USA/El Salvador: Das Massaker am Río Lempa und die Ermahnung des US-Botschafters

Montag, 21. März 2016



(zas, 21.3.16) Soeben veröffentlichte das Washington University Center for Human Rights einen Artikel über das Massaker am Río Lempa 1981 in El Salvador (Conmemoración de la masacre del Río Lempa: Nuevos documentos desclasificados del gobierno de EE.UU. spanisch und englisch). Tausende von Menschen aus Pro-Guerillagebieten fliehen vor den mordenden Truppen zum Fluss Lempa, der die Grenze mit Honduras markiert. Es folgt eine der berüchtigten „Hammer- und Amboss“-Operation, Teamwork der Armeen der beiden Länder, beide von den USA dominiert. Über 200 Menschen werden von den beiden Armee massakriert – alles ZivilistInnen, Kinder darunter. Der Bericht des Center stützt sich auf dank Freedom of Information Act erhaltene (immer noch teilzensurierte!) Kabel der US-Botschaften in San Salvador und Tegucigalpa. Dort nervt man sich, dass die Medien so ein Geschiss um die Sache machen (auch als „Erfolge“ taxiert), wo doch das salvadorianische Regime gerade in seinen Fortschritten in Sachen Menschenrechte massiv mit Militärhilfe unterstützt werden muss (bis zu 1 Mio. Dollar pro Tag). Das Papier zitiert diesbezüglich US-Präsident Reagan’s Darstellung einer „Hilfe an die Kräfte, die die Menschenrechte unterstützen“. Das honduranische Regime hatte nach der Botschaft in Tegucigalpa eh nichts mit der Sache zu tun, egal, was die Überlebenden, die honduranische Lokalbevölkerung und der bekannte Pfarrer Fausto Milla sagen. (Einer, der das gleich wie die Embassy sah, war der damalige Bischof und heutige Kardinal Rodríguez, ein glühender Befürworter des Putschs von 2009.) Auch gegen die Bezeichnung „Massaker“ wehrten sich die US-Stellen – möglicherweise seien unter noch zu klärenden Umständen acht Menschen zu Tode gekommen. 
Vor dem Massaker am Lempa. Bild aus dem Film "In the name of the people". Quelle: WUCHR

Brav gibt ein zitiertes Kabel der US-Botschaft in San Salvador die Position der lokalen Militärs wieder: „Viele ausländischen Journalisten führen ihre Leser in die Irre, um so ihren Verbleib in El Salvador zu rechtfertigen“. Wichtig die folgende Aufklärung des Center: „Schliesslich bestätigen diese [jetzt zugänglich gemachten] Dokumente eine Tendenz, die wir bei früher schon vom UWHCR veröffentlichten Dokumenten über Kriegsgrausamkeiten beobachtet haben: In einer Zeit, als die salvadorianischen Medien total vom Staat kontrolliert waren, machten es sich die amerikanischen DiplomatInnen zur Aufgabe, die Berichterstattung ausländischer Medienarbeitender – die einzigen unabhängigen Versionen zum Krieg - zu manipulieren.“  Interessant das Zitat von US-Botschafter Dean Hinton an einer PK zum Massaker, an anwesende kritische Medienleute gerichtet: „Meine Damen und Herren, mir scheint, Sie übertreiben die Nachteile. Ich sage nicht, die gebe es nicht, aber sie scheinen mir etwas übertrieben. Ihr Gewissen wird entscheiden, wie Sie berichten.“
Wir verstehen nochmals ein wenig besser, warum das Center letzten Oktober Opfer eines Überfalls auf sein Archiv wurde, genauso wie in El Salvador diverse Menschenrechtsorganisationen.
Und noch was: Hintons Ermahnung an die Presse dürfte heute noch weniger nötig sein als damals. Denn heute weiss man: relevanter Journalismus ist eingebettet. Das hat sich längst in die Gehirne eines Grossteils des Mainstreams eingenistet.  Beispiel, heute früh in den Radionachrichten: Obama in Kuba, und der  Reporter betont, dass Obama mit der „Zivilgesellschaft“ interagieren und Raúl Castro seine Hausaufgaben in Sachen Menschenrechte mitteilen wird. Eine nicht minder drängende Aufgabe als jene, die der gleiche Journalist gestern thematisierte: die Entschädigung der von den „kubanischen Kommunisten“ enteigneten US-BürgerInnen, die deswegen heute in den USA in Armut leben. Geschenkt, dem Tropf etwas beibringen zu wollen von US-Mafia-Imperium in Kuba vor der Revolution, von US-Staatsterrorismus seither (von der Blockade über mehr als 600 Mordversuche an Fidel Castro bis zur Explosion eines vollbesetzen Linienflugzeugs). Geschenkt auch nur schon der verzweifelte Reflex, black lives matter in Erinnerung zu rufen. Ein Thema, das, wenn nicht eh vermeidbar, allenfalls für die Diskussion IN den USA taugt, aber bitte, wir reden jetzt von Halbentwickelten. So, genau so, ist die permanente debile Ignoranz gemeint.