könnte. Die OAS anerkennt das auf S. 46 ihres Berichts, aber unterschlägt es im Resüme und in den Schlussfolgerungen.
·         Neotec war zentral für die von der OAS denunzierte Softwareprogrammierung verantwortlich.
·         Schliesslich ignoriert die OAS, dass Neotec-Chef Marcel Guzmán de Rojas seine Präferenz für Carlos Mesa geäussert hat, mit dem er bekanntlich eine enge Beziehung unterhält. Dieser  Fakt stellt tatsächlich eine schwere Verletzung des Anscheins der Unparteilichkeit seitens des zentralen Verwalters des Auszählungssystems dar.
Schlussfolgerung: Die OAS basiert ihre Schlüsse auf der angeblichen Aufdeckung von 12 vorsätzlichen Regelverstössen. 10 davon beziehen sich auf den TREP, ein unverbindliches System. Das, wie die OAS selbst und die am Wahlprozess Beteiligten anerkennen, das Wahlresultat NICHT angeben konnte, da es NICHT auf die Auszählung von mehr als 34'000 Akten [von 34'558] angelegt war.

2.       Zu den Regelverstössen in der offiziellen Auszählung
(…)
2.1. Zu den absichtlichen Handlungen
[Aus dem OAS-Bericht]: «In einem Versuch, mögliche Verfälschungen oder Manipulationen zu analysieren, wurde eine Probe von 4'692 Akten untersucht. Dabei wurden 226 Akten analysiert, von denen zwei oder mehr Akten aus dem gleichen  Wahlzentrum von der gleichen Person ausgefüllt wurden, was eine systematische und absichtliche Aktion mit dem Ziel der Manipulation der Wahlakten bedeutet und gegen die gesetzlich festgelegten Befugnisse der vereidigten WahltischfunktionärInnen verstösst. Die entsprechenden Akten gehören zu 86 Wahlzentren in 47 Gemeinden des Landes. Ihre gültigen Stimmen betragen addiert 38'001, von denen 91 % (34'781) dem Movimiento al Socialismo zugewiesen wurden.»
 Dieser Punkt ist besonders ernst, da da er das einzige Argument für die Rechtfertigung eines Betrugs in der offiziellen Auszählung darstellt, der Auszählung von Hand. Die OAS verheimlicht jedoch zu Beginn ihres Berichtes[7] entscheidende Informationen, die sie weiter hinten wiedergibt:
·         Die OAS hat die 34'718 Stimen in 47 Gemeinden im Visier, bei denen sie angeblich Regelverstösse gefunden hat. Sie erwähnt nicht, dass nur 4.6 % (wie dem Bericht auf S. 9 zu entnehmen ist) allenfalls betroffen sein könnten, so dass, wenn wir alle [beanstandeten] Akten Carlos Mesa zuschreiben würden, 85.4 % der Stimmen (91 % minus 4.6 %) der Stimmen in den betroffenen Zonen dennoch an Evo Morales gingen, was ihm den Sieg in der ersten Runde gesichert hätte.
·         Die OAS unterschlägt in ihren Schlussfolgerungen, dass die 4'692 untersuchten Akten eine partiellen Probe entstammen, von Akten, die nicht im TREP erfasst worden waren (s. 9). Es handelt sich folglich um eine Probe aus den zuletzt ausgezählten Akten aus entlegenen ländlichen Gebieten mit tieferem Alphabetisierungsgrad[8].
Von der OAS beanstandete Akte.

