Paramilitärs im Norden von Kolumbien: Proteste wegen "alarmierender” Entwicklung

Dienstag, 31. Januar 2023

 https://amerika21.de/2023/01/262461/paramilitaers-im-norden-von-kolumbien

 
Gemeinden beklagen Zusammenarbeit von Militär und Paramilitärs. Sorge um Projekt des "Totalen Friedens". Regierung akzeptiert Forderungen der Protestbewegung

Die protestierenden Gemeinden in "Los dos ríos" sind von der Zusammenarbeit der Streitkräfte mit den AGC überzeugt
Die protestierenden Gemeinden in "Los dos ríos" sind von der Zusammenarbeit der Streitkräfte mit den AGC überzeugt

Barrancabermeja. Gemeinden der nördlichen Region "Los dos ríos" (Die zwei Flüsse) prangern eine "äußerst alarmierende Situation" an. Grund ist der Aufmarsch der paramilitärischen Gruppe Gaitán-Selbstverteidigungsgruppen (Autodefensas Gaitanistas de Colombia, AGC).

Um die Regierung von Gustavo Petro auf das Problem aufmerksam zu machen, blockierten lokale Basisorganisationen vier Tage lang einen Abschnitt der Landstraße Ruta del Sol. Sie verlangen unter anderem die Ausrufung eines "humanitären Notstands" in der Region.

Am vierten Tag der Blockade traf sich die stellvertretende Innenministerin Lilia Solano mit ihnen und akzeptierte die Forderung. Vertreter:innen der Regierung und der Gemeinden treffen sich nun am 13. Februar wieder, um einen Interventionsplan zu entwickeln.

"Die Regierung gibt zu, dass es in den ländlichen Gebieten Kolumbiens eine humanitäre Krise gibt", sagte Solano vor Ort. Diese sei eine Folge des Wiederauflebens des Paramilitarismus, der jahrzehntelang soziale Bewegungen zerschlagen habe.

Nun ist nach Angaben von Sozialaktiven aus dem Süden des Departamento Bolívar eine erneute Mobilisierung festzustellen: "Tag für Tag beobachten wir einen paramilitärischen Aufmarsch. Wir sprechen von 100 bis 150 Mann", sagt der Aktivist Gerardo Amador. Diese Mobilisierung finde in Komplizenschaft mit den Sicherheitskräften statt:  "Wir müssen es klar benennen: der Armee", betont Amador.

Die Paramilitärs seien sogar bis in die Kleinstädte der Region "Los dos Ríos" vorgedrungen, klagt Pilar Lizcano, Sprecherin der Organisation "Ciudad en movimiento" (Stadt in Bewegung). Vor wenigen Tagen hätten sie Flugblätter in den Armenvierteln verteilt und Graffiti neben Schulen, Kirchen und Rathäusern hinterlassen.

Im Nordosten des Departamento Antioquia habe die lokale Bevölkerung gesehen, wie die Armee vermummte Personen in das Gebiet brachte, berichtet der Aktivist Marlon Galeano.

In manche Zonen kommen die Paramilitärs mit einem "Hilfsdiskurs", erzählt Leidy Gil, Sprecherin der Dachorganisation der sozialen Bewegung von "Los dos ríos". Sie bieten den Bewohner:innen Unterstützung an und bedrohen gleichzeitig diejenigen, die sich gegen ihre "Hilfe" wehren. Sie mischen sich unter die Bevölkerung "als Verkäufer oder im kommerziellen Personentransport", um Sozialaktive zu identifizieren und auszuspionieren.

Gleichzeitig reißen die Morddrohungen, die Zwangsvertreibungen und die Morde an Mitgliedern der sozialen Bewegungen nicht ab. Auch das Absperren von Ortschaften durch die Paramilitärs ist laut den Protestierenden an der Tagesordnung.

Alle am Protest beteiligten Gemeinden in "Los dos ríos", nämlich im Süden der Departementos Bolívar und Cesar, in den Regionen Magdalena Medio, Bajo Cauca, Nordosten von Antioquia sowie in den Departementos Santander und Santander del Norte, sind von der Zusammenarbeit der Streitkräfte mit den AGC überzeugt.

"Die Armee kam in das Gebiet, sicherte die Umgebung und zwei Tage später drangen die Paramilitärs ein und sind bis heute dort geblieben. Die Armee kam sogar mit Hubschraubern, um sie zu unterstützen", sagte ein Bewohner von Sur de Bolívar während der Blockade.

Die Armee führe gemeinsame Operationen zur sozialen Kontrolle mit den AGC durch, klagt Amador. Oft befänden sich Militärkontrollpunkte auf den Landstraßen und 15 Minuten entfernt die der AGC.

Generell sei die Haltung der Armee gegenüber den Bewohner:innen der Region "feindselig". Die Sicherheitskräfte stigmatisiere sie als Guerilleros, weil dort auch Guerillagruppen wie die ELN aktiv sind. Mittlerweile würde die Armee die lokale Bevölkerung zwingen, sich erkennungsdienstlich behandeln zu lassen. Die Erfassung von Personendaten ist in Kolumbien jedoch nur der Polizei erlaubt.

