14.03.2018 Argentinien / Politik
Trotz Senatssitz Ermittlungen gegen Cristina
Kirchner. Bundesrichter mit zweifelhafter Vergangenheit beteiligt.
Kampagne durch Regierung Macri befürchtet
Von
Miguel Arndt
amerika21
Buenos Aires. Gegen
die frühere argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner
laufen derzeit drei Gerichtsverfahren parallel, die ihr verschiedene
Vergehen während ihrer Regierungsjahre nachzuweisen versuchen. Somit
schreitet die Justizoffensive gegen sie weiter voran, seitdem Mauricio
Macri Ende 2015 die Präsidentschaft übernommen hatte. Dabei handelt es
sich um den Amia–Prozess, das Verfahren über die Dollar-Futures der
Zentralbank und um vermeintliche Geldwäsche. Eine wichtige Rolle spielt
dabei der Bundesrichter Claudio Bonadío. Dieser war in den 1990er Jahren
als einer der sogenannten Serviettenrichter bekannt geworden ‒ einer
Gruppe höriger Richter, die der damalige Justizminister der Regierung
von Präsident Carlos Menem auf einer Papierserviette notiert hatte.
Das Amia-Verfahren basiert auf der Anklage des Staatsanwaltes Alberto Nisman, der die Regierung Kirchner beschuldigte, die iranischen Verdächtigen des Attentates auf ein jüdisch-argentinische Gemeindezentrum 1994 decken zu wollen. Grund sei ein geplantes Handelsabkommen zwischen beiden Ländern gewesen. Nachdem die Verantwortlichen für das Attentat fast zwanzig Jahre lang nicht festgestellt worden waren, hatte die Regierung Kirchner 2013 ein Memorandum für eine Wahrheitskommission zur Aufklärung des AMIA-Attentats zwischen Argentinien und dem Iran angestoßen. Ein Handelsabkommen stand nicht zur Debatte. Die Anklage Nismans war damals rasch infrage gestellt, nachdem der frühere Interpolchef Ronald Noble nachwies, dass die Regierung Kirchner die Aufrechterhaltung der internationalen Haftbefehle gegen die iranischen Beschuldigten ausdrücklich verlangt hatte.
Einen Tag bevor Nisman vor dem Parlament auftreten sollte, wurde er tot in seiner Wohnung aufgefunden. Ob er sich das Leben genommen hat oder ermordet wurde, ist nicht geklärt. Im Nachgang tauchten Belege für Veruntreuungen und nicht deklarierte Konten und Besitztümer im Ausland auf, woraufhin gegen Nismans Mutter und Schwester ein Verfahren wegen Geldwäsche eröffnet wurde.
Die Anklage wurde von Nachfolgern zwar weiter erhoben, aber von mehreren Richtern zurückgewiesen. Anfang 2017 wurde sie überraschend wieder aufgenommen und Bonadío zugewiesen.
Die Schwächen der neuen Anklage sind relativ offensichtlich: es gibt weder eine Straftat noch ein glaubhaftes Tatmotiv. Außerdem ist ein Abkommen zwischen zwei Staaten, das dazu noch dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt wurde, nicht justiziabel. Zudem wurde es vom iranischen Parlament nie ratifiziert.
Der zweite Prozess gegen Kirchner, der von Bonadío geführt wird, betrifft den Handel mit Dollar-Futures. Dabei geht es um ein Instrument der Zentralbank, das dazu dienen soll, vorhersehbare Finanzbedingungen zu schaffen, bei dem auf eine bestimmte Entwicklung zwischen argentinischem Peso und US-Dollar gesetzt wird. Die starke Peso-Abwertung nach dem Regierungswechsel brachte einigen Investoren enorme Gewinne. Es folgte eine Anzeige gegen die Regierung Kirchner mit der Begründung, der Kurssturz sei vorhersehbar gewesen, da der festgesetzte Dollarkurs nicht seinem "natürlichen Wert" entsprach.
Daraus könnte aber wohl einzig eine politische Verantwortung hergeleitet werden, da die Zentralbank in der Durchführung ihrer Tätigkeit Autonomie hat. Die Behauptung, dass es einen "natürlichen" Dollarkurs gebe, ist zudem zweifelhaft. Die Verteidigung Kirchners argumentiert, dass große Verluste für den Staat erst entstanden, als der Peso nach dem Amtsantritt Macris entgegen aller Wahlversprechen schlagartig abgewertet wurde. Die Liste der Profiteure enthält durchgängig Mitglieder der jetzigen Regierung, deren Angehörige und Geschäftspartner ‒ unter anderem Finanzminister Luis Caputo und Staatssekretär Mario Quintana, die die Abwertung mitbeschlossen und damit die Höhe ihrer eigenen Gewinne festgesetzt hatten.
