Mexikanischer Großflughafen scheitert an Volksbefragung

Mittwoch, 31. Oktober 2018

https://amerika21.de/2018/10/216818/mexiko-flughafen-abstimmung
31.10.2018 

Protest in Mexiko-Stadt gegen den geplanten Großflughafen
Protest in Mexiko-Stadt gegen den geplanten Großflughafen
Mexiko-Stadt. Der weltweit drittgrößte Flughafen hätte es nach dem Willen des mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto werden sollen, doch nun entschied die Bevölkerung anders. In der breit angelegten Befragung in 538 von 2.463 Gemeinden Mexikos lehnten knapp 70 Prozent der Teilnehmer (748.335 Stimmen) den Airport in der Gemeinde Texcoco ab und votierten für die Modernisierung des bestehenden Hauptstadtflughafens in Mexiko-Stadt sowie dessen Anbindung an zwei weitere Flughäfen in Toluca und Santa Lucia. Peña Nieto will das Votum aber ignorieren und mit den Bauarbeiten bis zum Ende seines Mandats fortfahren.
Der seit zwei Jahren im Bau befindliche Großflughafen auf dem teilweise trockengelegten See Texcoco ist erst zu 20 Prozent fertig gestellt, die Gesamtkosten wurden zuletzt mit 285 Milliarden Pesos (rund 12,7 Milliarden Euro) geschätzt, 70 Prozent über dem ursprünglichen Budget ‒ eine Verteuerung, welche auch die Aufsichtsbehörde zur Korruptionsbekämpfung untersucht.
Insgesamt nahmen gut eine Million Mexikaner an dieser Abstimmung teil, in ihrer Art ein Novum in der mexikanischen Gesellschaft. Der am 1. Dezember antretende Präsident Andrés Manuel López Obrador hatte sich während seines Wahlkampfs klar gegen das Großprojekt ausgesprochen, nach seiner Wahl jedoch angekündigt, dass er in einem Plebiszit darüber abstimmen lassen werde. Da López Obrador noch nicht im Amt ist, führte eine Stiftung die Abstimmung mit Freiwilligen und einem schmalen Budget durch, was auch zu einigen Ungereimtheiten führte.
Der Befragung fehlte zudem ein gesetzlicher Rahmen, der sie als verbindliche, demokratisch geregelte Abstimmung legitimierte. Doch die künftige Regierung der linksgerichteten Partei Morena, die gleich nach dem Wahlsieg von der Wirtschaftslobby massiv unter Druck gesetzt wurde, entschied sich für ein solches Verfahren, um baldmöglichst eine breit getragene Entscheidung treffen zu können. An der Pressekonferenz vom 29. Oktober schlug López Obrador vor, dass nach einer Verfassungsreform über die Instrumente der direkten Demokratie die Bevölkerung zu jedem Großprojekt  konsultiert werden soll, so auch zum sogenannten Maya-Zug auf der Halbinsel Yucatán.
In den Gemeinden in und um Texcoco herrscht Erleichterung. Im nahegelegenen Atenco, wo sich Bewohner seit 2001 gegen das Flughafenprojekt wehren und 2006 bei einer Polizeiaktion hunderte verhaftet und dutzende gefoltert wurden, stimmten ebenfalls zwei Drittel gegen den Flughafen.

Brasilien: Die neualte freie Meinungsäusserung

Sonntag, 28. Oktober 2018

In Rio an einer Pro-Bolsonaro-Übung der Armee.

Brasilien: «Du wirst im Gefängnis verfaulen»