Hinter der Ausbreitung der Paramilitärs stehen wirtschaftliche Interessen, versichert Leonardo Jaimes, Menschenrechtsbeauftragter der sozialen Organisationen von Santander und Santander del Norte. Es handele sich um großgrundbesitzende Familien mit Geschäften in der Agrarindustrie und Viehzucht, sowie um multinationale Bergbauunternehmen.

Das Projekt der Ernährungssouveränität der lokalen Gemeinschaft, das mit dem Kampf um den Zugang zu Land verbunden ist, steht den wirtschaftlichen Projekten der Agrarindustrie und des Großbergbaus entgegen. Im Jahr 2022 wurden die bekannten Anführer dieser Kämpfe Teófilo Acuña, Jorge Tafur und und José Quiñones ermordet.

Nach Angaben der Landwirtschafts- und Bergbauvereinigung von Sur de Bolívar wurden die drei Aktivisten von dem örtlichen Landbesitzer Wilmer Díaz, dem Polizeikommandanten Joner Alvis und dem Bürgermeister der Gemeinde San Martín, Cesar Leusman Guerra Rico, schikaniert und bedroht.

Die protestierenden Gemeinden sympathisieren mit der linksgerichteten Regierung Petro. Sie stellen jedoch die Wirksamkeit des "Totalen Friedens" in Frage. Die AGC ist eine der Gruppen mit denen die Regierung einen bilateralen Waffenstillstand vereinbarte. Die AGC stelle sich friedlich dar, arbeite aber weiter an ihrer Ausbreitung, klagten sie.

Zuletzt prangerten sie an, dass sich die Ordnungskräfte nicht an die mit der Regierung getroffenen Vereinbarungen für die sichere Rückkehr in ihre Gebiete hielten. So wurde beispielsweise ausgemacht, dass weder Militär noch Polizei oder der Nachrichtendienst persönliche Informationen über die Protestierenden sammeln, sie filmen oder fotografieren dürfen. Dennoch tat die Polizei genau dies.

 

Peru: Drei Kurzinfos zu einem Mord, einer bizarren «Linkspartei» und einem chinesischen Minenmulti

 (zas, 30. 1. 23) Am Samstag kam es zu einer weiteren Mobilisierung in Lima - und zu einem Ermordeten, Víctor Santisteban, 55 Jahre alt. Carlos Noriega von der argentinischen Página/12 beschreibt heute, wie die Demo stundelang friedlich blieb, dann aber im Zentrum von der Polizei angegriffen wurde, worauf es zu Strassenschlachten mit ungleichen Waffen kam. Ein Pro-Putsch-TV-Kanal sendete live, was Noriega so zusammenfasst: «Eine Gruppe Demonstrierender stand vor der Polizeisperre, sie warfen keine Steine, nichts. Plötzlich war ein Knall zu hören und eine Person fiel zu Boden. Es kam zu einem Durcheinander, es gab Schreie, Verzweiflung. In diesem Moment brach der Kanal die Live-Übertragung ab (…) Ein Video im Portal Wayka zeigt, wie Víctor, der in einer Gruppe ist, die sich vom Tränengas entfernt, das die Polizei aus wenigen Metern Distanz schiesst, fällt. Man sieht ein weisses Licht, das von dort kommt, wo die Polizeikräfte stehen und Víctor erreicht. Neben ihm gibt es einen weissen Rauch wie aus Tränengasgranaten (…).»

Der noch lebende Mann wurde in ein Krankenhaus gebracht, wo er starb. «Vor dem Spital, wohin Víctor und andere Verletzte gebracht wurden, kam es zu einer friedlichen Versammlung, einer Mahnwache. Es soll mehr als 30 Verletzte gegeben haben. Ein Schwerverletzter mit Schädelbruch ist in der Intensivstation. Die Polizei kam zum Gesundheitszentrum und ging mit Gewalt auf die Versammelten los. Ein medizinischer Rapport hielt fest, Santisteban starb an einem Einschuss im Kopf, hinter dem rechten Ohr, der ihm das Gehirn zerschmetterte. Er machte ohne weitere Spezifizierung ein ’hartes, stumpfes Objekt als Todesursache fest. Die Medien begannen ohne weitere Grundlage zu verbreiten, ein Stein habe seinen Tod bewirkt. Die Bilder der Videos, die zeigen, wie eine Tränengasgranate aus kurzer Distanz auf Víctor geschossen wurde, die Zeugnisse der medizinischen Brigadistas, die den Mann [notfallmässig vor Ort] behandelten, dementieren diese Version. ‘Es war kein Stein’, versicherte Doktor Quispe.»

