(zas, 20.3.16) Gever ist eine Stadt nahe der Grenze mit dem
kurdischen Irak. Auf Türkisch heisst sie Yüksekova.
Hier verübt das Regime von Ankara nach Informationen der
Oppositionspartei HDP ein Verbrechen gegen die Menschheit. Aber dass der Name
Yüksekova in den nächsten Tagen im Medienmainstream ein Begriff wird, ist sehr
fraglich.
In Gever haben die Leute im Rahmen des nicht nur kurdischen
Befreiungskampfs die Selbstverwaltung ausgerufen. Auch hier regiert das Regime
mit brutalen Armeeangriffen, gegen die sich die Selbstverteidgungsstrukturen
zur Wehr setzen. Der Parlamentsabgeordnete Nihat Akdoğan von der HDP erklärte
gestern der kurdischen Nachrichtenagentur ANF:
„Die Stadt wird seit sieben Tagen bombardiert. Aus gepanzerten Fahrzeugen heraus werden die ZivilistInnen zur Evakuation aufgefordert, aber die Menschen dürfen gleichzeitig nicht ins Freie. BewohnerInnen der Viertel Eski Kışla, Mezarlık und Orman haben uns telefonisch um Hilfe gebeten, da sie wegen des Gas nicht atmen können. Wir wissen nicht, um was für ein Gas es sich handelt, aber mit Sicherheit bringt es unsere Leute in sehr grosse Schwierigkeiten. Nach anderen Berichten sind zwischen 30 und 40 Menschen mit chemischen Gasen umgebracht worden, ihre Körper sind völlig verbrannt. Eine ältere Mutter rief uns an und bat, sie vor ‚diesem Gas‘ zu retten.“
Anrufe des Abgeordneten bei den von Ankara eingesetzten
Provinzbehörden wurden nie angenommen. ANF schreib weiter:
„AnwohnerInnen berichteten, dass die an der Operation beteiligten Soldaten Gasmasken und auf dem Rücken einen Sauerstoffschlauch trugen. Ihnen zufolge sind die meisten Leichen verbrannt, geschmolzen und nicht identifizierbar. Bisher sind 30 solcher Leichen gefunden worden.“
Heute früh ergänzte
ANF, dass bisher 40 solcher verbrannter Leichen gefunden worden sind und dass
die Regierungsarmee am Morgen begonnen hat, trotz starkem Schneefall viele
Viertel der Stadt mit Artilleriefeuer zu bombardieren. Einheiten der
Volks-/Frauenbefreiungskräfte YPS und YPS-Jin der Guerilla leisteten weiterhin
Widerstand.
Gever. Quelle: ANF, 19.3.16 |
Letzten Februar verbrannte die türkische Armee in Cizre weit
über 100, mutmasslich zuvor gefangen genommene Menschen, die vor den
Bombardierungen der Zuflucht in Kellern gesucht haben und tagelang verzweifelt
um Hilfe baten. Zwar kamen in diversen Mainstreammedien schockierte Berichte,
aber eine Konsequenz für die politisch Mächtigen in der EU? Wenn nicht diese: Den
Krieg in Nordkurdistan (in der Türkei) finanziert die EU jetzt mit ein paar
Milliarden Euro mit. Ach so, für die Flüchtlingsbetreuung. Wie im staatlichen
Flüchtlingscamp in Suruç, nahe Kobanê, dem grössten im Land. Gestern berichtete
ANF, dass Ankara hier 500 Bewaffnete „Syrer“ einquartiert hat, um sie für
Angriffe auf Kobanê einzusetzen. Ähnliche Vorgänge werden aus anderen „Flüchtlingslagern“
berichtet. Bei einem ähnlich strukturierten Angriff Ende letzten Februar auf das
von der kurdischen Guerilla befreite Girê Spî (auf arabisch Tall Abyad), wie
Kobanê unmittelbar an der Grenze zur Türkei gelegen, wurden mehrere IS-Kämpfer gefangen
genommen. Einer von ihnen packte
detailliert über die türkische Leitung der Aktion aus.
Der Zynismus nicht nur der Erdogans, sondern auch der
Merkels und Junckers, scheint kaum eine Grenze zu kennen.
Newroz in Kobanê. |