(zas, 12.2.16) Der in Spanien und in den USA lehrende Ökonom
Vicenç Navarro veröffentlichte vor wenigen Tagen auf publico.es einen Artikel
über die Darstellungen des US-Wahlkampfs im Mainstream (Lo
que se oculta o ignora en la prensa y en la televisión sobre las lecciones de
EEUU). Im Zentrum seines Interesses steht vor allem die Behandlung von
Bernie Sanders, dem demokratischen Präsidentschaftsanwärter. Sanders sei ein Sozialdemokraten
alter Schule, also aus der Zeit vor der Neoliberalisierung dieser Richtung. Podemos
in Spanien, Corbyn in der Labour-Partei, Sanders in den USA – für Navarro ein
Ausdruck der Ablehnung der corporate
democracy, der Übernahme der Institutionen der repräsentativen Demokratie
durch big business. Die Gegentendenz
markieren in den USA eh die republikanischen Kandidaten, aber auch Hillary
Clinton.
Der Artikel bringt uns ein paar Vorschläge des
„Linkspopulisten“ näher, anders als in der „normalen“ Berichterstattung. Im
Prinzip ein neuer New Deal: Banken aufspalten, massive staatliche Investitionen
in Infrastruktur im Zusammenhang mit dem Übergang von fossiler zu erneuerbarer
Energie (13 Millionen Arbeitsplätze), universeller Zugang zu
Gesundheitsversorgung im Gegensatz zur jetzigen Lage. Navarro kommentiert: „Heute gibt es in den USA mehr Tote wegen
mangelndem Zugang zum Gesundheitssystem und unbezahlbaren Arztrechnungen als
wegen Aids.“
Ein Renner offenbar der Sanders- Vorschlag für
einen für alle sozialen Klassen möglichen Zugang zu Ausbildung bis und mit Uni.
Navarro dazu: „Eine sehr populäre und
nötige Massnahme wegen der enormen Verteuerung sowohl der Kleinkinderstätten
wie der Gebühren bei öffentlichen und privaten Universitäten. Dies hat den
Zugang von Volkssektoren zu diesen Institutionen markant reduziert. Deshalb
haben 80 % der Personen zwischen 18 und 30 Jahren Sanders in den Primaries von
New Hampshire unterstützt (…) National unterstützt ein ähnlicher Prozentsatz
junger Menschen Sanders, den meisten Umfragen zufolge.“
Zum
Argument, ein Kandidat Sanders würde einer republikanischen
Präsidentschaftssieg Tür und Tor öffnen, meint Navarro: „Diese Argumentationslinie ignoriert, dass den wichtigsten Umfragen
zufolge ein Kandidat Sanders Donald Trump und Ted Cruz – die beiden
republikanischen Bewerber mit der grössten Wahlbasis – mit einem grösseren Abstand
als (…) Hillary Clinton besiegen würde.“
Finanzieren will
Sanders, dessen „irrealistischer Populismus“ den Mainstream beleidigt, seine
Politik mit Massnahmen wie dem Verbot der Verlagerung nomineller Hauptsitze von
US-Multis in Steuerparadiese oder dem Detail, dass im allgemeinen staatlichen
Gesundheitssystem die Privatversicherungen ihr Unwesen nicht mehr treiben
könnten, was die Gesundheitsversorgung – ähnlich wie in Kanada – populär, viel billiger
und für alle zugänglich machen würde.
Navarro stellt die Frage, ob die US-Eliten eine Präsidentschaft
eines „Sozialisten“ hinnehmen würden (eines "Sozialisten", dem letztes Jahr zu Hugo Chávez die Worte "toter kommunistischer Diktator" einfielen). Er
verweist warnend etwa auf The Tyndall Report, wonach letztes Jahr die
dominierenden TV-Sender Donald Trump 16 mal mehr Raum gaben als dem in Umfragen
vor Trump liegenden Sanders. (Die Washington
Post berichtete am letzten 7. Dezember zum Tyndall Report, Trump habe 234
Minuten Sendezeit erhalten, Sanders 10).