Einschätzung des FNRP
Wahlveranstaltung mit Xiomara Castro |
Die "internationale Gemeinschaft"
Soweit die Einschätzung der FNPR-FreundInnen. Natürlich ist denkbar, dass die putschistischen Kräfte angesichts eines beträchtlichen Stimmenvorsprungs von Xiomara es bei dem Versuch belassen, das Resultat via massive Einschüchterung der Libre-Basis zu verfälschen. Doch angesichts ihrer faschistoiden Essenz, ihrer Verpflichtung auf die transnationalen Profitdiktate und der in den Jahren seit dem Putsch erfahrenen wärmenden Unterstützung durch die "internationale Gemeinschaft" (Washington, Berlin etc.) ist dieses Szenario wenig plausibel. Nur am Rande sei vermerkt, dass ein honduranischer rechter Abgeordneter im zentralamerikanischen Parlament Parlacen vor kurzem während einer mit Whisky aufgelockerten Plauderstunde einem salvadorianischen linken Kollegen anvertraut hatte: "Xiomara hat die Stimmen, aber wir haben die Urnen".
So wie der Putsch 2009 eine markante faktische Desavouierung der behaupteten "modernen" Politikfaçon des Imperiums bedeutete (auch wenn die USA in den Jahren zuvor schon in Haiti und Venezuela putschen liessen), droht die jetzige Wahlsituation in Honduras, ein neues Markenzeichen für das Vorgehen des Imperialismus in Sachen Wahlmanipulation in Lateinamerika zu werden. Begleitet mit allerlei demokratischen Worthülsen über noch zu "verbessernde Schwachstellen" im demokratischen Gefüge dieser … unreifen Länder. Der transnationale Medienchor wird für die angebrachte Hintergrundmusik sorgen.
Gewaltbeispiele
Wir haben gestern über das Eindringen schwer bewaffneter, teilweise vermummter Männer im hauptstädtischen Hotel Aurora berichtet, die von den im Hotel einquartierten internationalen WahlbeobachterInnen aus verschiedenen Ländern Lateinamerikas in einschüchternder Weise Ausweise verlangten, Belege für den Besuch touristischer Zentren etc. Es ist bestätigt, dass es sich dabei um Migrationsbeamte gehandelt hat. Unter den während Stunden "Verhörten" befanden sich mehrer ParlamentarierInnen und BürgermeisterInnen, insbesondere solche des FMLN aus El Salvador. Man weiss, wen man angreift (und wen nicht). Das gleiche Wissen legte die gleiche Behörde vorgestern Freitag im Department Yoro an den Tag, als sie im fortschrittlichen jesuitischen Zentrum ERIC in der Stadt El Progreso zur Tat schritt: Dort waren am Abend 100 WahlbeobachterInnen aus den USA und aus El Salvador versammelt, nachdem sie in den gleichen Räumlichkeiten einen dreistündigen Schulungskurs durch FunktionärInnen des Obersten Wahlgerichts TSE erhalten hatten. Angeblich, so der Migrationschef später, suchte man nach zwei ausländischen Kriminellen, weshalb die Behörde gleich die Wahlbeobachtungsausweise kontrollieren wollte. Detail: Bei den Betroffenen handelte es sich um Mitglieder der US-Organisation La Voz de los Abajo (Stimme derer von unten) und der US-salvadorianischen Soliorganisation Ciudades Hermanas (Schwesterstädte). TSE-Chef Matamoros kündigte gestern Abend ein Ende solcher Operationen an – die Message war ja mittlerweile klar genug und deckte sich mit der Kampagne des TSE gegen eine angeblich drohende "Einmischung" der WahlbeobachterInnen in honduranische Angelegenheiten und der Warnung von Migrationschef Oberst a. D. Venancio Cervantes an "Hitzköpfe" und "ausländische Agitatoren": "Die Streitkräfte werden [gegen diese] nach dem Gesetz vorgehen und wir werden unerbittlich sein bei der Anwendung des Gesetzes" (zitiert von der Menschenrechtsorganisation Cofadeh).