Donnerstag, 25. Oktober 2018


Am 21. Oktober demonstrierten AnhängerInnen des faschistischen Präsidentschaftskandidaten der Militärs in São Paulo und durften sich an den folgenden, hier leicht gekürzten Worten aufgeilen, die Jair Bolsonaro über Video an sie richtete:
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Wir sind die Mehrheit. Wir sind das wahre Brasilien. Zusammen mit diesem brasilianischen Volk werden wir eine neue Nation aufbauen. Sie haben gestern verloren, sie haben 2016 verloren und sie werden am kommenden 28. verlieren. Diese Klasse muss sich, will sie hier bleiben, unter das Gesetz von uns allen stellen. Oder sie müssen die Strasse unter die Füsse nehmen. Sie werden aus unserem Land verwiesen werden. Und zusammen werden wir die Zukunft erbauen, die wir verdienen.
Wir haben das beste Volk der Welt, das beste Land des Planeten, und mit dieser neuen Classe politique werden wir wirklich das aufbauen, das wir verdienen. Ich bin hier bei euch, weil ich an euch glaube, ihr seid hier, weil ihr an Brasilien glaubt. Niemand wird aus diesem Vaterland weggehen, denn dieses Vaterland ist unser. Es gehört nicht dieser gehirngewaschenen Bande mit der roten Fahne. Ohne politische Einflussnahmen werden wir ein Ministerteam zusammenstellen, das sich wirklich um die Belange des Volks kümmern wird. Ihr könnt dessen sicher sein. Ihr könnt uns vertrauen, weil wir euch vertrauen. Brasilien wird dort draussen respektiert werden. Brasilien wird nicht mehr Witzobjekt sein. Hier wird es keinen Raum mehr für Korruption geben. Und du, Lula da Silva, wenn Sie gehofft haben, dass Haddad Präsident wird, um ihre Begnadigung zu unterschreiben, sag ich dir eins: Du wirst im Gefängnis verfaulen. Bald wirst du Lindbergh Farias (bei den letzten Wahlen als PT-Senator für Rio de Janeiro abgewählt) zur Seite haben, um Schach zu spielen.  Warte. Haddad (aktuell PT-Präsidentschaftskandidat) wird auch dorthin kommen. Aber nicht, um dich zu besuchen, nein. Sondern um einige Jahre an deiner Seite zu verbringen. Da ihr euch so liebt, werdet ihr zusammen im Gefängnis verfaulen. Denn der Platz für Banditen, die das Volk bestehlen, ist hinter Gitter.
Glaubst du, alles sei unter Kontrolle gewesen? War es nicht. Dieses Volk hat sich in den schwierigsten Momenten der Nation stets erhoben, um sie zu retten. Ihr hier, die ihr im ganzen Land demonstriert, rettet das Vaterland. Ihr rettet mein, euer, unser Brasilien. Es wird in Brasilien eine nie gesehene Säuberung geben. Der Vagabund wird arbeiten müssen. Ihr werdet aktive Streitkräfte sehen, die an der Zukunft Brasiliens mitarbeiten werden. Ihr werdet eine zivile und militärische Polizei sehen, die mit rechtlicher Unterstützung das Gesetz auf dem Rücken der Feinde zur Geltung bringen wird.
Banditen des MST, Banditen des MSTS (Bewegungen der Landlosen resp. der Obdachlosen), eure Aktionen werden als terroristisch eingestuft werden. Ihr werdet nicht mehr Terror in Stadt und Land bringen. Entweder ihr ordnet euch unter und befolgt die Gesetze oder ihr werdet dem Schrott dort in Curitiba (Gefängnisort von Lula) Gesellschaft leisten.
Freunde von ganz Brasilien, dieser Moment hat keinen Preis. Mein Dank an alle in Brasilien, die mir in der ersten Runde ihre Stimme anvertrauten. Noch haben wir die Wahlen nicht gewonnen, aber am 28. wird dieser Schrei aus unseren Kehlen kommen. Wir laden euch alle ein, weiter mobilisiert zu bleiben und euch aktiv und demokratisch an den Wahlen vom 28. zu beteiligen. Ohne Lügen, ohne Fake News, ohne Folha de São Paulo. (Die Folha hatte eine von Unternehmern bezahlte gigantische Fake-News-Kampagne des Bolsonaro-Lagers in Facebook und Whatsapp öffentlich gemacht.) Wir gewinnen diesen Krieg. Wir wollen eine freie Presse, aber eine mit Verantwortung. Die Folha de São Paulo ist die grösste Fake News in Brasilien. Sie werden kein staatliches Anzeigengeld mehr erhalten.  Freie Presse, Glückwunsch; gekaufte Presse, Beileid! Wir lieben die Freiheit, wir wollen in Demokratie und Frieden leben. Wir lieben unsere Familien, wir achten die Kinder, wir respektieren alle Religionen, wir wollen keinen Sozialismus, wir wollen Distanz zu den Diktaturen dieser Welt.
Brasilien über alles!

