Honduras: Zwischenbericht nach den Wahlen

Montag, 25. November 2013

(zas, 25.11.13) Es kam, wie es zu vermuten war: Das Oberste Wahlgericht TSE gibt laufend Zwischentotale heraus, laut denen Juan Orlando Hernández (JOH) vom regierenden Partido Nacional die Wahlen gewonnen hat. Letzter Stand, laut TSE, nach provisorischer Auszählung von 54 % der Akten: 34.2 % der Stimmen für JOH, 28.6 % für Xiomara Castro von Libre. Die Liberale Partei folgt mit fast 22 %, den Rest teilen sich mehrere Kleinparteien auf.
Noch ist es zu früh für eine Analyse dieser Resultate. Mit Sicherheit sind sie nicht "sauber". Es gibt haufenweise Berichte über den Handel mit Ausweisen für die ParteivertreterInnen an den Wahltischen – von den kleinen Parteien, die faktisch null Kapazität haben, landesweit Delegierte an den Urnen zu stellen, kaufte die nationale Partei die Ausweise und dominierte so beim Verfassen der Resultate-Akte. Es scheint auf dem Land häufig auch zu Einschüchterungen der VertreterInnen von Libre an den Wahltischen gekommen zu sein bzw. zu deren Rauswurf aus den Wahlzentren durch die Militärs (vgl. dazu die Herstellung eines Klimas der Einschüchterung in den letzten Tagen in den Berichten von gestern und vorgestern). Laura Raymonds, internationale Wahlbeobachterin des Center for Constitutional Rights und der National Lawyers Guild (beide USA) kommentierte: "Auffällig ist [die Sichtbarkeit] der gleichen  Militärs, die vor vier Jahren den Putsch ausführten. Die Wahlen 2009 sind von vielen boykottiert worden, da sie sie nicht für frei und fair hielten. Dies sind nun die ersten Wahlen [seit dem Coup], und deshalb ist es so besorgniserregend, dass die Armee so involviert ist, so präsent, wo immer du hinschaut –Militärs an den Urnen, Militärs auf den Strassen und dann gibt es die neue Militärpolizei" (Honduprensa, 25.11.13).

Laut Libre-Parteichef Mel Zelaya sind enorme 20 % der Akten vom TSE wegen "Problemen" vorderhand von der Auszählung ausgesondert worden. An einer Pressekonferenz in der Nacht auf heute sagte Libre-Vertreterin Riccy Moncada: "Uns liegen glaubwürdige Berichte von Verantwortlichen für die Bewachung des Wahlmaterials vor, dass an Orten, in denen die Auszählung noch nicht beendet war, schon Akten eingescannt  worden sind" (La Tribuna, 25.11.13). Es gibt mehrere ähnliche Aussagen, es braucht Zeit, um sie gewichten zu können.

US-Botschafterin Lisa Kubiske freut sich: "Die USA hatten ungefähr 110 BeobachterInnen in fast allen Departementen, und was wir sahen, war ein transparenter Prozess mit guter Vertretung aller politischer Parteien an fast allen Wahltischen" (La Prensa, 24.11.13). Auch die Leiterin der EU-Beobachtungsmission, die österreichische Grüne Ulrike Lunacek, konnte nichts Arges entdecken: "Wir sahen einen Prozess, der transparent war" (Proceso Digital, 24.11.13). Vermutlich braucht es für eine "alternative" Grüne einige Anstrengung, nichts von der Gewaltdrohung im Land mitzubekommen und durch transparente Militäruniformen hindurch zu sehen. Die Tonlage der "internationalen Gemeinschaft" jedenfalls ist klar.

Hier bezahlt Libre, soweit ihr der Anspruch auf Emanzipation ernst war, bitter für eigene Fehler. Tatsächlich gibt in dieser Partei nicht die Widerstandsfront FNRP den Ton an, sondern dies tun PolitikerInnen, die sich beim Putsch 2009 oder auch erst vor einem Jahr von der putschistischen Mutterpartei abgespalten hatten. Die Parteiführung vertraute in den letzten Wochen und Monaten auf ausgerechnet die US-Botschaft, um Betrugsmanöver zu neutralisieren. Und vernachlässigte sträflich die defensa del voto, die Organisation zur Verteidigung der Stimme (an den Wahltischen, bei der Übermittlung der Resultate etc.). Erst in der allerletzten Zeit konnten AktivistInnen des FNRP einige der übelsten Lücken etwas füllen.

Es wird sich zeigen, wie viele physische Kopien von Wahlakten Libre insgesamt haben wird. Nur damit gibt es überhaupt eine Chance, vor dem TSE einen Teil der evidenten Betrugsfälle aufzudecken. Das wird so oder ein schwieriges Unterfangen werden. Denn die Liberale Partei, praktisch so ultrarechts wie die Nationalen, soll gerüchte- und durchaus plausiblerweise mit dem Partido Nacional den Deal "Anerkennung des nationalen Präsidentschaftssieges für nationale Schützenhilfe für die Umschichtung bei Parlamentsstimmen" abgeschlossen haben.

Wir werden sehen, was die Libre-Anfechtungen der provisorischen Resultate bringen. Auf jeden Fall wird genau zu rezipieren sein, welche Anwendung und Androhung von offener Gewalt, welches Ausmass von offensichtlichem Betrug (vom Stimmrechtsregister bis zum fleissig praktizierten Stimmenkauf) in Honduras als Demokratie-förderlich abgesegnet und damit nächsten auch in anderen Situationen in Lateinamerika (wieder) zur Norm werden.

Ziemlich sicher werden Honduras vier harte Jahre mit JOH als Präsident bevorstehen. Der Typ gilt schon seit langem als starker Mann im Staat. Ein Beispiel:  Als das (putschistische) Oberste Gericht es ablehnte, seine Lieblingsidee von künstlichen Städten mit eigener, Investoren genehmen Justiz und Verfassung als verfassungskonform zu taxieren, nutzte er  seine Parlamentsmehrheit, um jene Magistraten, die falsch entschieden haben, durch willfährige zu ersetzen. Die "internationale Gemeinschaft" murmelte damals etwas von "problematisch", und das war's dann auch. Schliesslich musste man sich ja in El Salvador aktiv und koordiniert für die "Unabhängigkeit" einer illegal zusammen gesetzten Verfassungskammer des Obersten Gerichts einsetzen, die seit Jahren die Verfassung nach ihrem Gutdünken bzw. dem "der Botschaft" und der grossen Kapitalgruppen faktisch neu schreibt.

So oder so: Stimmenmässig ist die vereinte Rechte in Honduras nach wie vor Nr. 1. Dass es Libre aber zu einem Drittel der Stimmen schaffte, in ihrer grossen Mehrzahl linken Stimmen, zeigt, dass Perspektiven vorhanden sind.


Berta Cáceres von der Lenca-Organisation Copinh rief heute zum Widerstand gegen den Wahlbetrug auf. In den vom Copinh abgedeckten Gegenden habe faktischer Wahlterror geherrscht. Wie weit es wirklich zu Massenprotesten (oder zu niedergeschlagenen Ansätzen dazu) kommt, ist heute nicht zu sagen.