Aus: Ausgabe vom 21.04.2020, Seite 6 / Ausland
Nicaragua
Von Volker Hermsdorf
Tatsächlich habe die Regierung ihres Landes bereits Ende Januar in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) umfangreiche Präventionsmaßnahmen eingeleitet, berichtete die Fachärztin María Eugenia García in dem Blog »Lista Informativa Nicaragua y más«. So seien einreisende Personen kontrolliert und Menschen mit Symptomen unter Beobachtung gestellt worden. Das Personal im Gesundheitswesen wurde geschult, Tests zur Früherkennung geordert und Mitarbeiter der Behörden zu Vorträgen an Schulen geschickt. Außerdem seien 19 Krankenhäuser für die Behandlung von Covid-19-Patienten vorbereitet worden.
Auch in ländlichen Gebieten zogen Gesundheitsbrigadisten von Haus zu Haus, um über Hygienemaßnahmen zu informieren. Da ein großer Teil der Bevölkerung von Straßenverkäufen, Dienstleistungen und anderen informellen Tätigkeiten lebt, seien die empfohlenen Einschränkungen jedoch nicht überall positiv aufgenommen worden, räumt García ein. Aufgrund der von rechten Oppositionellen geschürten politischen Konfrontation wurden Mitglieder der Regierungspartei »Sandinistische Nationale Befreiungsfront« (FSLN) und Studenten bei Hausbesuchen teilweise auch attackiert.
Obwohl die Bevölkerung zur Einschränkung von persönlichen Kontakten aufgefordert, die wöchentlichen Demonstrationen zur Unterstützung der FSLN eingestellt und die Schulen zunächst bis zum 20. April geschlossen wurden, irritieren Berichte und Fotos von vollen Märkten, sportlichen und religiösen Veranstaltungen. Die der WHO untergeordnete »Panamerikanische Gesundheitsorganisation« (PAHO) warnte einer Meldung der US-Nachrichtenagentur Associated Press zufolge in der vergangenen Woche vor einem »Mangel an sozialer Distanzierung«.
Ungeachtet interner Widerstände und der von den USA seit Jahren gegen Nicaragua verhängten Sanktionen steht das international anerkannte Gesundheitssystem des Landes im Vergleich zu den Nachbarländern gut da. Die Regierung hat auch in entlegenen Regionen Krankenhäuser aufgebaut und medizinisches Personal ausgebildet. Heute sind über 90 Prozent der Krankenhäuser öffentlich, und die Behandlung ist dort für Bürger des Landes kostenlos.
Zur Unterstützung örtlicher Mediziner hatte Präsident Daniel Ortega über seine Stellvertreterin Rosario Murillo am 17. März beim kubanischen Gesundheitsministerium um weitere Hilfe gebeten. Einen Tag später nahm ein Team von Virologen, Epidemiologen und Intensivmedizinern der internationalen Hilfsbrigade »Henry Reeve« die Arbeit in Nicaragua auf. Am 9. April schickte Havanna außerdem 8.000 Dosen des in Kuba hergestellten Medikaments »Heberon Alfa R« mit dem Wirkstoff »Interferon alpha-2b«, mit dem in China gute Ergebnisse bei der Behandlung von Covid-19-Patienten erzielt worden waren.
Nachdem er rund einen Monat nicht in der Öffentlichkeit aufgetreten war, versprach Ortega am Mittwoch in einer Rede, dass die Gesundheitsexperten des Landes trotz ihrer durch die US-Sanktionen begrenzten Ressourcen »unermüdlich mit Disziplin, Bewusstsein und Hingabe« daran arbeiten würden, die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Der gewählte Präsident verurteilte zugleich »die Heuchelei der kapitalistischen Länder, die Geld für den Krieg, aber nicht für die Gesundheit ausgeben«.