Nicaragua: Der extremistische Bischof und seine «Linke»


(zas, 24.10.18) wegen einer katholischen Basisgruppe namens Comunidad San Juan Pablo Apóstol  bittet Kardinal und Erzbischof Leopoldo Brenes laut dem Rechtsblatt El Nuevo Diario «das Priesterkollegium und die Gläubigen des Episkopats, weiter für die Kirche zu beten». Die Gruppe hatte eine Tonaufnahme eines Treffens des Weihbischofs Silvio Báez mit, so heisst es, Campesinos veröffentlicht, die es in sich hat. Hochwürden, bekannterweise eine der realen Führungsfiguren der Unruhen, sagte dabei:
Es muss wieder heiss werden. (Unverständliche Bemerkung aus dem Publikum) Ja, vielleicht. Jemand sprach sogar von einer weiteren Barrikadenphase, denn das war das Einzige, das sie dazu brachte, sich an den Tisch zu setzen. Die Einheit, die wir jetzt benötigen, muss alle einschliessen, trotz unseres Verdachts, dass sie Opportunisten sind, Abtreibungsleute, Feministinnen, Homosexuelle, Drogenhändler. Wir bilden keine neue Partei, wir stehen nicht vor Wahlen (…). Wir müssen jetzt vereint für die Sache sein, in der wir alle übereinstimmen, lassen wir die Differenzen für den Moment zur Seite (…). In einer zweiten Etappe, wenn es dann um Wahlen geht, werden die verschiedenen politischen Optionen hervortreten. Aber in einem neuen Szenario. Diesen Mann an den Tisch bringen, denn wir wollen ihn nicht an die Wand stellen und erschiessen, auch wenn wir Lust darauf hätten, wir werden das nicht machen, ihn als Kriegsverbrecher erschiessen. Die tranques (Barrikaden) waren eine aussergewöhnliche Erfindung (…).
Wir Bischöfe haben etwas weniger Gas gegeben, vermutlich, um ihm nicht die Möglichkeit zu bieten, uns weiter zu disqualifizieren, denn er hat uns extrem disqualifiziert, denn er sagte am 19. Juli … [Stimme aus dem Publikum: «Putschisten»). Wären wir zu aggressiv, zu konfrontativ weitergefahren, hätte er viel mehr Handhabe gehabt, uns einen Fusstritt zu versetzen. Nicht, weil wir keinen Fusstritt wollen, [sondern) damit wir im Moment, wo es eine Verhandlung gibt, präsent sein können. Ich habe der (Oppositions-) Allianz gesagt, sie solle der Bischofskonferenz einen Brief schreiben, dass sie ein Treffen mit uns wünschen, die Allianz weiss, dass wir Bischöfe sie geschaffen haben, dass wir sie gemacht haben, dass die Allianz existiert, weil wir das wollten.

