Notizen eines deutschen Anwalts in Guatemala (10)

Dienstag, 1. März 2016



Guatemala Stadt, Ende Februar 2015

Wie immer fällt mir die Entscheidung, worüber schreiben ich schreiben soll, schwer. Es gibt neue Gesetze, die es zu analysieren lohnt1 und es stehen Abstimmungen an, wie die über das Gesetz zu den „Wahlen und politischen Parteien“, welches eine der Hauptforderung der Demonstrationen im letzten Jahr war. Es ist noch lange nicht sicher, was dabei rauskommt. Das alles passiert in einem Augenblick in dem FCN-Nación, die Partei von Präsident Morales, eine erst im Januar verabschiedete Reform aushebelt, um stärkste Fraktion zu werden und über 20 „Transfugas“ aufzunehmen – Abgeordnete, die ihre jeweilige Partei schon zwei Wochen nach der Machtübergabe im Kongress wechseln, um näher an die Tröge zu kommen. Noch in der Wahlkampagne hatte Morales das genaue Gegenteil garantiert. Überhaupt outete er sich in diesen Tagen immer wieder als Vertreter des alten Regimes. Es wird spannend sein, zu sehen, ob er das wirklich so leicht übersteht, wie er zu glauben scheint.

Da sind auch noch die laufenden Prozesse gegen die AktivistInnen gegen die Minen- und Wasserenergieprojekte, die schon seit Monaten im Gefängnis sitzen und gegen jedes Recht nicht freigelassen werden. Oder die jüngsten Verhaftungen, u.a. im 1 Z.B. stärkt das “organische Gesetz der Staatsanwaltschaft” die Rolle des Generalstaatsanwalts, der nicht mehr einfach Korruptionsfall „Aceros de Guatemala“, wo der grösste Stahlkonzern Guatemalas und die Leitung der Steuerbehörde den Staat um über 200 Millionen Q betrogen haben.

Ich habe mich aber entschlossen, andere zu Wort kommen zu lassen: Die Opfer eines Strafprozesses, in dem es u.a. um die sexuelle Versklavung von Quechí-Frauen im Militärlager Zepur Sarco geht, das anfangs der 80er Jahre der „Unterhaltung“ der Truppen während des Krieges diente. Erst wurden ihre Männer verschleppt und ermordet, dann wurden die Frauen für „männerlos“ und „frei verfügbar“ erklärt.

Hilda Morales, die Staatsanwältin, und die AnwältInnen der Nebenklage halten am 24.2. ihre Plädoyers und beantragen die Verurteilungen beider Angeklagter wegen Verschwindenlassen, Mord und Kriegsverbrechen in Form von sexueller Sklaverei.

Hinter ihnen sitzen seit dem ersten Februar 14 Frauen, die Nebenklägerinnen. Ihre Gesichter sind während des gesamten Prozesses hinter bunten, wunderschönen Tüchern und Schals versteckt, die einen heftigen Kontrast zu dem berichteten Leid darstellen, aber trotz der Anonymität, die sie gewähren, auch die Würde und Kraft der Frauen unterstreichen. Jahrelang war auf sie in ihren eigenen Gemeinden, die selbst unter der Militärgewalt gelitten haben, mit dem Finger gezeigt worden als die „Militärbräute“. Und morgen werden sie sich anhören vom Präsidenten abgesetzt werden kann; auf der anderen Seite macht es in unberührbar, da er verhaftet werden muss, um ihn abzusetzen. 2 müssen, wie Moses Galindo, ex-Militär und Verteidiger des angeklagten Kommandanten Reyes, sie als Prostituierte bezeichnet und ein Kollege den Prozess „Sepur Zirkus“ nennt.

„An dem Tag, an dem sie meinen Mann mitnahmen, haben mich zwei Soldaten vergewaltigt. Sie haben mir die Waffe auf die Brust gesetzt und gefragt, ob ich sterben will. Sie haben mir die Beine auseinandergemacht und andere Soldaten haben zugeschaut… Dann haben sie mein Haus abgebrannt und die „Comisionados“ haben mich nach Sepur Zarco geschleppt. Ich musste für sie kochen und waschen“.

Das dauerte für einige der Frauen 6 Jahre, die ersten 6 Monate wurden sie ständig missbraucht. „6 Monate mussten wir alle drei Tage dahin, immer Gruppen von drei Frauen. Sie haben mich mit Gewalt genommen, immer wieder… Ich hab geblutet, ständig. Auch anderen haben sie die Männer weggenommen und sie dann immer wieder vergewaltigt.“ „Ich weiss auch, dass sie eine Frau getötet haben; aber erst haben sie sie vergewaltigt und dann ihre zwei Mädchen...“

„Erst mussten wir ihnen Essen kochen und dann haben sie uns missbraucht, jedes Mal…“

„Damals waren meine Kinder immer bei mir, auch sie wurden immer wieder vergewaltigt. Meine Tochter hat auch ihren Vater dort gesehen. Er war voller Blut. Sie hatten ihm einen Draht in die Nase gesteckt und in die Ohren... Wie muss er gelitten haben; das tut noch heute sehr weh. Er war Bauer und eines Tages haben sie ihn einfach mitgenommen.“

„Immer wieder mussten wir hin, sie hätten uns sonst umgebracht. Es war schrecklich. Und jedes Mal haben sie uns vergewaltigt.“ „Ich musste drei Mal pro Woche dahin, 6 Jahre. Wir Frauen haben uns immer wieder gesehen und jedes Mal wurden wir vergewaltigt.“

Am 26.2. urteilte das Gericht unter Vorsitz von Yasmin Barrios mit klaren Worten und bestätigte nicht nur die Version der Frauen, sondern versuchte auch, die Dimensionen ihres Leidens verständlich zu machen:

„Sie wurden in ihren eigenen Gemeinden stigmatisiert. Der Gutachter hat dem Gericht den Zusammenhang erklärt zwischen Körper und Territorium. Sich ihrer Körper zu bemächtigen, verschuf dem Militär Macht über die Gemeinde. Es gab einen Plan, die Gesellschafts- und Gemeindestrukturen zu zerstören… Der Militärgutachter hat uns erklärt, dass diese Vergewaltigungen Instrumente der Kriegsführung waren, um die Frauen und ihre Gemeinden zu erniedrigen.“

„Uns Richtern erscheint es beschämend, wie diese Frauen behandelt wurden. Sie mussten 30 Jahre warten; wir geben mit diesem Urteil Zeugnis ab von ihrem Mut und ihrer Würde in ihrem Kampf um Gerechtigkeit… Die systematischen Vergewaltigungen haben die Frauen zu zerstören versucht, aus einer Logik des Patriarchalismus heraus!“

Der Lagerkommandant Reyes wurde zu 120 Jahren und der „Comisionado Militar“ Asij zu 240 Jahren verurteilt.

Miguel Mörth