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Am Freitag lehnte die Parlamentsmehrheit einen Antrag auf Vorverlegung der Neuwahlen auf Oktober dieses Jahres ab. Mit dabei in der Ablehnungsfront der Rechten die Partei Perú Libre, auf deren Liste 2021 Pedro Castillo seinen Präsidentschaftswahlkampf bestritten hatte. Deren absurde Begründung für dieses Verhalten: Man habe so Druck aufsetzen wollen für eine parlamentarische Zustimmung zu einer Verfassungsgebenden Versammlung. Carlos Noriega befragte am 29. November den bekannten Historiker Carlos Monge, der zu dieser «Übereinstimmung der Ultrarechten und einem Sektor der Linken meinte: ‘Sie teilen eine konservative Agenda gegen das Vorankommen der Genderperspektiven, gegen die Rechte der Frauen, gegen die sexuelle Diversität. Sie wollen ein paar Monate länger [im Parlament] bleiben, um diese Agenda voranzutreiben (…) Wenn sie die Zeit bis zu den Wahlen verlängern, machen Perú Libre und [deren Sozialorganisation] Bases Magisteriales der Rechten den Weg frei, um die Wahlbehörde zu vereinnahmen.’» Interessanterweise stimmte die fujimoristische Partei Fuerza Popular aber für die Vorverlegung der Wahlen auf dieses Jahr. Monge sieht dahinter zwei Motive: Druck von der eigenen sozialen Basis und das Kalkül, in dieser kürzeren Zeit die gesamte Rechte hinter sich als einzig reale Kraft mit Präsidentschaftsmöglichkeiten zu scharen.

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Das argentinische Portal Resumen Latinoamericano übernimmt, wie leider üblich, einen Artikel ohne Quellenangabe, wonach der chinesische Minenumulti MMG die Produktion seiner Mine Las Bambas ab 1. Februar einstelle, wenn nicht die Nachschubprobleme aufgrund der Strassenblockaden behoben werden.

Peru, Bewegung

 

Luis Hernández Navarro*

Der Süden von Peru steht in Flammen. Voller Wut über die Usurpation des Volkswillens und die Repression haben die Demonstrierenden Banken in Yunguyo im Departement Puno in Brand gesetzt. Das gleiche machten sie mit dem Polizeikommissariat von Triunfo, Arequipa. In der Mine Antapaccay[1] in Cusco hat die Bevölkerung Eigentum des Unternehmens geplündert und Installationen in Brand gesetzt. Feuer hat in anderen Städten auch TV-Kanäle und Residenzen von Politikern zerstört. 

Angehörige des Volkes der Awajun besetzen die Station 5 der Ölleitung Norperuano. Bild: Rebelión.

 

Die Liste der dokumentierten Proteste ist endlos. In der Mehrheit sind sie friedlich, was die Polizei nicht hindert, sich an ihnen zu weiden. Laut der Defensoría del Pueblo[2] gab es am 22. Januar 78 Strassenblockaden in 23 Provinzen und Flughafenbesetzungen, Streikposten auf Strassen, Brücken und Eisenbahnlinien sowie den Versuch, die Polizeikaserne des Distrikts Llave (Departement Cuno) zu besetzen. Denn Behörden zufolge gab es 14 Angriffe auf Gerichtsgebäude, davon sieben in Brand gesetzt, sowie 34 Proteste vor Polizeikommissariaten, von denen vier in Flammen aufgingen.

Die Wut des Volkes ist in vielen Regionen am Kochen. Abgeordnete wie die fujimoristische Tania Tajamarca werden mit Steinen aus ihrer Wahlgegend vertrieben, wenn sie diese aufsuchen. Die Wut unterscheidet nicht zwischen den Parteien. «Sind Sie zufrieden mit den Resultaten, Frau Susel? Wie fühlt es sich an, jeden Tag mit 52 Toten schlafen zu gehen?», hielt eine Frau der Parlamentarierin Susel Paredes, einer LGBTQI-Aktivistin, entgegen.

Die Feuer sind nicht von kleinen radikalen Gruppen gelegt worden. Sie sind wie die Blockaden von Verbindungsstrassen, die Zusammenstösse mit der Polizei und die Besetzungen öffentlicher Gebäude das Werk einer Volkserhebung. Es geht um eine moderne Fuente Ovejuna[3], die jenseits der Parteien wächst, alimentiert von Rondas Campesinas[4], Volksgruppen mit dem Territorium als Identität, Kleinhändlern, Lehrerinnen, Chauffeuren, Gremien und studentischen Gruppen. Es ist die Rückkehr der Vier Gemeinsamen Regionen (Tawatinsuyo[5] auf Quechua).

Die heterogene und diverse Volksbewegung, die sich wie Vulkanmagna durch das Land ergiesst, stellt keine spezifischen Forderungen. Die ProtagonistInnen haben ihre jeweiligen Anliegen zur Seite gestellt. Sie sind von Beginn weg eine das alte politische Regime absetzende Bewegung, die den Rücktritt der usurpatorischen De-facto-Regierung, ihrer Präsidentin Dina Boluarte und des Kongresses verlangt. Sie wollen Neuwahlen und ein Referendum über eine neue Verfassung sowie Freiheit für Pedro Castillo. In der jüngsten Erhebung des Instituto de Estudios Peruanos befürworten 69 Prozent der Befragten eine Verfassungsgebende Versammlung.