·         Die als «irregulär» identifizierten Akten stellen 4.8 % des untersuchten Totals dar (226 von 4'692), also 0.25 % aller Akten. Selbst wenn sie also zu 100 % auf das Konto von Carlos Mesa gingen (was enorm unwahrscheinlich wäre), würde sein Abstand auf Evo Morales immer 10.41 % betragen.
·         Die OAS arbeitet nie mit einer simplen Zufallsprobe der Akten, um diese zu validieren und zu vergleichen. Nur so eine Probe wäre statistisch aussagekräftig und würde eine Projektion ihrer Zahlen auf das Total erlauben, also die Dimension von Regelverstössen erhellen.
·         «Obwohl es sich um sensibles Material handelt, wurden Akten verbrannt (die Anzahl ist unsicher), was einen Abgleich ihrer Darstellung im TREP und im Cómputo [Schnell- und offizielle Auszählung] verunmöglicht.» Es ist mehr als bemerkenswert, dass die OAS das Verbrennen von Akten durch die Opposition als Betrugsbeweis aufführt, ein Verbrennen, das nach ihrem Betrugsvorwurf erfolgte.
Das und keine weiteren sind die beiden einzigen Argumente der OAS, um von einem Wahlbetrug in Bolivien zu reden.
[Nach mehreren Seiten weiterer Kritik an der OAS-Methodik und statistischen Ungereimtheiten der ExpertInnen schliesst der CELAG-Bericht so:]
Zum Schluss: Selbst wenn wir alle Argumente der OAS akzeptieren würden, und der angeblich entdeckte «Betrug» in 4.8 % ihrer höchst tendenziösen Probe ganz der Opposition zugerechnet werden würde, und dies auf die gesamten 5 % der Akten, die nicht im TREP ausgewertet wurden, ausdenhnen würde, wäre das Wahlresultat 46.83 % für Evo Morales und 36.75 % für Carlos Mesa. Die Differenz bliebe über 10 Punkten, Evo Morales hätte die Wahlen in der ersten Runde gewonnen.
_______________
Kasten: TREP, Cómputo, Akten
Noch am Wahlsonntag vom 20. Oktober 2019 fand eine Schnellauszählung, der TREP, statt. Dabei übermittelten die Wahloffiziellen Fotos von Wahlakten per Handy an die Zentrale des Wahlgerichts TSE in La Paz. Eine Wahlakte enthält die Resultate eines Wahltischs und wird in Anwesenheit von Parteivertretungen und BeobachterInnen von den fünf per Los ausgewählten Wahltischoffiziellen unterschrieben. Die zentrale Wahlbehörde addierte die Ergebnisse und veröffentlichte laufend den neusten Stand sowie die Fotos der Wahlakten im Web. Der TREP diente einzig einer rechtlich nicht verbindlichen Orientierung über den Trend der Ergebnisse. Nach Verarbeitung von 83.76  % der Aktenfotos wurde die Publikation der TREP-Resultate für fast einen Tag unterbrochen. Dabei lag Evo Morales mit 45.28 % der Stimmen vor seinem Hauptkonkurrenten Carlos Mesa mit 38.16 % vorne. Da der Abstand weniger als 10 % betrug,, wäre, bei einem ähnlichen Schlussresultat in der offiziellen Auszählung eine Stichwahl fällg gewesen, die Mesa hätte gewinnen können. Im Gegensatz zum TREP ist die offizielle Auszählung (der Cómputo) rechtlich verbindlich. Der Cómputo fand im Beisein von Parteienvertretungen und BeobachterInnen in den Zentralen des Wahlgerichts TSE in den neuen Departementen des Landes statt. Hier wurden die physischen Akten geprüft und ihre Resultate in den Zentralrechner des TSE eingespiesen. Das TSE veröffentlichte die eintreffenden Resultate samt Kopien der Akten ebenfalls laufend. Schlussergebnis: Morales gewann mit 47.08 % der Stimmen gegen Carlos Mesa mit 36.51 %. Damit war laut Gesetz eine für Morales und seine Partei MAS gefährliche Stichwahl Stichwahl vom Tisch.