Der dritte Prozess ist Teil eines größeren Komplexes, der sich um angebliche Korruption bei öffentlichen Bauaufträgen dreht. Nach Vorstellung der Regierung Macri soll dies in einem "Megaprozess" zusammengeführt werden, der dem gegen die Diktaturverbrecher gleichkommt.
Im Fall "Hotesur" wird behauptet, die Kirchners hätten ihren Freund Lázaro Baez in der Provinz Santa Cruz mit öffentlichen Aufträgen zu überhöhten Preisen versehen, worauf dieser im Gegenzug Geschäftsräume und Hotelzimmer in Immobilien der Kirchners für seine Firma gemietet habe. Bonadío versuchte auch diesen Fall an sich zu ziehen, wurde jedoch von der Kammer ausgeschlossen, woraufhin er ein zweites paralleles Verfahren, genannt "Los Sauces" eröffnete. In beiden Verfahren sind, außer knapp verspäteten Steuererklärungen, keine Vergehen festgestellt worden. Dennoch erhob Bonadío Anklage wegen "krimineller Vereinigung", die auch die Kinder der Kirchners umfasst, obwohl die Tochter zum betreffenden Zeitpunkt erst zwölf Jahre alt war.
Die Räume seien zu ortsüblichen Preisen gemietet und tatsächlich genutzt worden, alle Zahlungen über Bankkonten erfolgt. Die Höhe der gezahlten Mieten stehe zudem in keinem Verhältnis zu den Auftragssummen, so dass die Annahme, es handle sich um eine "Rückzahlung" recht abwegig sei, so Kirchners Anwälte.
Baez ist seit zwei Jahren wegen Geldwäsche und illegaler Bereicherung in Untersuchungshaft. Entgegen der Erwartungen hat er sich nicht als Informant zur Verfügung gestellt. Der zuständige Richter hat kürzlich ausdrücklich erklärt, Kirchner sei in diesen Fall nicht verwickelt.
Die Forderung Kirchners, eine Gesamtexpertise aller öffentlicher Aufträge zwischen 2003 und 2015 durchzuführen, wurde indes von der Justiz zurückgewiesen. Diese würde belegen, dass die Baufirmen des jetzigen Präsidenten ein Auftragsvolumen hatten, die das von Baez um ein Vielfaches übertrafen: sie war im Ranking der Firmen, die öffentliche Aufträge ausführten, lediglich an 36. Stelle.
Das Amia-Verfahren basiert auf der Anklage des Staatsanwaltes Alberto Nisman, der die Regierung Kirchner beschuldigte, die iranischen Verdächtigen des Attentates auf ein jüdisch-argentinische Gemeindezentrum 1994 decken zu wollen. Grund sei ein geplantes Handelsabkommen zwischen beiden Ländern gewesen. Nachdem die Verantwortlichen für das Attentat fast zwanzig Jahre lang nicht festgestellt worden waren, hatte die Regierung Kirchner 2013 ein Memorandum für eine Wahrheitskommission zur Aufklärung des AMIA-Attentats zwischen Argentinien und dem Iran angestoßen. Ein Handelsabkommen stand nicht zur Debatte. Die Anklage Nismans war damals rasch infrage gestellt, nachdem der frühere Interpolchef Ronald Noble nachwies, dass die Regierung Kirchner die Aufrechterhaltung der internationalen Haftbefehle gegen die iranischen Beschuldigten ausdrücklich verlangt hatte.
Einen Tag bevor Nisman vor dem Parlament auftreten sollte, wurde er tot in seiner Wohnung aufgefunden. Ob er sich das Leben genommen hat oder ermordet wurde, ist nicht geklärt. Im Nachgang tauchten Belege für Veruntreuungen und nicht deklarierte Konten und Besitztümer im Ausland auf, woraufhin gegen Nismans Mutter und Schwester ein Verfahren wegen Geldwäsche eröffnet wurde.
Die Anklage wurde von Nachfolgern zwar weiter erhoben, aber von mehreren Richtern zurückgewiesen. Anfang 2017 wurde sie überraschend wieder aufgenommen und Bonadío zugewiesen.