In einem strukturell rassistischen und klassistischen Land wie Peru mit einer Oligarchie von Lima, die sich der Provinzen bemächtigt, einem enormen Heer von prekarisierten ArbeiterInnen, einem systematischen Mangel an Werken und Dienstleistungen und einer endemischen Unterdrückung von sozialen KämpferInnen basiert die aktuelle Volksrevolte auch auf altem Unrecht, das heute unerträglich wird.

Der peruanische Staat, schreibt Héctor Bellida, eine der grossen ethisch-moralischen intellektuellen Referenzen dieser Nation, ist «ein Schiff voller Löcher, das ohne Kompass und Kapitän fährt. Die Kapitäne gehen vorüber. Sie kommen mit dem Gedanken, was sie mitnehmen können. Es ist ein Staat der Unfähigkeit, er kann nichts machen, denn alles muss mit privaten Unternehmen ausgehandelt werden». Ein Staat, Macht im Kupferbereich, der aber nicht verhindern konnte, dass 41 grosse Bergbaukontrakte vom Widerstand der Comunidades blockiert sind. Er hat auch nicht die Kraft, die von Fujimori unterzeichneten Verträge, die 2023 auslaufen, neu zu verhandeln.

Die Bewegung hat ein Anfangsdatum, den 7. Dezember, aber ihr Ende bleibt im Dunkeln. Überraschend ist ihr Andauern trotz der brutalen Repression der zivil-militärischen De-facto-Regierung, die die Verfassungsgarantien suspendiert und mehr als 60 Personen ermordet hat; ihr Vorankommen in Wellen; ihre Intelligenz, sich über Weihnachten zurückzuziehen und nach deren Ende mit gewachsener Kraft und Mobilisierungskapazität wieder neu aufzuflammen; ihre Potenz, in Anlehnung an die Marcha de los Cuatro Suyos[6], die den Anfang vom Ende des Fujimorismo signalisierte, eine neue zu organisieren, während sie gleichzeitig den Süden kontrolliert; die Solidaritätsnetze, die sie nähren, beherbergen, mit Wasser versorgen, transportieren, heilen und schützen.

 Die absetzende peruanische Erhebung schliesst sich mit all ihren spezifischen Eigenheiten dem Zyklus von Volksmobilisierungen von unten, die in den letzten Jahren Ecuador, Chile, Kolumbien und Bolivien erschüttert haben, an. Diese südamerikanischen Erfahrungen zeigen auch, dass das Resultat ungewiss ist. Die Geschichte schreitet nicht geradlinig fort.

Das transnationale Minenkapital verlangt Stabilität und Garantien für seine Investitionen und wird all seine Ressourcen und seinen Einfluss für deren Aufrechthaltung einsetzen. Auch wenn der Entscheid, die Volksbewegung zu unterdrücken, in der peruanischen Rechten breit mitgetragen wird, hat die usurpatorische Regierung von Dina Boluarte mittelfristig keine Überlebenschance. Aber die Dimension der Gewalt gegen die Aufständischen kann diesen absetzenden Vorstoss des Peru von unten kurzfristig in Blut ertränken. Das peruanische Volk hat sich in das Subjekt seines eigenen Schicksals gewandelt. Alle Solidarität für dieses Epos!

·        La Jornada, 24. 01. 23: Perú: movimiento popular destituyente



[1] Glencore-Filiale. Alle Fussnoten vom Übersetzer.

[2] Behörde zur Unterstützung elementarer Rechte der unterprivilegierten Schichten und zur Kontrolle des staatlichen Handelns.

[3] Bekanntes spanisches Theaterstück von López de Vega aus dem 17. Jahrhundert über eine bäuerische Revolte gegen die Obrigkeit.

[4] Dorfzusammenschlüsse für Recht und Sicherheit nach eigenen, alten Gesetzen.

[5] Die alte Inkagesellschaft.

[6] Marsch auf Lima.

Das US-Südkommando erklärt sein Interesse an Lateinamerika

Donnerstag, 26. Januar 2023

 (zas, 26. 1.23) Der Putsch in Peru, von der NZZ etwa wie gewohnt als Stärkung des Rechtsstaats dargestellt, ist Teil einer grossangelegten Strategie Washingtons zur Aufrechterhaltung der US-Kontrolle im ganzen Kontinent südlich des Rio Grande. Die brutale Repression des indigen-bäuerischen Aufstandes gegen das Putschdiktat wird bislang von der internationalen Wertegemeinschaft widerspruchslos geschluckt. Kritische «Anpassungen» werden wohl nur erfolgen, wenn sich abzeichnet, dass der Widerstand die Interessen hinter dem Putschregime – die ökonomische Konkurrenz Chinas in Peru möglichst liquidieren, die Ausbeutung der Naturressourcen verschärfen[1], Modernisierung des Kolonialismus - massiv gefährdet. Im Folgenden zwei Beispiele zur neoputschistischen Strategie des westlichen Imperalismus:

 

US-Südkommando – «Gas geben»

 In Lateinamerika sorgt derzeit ein Gespräch der Kommandantin des gegen Lateinamerika gerichteten US-Südkommandos (Southcom) für Aufsehen. Die Generalin Laura Richardson sprach in dem vom NATO-liierten Thinktank Atlantic Council geleiteten Interview vom vergangenen 19. Januar relativ Klartext. China mit seiner in Lateinamerika stark präsenten «Seidenstrasse» identifiziert sie wenig überraschend als wichtigsten «bösartigen» Gegner im Südkontinent, gefolgt erst von Russland mit seinen Verbündeten Venezuela, Kuba, Nicaragua und danach von der Migration verursachenden transnationalen Kriminalität.

