(zas, 12.1.18) Gestern verabschiedete die rechte
Parlamentsmehrheit ein Übergangsdekret, das ermöglicht, dass die Leute an den
kommenden Gemeinde- und Parlamentswahlen vom 4. März abgelaufene
Personalausweise (DUI, Documento Único de Identidad) benutzen können. Einzig
für den Wahlgang sollen diese DUIs rechtskräftig sein. Ein klarer Beleg für den
geplanten Wahlbetrug.
Nach Kriegsende 1992 verfügten viele Leute über keine
Identitätspapiere, da ihre dafür notwendigen Geburtsurkunden in den
Bürgermeisterämtern während des Kriegs zerstört worden waren. Als temporäre
Notlösung reicht es nach Kriegsende, dass zwei ZeugInnen die Identität des Gesuchstellers
bekundeten, um einen Ausweis zu erhalten. Anfang dieses Jahrhunderts wurden die
alten Ausweispapiere durch periodische zu erneuernde, gegen Fälschung besser
gesicherte Ausweise, eben die DUIs, eingetauscht. Das Problem: Es ist klar,
dass nach Massgabe der alten Ausweise unzählige DUIs mit falscher Identität im
Umlauf waren, mit dem Ziel des Wahlbetrugs. Mit falschen DUIs ausgestattet,
können organisierte und entlohnte Gruppen mehrfach wählen. Und vorallem können
die Kontingente ausländischer rechter WählerInnen aus den Nachbarländern weiter
ihre Stimme abgeben. In der Region gehört ein gut eingespielter «Wahltourismus»
- heute wählen die RechtsaktivistInnen aus Guatemala in El Salvador, morgen die
salvadorianischen in Guatemala – zum Repertoire. Er kann, geschickt eingesetzt,
Wahlen auf Gemeinde-, aber auch auf Parlamentsebene entscheiden.
Während es unter den rechten Regierungen unmöglich war, das
Problem der abgelaufenen DUIs zu quantifizieren, ist dies heute möglich. Laut Einkunft
des EinwohnerInnenregisters sind 395'000 zwischen 2001 und 2010 ausgestellte
DUIs nie erneuert worden.
Natürlich führen die dominante Rechtspartei ARENA und ihre
Satelliten andere Gründe für ihr obstinates Beharren auf der Gültigkeit der
abgelaufenen DUIs (nur für den 4. März 2018!) an. Nicht alle BürgerInnen etwa
besässen ein Bankkonto, für das ein gültiger Personalausweis unerlässlich ist.
Andere könnten die anfallenden Gebühren nicht begleichen, doch ihr Recht, an
Wahlen teilzunehmen, könne dadurch nicht geschmälert werden. Nun wäre es
mittlerweile auch in El Salvador sensationell, wenn jemand über all die Jahre
nie einen Ausweis benützen müsste, aber wählen gehen wollte. Und die
Abgeordnete Lorena Peña von der regierenden Linkspartei FMLN meinte:
«Vor fünf Jahren gab es eine
Gratiserneuerung des DUI. Für die DUIs von Toten und jene mit falscher
Identität gab es keine Anträge.»
Aber jetzt sollen sie wieder wahltauglich sein. (Vermutlich
wird der Präsident ein Veto einlegen, für dessen Überstimmung den Rechten die
Zahlen fehlen.)
Julio Olivo ist Präsident des fünfköpfigen Obersten
Wahlgerichts, das seine wichtigen Entscheidungen mit einer 4:1-Mehrheit trifft.
Dank der Verfassungskammer des Obersten Gerichts wurde letztes Jahr das eh
schon prekäre politische Gleichgewicht im Wahltribunal (3 Konservative gegen 2
Fortschrittliche) mit der «Suspendierung» eines der beiden fortschrittlichen
Magistraten und seinem Ersatz durch eine standhafte Rechte abgeschafft. Diese neue
Mehrheit setzt nun z. B. auf den Einsatz firmeneigener Auszählsoftware, deren Quellcode
Betriebsgeheimnis ist. Anscheinend
sollen selbst die von Südkorea geschenkten Scanner für die Übermittlung der Resultate
aus den Wahlzentren in den zentralen Rechner durch neue, von salvadorianischen
Unternehmern gekaufte Scanner und Software ersetzt werden. Es sind solche «Tendenzen»,
die Olivo vor wenigen Tagen zu einer bemerkenswerten, in den nationalen Medien
kaum beachteten Aussage
veranlasst haben: «Am Tag, an dem ich
Anzeichen sehe, dass die vier [Wahlgerichts-] Magistraten einen Betrug
durchsetzen, werde ich der erste sein, dies zu kritisieren und zurückzutreten.»
Dies ist nur ein Beispiel für den fast offen angepeilten
Wahlbetrug vom nächsten März, der den Auftakt dafür geben soll, mit den
Präsidentschaftswahlen 2019 wieder imperiale «Ruhe» im Land zu etablieren. Zentral
ist dabei das Agieren der Verfassungskammer des Obersten Gerichts, die,
protegiert von Washington & Co., das aus den Friedensabkommen von 1992 entsprungene
Wahlsystem so «reformiert» hat, dass das zentrale Mittel der Linken, den Wahlbetrug
an der Urne zu bekämpfen, nämlich die Kontrolle aller Parteien der
Urnenresultate, Makulatur wird. S. dazu Artikel in Correos
189. Um nur von «technischen» Dingen zu reden. Die systematische
Finanzerdrosselung der linken Regierung durch Rechte, Medien, Justiz und US-Botschaft
ist DER zentrale Mechanismus der Wahlkampagne zur Manipulation von
beträchtlichen Bevölkerungssegmenten. Eine Linke, die zögerlich reagiert, hat
von vornherein verloren. Offen ist, von aussen gesehen, bloss, wie produktiv
und kreativ der FMLN dagegen in seiner Basisarbeit operiert.