Diese Handlungen integrieren sich in eine Kampagne gegen kritische ausländische Präsenz, wie sie seit dem Putsch 2009 am Laufen ist und zum Beispiel letzten Juli in der Entführung der Französin Orlane Vidal und des Schweizer Peacewatch-Mitglieds Daniel Langmaier sichtbar wurde. Die beiden wollten akut bedrohte Familien im Dorf La Nueva Esperanza begleiten, die sich weigerten, ihr Land an das Minenunternehmen Minerales Victoria zu verkaufen. Sie wurden von schwer bewaffneten Männern verschleppt und nach einigen Stunden mit der Warnung laufen gelassen, wenn sie zurückkehrten, würden sie "im Wald verschwinden". Wie Langmaier sagte: "Für uns waren es zwei Stunden Terror, für die Leute hier ist es Alltag".
Ein scharfes Licht auf die reale Gewalt hinter den Wahlen wirft ein Bericht der honduranischen Menschenrechtshomepage defensoresenlinea von gestern Samstag. Die Journalistin Dina Meza befragt darin Gladys Lanza von der feministischen Organisation Visitación Padilla. Seit einer Woche erhielt die Organisation sich häufende Berichte, wonach Frauen, die als Parteivertreterinnen an den Wahltischen ernannt worden waren, um "Besuch" von teilweise vermummten, schwer bewaffneten Männern erhielten. Lanza: "Die Frauen erklärten, dass Gruppen von vermummten Männern in verdächtigen Wagen in ihre comunidades kommen, Fotos machen, Häuser observieren und Auskunft über die Personalien und die Anzahl dort wohnender Personen haben wollen, bei vollem Tageslicht." Die Journalistin fasst Antwort auf die Frage, wann dies begonnen habe, so zusammen: "Vor einer Woche, als die Militärs und auch Zivilisten, einige vermummt, andere nicht, anfingen, spät am Abend in die Quartiere zu kommen. Um diese Zeit versammeln sich die Leute normalerweise bei den Kiosken, um Infos über den Wahlprozess auszutauschen, aber diese Männer kamen hier und fragen 'Und warum seid ihr hier, was macht ihr?'"
Militärs in den Volksquartieren |
"Lanza machte auch eine andere besorgniserregende Angabe: Bei diesen Wahlen wird es in comunidades mit vielen Wahlberechtigten nur ein Wahlzentrum geben, im Gegensatz zu früheren Wahlen.'Die Frauen haben uns gesagt, es könne sich um eine Falle handeln. Deshalb haben wir uns mit ihnen getroffen und erklärt, was in einer solchen Situation zu tun ist, denn es muss Fluchtwege geben, um das Schlimmste zu verhindern.'" (Zitate aus Militares llegan las casas de las mujeres en barrios y colonias a preguntar quién vive allí).
Kundgebung der "Chonas" (Movimiento de Mujeres por la Paz Visitación Padilla) |
Kampfterrain, nicht verlogenes "Fest der BürgerInnen".
Dafür steht auch dieses folgende Beispiel: Letzten Freitag Nacht um 22 h fuhren Patrouillen der schwer bewaffneten Militärpolizei im Hauptstädtischen Kennedy-Quartier (Unterklassen bis untere Mittelschicht) vor und wollten das örtliche Parteilokal von Libre und gleich auch die nahe gelegene Wohnung von Gilberto Ríos, einem führenden Mitglied des FNPR und von Libre, "durchsuchen". Über Radio Globo konnten Basismitglieder vor Ort und telefonisch eine AktivistInnenversammlung mobilisiert werden, die sofort herbeieilten. Es kam zu einer sehr angespannten Situation, als die Militärs ihre Waffen direkt auf die Leute richteten. Doch schliesslich zogen sie unverrichteter Dinge ab. (Video und englische Übersetzung eines Zeuginnenberichts hier).
Der Resistencia nahestehende Radio- und TV-Sender wie Radio und TV Globo, Canal 36, Canal 11 und Hondured sind heute militarisiert worden, um, so der Chef des Armee-Generalstabs, General René Osorio, "Probleme zu vermeiden" (Quelle).