Spannend war ihre Begründung, warum Lateinamerika wichtig sei. Die Region sei «so reich an Ressourcen», verkündete sie und führte in Minute 26:30 des Interviews aus: «Warum ist diese Region wichtig? Mit all ihren reichen Ressourcen und Elementen der seltenen Erden; wir haben das Lithium-Dreieck, das heute nötig für die Technologie ist. 60 Prozent des globalen Lithiums ist im Lithium-Dreieck Argentinien, Bolivien, Chile. Wir haben die weltgrössten Reserven» wie die Ölfelder in Guyana. «Wir haben auch die venezolanischen Ressourcen mit Öl, Kupfer, Gold». China beziehe «36 Prozent seiner Nahrungsmittel aus der Region. Wir haben die Amazon-Lungen der Welt; wir haben auch 31 Prozent des globalen Süsswassers in dieser Region». Richardons Schlussfolgerung im Einführungsreferat: «Wir haben viel zu tun. Diese Region ist wichtig. Sie hat viel zu tun mit nationaler Sicherheit und wir müssen Gas geben» (28:15).

Im Gesprächsteil erläuterte die Offizierin Aspekte des Aufgabenbereichs des Southcom. Sie betonte dabei auch den Soft-Power-Aspekt der US-Militärpräsenz in Lateinamerika und der Karibik und nannte in diesem Zusammenhang den Einbezug von Frauen in die US-Streitkräfte, wie er in Lateinamerika jetzt beginne. Und sie meinte, die «Partnernationen» «haben nicht die Macht der Einberufung. Ich meine, sie haben nicht die Kapazität, ein Manöver zu machen und 26 Partnernationen zusammen zu bringen.» Die USA dagegen führten in der Region jährlich acht grosse gemeinsame Manöver durch.

Zum Aspekt Soft Power gehören die von Richardson betonte Kapazität des Southcom für Interagency-Vernetzung. Sie erwähnt etwa die Verbindung mit dem Army Corps of Engineers (wichtig etwa für infrastrukturelle Projekte), Academia und anderen.[2] Soft Power beinhaltet auch die «Schulung» der Armeen für die Übernahme der als vorbildlich taxierten  Vorgehensweisen, Werten und organisatorischen Strukturen der US-Streitkräfte. Das schliesst eben den Einbezug von nicht-militärischen Entitäten in diesen Ländern ein. Wo diese Prozesse unter Anleitung des Southcom laufen, spricht die Generalin von Team Democracy.

Sie erwähnte in diesem Zusammenhang auch, dass das Southcom sich etwa mit Amcham, der US-amerikanischen Handelskammer, koordiniert. Auch zum Aufgabenbereich des Southcom gehöre, Projekte mit Finanzierungsmöglichkeiten für US-Investitionen in Lateinamerika auszuloten. Bei einschlägigen Treffen gehe es um Folgendes: «Welche Projekte haben wir, habt ihr, die startbereit sind. Und flls ihr das nicht habt, lasst uns ein paar Projekte zusammenstellen» und die Finanzierungsmöglichkeiten anschauen.

Solche Zusammenhänge werfen ein Licht auf die Frage, warum Biden & Co. den Putsch in Peru sofort begrüssten.

Die Interviewerin fragte, ob das Southcom mit seinen im Vergleich zu anderen internationale US-Kommandos doch beschränkten Ressourcen an Personal, Ausrüstung und Finanzen in Lateinamerika als «verlässlich» betrachtet werde. «Ich denke, unsere Partner wissen, dass wir verlässlich sind, dass wir fähig sind, denn sie sehen, zu was wir in der Ukraine imstand sind.»

 


Biden auf Trump-Kurs

Vor zwei Monaten brachte The Intercept eine Mitteilung zu einem geleakten Dokument des State Departments zum Putsch in Bolivien gegen den Wahlsieg von Evo Morales 2019. Das Department  übernimmt darin die Behauptung der Trump-Administration und der von dieser gepushten Organisation Amerikanischer Staaten. Bei der elektronischen Auszählung des Resultats habe die Regierung von Morales betrogen. So sei die vorläufige, nicht entscheidende Auszählung urplötzlich gestoppt worden und nach ihrer Wiederaufnahme habe Evo zugelegt und die rechte Konkurrenz geschlagen. Animiert übernahm das Mediengros diese Darstellung, allenfalls mit einer Krokodilsträne, dass auch Indios korrupt sein können. Nun, die Sache ist längst geklärt. Eine Reihe prominenter US-Statistikerinnen und Wahlexperten hatte nämlich bestätigt, was die Spatzen schon längst von den Dächern der bolivianischen Hütten herunterpfiffen: Die Trendwende war das Resultat davon, dass die Stimmzettel aus entlegenen indigenen Ortschaften zum Schluss gezählt wurden. Der Unterbruch stellte auch kein «unerklärliches» Ereignis dar, sondern markierte den Zeitpunkt der Kräfteverlagerung auf die beginnende definitive Auszählung auf Basis der Unterlagen aus den Wahlzentren, die nun eingetroffen waren.