[1] In der bolivianischen Presse ist heute zu lesen, dass die EU-Wahlbeobachtungskommission in Bolivien ihren Schlussbericht vorgelegt hat. Natürlich findet auch sie viele „Regelverstösse“ seitens des weggeputschten Lagers. Ich habe einen kurzen Blick auf das Papier geworfen, es lohnt sich kaum, es zu lesen. Im Kern hängen sie sich einfach dem OAS-Audit an. Gleich im ersten Abschnitt zeigt die EU, wes Geistes Kind sie sind. Da lesen wir: „Evo Morales trat am gleichen Tag [wie die  Veröffentlichung eines ersten OAS-Berichts) ab und wurde am 12. November von der oppositionellen Senatspräsidentin Jeanine Áñez mit Unterstützung des Obersten Verfassungsgerichts ersetzt.“ Nur spasseshalber: Áñez, die Jihadistin, war nicht Senatspräsidentin; rechtmässig war das immer noch Adriana Salvatierra vom Mas, die aber mit Prügel am Betreten des Parlaments gehindert wurde. Sie oder danach ihre Nachfolgerin, aber nie Áñez, wäre laut Verfassung Interimspräsidentin geworden. Anwesend im Senat war ausschliesslich die rechte, nicht beschlussfähige Minderheit. Das Verfassungsgericht sagte weder pieps noch paps zur Frage; ein Anwalt der Faschisten von Santa Cruz hatte einen Entscheid eines früheren Verfassungsgerichts, der noch auf einer längst abgeschafften Verfassung basierte, zur Legitimierung ausgegraben. Natürlich wissen das auch die EU-Leute. Aber sie können gewiss sein, dass das in ihren Ländern nie in den Medien gebracht wird. Zur EU noch: Als 2017 sogar die OAS-Beobachtungsmission in Honduras den dortigen offensichtlichen und groben Wahlbetrug nicht einfach schlucken mochte, bis ihr von Washington klar gemacht wurde, dass der Betrüger der Auserwählte sei, mochte die EU-Mission so gut wie nichts beanstanden. In ihrem Schlussbericht wusch sie den Wahlbetrug umstandslos weiss. Die Mission war geleitet von einer Parlamentarierin des portugiesischen Linksblocks, die an Servilität damals selbst Almagro übertraf.

[2] (Anm. zas) Die Schnellauszählung TREP vom Wahlsonntag diente einzig einer unverbindlichen Trendermittlung, die danach begonnene offizielle Auszählung auf der Basis der physischen Wahlakten im Beisein von ParteienverteterInnen und BeobachterInnen war als rechtlich als einzige ausschlaggebend.
[3] (Anm. zas) AktivistInnen der Rechten.
[4] http://spanish.xinhuanet.com/2019-10/10/c_138459407.htm
[5] (Anm. zas) Vizepräsident des Wahlgerichts, Vertreter der Opposition.
[6] (anm. zas) S. Fn. 1
[7] (anm. zas) Der Beginn enthält die wichtigsten Ergebnisse und das Resüme. Mehr lesen nur wenige Leute.
[8] Sowohl CELAG wie die beiden bisherigen CEPR-Berichte betonen, dass die Probe nicht nach Zufallsprinzip erstellt wurde, sondern ausgesucht nur jene Akten betraf, in denen Morales über 70 % der Stimmen erhielt. Die beanstandeten Akten wurden nicht mit nicht beanstandeten Akten aus dem gleichen Wahlzentrum oder Dorf verglichen, bei denen Morales teilweise noch höhere Stimmenanteile als in den beanstandeten erzielte. Das wäre aber zwingend gewesen. Akten aus den Hochburgen der Rechten befand die OAS ohnehin nicht für überprüfungswürdig, auch wenn sie gleiche oder noch höhere Stimmenanteile für Mesa als die «analysierten» für Morales enthielten. Die vereidigten Wahltisch-FunktionärInnen haben alle die Akten selber firmiert. Eigene Wahlbeobachtungserfahrungen machen deutlich, dass gerade, aber nicht nur, im ländlichen Bereich viele Menschen mit dem Ausfüllen von Formularen überfordert sind. Ob das Wahlgesetz überhaupt, wie die OAS sagt, das Ausfüllen (nicht das Firmieren) mehrerer Akten durch die gleiche Person verbietet, wird kontrovers beantwortet. So oder so ist das in den Verhältnissen des Altiplanos mitnichten ein hartes Indiz für ein Betrugsmanöver. Das wissen sie auch in der OAS.  

