(zas, 26. 1.23) Der Putsch in Peru, von der NZZ etwa wie gewohnt als Stärkung des Rechtsstaats dargestellt, ist Teil einer grossangelegten Strategie Washingtons zur Aufrechterhaltung der US-Kontrolle im ganzen Kontinent südlich des Rio Grande. Die brutale Repression des indigen-bäuerischen Aufstandes gegen das Putschdiktat wird bislang von der internationalen Wertegemeinschaft widerspruchslos geschluckt. Kritische «Anpassungen» werden wohl nur erfolgen, wenn sich abzeichnet, dass der Widerstand die Interessen hinter dem Putschregime – die ökonomische Konkurrenz Chinas in Peru möglichst liquidieren, die Ausbeutung der Naturressourcen verschärfen[1], Modernisierung des Kolonialismus - massiv gefährdet. Im Folgenden zwei Beispiele zur neoputschistischen Strategie des westlichen Imperalismus:
US-Südkommando – «Gas geben»
In Lateinamerika sorgt derzeit ein Gespräch der Kommandantin des gegen Lateinamerika gerichteten US-Südkommandos (Southcom) für Aufsehen. Die Generalin Laura Richardson sprach in dem vom NATO-liierten Thinktank Atlantic Council geleiteten Interview vom vergangenen 19. Januar relativ Klartext. China mit seiner in Lateinamerika stark präsenten «Seidenstrasse» identifiziert sie wenig überraschend als wichtigsten «bösartigen» Gegner im Südkontinent, gefolgt erst von Russland mit seinen Verbündeten Venezuela, Kuba, Nicaragua und danach von der Migration verursachenden transnationalen Kriminalität.
Spannend war ihre Begründung, warum Lateinamerika wichtig sei. Die Region sei «so reich an Ressourcen», verkündete sie und führte in Minute 26:30 des Interviews aus: «Warum ist diese Region wichtig? Mit all ihren reichen Ressourcen und Elementen der seltenen Erden; wir haben das Lithium-Dreieck, das heute nötig für die Technologie ist. 60 Prozent des globalen Lithiums ist im Lithium-Dreieck Argentinien, Bolivien, Chile. Wir haben die weltgrössten Reserven» wie die Ölfelder in Guyana. «Wir haben auch die venezolanischen Ressourcen mit Öl, Kupfer, Gold». China beziehe «36 Prozent seiner Nahrungsmittel aus der Region. Wir haben die Amazon-Lungen der Welt; wir haben auch 31 Prozent des globalen Süsswassers in dieser Region». Richardons Schlussfolgerung im Einführungsreferat: «Wir haben viel zu tun. Diese Region ist wichtig. Sie hat viel zu tun mit nationaler Sicherheit und wir müssen Gas geben» (28:15).
Im Gesprächsteil erläuterte die Offizierin Aspekte des Aufgabenbereichs des Southcom. Sie betonte dabei auch den Soft-Power-Aspekt der US-Militärpräsenz in Lateinamerika und der Karibik und nannte in diesem Zusammenhang den Einbezug von Frauen in die US-Streitkräfte, wie er in Lateinamerika jetzt beginne. Und sie meinte, die «Partnernationen» «haben nicht die Macht der Einberufung. Ich meine, sie haben nicht die Kapazität, ein Manöver zu machen und 26 Partnernationen zusammen zu bringen.» Die USA dagegen führten in der Region jährlich acht grosse gemeinsame Manöver durch.
Zum Aspekt Soft Power gehören die von Richardson betonte Kapazität des Southcom für Interagency-Vernetzung. Sie erwähnt etwa die Verbindung mit dem Army Corps of Engineers (wichtig etwa für infrastrukturelle Projekte), Academia und anderen.[2] Soft Power beinhaltet auch die «Schulung» der Armeen für die Übernahme der als vorbildlich taxierten Vorgehensweisen, Werten und organisatorischen Strukturen der US-Streitkräfte. Das schliesst eben den Einbezug von nicht-militärischen Entitäten in diesen Ländern ein. Wo diese Prozesse unter Anleitung des Southcom laufen, spricht die Generalin von Team Democracy.
Sie erwähnte in diesem Zusammenhang auch, dass das Southcom sich etwa mit Amcham, der US-amerikanischen Handelskammer, koordiniert. Auch zum Aufgabenbereich des Southcom gehöre, Projekte mit Finanzierungsmöglichkeiten für US-Investitionen in Lateinamerika auszuloten. Bei einschlägigen Treffen gehe es um Folgendes: «Welche Projekte haben wir, habt ihr, die startbereit sind. Und flls ihr das nicht habt, lasst uns ein paar Projekte zusammenstellen» und die Finanzierungsmöglichkeiten anschauen.
Solche Zusammenhänge werfen ein Licht auf die Frage, warum Biden & Co. den Putsch in Peru sofort begrüssten.
Die Interviewerin fragte, ob das Southcom mit seinen im Vergleich zu anderen internationale US-Kommandos doch beschränkten Ressourcen an Personal, Ausrüstung und Finanzen in Lateinamerika als «verlässlich» betrachtet werde. «Ich denke, unsere Partner wissen, dass wir verlässlich sind, dass wir fähig sind, denn sie sehen, zu was wir in der Ukraine imstand sind.»
