(zas, 13.2.16) Den Tonfall voller Hohn und Verachtung muss
man erst mal hinkriegen. Gute Voraussetzung für die Spitzenleistung: Lateinamerika-Korrespondent
im Mainstreammedium zu sein. Höre Ulrich Achermann gestern im Echo der Zeit von
Radio SRF.
Da verkündete er, Venezuela müsse jetzt zwecks Produktion
seines reichlich vorhandenen Schweröls, das auf dem Markt derzeit ein
Butterbrot wert ist (haha!), raffiniertes Öl ausgerechnet vom bösen Erzfeind
USA importieren. Achermann hat, wie praktisch alle anderen Lateinamerika-KorrespondentInnen
heutzutage, den kompetenten Überblick. Er weiss, welche Quelle zur Vermittlung
komplizierter Sachverhalte zu reden lassen ist. Im vorliegenden Fall – wir neigen
unser Haupt ehrfurchtsvoll vor der Autorität – kommt der vorchavistische Erdölminister
zu Wort (ein Gangster). Chávez und Maduro, so erfahren wir aus dessen Mund,
haben das Land ruiniert und das Öl verschleudert (an marktuntaugliche Entitäten
wie Haiti oder Kuba). Und heute muss Maduro zu Kreuze kriechen und beim Erzfeind einkaufen. Und – nochmals ein
grosser Lacher – dank Fräcken haben heute die USA die Nase vorn im Ölgeschäft
(leicht desinformiert, der Gute).
Dass die USA jahrelang Öl vom chavistischen Venezuela gekauft
hatten – nie ein Anlass für Verachtung.
Dass Venezuela in den USA das grosse Raffinerieunternehmen Citgo besitzt, kein
Anlass für etwas gezähmte Häme. Die braucht es, um die Diktatur in Venezuela zu
Fall zu bringen, verstehen Sie? Wenn etwa das Oberste Gericht ein
Regierungsdekret zum ökonomischen Notstand als verfassungskonform deklariert,
ist das, wie wir weiter erfahren, einfach eine Aushebelung der Demokratie. Denn
die Justiz ist gekauft. (Ist sie hingegen stringent neoliberal, dem Grosskapital
zu Diensten, dann ist sie unabhängig. Dann wird sie hochgehalten.)
Was es wirklich mit den Leichtölkäufen in den USA auf sich
hat, weiss ich nicht. Den Propagandaautomatismen im Mainstream einfach zu
glauben, ist jedoch unklug.
Wie es der Zufall so will, bekam ich gestern einen Artikel
zur Ölwirtschaft in Mexiko zu Gesicht (Desmontando a Pemex).
2013 war das Jahr der grossen Ölreform in Mexiko. Toller Bursche damals, der
neue Präsident Felipe Peña Nieto. Er hatte frischen Wind ins Business gebracht,
erkannt, dass die Zukunft nur in der Öffnung (Privatisierung) der mexikanischen
Ölwirtschaft für ausländisches Kapital und Knowhow liegt. Die Achermänner waren
ungemein beeindruckt.
Die gefeierte Reform von 2013 sollte die Ölrente und die Quote
der Restitution geförderter Mengen durch neu entdeckte Reserven steigern, die
Produktion und Verarbeitung von Öl und Gas ausweiten und Arbeitsplätze
schaffen. Erreicht hat sie das Gegenteil. Mexiko verkauft sein Öl mangels
Kapazitäten unraffiniert. Das Raffinieren würde eine dreifache Wertsteigerung
bedeuten, aber das Staatsunternehmen Pemex will jetzt seinen Anteil an drei
Raffinerien verserbeln, Freiheit muss sein. Die Öleinnahmen sinken, wegen des
Preises, aber auch, weil die Restitutionsquote zwischen Oktober 2014 und
Oktober 2015 um 67 % gefallen ist. Im
letzten Trimester 2015 akkumulierte Pemex eine Nettoschuld von rund US$ 9 Mrd. 2014
sank die Produktion mengenmässig so tief wie noch nie in den letzten 25 Jahren.
2015 hat der Staat nach noch nicht gesicherten Daten etwa ein Drittel der Einnahmen
aus fossilen Brennstoffen von 2012 gemacht. Von 2012 bis 2015 gingen
Neubohrungen um 82.2 % zurück. Indirekt hängen an der Ölwirtschaft in Mexiko 6
Millionen Arbeitsplätze. Entlassungen aus dem städtischen Dienst in der von Öl
geprägten Gegend um den Golf von Mexiko kosteten jetzt schon 25‘000
Arbeitsplätze. Dafür hat Peña Nietos Reform eine Prekarisierung der Arbeitenden
in Pemex und gleichzeitig eine Regel vorgeschrieben, wonach Unternehmen, die
das Rennen bei den drei Privatisierungsrunden im Ölsektor machen, Arbeitskräfte
anstellen müssen, die Berufserfahrungen von 5 bis 10 Jahren aufweisen. Resultat:
Das Knowhow wandert vom Staat in den Privatsektor. Ein Knowhow-Transfer sui
generis.
Welche Orientierung gab Peña Nieto dem neu ernannten
Pemex-Direktor mit auf den Weg? Diese: „…
die neuen Schemas der Partnerschaft und der Investitionen mit dem Privatsektor,
die die energetische Reform erschlossen hat, zu gebrauchen.“
Wo bleibt der Lacher der Achermänner? Er wird sich zweifellos
transformieren in die Aussage, dass sie in Mexiko wieder mal unfähig ware, die
guten Ratschläge, die man ihnen gab, richtig umzusetzen.
PS. Das Häme-Phänomen ist natürlich nicht auf Venezuela
beschränkt. Wo immer ein Schritt zur Befreiung erfolgt, kläfft der treue Sklave
gar eifrig. Erinnern wir uns an die Monate, als Syriza für Aufbruch stand. Die
Halbstarken-Allüren in Medien und Politik, in Wort und Körpersprache, vom
Eurominister zur Tagesschausprecherin – ein Dauerphänomen. Dann das
Triumphgeheul, als Syriza der Erpressung der EZB und der Troika nachgab.
Seither wird keine Gelegenheit ausgelassen, zu betonen, dass Tsipras heute das
umsetze, was er gestern bekämpft habe. Riesendemos in Brüssel gegen die
herrschende Politik sind eine Kurznachricht wert, die Mobilisierungen in
Griechenland dagegen Dauerthema.