Venezuela: „humanitär“ mobilisiert für den Kill

Samstag, 3. Februar 2018



(zas, 3.2.18) Versuchen wir uns mal zu merken, wie oft in der nächsten Zeit in ungläubigem und empörtem Ton Aussagen vorgesetzt bekommen wie: „Obwohl Venezuela ein reiches Land mit den grössten Erdölreserven weltweit ist, stürzt die Bevölkerung wegen der verantwortungslosen Politik des Maduro-Regimes in Not und Elend.“ Einheitsdiskurs der Medieninternationale. Die Washington Post erörterte etwa die Frage, ob gescheiter militärisch oder, als wär’s ein Gegensatz, eher mit verstärkten Sanktionen zu intervenieren sei. Intervenieren wofür? Ja doch, um Kinder vor dem Hungern zu retten. Die New York Times hatte kürzlich, unterlegt mit Beispielen und ergreifenden Bildern, davon berichtet: „Venezuela hat die grössten Erdölreserven der Welt. Aber in den letzten drei Jahren ist seine Wirtschaft zusammengebrochen. Hunger hat die Nation seit Jahren bedrängt. Jetzt bringt er die Kinder um.“ Der EX-FBI-Kader und heutige Vertreter im Repräsentantenhaus, Brian Fitzpatrick, stützte darauf seine Frage vom 11. Januar 2018 nach einer Antwort auf „die in den Nachrichten oft vergessene humanitäre Krise“ Venezuelas, dessen „Wirtschaft am Zusammenbrechen“ ist und wo „die Kinder sich zu Tode hungern“.
Es stimmt, bisher hat die venezolanische Regierung die Wirtschaft nicht in den Griff gekriegt. Wir haben eine künstlich herbeigeführte, aber reale Hyperinflation. Die chavistische Regierung kritisiert immer wieder Vorfälle, wo Nahrungsmittel oder Medikamente nicht oder erst nach grossem Zeit- und Geldverlust importiert werden können. Da wäre etwa die tagelang blockierte Lieferung von 300‘000-Insulindosen, die Maduro am letzten 7. September denunziert hatte. Grund: Die Citibank hatte sich geweigert, venezolanisches Geld anzunehmen. Da wäre die Anschuldigung des venezolanischen Vizepräsidenten Tarek El Assami von Anfang November, wonach der kolumbianische Präsident Santos die Lieferung von Präparaten gegen Malaria durch das kolumbianische Labor BNS Medical verboten hatte, nachdem als Lieferadresse das venezolanische Gesundheitsministerium festgestellt worden war. Die Regierung konnte dann Ersatz aus Indien besorgen – zwischenzeitlich fehlte das Chinin-Produkt. Es war die Zeit, als die Times die entsetzlichen Zustände in den öffentlichen Spitälern des Landes „recherchiert“ hatte.
Maduro klagte vor etwa drei Wochen: „Jeden Tag plagt uns der Gedanke an die Schiffe mit Nahrungsmitteln aus aller Welt. Sie halten sie auf offener See auf, sie lösen unsere Bankkontos auf und beschlagnahmen das Geld, mit dem wir Medikamente bezahlen. Es gibt den Fall der kolumbianischen Regierung. Sie hat sich der Verfolgung jedes Schiffs gewidmet, jedes Ersuchens um Importe aus Kolumbien“. Letzten Dezember habe, so Maduro, „Kolumbien die Lieferung von Schweinefleisch für den Weihnachtsbraten sabotiert, das Venezuela importieren und über die Lokalen Verteilungs- und Produktionskomitees Clap verteilen wollte.“ Das Fleisch sei “auf Befehl der kolumbianischen Regierung an der Grenze verfault (…) Es gibt keinen Tag, an dem sie uns nicht eine Bankverbindung annullieren und nicht eine grosse Summe Dollardevisen auf irgendeinem Konto in der Welt beschlagnahmen.“
Mike Pompeo. CIA-Chef, am Aspen Security Forum letzten Juli: «Aber es reicht zu sagen, dass wir grosse Hoffnung darauf setzen, dass in Venezuela eine Transition möglich ist. Und wir in der CIA tun unser Möglichstes, die Dynamik dort zu verstehen, um mit dem State Department und anderen kommunizieren zu können. Die Kolumbianer, ich war gerade vorletzte Woche unten in Mexico-City und in Bogota und redete genau über dieses Thema; ich versuchte, ihnen die Dinge zu verstehen helfen, die sie tun können.» Der gleiche Typ plauderte vor zehn Tagen vor dem American Enterprise Institute aus der Schule: „Die zweite oder dritte Serie von Sanktionen entsprach unseren [CIA] Empfehlungen.“
