(zas, 23.11.14) Die letzten beiden Tage erlebte Honduras so
etwas wie eine Polizeirevolte. Auslöser: Sicherheitsminister Arturo Corrales,
ein wichtiges diplomatisch-politisches Element in der Putschregie von 2009, gab
letzten Freitag die Entlassung des weniger als ein Jahr als Chef der Policía Nacional (PN) amtierenden Ramón
Antonio Sabillón zugunsten von dessen bisherigem Vize bekannt. Die meisten
hochrangigen Polizeichefs strömten darauf ins Polizeihauptquartier Casamata, wo
sich Sabillón bis spät gestern Nacht (Ortszeit) verbarrikadiert hatte, unter
dem Schutz von Einheiten der Polizeielitetruppe Cobras gegen einen allfälligen
Armeeangriff. Gestern Nacht nun räumte Sabillón das Feld.
Hintergrund der Auseinandersetzung ist offenbar der mit der Absetzung von Sabillón noch verschärfte
Prozess der Relegierung der zivilen Polizei zugunsten der vom jetzigen Staatspräsidenten
Juan Orlando Hernández in seiner Zeit als (äusserst mächtiger)
Parlamentspräsident geschaffenen Policía
Militar (PM). Die PN ist bekannt als korrupt und brutal, einen Ruf, den
sich die PM in der kurzen Zeit ihrer Existenz natürlich ebenfalls erworben hat.
PM in Honduras. Quelle: Eric |
Feminzid unwichtig,
wichtig die Miss-Wahl
Als Beispiel für die von der PN verteidigte Unsicherheit und
Straflosigkeit sehen wir dieser Tage vor dem 25. November, dem internationalen
Tag gegen Gewalt an Frauen, wie die PN den Mord an zwei Schwestern im
Departement Santa Bárbara binnen sechs Tagen aufgeklärt zu haben scheint: Die
Leichen der beiden Ermordeten wurden
gefunden, der mutmassliche Täter ist gefasst. Hintergrund: Die eine der beiden
Schwestern sollte demnächst als Miss Honduras am internationalen Wettbewerb
teilnehmen. In diesem Fall gab es ein grosses mediales Echo im In- und Ausland,
worauf die PN flugs zeigte, dass sie auch ermitteln kann. Bis zum Tag des
Mordes an den beiden sind in Honduras in diesem Jahr weitere 328 Frauen Opfer eines
Feminizids geworden; in der Regel bleiben 98 Prozent von Feminiziden ungestraft.
Der Kontrast ist klar, und noch etwas, wie Gladys Lanza von der feministischen
Gruppe Visitación Padilla festhält:
„Man hat dem Schönheitswettbewerb viel Gewicht
gegeben, es scheint, dass er das Wichtigste ist. Aber ich denke, es geht um
eine Frau mit dem Recht auf Leben, und das reicht, um klar zu machen: Trotz ich
weiss nicht wieviel Polizei und wieviel Armee auf der Strasse ist es nicht
möglich, die Ermordung, Entführung oder Folter von Frauen einzudämmen.“
Der Besuch des Southcom und die Wagenkolonne der Botschaft
Der Besuch des Southcom und die Wagenkolonne der Botschaft
Dieser „Umstand“ kümmert den Präsidenten Hernández und seine
Entourage wenig. JOH ist ein ergebener Verfechter der Durchmilitarisierung
aller Sicherheitsbereiche, die die Gewalteskalation in diesem Land mit der laut
UNO weltweit höchsten Mordrate im Jahr 2013 anheizt. Wer einer „Säuberung“ der
PN fordert, ohne die anderen Sicherheitskräfte einzubeziehen, redet einer weiteren
Militarisierung der Gesellschaft das Wort.
Mitglieder der Linkspartei Libre – ihrerseits gerade in
einer schweren inneren Krise – sind in den beiden Tagen der Revolte ins
Polizeiquartier geströmt, um dem Abgesetzten ihre Solidarität zu bekunden. So die
ehemalige Ex-Direktorin des polizeiinternen Disziplinardienstes und heutige Libre-Vertreterin
in der Stadtregierung von Tegucigalpa, der zufolge die Absetzung von Sabillón
illegal ist, da sämtliche für einen solchen Fall vorgesehenen institutionellen
Prozederes missachtet wurden.
Es scheint sich auch nicht allein um eine diktatorische „Anwandlung“ des Präsidenten zu handeln. Das
Jesuitenradio Eric jedenfalls berichtete
letzten Freitag: „Der Absetzung des Polizeichefs
ging ein unerwarteter Landesbesuch einer zahlreichen Gruppe von Personen des
US-Pentagons unter Leitung von John Kelly, Chef des Südkommandos der
US-Streitkräfte, voraus. Er war …. an der Entscheidung, der Policía Nacional
das Genick zu brechen, beteiligt … Die direkte US-Präsenz in der Krise war
sichtbar und liess sich nicht verheimlichen. So bewegte sich zum Beispiel in
der Nacht eine Wagenkolonne von der Botschaft zur Casamata, um die Krise zu
beenden. Wir müssen zugeben, dass wir
unter nordamerikanischer Kontrolle stehen.“
Selbst die Regimemedien, die die Affaire zur Bagatelle
herunterspeilten, kamen nicht ganz umhin, eine US-spur anzudeuten. Das tönte
dann in El Tiempo Online spät nachts letzten Freitag dann so: „Aufmerksamkeit erheischte die Ankunft von
Personen mit US-Nationalität [in der Casamata], denen die Polizisten einen
Grussboten, weshalb man spekulierte, dass es um Bürger der USA gehe, die
Wohltäter der Polizei sind“.
Hernández in Honduras tanzt nach der gleichen Pfeife wie Amtskollege
Peña Nieto in Mexiko. Mordraten oder Massaker sind dann stets das Argument, die
Protektoren (und oft auch die Täter) erst recht aufzurüsten und zu stärken.
Schliesslich ist der Pentagon- „Drogenkrieg“ auch in Honduras äusserst
produktiv im Sinne der umfassenden Erschliessung des mesoamerikanischen
Grossraums.