Wenn du wissen willst, wie moderner, aufgeklärter Rassismus transportiert
wird, reicht es meist, einen Blick in die Zeitung zu werfen. Als verlässliche Fundgrube
erweisen sich etwa die Artikel des Afrika-Korrespondenten der NZZ. Nehmen wir die
Ausgabe von heute. Der Titel als Blickfang:
«Shell im Sumpf des Nigerdeltas».
Was bewegt den Schreiber? Amnesty International hat gerade
einen Bericht zu den Verbrechen von Shell in Nigeria in den 90er Jahren, zur
engen Kooperation mit der mörderischen Armee, herausgegeben. David Signer ist studierter
Ethnopsychologe und weiss, was sich gehört. Wenn Amnesty was äussert, wird
zugehört – und manchmal auch wiedergegeben. Wir erfahren, was schon lange klar
war: Shell war mitten drin im Mordgeschäft, bis in die hohen Etagen hinein. Es
gibt auch «eine mögliche Verwicklung»
des Konzerns in den Mord am Autor Ken Saro-Wiwa. Dagegen gingen damals in afrikanischen
Ländern (und auch in Europa) viele auf die Strassen.
Zehn Jahre später, schreibt Signer, wiederholte sich die
Sache: Wikileaks dokumentierte die enge Beziehung von Shell zu nigerianischen Karmeeeinheiten
im Einsatz gegen eine Rebellengruppe im Öldelta. Doch siehe, besagte Gruppe war
nicht rebellisch, sondern kriminell, und hat von Shell Schutzgeldzahlungen
erpresst. Ausserdem: «Paradox ist, dass
Shell solche Gruppen womöglich mit besten Absichten unterstützte», schreibt
unser Afrika-Man. Wie das? Weil der Multi nach den Erfahrungen der Vergangenheit
jetzt auch in die soziale Entwicklung im Delta investierte (best lessons learnt,
heisst das) und dabei auf Leute reinfiel, die für soziale Organisationen
auftretend, bloss Strohfiguren der kriminellen Gruppe waren. Hat einer von der Financial
Times recherchiert.
Und so klärt sich im Artikelausblick die Lage wieder: «Allgemein gesagt, fördern die Gelder, die
Shell und andere Ölkonzerne in die Region pumpen, Begehrlichkeiten und
erweitern den Kampf um die Ressourcen um einen zusätzlichen Aspekt. Wer in
einem so vergifteten, explosiven Umfeld wie dem Nigerdelta tätig ist, machte
und macht sich die Hände schmutzig, ob er es will oder nicht.»
Da können Shell & Co. noch so sozial sein, sie wecken «Begehrlichkeiten».
Das Problem ist nicht «der Neger», das weiss Signer, modern
und studiert, natürlich. Es ist halt bloss, wer sich dort umtut, macht sich die
Hände schmutzig. Das ist so im Sumpf.
Das mit dem Sumpf in Afrika oder so ist in der NZZ und den
Medien ein beliebtes Bild. Noch nicht solange her, titelte das Blatt der entfesselten
Mitte: «McKinsey und PWC im südafrikanischen Korruptionssumpf». Es war, we understand, nämlich so, dass diese
netten Multis einfach zu Korruption gezwungen waren, um reibach machen zu
können. So wie etwa die Schweizer Finanzinstitute, die praktisch im Wochentakt
irgendwo im Ausland wegen Bestechung und Betrug angeschuldigt werden, bloss,
weil sie Geld arbeiten liessen. Dort, im Korruptionssumpf.
Und so ersparen sich die Kapitalmedien unpässliche Titel wie
«Südafrika im McKinsey-Korruptionssumpf» oder «Das Delta im Würgegriff von
Shell». So bleibt unten unten und oben oben. Kolonial – hä, warum?