Die Schwächen der neuen Anklage sind relativ offensichtlich: es gibt weder eine Straftat noch ein glaubhaftes Tatmotiv. Außerdem ist ein Abkommen zwischen zwei Staaten, das dazu noch dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt wurde, nicht justiziabel. Zudem wurde es vom iranischen Parlament nie ratifiziert.
Der zweite Prozess gegen Kirchner, der von Bonadío geführt wird, betrifft den Handel mit Dollar-Futures. Dabei geht es um ein Instrument der Zentralbank, das dazu dienen soll, vorhersehbare Finanzbedingungen zu schaffen, bei dem auf eine bestimmte Entwicklung zwischen argentinischem Peso und US-Dollar gesetzt wird. Die starke Peso-Abwertung nach dem Regierungswechsel brachte einigen Investoren enorme Gewinne. Es folgte eine Anzeige gegen die Regierung Kirchner mit der Begründung, der Kurssturz sei vorhersehbar gewesen, da der festgesetzte Dollarkurs nicht seinem "natürlichen Wert" entsprach.
Daraus könnte aber wohl einzig eine politische Verantwortung hergeleitet werden, da die Zentralbank in der Durchführung ihrer Tätigkeit Autonomie hat. Die Behauptung, dass es einen "natürlichen" Dollarkurs gebe, ist zudem zweifelhaft. Die Verteidigung Kirchners argumentiert, dass große Verluste für den Staat erst entstanden, als der Peso nach dem Amtsantritt Macris entgegen aller Wahlversprechen schlagartig abgewertet wurde. Die Liste der Profiteure enthält durchgängig Mitglieder der jetzigen Regierung, deren Angehörige und Geschäftspartner ‒ unter anderem Finanzminister Luis Caputo und Staatssekretär Mario Quintana, die die Abwertung mitbeschlossen und damit die Höhe ihrer eigenen Gewinne festgesetzt hatten.
Der dritte Prozess ist Teil eines größeren Komplexes, der sich um angebliche Korruption bei öffentlichen Bauaufträgen dreht. Nach Vorstellung der Regierung Macri soll dies in einem "Megaprozess" zusammengeführt werden, der dem gegen die Diktaturverbrecher gleichkommt.
Im Fall "Hotesur" wird behauptet, die Kirchners hätten ihren Freund Lázaro Baez in der Provinz Santa Cruz mit öffentlichen Aufträgen zu überhöhten Preisen versehen, worauf dieser im Gegenzug Geschäftsräume und Hotelzimmer in Immobilien der Kirchners für seine Firma gemietet habe. Bonadío versuchte auch diesen Fall an sich zu ziehen, wurde jedoch von der Kammer ausgeschlossen, woraufhin er ein zweites paralleles Verfahren, genannt "Los Sauces" eröffnete. In beiden Verfahren sind, außer knapp verspäteten Steuererklärungen, keine Vergehen festgestellt worden. Dennoch erhob Bonadío Anklage wegen "krimineller Vereinigung", die auch die Kinder der Kirchners umfasst, obwohl die Tochter zum betreffenden Zeitpunkt erst zwölf Jahre alt war.
Die Räume seien zu ortsüblichen Preisen gemietet und tatsächlich genutzt worden, alle Zahlungen über Bankkonten erfolgt. Die Höhe der gezahlten Mieten stehe zudem in keinem Verhältnis zu den Auftragssummen, so dass die Annahme, es handle sich um eine "Rückzahlung" recht abwegig sei, so Kirchners Anwälte.
Baez ist seit zwei Jahren wegen Geldwäsche und illegaler Bereicherung in Untersuchungshaft. Entgegen der Erwartungen hat er sich nicht als Informant zur Verfügung gestellt. Der zuständige Richter hat kürzlich ausdrücklich erklärt, Kirchner sei in diesen Fall nicht verwickelt.
Die Forderung Kirchners, eine Gesamtexpertise aller öffentlicher Aufträge zwischen 2003 und 2015 durchzuführen, wurde indes von der Justiz zurückgewiesen. Diese würde belegen, dass die Baufirmen des jetzigen Präsidenten ein Auftragsvolumen hatten, die das von Baez um ein Vielfaches übertrafen: sie war im Ranking der Firmen, die öffentliche Aufträge ausführten, lediglich an 36. Stelle.