Ecuador: Lawfare als Politikregulativ

Sonntag, 4. Februar 2018



(zas, 4.2.18) Heute Sonntag findet in Ecuador die Referendumsabstimmung statt (s. Ecuador: Konterrevolution per Verrat und Ecuador: Ein gutes Zusammenspiel). Sollte sich das Lager des Präsidenten Lenín Moreno durchsetzen, dürfte sein Vorgänger Rafael Correa bald hinter Gitter kommen. Lawfare – dies ist der Begriff für die gerade in Lateinamerika „modisch“ gewordenen Angriffe auf linke und soziale Politik mittels einer US-hörigen Justiz. In Ecuador ist der gewählte Vizepräsident Jorge Glas ohne Beweise wegen angeblicher Korruption zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden. Er hatte den Fehler gemacht, sich von der restaurativen Politik Morenos öffentlich zu distanzieren. Kurz darauf kam er in Präventivhaft, danach wurde er mithilfe eines abgeschafften Strafgesetzbuchparagraphen zu den sechs Jahren verurteilt, ein Mass, das Moreno erlaubte, eine ihm genehme Nachfolgerin von Glas zu ernennen.
Für morgen Montag hatte Correa letzten Mittwoch eine Vorladung zu einem Verhör erhalten. Themen: Ein Future-Verkauf von Erdöl an die chinesische Petrochina durch die staatliche Unternehmen Petroecuador und ein Audit der Schuldenpolitik unter seiner Regierung. (Gegen Cristina Fernández ermittelt die argentinische Justiz wegen „Währungsmanipulation“. Ihre Regierung hatte Pesoanleihen aufgenommen, deren Rückzahlung kurz nach der von Macri beschlossenen massiven Abwertung der nationalen Währung klar teurer wurde. Profitiert hatten direkt Macri und andere Grössen seines Kabinetts.) Correa hat sich um 9h30 einzufinden. Nichts zu schäbig, um nicht zu dienen. Nur schon der Zeitpunkt: Mutmasslich wenige Stunden nach Bekanntgeben der offiziellen Referendumsresultate, in einer extrem angespannten Lage! Correa ist klar der Anführer des Nein-Lagers. In Ecuador: Konterrevolution per Verrat sind wir auf die von Moreno eingesetzte „Untersuchungskommission“ zur Schuldenpolitik Correas eingegangen, bestehend aus Spitzenexponenten der Finanzoligarchie und assortierten Cliquen. Jetzt komplementiert die Justiz die Sache. Und vor wenigen Stunden meldete Correa per Twitter: „Unglaublich! Die Staatsanwaltschaft lädt mich vor, nicht wegen des Anschlags, den wir in Quinindé erlebten … sondern wegen des Interviews, das ich gab.“
Quinidé: Am 31. Januar gab Correa ein Interview in einem Lokalradio dieser Stadt. Der Bürgermeister liess Militante Correa und seine MitarbeiterInnen im Radio belagern, auch Bewaffnete waren dabei zu sehen. Im Video werden einige dieser „Befürworter“ des „Ja“ im Referendum identifiziert. Sie haben in Facebook zu bewaffneten Aktionen gegen Correa aufgerufen, sind in der Vergangenheit wegen Mord oder häuslicher Gewalt in die Fänge der Justiz geraten und sind allesamt vom Bürgermeister, der die Aktion geleitet und die Polizei zu Passivität verdonnert hatte, angestellt. Der „Bürgermeister“ war nicht etwa gewählt worden. Letzten September trat er dank eines Manövers der klassischen Rechten und des Moreno-Lagers die Nachfolge des kurz zuvor gewählten, aber dann abgesetzten Bürgermeisters an, eines Menschen aus dem „Nein“-Lager. 
Engagiert für Morenos Referendum in Quinindé

Am 27. Januar kam es in Ecuador zu einem für das Land neuen Phänomen: Bei einem Polizeiposten in San Lorenzo nahe der Grenze mit Kolumbien kam es zu einem Bombenanschlag, der rund 30 Menschen verletzt hatte. Moreno dekretierte einen zweimonatigen Notstand für die Zone. Am 30. Januar berichtete das Regierungsblatt El Telégrafo, dass ein FBI-Team vor Ort den Anschlag untersuche. Der denunzierte ehemalige Aussenminister und Anfang Jahr als Botschafter bei der UNO in Genf zurückgetretene Guillermo Long kommentierte: „Es stimmt, dass die Situation an der Nordgrenze immer delikat war. Aber es fällt auf, dass bei der ersten grossen Sicherheitsherausforderung die Reaktion der Regierung darin besteht, die USA zu holen“, im Gegensatz zur Regierung Correa, die sich sowohl für die Sicherheit wie für die Souveränität ins Zeugs gelegt habe.