Kolumbien: 200'000 Leichen zu exhumieren

Freitag, 20. Dezember 2019


Caracol Radio Servicio Informativo
Im Gespräch mit 6AM Hoy por Hoy von Caracol Radio sagte Claudia García, die Direktorin der Gerichtsmedizin, dass auf das Land mit der Identifizierung von geschätzten rund 200'000 begrabenen Leichen, über die man wenig wisse, grosse Herausforderungen zukommen.
«In den letzten Jahren schätzen wir, dass in allen legalen Friedhöfen und klandestinen Massengräbern ungefähr 200'000 Leichen zu identifizieren sind und dass hier die Verschwundenen des Landes zu suchen sind.»
Sie sagte, die Untersuchungen würden die Todesumstände dieser 200'000 Personen ermitteln, ob sie wegen aussergerichtlichen Hinrichtungen oder aus anderen Gründen starben.
Sie gab für Dabeida (Departement Antioquia), wo sich das erste Massengrab von Fällen von falsos positivos[1] der Armee befinden soll, an, dass erste Ergebnisse der Exhumierungen nächstes Jahr in der dritten Januarwoche vorliegen werden.
«Wir wissen nicht, wie viele Leichen wir dort finden werden. Der Bericht, den wir von der Justicia Especial de Paz[2] erhalten haben, erwähnt 17 Fälle, aber es können mehr oder weniger sein», meinte die Direktorin der Gerichtsmedizin.
Zuletzt richtete sie einen Appell an die nationale Regierung für finanzielle Unterstützung der Institution, die wegen der Opfer des bewaffneten Konflikts vor speziellen Herausforderungen steht.
María Sanabria mit dem Bild ihre unter falsos positovs ermordeten Sohnes Jaime. Bild: Oxfam.
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(zas) So weit der Bericht von Radio Caracol, dem grössten Sender des Landes, zur eigenen Sendung. Es wird bei allem «guten Willen» schier unmöglich sein, diese gigantische Zahl von Ermordeten der Guerilla in die Schuhe zu schieben – und den Paramilitärs, die vom Mediengros und der Herrschaftspolitik als nicht mit der Armee gemeinsam operierende Einheiten dargestellt werden, abgesehen von nicht mehr zu leugnenden «Einzelfällen». 2011 äusserte  der damalige UNO-Menschenrechtsvertreter in Kolumbien, Cristian Salazar, dass die kolumbianische Staatsanwaltschaft wohl über mehr als 26'500 Fälle mutmasslichen «Verschwindenlassens» Bescheid wisse.
Damals kein Aufschrei in den Medien, heute keiner. Schliesslich dient Kolumbien – auch als Ersatz für Chile - als Paradebeispiel für neoliberale Wohlstandswirtschaft, und es ist ein strategischer NATO-Partner. Und nicht zu vergessen: Anfang Dezember versicherte US-Aussenminister Mike Pompeo die «legitimen Regierungen» der Unterstützung in ihrem «Versuch, Kuba und Venezuela daran zu hindern, [die Proteste in Bolivien, Chile, Kolumbien und Ecuador] zu kidnappen.» Zur Untermauerung dieser These «sagte er», so Reuters, «dass Kolumbien die Grenze mit Venezuela geschlossen habe, aus Sorge um das Hereinkommen von Protestierenden aus dem Nachbarland.»

·         17.12.19: Medicina Legal: Faltan 200.000 cuerpos por exhumar




[1] «Falsche Treffer» - gemeint sind die von der Armee ermordeten Jugendlichen aus Armutskreisen, die fälschlicherweise als im Kampf gefallene Guerillas ausgegeben wurden. Zwei kolumbianische ehemalige Polizeioffiziere kommen für diese Fälle auf die Zahl von 10'000 zwischen 2002 und 2010 von der Armee Ermordeten. Höhepunkt der Praxis der falsos positivos war unter Präsident Uribe und seinem Verteidigungsminister, Amtsnachfolger und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos.
[2] Im Abkommen mit der FARC vereinbarte Spezialjustiz, die vom Regime seither weitgehend zu einem Angriffsinstrument auf die ehemalige Guerilla umgewandelt worden ist.