Das State Department wiederholt in seiner Darstellung exakt die Behauptungen der OAS, die zum Signal für den faschistischen Putsch und eine neue Welle von Angriffen auf indigene Comunidades wurden. Und bringt noch eine Zugabe. The Intercept beschreibt sie so: «Nach dem [erneuten Wahlsieg des 2019 gestürzten MAS] begann die Partei 2020 eine Reihe von PutschanführerInnen wegen Menschenrechtsverletzungen, Terrorismus und Korruption während ihres kurzen Regimes zu belangen. Jetzt frei von der Bedrohung durch Verfolgung, kritisierte 2021 einer der in [den Unterbruch] involvierten Offiziellen die OAS-Vorgehensweise. Der State Department-Bericht nennt den Rücktritt des Offiziellen, Vizepräsident des Wahlgerichts Antonio Costas, als weiteren Grund für Zweifel am Wahlresultat. Doch Costas sagt, er sei wegen der überwältigenden Beweise, dass das Vorrücken von Morales legitim war, zurückgetreten.»

Im letzten Quartal 2022 versuchte sich die weisse Elite des reichen Departments Santa Cruz erneut an einem gewaltsamen Umsturz. Der Bericht des State Departments diente da zur «moralischen Rückenstärkung». Dieser Versuch ist vorerst gescheitert, sein Anführer Camacho, Gouverneur von Santa Cruz, antiindigener Aufhetzer und Zentralfigur während des Putsches 2019, sitzt jetzt wegen Beteiligung an Putschverbrechen in U-Haft.

 

 

«Team democracy» im Kontinent

Neoputschismus, Lawfare, Regime Change, Sanktionen – Aspekte einer gefährlichen Strategie gegen den Versuch in Lateinamerika, die Politik des gesellschaftlichen Wandels wiederaufzunehmen. So scheint die erneute direkt militärische Beherrschung Haitis primär wegen des Zögerns Kanadas, die von Washington dafür vorgesehene Lead-Funktion zu übernehmen, ins Stocken geraten, aber nicht abgesagt zu sein. In Argentinien wütet der Justizkrieg gegen alle und alles, was nicht auf oligarchischer und imperialistischer Linie liegt (auch das medial oft als «Stärkung des Rechtsstaats» verkauft). In Peru sind Glencore und ihresgleichen mit dabei im team democracy. In Brasilien ist bezeichnenderweise der Putsch gegen Lula noch nicht erfolgreich, da Biden darauf setzt, Lula und die Seinen mit ökonomischem Druck kirre zu machen – und da Bolsonaro nun wirklich nicht als Demokratiehoffnung dargestellt werden kann. In Kolumbien tanzt die in Manchem vorbildliche Regierung von Gustavo Petro auf einem Vulkan von extrem rechten Streitkräften, Narkos, Paramilitärs, Oligarchie und dominierenden US-Militärbasen. In Honduras versuchen die USA & Co. gerade die «Umarmung des Bären», um die fortschrittliche Regierung von Xiomara Castro funktional für MigrantInnenhatz und US-Investitionswünsche zu machen. Das Sanktionsregime gegen Kuba ist nach Aussagen der kubanischen Führung trotz einiger punktuellen Verbesserungen heute schärfer als selbst unter Trump. In Venezuela ist Washington gerade dabei, die Verhandlungen zwischen rechter Opposition und Chavismus zu sabotieren, indem es sich konsequent weigert, trotz Zusage auch nur einen Cent an die abgemachten $ 3 Mrd.  aus dem dem Land geraubten Vermögen einem UNO-Fonds für humanitäre Projekte zur Verfügung zu stellen. Nicaraguas Devisenbringer Goldbergbau wird sanktioniert – der Versuch der sandinistischen Regierung, den entsprechenden Handel mit China auszuweiten, wird im Southcom zweifellos als feindlicher Akt beurteilt.

Das ist ein Ausschnitt aus dem Gefahrenszenario. Auf der anderen Seite zeigen uns Dinge wie der Widerstand in Peru, die enormen Kämpfe, die in Kolumbien gegen das NATO-liierte Regime der letzten Jahre, die starken Mobilisierungen in Bolivien und in vielen anderen Ländern, die zahlreichen, jetzt auch in linken Strömungen besser verstandenen Stimmen des indigenen Widerstands, dass auch das team democracy samt seiner oligarchischen Führungsschichten keineswegs gewonnen hat.  

Peru: «Ich bin hier, weil die Polizei meine Kinder und meine Enkel umgebracht hat.»

