Peru: Neuer Widerstand, Minen, indigen-kommunitärer Feminismus

Freitag, 6. Januar 2023

 

(zas, 6. 1. 23) Wie angekündigt, ist der Widerstand gegen den institutionellen Putsch in Peru nach Weihnachten/Neujahr wieder auf die Strassen gegangen. Es kam in vielen Landesgegenden, vor allem aber im widerständigen Süden, zu mehr als 40 grossen Strassenblockaden, darunter auch der wichtigsten Überlandverbindung Panamericana Sur. An verschiedenen Orten setzten die Sicherheitskräfte Tränengas ein (auch in Lima, als eine Demo vor das Parlamentsgebäude ziehen wollte), aber offenbar nirgends Schusswaffen.  Bei den Protesten im Dezember hat die Armee vor Weihnachten ermordeten Armee und Polizei rund 30 DemonstrantInnen (davon allein 8 im Departement Ayacucho anlässlich einer Besetzung des für Handel und Tourismus wichtigen Flughafens der dortigen gleichnamigen Hauptstadt). Das ist dem rechtsstaatlichen Glitter um den Putsch, den auch beflissene Medien in unseren Breitengraden weiterbreiten, abträglich. Vielleicht spielte angesichts des kaum noch «reparierbaren» Bruchs zwischen indigenen und anderen verarmten Bevölkerungsklassen und kolonialistischen Elite im Land auch das Kalkül, diesen mit Zugeständnissen doch noch irgendwie kitten zu können. Immerhin: Erst mal musste das Morden eingestellt werden.

Der jüngste Widerstand drückte sich auch in einem von gewerkschaftlichen und linken Kräften ausgerufenen Generalstreik aus, dessen reale Dimension aufgrund der vorliegenden Berichte nur schwer einzuschätzen ist. Aber durchaus möglich, dass wir bald von Streiks in und Blockaden von Minen und Erdölförderzentren hören. Gerade hier könnten sich die Gewerkschaftskräfte des Widerstandes mit jenen der indigenen Organisationen verbinden, so weit es da überhaut klare Grenzen dazwischen gibt. Die Bergbaumultis werden von indigenen Comunidades seit Jahren wegen ihrer Menschen-, Kultur- und Naturzerstörung antagonistisch bekämpft. Je nach Berichten gelten die Gewerkschaften oder aber indigene Regionalstrukturen in diesen Tagen als treibende Kräfte im Kampf gegen den Putsch.

In diesem Zusammenhang ein Zitat der kommunitären Feministin Liz Medrano in einem Artikel der argentinischen Linkszeitung Página/12 von Ende Dezember (Perú: las feministas comunitarias, en las calles von Claudia Korol):

«Wir konnten sehen, dass Pedro Castillo in diesem letzten Jahr hinter dem Rücken des Volkes regierte, denn leider hat dieser obstruktionistische und rechte Kongress ihn stets in die Enge zu treiben versucht. Und Castillo versuchte sich anzupassen. Aber wir wissen auch, dass Castillo sich verpflichtet hatte, die Dekrete, die unsere Territorien an die extraktiven Multis, an die Bergbaukonzessionen übergaben, zu revidieren. Und 40 Minenprojekte, welche der Kongress ermöglichen wollte, erhielten Beobachtungen[1]. Wir sind sicher, dass der Staatsstreich deshalb geplant wurde. Es gab schon drei Versuche, Castillo abzusetzen, und das sind Mechanismen, die schon in anderen Geschwisterterritorien zur Anwendung kamen, wie in Bolivien oder in Brasilien. Denn die Rechte will nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die politische Macht, die Kontrolle von absolut allem. Von unseren Körpern, von unseren Territorien, von unseren Leben, von unserer Arbeit, von unseren Zeiten. Wir sehen auch, wie die US-Intervention zur Kontrolle unserer Territorien funktioniert. Sie zielt auf Massnahmen jenseits der Entscheide des Volkes wie bei den Energietransitionen, von den Gleichen propagiert, die unsere Territorien zerstören.»

Kommunitärer Feminismus bezeichnet in südamerikanischen Ländern mit indigenen Bewegungen einen mit der Kultur und der Lebensrealität der indigenen Gemeinschaften verbundenen Feminismus gegen Patriarchat, Kolonialismus, Kapitalismus (s. für Peru dazu auch Die Stimmen für Pedro Castillo waren auch feministisch in Correos 201 vom November 2021). Zum Komplex Putsch und Minen: In Peru mehren sich die Aussagen, wonach Castillo so oder so per Ende 2022 aus dem Amt gepuscht werden sollte, da im neuen Jahr viele Konzessionen an Bergbaumultis – auch zur Förderung von Lithium und Kobalt - verlängert bzw. neu abgeschlossen werden sollen. Genauere Informationen haben wir nicht, aber wäre es verwunderlich? Haben wir Anlass, die Intelligenz der Kämpfenden zu hinterfragen? Hat zum Putsch 2019 in Bolivien nicht ein gewisser Elon Musk über Twitter verbreitet: «We will coup whoever we want! Deal with it».

Widerstand gegen Putsch. Bild: Página/12

 



[1] Castillo schickte sie mit Kritiken an das Parlament zurück, sie traten deshalb nicht in Kraft.