US-Aussenminister Rex Tillerson befindet sich gerade auf einem Lateinamerika-Trip bei „Alliierten“, also Statthaltern (Mexiko, Kolumbien, Argentinien, Peru und Jamaica). Ein Reiseziel ist, den Südkontinent davon abzuhalten, auf das verlockende chinesische Angebot des Einschlusses Lateinamerikas in das Riesenprojekt der „neuen Seidenstrasse“ einzusteigen, das an dem am vergangenen 22. Januar beendeten Treffen des chinesischen Aussenministers Wang Yi mit der lateinamerikanisch-karibischen Staatengemeinschaft CELAG ins Auge gefasst worden ist. Zu Beginn seiner Reise äusserte Tillerson an der University of Austin: „China ist jetzt der grösste Handelspartner von Chile, Argentinien, Brasilien und Peru“. Ein zu behebender Missstand, denn China wirtschafte in diesen Ländern oft „ohne Achtung der Gesetze (…) und der Menschenrechte“, nach der Logik „kurzfristige Gewinne gegen langfristige Abhängigkeit“. Der frühere Exxon-CEO sagte tatsächlich auch: „Lateinamerika braucht keine neuen imperialen Mächte, die nur ihre eigenen Leute begünstigen wollen.“ Der andere Schwerpunkt seiner Reise: Venezuela. Tillerson machte aus seinem Herzen keine Mördergrube und sprach frank und frei: „In der Geschichte von Venezuela und südamerikanischen Ländern ist oft die Armee die Agentin des Wechselns, wenn die Verhältnisse so schlecht sind und die Führung ihrem Volk nicht mehr länger dienen kann“
Tillerson.
 Yeap! Noch besser wäre, Maduro träte freiwillig ab: „Ich bin sicher, er hat in Kuba drüben ein paar Freunde, die ihm eine nette Hacienda an der Beach geben könnten.“ Ob die Armee oder Maduro die nötige Einsicht zeigen werden, sei ungewiss. Jedenfalls diene sein Trip, fasst eine BBC-Kommentatorin zusammen, dazu, „Unterstützung für die harte Linie Washingtons gegen Caracas zu mobilisieren“.  Denn schliesslich weiss der Exxon-Mann: „Venezuela hat die grössten bewiesenen Ölreserven der Welt. Aber die Menschen sterben an Unterernährung und Krankheit.“
In diesem Zusammenhang ist eine Äusserung einer Kaderperson des State Departments während einer Telefonkonferenz des Ministeriums mit ausgesuchten Presseleuten über Tillersons Reisepläne von Belang. Die nur als „Senior State Department Official 2“ genannte Person antwortete auf den Vorwurf einer Journalistin von Radio Colombia, die Sanktionen gegen Venezuela seien „nicht wirklich wirksam“, so: „Unsere Strategie zu Venezuela ist extrem effektiv gewesen. Die Lima-Gruppe [US-nahe Regierungen in Lateinamerika gegen Venezuela] hat sich diesem Effort [US-Sanktionen] angeschlossen [ebenso wie Kanada und gerade eben die EU]. Die von uns der venezolanischen Regierung auferlegten Finanzsanktionen haben sie gezwungen, in Zahlungsstopp zu geraten, sowohl, was die Schulden der Regierung als auch jene ihrer Ölgesellschaft PDVSA betreffen. Und was wir wegen der schlechten Wahl des Maduro-Regimes sehen, ist ein völliger Wirtschaftskollaps in Venezuela. Also funktioniert unsere Politik, funktioniert unsere Strategie, und wir werden sie gegen Venezuela aufrecht halten.“  Etwas gar freimütig die Aussage, auf vielen Medienträgern gespeichert, so dass Nr. 2 am Schluss der Konferenz noch die Blase nachschob, die Sanktionen richteten sich nie gegen das venezolanische Volk.
Wir sollten es wissen: Wenn die von humanitär reden, wollen sie bomben.
In der (vielleicht kurzen) Zwischenzeit werden wir weiter aufmunitioniert mit dem „fassungslosen“ Hinweis auf den Reichtum des Landes und das Elend der Leute. Was immer an der Krise in die Verantwortung der chavistischen Führung fallen kann, es verschwindet im Sturm der imperialistischen Perversion.