Biden auf Trump-Kurs
Vor zwei Monaten brachte The Intercept eine Mitteilung zu einem geleakten Dokument des State Departments zum Putsch in Bolivien gegen den Wahlsieg von Evo Morales 2019. Das Department übernimmt darin die Behauptung der Trump-Administration und der von dieser gepushten Organisation Amerikanischer Staaten. Bei der elektronischen Auszählung des Resultats habe die Regierung von Morales betrogen. So sei die vorläufige, nicht entscheidende Auszählung urplötzlich gestoppt worden und nach ihrer Wiederaufnahme habe Evo zugelegt und die rechte Konkurrenz geschlagen. Animiert übernahm das Mediengros diese Darstellung, allenfalls mit einer Krokodilsträne, dass auch Indios korrupt sein können. Nun, die Sache ist längst geklärt. Eine Reihe prominenter US-Statistikerinnen und Wahlexperten hatte nämlich bestätigt, was die Spatzen schon längst von den Dächern der bolivianischen Hütten herunterpfiffen: Die Trendwende war das Resultat davon, dass die Stimmzettel aus entlegenen indigenen Ortschaften zum Schluss gezählt wurden. Der Unterbruch stellte auch kein «unerklärliches» Ereignis dar, sondern markierte den Zeitpunkt der Kräfteverlagerung auf die beginnende definitive Auszählung auf Basis der Unterlagen aus den Wahlzentren, die nun eingetroffen waren.
Das State Department wiederholt in seiner Darstellung exakt die Behauptungen der OAS, die zum Signal für den faschistischen Putsch und eine neue Welle von Angriffen auf indigene Comunidades wurden. Und bringt noch eine Zugabe. The Intercept beschreibt sie so: «Nach dem [erneuten Wahlsieg des 2019 gestürzten MAS] begann die Partei 2020 eine Reihe von PutschanführerInnen wegen Menschenrechtsverletzungen, Terrorismus und Korruption während ihres kurzen Regimes zu belangen. Jetzt frei von der Bedrohung durch Verfolgung, kritisierte 2021 einer der in [den Unterbruch] involvierten Offiziellen die OAS-Vorgehensweise. Der State Department-Bericht nennt den Rücktritt des Offiziellen, Vizepräsident des Wahlgerichts Antonio Costas, als weiteren Grund für Zweifel am Wahlresultat. Doch Costas sagt, er sei wegen der überwältigenden Beweise, dass das Vorrücken von Morales legitim war, zurückgetreten.»
Im letzten Quartal 2022 versuchte sich die weisse Elite des reichen Departments Santa Cruz erneut an einem gewaltsamen Umsturz. Der Bericht des State Departments diente da zur «moralischen Rückenstärkung». Dieser Versuch ist vorerst gescheitert, sein Anführer Camacho, Gouverneur von Santa Cruz, antiindigener Aufhetzer und Zentralfigur während des Putsches 2019, sitzt jetzt wegen Beteiligung an Putschverbrechen in U-Haft.
«Team democracy» im Kontinent
Neoputschismus, Lawfare, Regime Change, Sanktionen – Aspekte einer gefährlichen Strategie gegen den Versuch in Lateinamerika, die Politik des gesellschaftlichen Wandels wiederaufzunehmen. So scheint die erneute direkt militärische Beherrschung Haitis primär wegen des Zögerns Kanadas, die von Washington dafür vorgesehene Lead-Funktion zu übernehmen, ins Stocken geraten, aber nicht abgesagt zu sein. In Argentinien wütet der Justizkrieg gegen alle und alles, was nicht auf oligarchischer und imperialistischer Linie liegt (auch das medial oft als «Stärkung des Rechtsstaats» verkauft). In Peru sind Glencore und ihresgleichen mit dabei im team democracy. In Brasilien ist bezeichnenderweise der Putsch gegen Lula noch nicht erfolgreich, da Biden darauf setzt, Lula und die Seinen mit ökonomischem Druck kirre zu machen – und da Bolsonaro nun wirklich nicht als Demokratiehoffnung dargestellt werden kann. In Kolumbien tanzt die in Manchem vorbildliche Regierung von Gustavo Petro auf einem Vulkan von extrem rechten Streitkräften, Narkos, Paramilitärs, Oligarchie und dominierenden US-Militärbasen. In Honduras versuchen die USA & Co. gerade die «Umarmung des Bären», um die fortschrittliche Regierung von Xiomara Castro funktional für MigrantInnenhatz und US-Investitionswünsche zu machen. Das Sanktionsregime gegen Kuba ist nach Aussagen der kubanischen Führung trotz einiger punktuellen Verbesserungen heute schärfer als selbst unter Trump. In Venezuela ist Washington gerade dabei, die Verhandlungen zwischen rechter Opposition und Chavismus zu sabotieren, indem es sich konsequent weigert, trotz Zusage auch nur einen Cent an die abgemachten $ 3 Mrd. aus dem dem Land geraubten Vermögen einem UNO-Fonds für humanitäre Projekte zur Verfügung zu stellen. Nicaraguas Devisenbringer Goldbergbau wird sanktioniert – der Versuch der sandinistischen Regierung, den entsprechenden Handel mit China auszuweiten, wird im Southcom zweifellos als feindlicher Akt beurteilt.
Das ist ein Ausschnitt aus dem Gefahrenszenario. Auf der anderen Seite zeigen uns Dinge wie der Widerstand in Peru, die enormen Kämpfe, die in Kolumbien gegen das NATO-liierte Regime der letzten Jahre, die starken Mobilisierungen in Bolivien und in vielen anderen Ländern, die zahlreichen, jetzt auch in linken Strömungen besser verstandenen Stimmen des indigenen Widerstands, dass auch das team democracy samt seiner oligarchischen Führungsschichten keineswegs gewonnen hat.