Mittwoch, 25. Januar 2023

 (zas, 25. 1. 23) Die Kämpfe in Peru gehen seit Anfang Jahr jeden Tag trotz massiver Repression weiter. Zum „Marsch auf Lima“ von letztem Freitag waren Zehntausende, vor allem, aber nicht nur aus den Anden im Süden in Karawanen in die Hauptstadt aufgebrochen. Es müssen mitreissende Szenen gewesen sein, als sie in den Tagen zuvor auf ihren Routen in den Städten und Dörfern, die sie passierten, von grossen Menschenmengen empfangen wurden. Auf Videos zeigten sich viele der Marschierenden tiefbewegt von solch überwältigender Liebe – sie wussten, dass sie auch für alle diese ihre Leute das Risiko eingingen, nach Lima gingen.

Dort kam es zu grossen, nach übereinstimmenden Berichten «unorganisierten» Demozügen in das Stadtzentrum. Das von vielen festgestellte Fehlen einer übergeordneten Leitung verweist vielleicht auf ein kollektives Selbstverständnis der angereisten Aymaras und Quechuas, aber auch jener indigenen Kontingente aus dem Amazonasgebiet, dem Norden des Landes und aus Lima selbst: Man orientiert sich in der Auseinandersetzung an den gewohnten Strukturen der Versammlungen und Entscheidungsfindungen. Schon zuvor hatten StudentInnen Teile der San-Marcos-Universität besetzt, um Vielen ein Dach über dem Kopf zu bieten – solche Solidarität kam auch in vielen anderen entsprechenden Initiativen zum Ausdruck.

Berichte in Medien wie der argentinischen Página/12 oder dem indigenen peruanischen Portal wayka.pe betonen die starke Präsenz von Unterklassenfrauen, etwa Marktverkäuferinnen, in den Kämpfen, sowohl in Lima wie auch in den gleichzeitigen Mobilisierungen in beträchtlichen Teilen des Landes. In Lima griffen die Sicherheitskräfte die Demos im Stadtzentrum an - ein Dauerbeschuss mit Gummischrot und Tränengas. Viele Leute versuchten, mit Steinschleudern und Steinwürfen Widerstand zu leisten, mussten aber nach stundenlangen Auseinandersetzungen und mit zahlreichen Verletzten den Rückzug antreten. Zu betonen ist auch der Einsatz vieler Demosanitätsgruppen, die die Strukturen in Lima organisiert hatten.

In der folgenden Nacht griffen mehrere hundert Polizisten die besetzte Universität an. Um dort einzubrechen, fuhren sie mit einem gepanzertem Wagen gegen das verbarrikadierte Hauptportal. Sie nahmen nach offiziellen Angaben etwa 300 Personen fest, StudentInnen und Auswärtige. Die Leute wurden brutal behandelt und eingesperrt. Als Provokation oder Demütigung liessen die Bullen in der Uni  ein bekanntes Wahlkampflied des früheren Diktators Fujimori abspielen. Eine Vertreterin der Comisión Nacional de Derechos Humanos berichtete später von gravierenden sexuellen Übergriffen auf die verhafteten Frauen. Am Tag darauf entliess die Staatsanwaltschaft die Gefangenen, da ihre «Festnahme» krass widerrechtlich war (keine Leute der Staatsanwaltschaft involviert u. a.). Der flagrante Angriff auf die in Lateinamerika traditionell hochgehaltene Universitätsautonomie sorgte verbreitet für Empörung. Vieles erinnert an die Polizeiangriffe auf die Übernachtenden in der Scuola Diaz in Genua beim Widerstand gegen das G7-Treffen von 2001.

Doch Lima blieb nicht allein. In anderen Teilen des Landes kam es zu heftigen Zusammenstössen mit den Sicherheitskräften und wie auch in Lima erneut zu Toten und Verletzten. Nach offiziellen Angaben sind seit dem Putsch etwa 60 Menschen erschossen worden. Die Putschpräsidentin Dina Boluarte erklärte, Evo Morales habe die tödliche Munition geliefert und die Schussopfer seien von den eigenen Leuten getötet worden.

Seither ist Lima ein Zentrum der Auseinandersetzungen. Viele der Angereisten bleiben, wie sie angekündigt hatten – «bis zum Rücktritt von Dina» - Gewerkschaften und linke Strukturen in der Hauptstadt mobilisieren unentwegt weiter. Gerade gestern ist es in der Hauptstadt erneut zu einer Grossmobilisierung gekommen, die ebenfalls mit Dauerbeschuss mit Tränengas und Gummischrott bekämpft wurde. «Dina, asesina, mataste a nuestros hijos» (Dina, Mörderin, du hast unsere Kinder umgebracht) und der im Kontinent bekannte Ruf «La sangre derramada, jamás será olvidada» (Das vergossene Blut wird nie vergessen) - so erschallte die Antwort.  Im Landesinnern, wo das Regime in vielen Regionen seit Tagen den Ausnahmezustand einschliesslich nächtlicher Ausgangsperre verhängt hat, kommt es dessen ungeachtet zu Mobilisierungen und teilweise militanten Zusammenstössen. Laut Página/12 sind immer noch über 70 wichtige Strassenverbindungen gesperrt. Zwar lösen Armee und/oder Polizei diese oft auf, können aber nicht verhindern, dass sie bald woanders wieder entstehen. Leider, aber kaum verwunderlich, zirkulieren relativ wenig Informationen über die Vorgänge im Landesinnern.

