Guatemala Stadt, Ende Februar 2015
Wie immer fällt mir die Entscheidung, worüber
schreiben ich schreiben soll, schwer. Es gibt neue Gesetze, die es zu
analysieren lohnt1 und es stehen Abstimmungen an, wie die über das Gesetz zu den „Wahlen
und politischen Parteien“, welches eine der Hauptforderung der Demonstrationen
im letzten Jahr war. Es ist noch lange nicht sicher, was dabei rauskommt. Das
alles passiert in einem Augenblick in dem FCN-Nación, die Partei von Präsident
Morales, eine erst im Januar verabschiedete Reform aushebelt, um stärkste
Fraktion zu werden und über 20 „Transfugas“ aufzunehmen – Abgeordnete, die ihre
jeweilige Partei schon zwei Wochen nach der Machtübergabe im Kongress wechseln,
um näher an die Tröge zu kommen. Noch in der Wahlkampagne hatte Morales das
genaue Gegenteil garantiert. Überhaupt outete er sich in diesen Tagen immer
wieder als Vertreter des alten Regimes. Es wird spannend sein, zu sehen, ob er
das wirklich so leicht übersteht, wie er zu glauben scheint.
Da sind auch noch die laufenden Prozesse gegen
die AktivistInnen gegen die Minen- und Wasserenergieprojekte, die schon seit Monaten
im Gefängnis sitzen und gegen jedes Recht nicht freigelassen werden. Oder die jüngsten
Verhaftungen, u.a. im 1 Z.B. stärkt das “organische Gesetz der
Staatsanwaltschaft” die Rolle des Generalstaatsanwalts, der nicht mehr einfach Korruptionsfall „Aceros de Guatemala“, wo der grösste Stahlkonzern
Guatemalas und die Leitung der Steuerbehörde den Staat um über 200 Millionen Q
betrogen haben.
Ich habe mich aber entschlossen, andere
zu Wort kommen zu lassen: Die Opfer eines Strafprozesses, in dem es u.a. um die
sexuelle Versklavung von Quechí-Frauen im Militärlager Zepur
Sarco geht, das anfangs der 80er Jahre der
„Unterhaltung“ der Truppen während des Krieges diente. Erst wurden ihre Männer
verschleppt und ermordet, dann wurden die Frauen für „männerlos“ und „frei verfügbar“
erklärt.
Hilda Morales, die Staatsanwältin, und
die AnwältInnen der Nebenklage halten am 24.2. ihre Plädoyers und beantragen
die Verurteilungen beider Angeklagter wegen Verschwindenlassen, Mord und
Kriegsverbrechen in Form von sexueller Sklaverei.
Hinter ihnen sitzen seit dem ersten
Februar 14 Frauen, die Nebenklägerinnen. Ihre Gesichter sind während des
gesamten Prozesses hinter bunten, wunderschönen Tüchern und Schals versteckt,
die einen heftigen Kontrast zu dem berichteten Leid darstellen, aber trotz der
Anonymität, die sie gewähren, auch die Würde und Kraft der Frauen
unterstreichen. Jahrelang war auf sie in ihren eigenen Gemeinden, die selbst
unter der Militärgewalt gelitten haben, mit dem Finger gezeigt worden als die
„Militärbräute“. Und morgen werden sie sich anhören vom Präsidenten abgesetzt werden kann;
auf der anderen Seite macht es in unberührbar, da er verhaftet werden muss, um
ihn abzusetzen. 2 müssen, wie Moses Galindo, ex-Militär
und Verteidiger des angeklagten Kommandanten Reyes, sie als Prostituierte
bezeichnet und ein Kollege den Prozess „Sepur Zirkus“ nennt.
„An dem Tag, an dem sie meinen Mann mitnahmen,
haben mich zwei Soldaten vergewaltigt. Sie haben mir die Waffe auf die Brust
gesetzt und gefragt, ob ich sterben will. Sie haben mir die Beine
auseinandergemacht und andere Soldaten haben zugeschaut… Dann haben sie mein
Haus abgebrannt und die „Comisionados“ haben mich nach Sepur Zarco geschleppt.
Ich musste für sie kochen und waschen“.
Das dauerte für einige der Frauen 6
Jahre, die ersten 6 Monate wurden sie ständig missbraucht. „6 Monate mussten
wir alle drei Tage dahin, immer Gruppen von drei Frauen. Sie haben mich mit
Gewalt genommen, immer wieder… Ich hab geblutet, ständig. Auch anderen haben
sie die Männer weggenommen und sie dann immer wieder vergewaltigt.“ „Ich weiss
auch, dass sie eine Frau getötet haben; aber erst haben sie sie vergewaltigt
und dann ihre zwei Mädchen...“
„Erst mussten wir ihnen Essen kochen und dann
haben sie uns missbraucht, jedes Mal…“
„Damals waren meine Kinder immer bei mir,
auch sie wurden immer wieder vergewaltigt. Meine Tochter hat auch ihren Vater
dort gesehen. Er war voller Blut. Sie hatten ihm einen Draht in die Nase
gesteckt und in die Ohren... Wie muss er gelitten haben; das tut noch heute
sehr weh. Er war Bauer und eines Tages haben sie ihn einfach mitgenommen.“
„Immer wieder mussten wir hin, sie hätten
uns sonst umgebracht. Es war schrecklich. Und jedes Mal haben sie uns
vergewaltigt.“ „Ich musste drei Mal pro Woche dahin, 6 Jahre. Wir Frauen haben
uns immer wieder gesehen und jedes Mal wurden wir vergewaltigt.“
Am 26.2. urteilte das Gericht unter
Vorsitz von Yasmin Barrios mit klaren Worten und bestätigte nicht nur die
Version der Frauen, sondern versuchte auch, die Dimensionen ihres Leidens
verständlich zu machen:
„Sie wurden in ihren eigenen Gemeinden stigmatisiert.
Der Gutachter hat dem Gericht den Zusammenhang erklärt zwischen Körper und
Territorium. Sich ihrer Körper zu bemächtigen, verschuf dem Militär Macht über
die Gemeinde. Es gab einen Plan, die Gesellschafts- und Gemeindestrukturen zu zerstören…
Der Militärgutachter hat uns erklärt, dass diese Vergewaltigungen Instrumente der
Kriegsführung waren, um die Frauen und ihre Gemeinden zu erniedrigen.“
„Uns Richtern erscheint es beschämend,
wie diese Frauen behandelt wurden. Sie mussten 30 Jahre warten; wir geben mit
diesem Urteil Zeugnis ab von ihrem Mut und ihrer Würde in ihrem Kampf um
Gerechtigkeit… Die systematischen Vergewaltigungen haben die Frauen zu
zerstören versucht, aus einer Logik des Patriarchalismus heraus!“
Der Lagerkommandant Reyes wurde zu 120 Jahren
und der „Comisionado Militar“ Asij zu 240 Jahren verurteilt.
Miguel Mörth