In diesem Zusammenhang wichtig diese Aussage der Bäuerin Valentina Chuqui aus dem Widerstandszentrum Puno, die heute in der Página/12 erklärt, warum sie in Lima ist: «Ich bin hier, weil die Polizei meine Kinder und meine Enkel umgebracht hat. Deshalb sind wir aus Puno im Kampf in Lima. Es gibt Tote, die verschwunden sind, es gibt mehr Tote, als sie sagen.» Und zu Boluarte: «Sie sagt, wir seien ignorante Campesinos. Wir sind nicht ignorant, sie ist ignorant, sie versteht nicht, wofür wir kämpfen. Was sollen wir verhandeln, wenn sie uns nicht wertschätzt!  Wir wollen Respekt, Anerkennung unserer Arbeit. Wenn sie uns töten, sollen sie uns alle töten, wir haben keine Angst».

Peru: Repression und Notzustand stoppen die Proteste nicht

Dienstag, 17. Januar 2023

Carlos Noriega*

41 Tage Regierung der Präsidentin Dina Boluarte und 41 Tote, erschossen von den Sicherheitskräften in der Repression von Antiregierungskräften. Eine Statistik des Schreckens. Das Total der seit dem Sturz von Pedro Castillo und der Präsidentschaft von Boluarte 49 Tote einschliesslich eines Polizisten, der von einer wütigen Menge geschlagen und verbrannt wurde, nachdem die Polizei in der Andenstadt Juliaca 18 Protestierende tötete, und 7 weitere EinwohnerInnen wegen Strassenblockaden nicht rechtzeitig zum Gesundheitsposten gelangten.

Mehr als 600 Verletzte, ein guter Teil durch Schüsse. Rücktritt von Boluarte, der von der Repression verursachten Todesfälle angeklagt, das Vorziehen auf dieses Jahr der für April 2024 programmierten Wahlen und Ablehnung des von den Rechten kontrollierten Parlaments – diese Forderungen vereinen einen Protest von lokalen und multiplen Führungskräften, der nicht politischen Parteien entspringt. Es ist ein im Wesentlichen andiner und bäuerischer Protest.

 Die blutige Repression, der Notzustand, die Festnahmen, die Terrorismusanschuldigung gegen Demonstrierende und die von Regierung, Kongress und Medien betriebene Kriminalisierungskampagne stoppen die massiven Proteste mit der Forderung nach Boluartes Rücktritt nicht. Sie begannen im andinen Süden, der ärmsten und am meisten diskriminierten und am meisten mit dem abgesetzten und gefangenen Ex-Präsidenten Pedro Castillo identifizierten Zone. Dort sind sie massiv  und haben die Region paralysiert; sie dehnen sich auf den Rest des Landes aus. In verschiedenen Regionen ist ein unbefristeter Generalstreik ausgerufen worden. Diesen Montag gab es auch im Norden Strassenblockaden, die im Süden verbreitet sind. Die Strasse Panamericana Norte wurde in der Region La Libertad blockiert, 500 km nördlich von Lima. Auch amazonische Regionen haben sich den Protesten angeschlossen.

Die Einnahme von Lima

Aus den Anden mit den täglichen Mobilisierungen gegen die Regierung haben bäuerische Comunidades zur «Einnahme von Lima» aufgerufen, einem Massenmarsch auf die Hauptstadt, um im politischen und wirtschaftlichen Zentrum des Landes den Protest zu verallgemeinern. Schon begannen in Lima Mobilisierungen aus verschiedenen Regionen. Die Behörden, besorgt, dass die Massenproteste in Lima zum Schlussstrich unter eine in der Repression starke, aber in Sachen Popularität politisch schwache Regierung werden würden, drohen, sie nicht in die Stadt zu lassen, wo die EinwohnerInnen schon für die Absetzung von Boluarte mobilisieren.

(…)

Zwischen Schmerz und Empörung – so sind die Strassen der andinen Ortschaften wie der von Juliaca, der Stadt in der Hochebene von Puno, und von Ayacucho, wo die Sicherheitskräfte achtzehn [hier fehlt ein Wort, vermutlich: Demonstrierende] und 10 Einwohner erschossen haben. In ihnen gab es massenhafte Leichenzüge, um ihre Toten zu verabschieden. In diesen Tagen verabschiedete sich in Cusco eine grosse Menge vom Bauernführer Remo Candia, Präsident der Federación Campesina in der Provinz Anta, am vergangenen Mittwoch bei einem Protest in diese Stadt erschossen. Musikbands haben sich den täglichen Protesten angeschlossen, wo zum andinen Rhythmus «Dina, asesina, el pueblo te repudia» (Dina, Mörderin, das Volk lehnt dich ab) gesungen wird.

 

·        aus «Perú: la represión y el estado de emergencia no detienen las masivas protestas” in der argentinischen Zeitung Página/12 vom 17. Januar 2023