El Nuevo Diario musste berichte, dass von Báez trotz Anfragen keine Stellungnahme zum Wahrheitsgehalt des Tonmitschnitts zu erhalten gewesen sein. Vermutlich kommt demnächst was in der Art von «aus dem Zusammenhang gerissen». Schnickschnack. 
Báez an einer seiner Demos
 Die Reaktionen auf die Veröffentlichung liessen nicht auf sich warten. Wenig erstaunlich, dass sich der Unternehmerverband COSEP mit Báez & Co. solidarisiert, dass ein Sergio Ramírez die «prophetische Stimme» des Bischofs bewundert oder dass Carlos F. Chamorro, der für seine «unabhängige» Mediengruppe US-Gelder erhält, über Twitter mitteilt, dass «die von Ortega-Murillo befohlene virulente Angriffskampagne gegen den Bischof @silviobaez das amoralische Regime noch weiter diskreditiert». Vielleicht weniger zu erwarten war die Reaktion der früheren sandinistischen Kommandantin Mónica Baltodano. Auf ihrer Facebook-Seite wusste sie dieses beizusteuern: «Monseñor Báez, vorbildlicher Priester, erinnert mich an den hl. Romero. Denn der sprach sich wie heute Báez für das Ende der Repression aus. Denn der schwierigste Teil des Priesteramtes ist, stets auf Seite der Armen, der Verfolgten, der Gerechtigkeit und nicht der Macht zu sein. Und dies ärgert die Unterdrücker immer ... erst recht die kriminellen Diktatoren!»
Bemerkenswert, dass Baltodano perverserweise Romero, von jenen Kräften ermordet, für die heute Báez weibelt, mit diesem auf die gleiche Stufe stellt. Insbesondere, da die Frau in Teilen der internationalen Linken und Soli-Projektgruppen als Vertreterin einer emanzipatorischen sandinistischen Strömung beklatscht wird. Gerade weilte sie auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) in Deutschland, um dort Teile der Partei Die Linke und Gruppen der früheren Solibewegung aufzumunitionieren.
Dass Leute wie Baltodano ziemlich erfolgreich Linke auf ihre Seite ziehen können, hat zweifellos mit unguten Entwicklungen im sandinistischen Lager zu tun. Ein klassisches Beispiel ist der Sexismus. Dass im FSLN bis heute der sexuelle Missbrauch Ortegas an seiner Schwiegertochter unter den Tisch gekehrt wird; dass Abtreibung offiziell absolut verboten ist (auch wenn alle wissen, wo ohne Knastterror nach medizinischen Standards abgetrieben werden kann); dass unter der jetzigen Regierung ein gutes Gesetz zum Schutz gegen häusliche Gewalt mit realen Schutzmechanismen wie polizeilichen Frauenkommissariaten und Massnahmen gegen Gewalttäter erfolgreich eingeführt, dann aber wieder abgeschafft wurde zugunsten eines Mediationsverfahrens, das an Gewalt gegen Frauen so gut wie nichts ändert – das und anderes hat zwangsläufig einen Graben zwischen Feministinnen und FSLN provoziert. Das aber legitimiert in keiner Weise, mit einem der reaktionärsten Scharfmacher im katholischen Klerus gemeinsame Sache gegen den FSLN zu machen, wohl verstanden, mit vielfachem Verweis auf den Sexismus der «Diktatur». Das ist ebenso pervers wie etwa die Berufung auf Sandino im gemeinsamen Kampf mit den imperialen Kräften gegen den Frente. So simpel das zu kapieren wäre, so sehr wehren sich «aufgeklärte» Teile der Linken gegen diese  Einsicht.
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Ansonsten gilt wohl auch für Nica, was fast im ganzen Kontinent (um nicht von Europa zu sprechen), angesagt ist: Trübsal blasen. Nein Ortega ist kein Bolsonaro, so fest das manche auch glauben wollen. Aber unverkennbar der Fakt, dass die Chance von letztem Juli nach dem Sieg über die Regime-Change-Brutalität der tranques (Báez: «ausserordentlichen Erfindung») von der Regierung vertan worden ist. Es gibt einen Haufen Verhaftungen und Prozesse gegen mutmassliche Regime-Change-AktivistInnen, die keineswegs alle von vornherein als Schauprozesse abgetan werden können. Aber es gibt - und das wird offenbar so bleiben – nicht ein Verfahren gegen Regierungskräfte, die mit Bestimmtheit auch Verbrechen begangen haben. Und vor allem: Es ist keine Initiative wahrzunehmen, mit der die Regierung den extrem vielen Menschen, die zurecht eine scharfe Kritik am Status Quo haben und deshalb in einer ersten Phase der Unruhen aktiv beteiligt waren, etwas anböte. Man muss sich dagegen die Schleimerei einer «christlichen Versöhnung», einer gottgefälligen «Normalisierung» der Lage von Seiten der Propagandamedien der illuminierten Gattin des Präsidenten anhören. Zwar soll es unter der medialen Wahrnehmungsschwelle Bestrebungen für gewisse neue Allianzen geben, aber dass das wirklich was wird, ist schwer zu glauben. Dafür bräuchte es einen öffentlichen Schwung – aber, no hay. Und was wir von den Frente-internen Diskussionen hören, die es jetzt tatsächlich gibt und die nötig sind, lässt auch kaum hoffen: Statt Veränderungen anzustossen, sind sie vom Apparat her offenbar mehr gedacht als Gelegenheit für die Leute an der Basis, mal sagen zu können, was sie schon lange plagt, und das wär’s dann auch.  
Dies in einem Kontext der weiter aufdrehenden imperialen Aggression; einer durch die Unruhen geschaffenen schweren und künftig durch die zunehmenden Blockaden intensivierten Wirtschaftskrise und eines katastrophalen kontinentalen Umfelds – es braucht keine Kassandra, um zu erahnen, wohin die Reise geht.

Mordfall Berta Cáceres: Gericht in Honduras schließt Nebenkläger aus

https://amerika21.de/2018/10/215959/mordfall-caceres-honduras-nebenklaeger
Anwälte der Familie Caceres‘ und des Augenzeugen Gustavo Castro legen Rechtsmittel ein. Auch Öffentlichkeit der Hauptverhandlung nicht gewährleistet
Protest des Rates der Volks- und Indigenenorganisationen von Honduras (Copinh) vor dem Gerichtsgebäude
Protest des Rates der Volks- und Indigenenorganisationen von Honduras (Copinh) vor dem Gerichtsgebäude
Quelle: Copinh
Tegucigalpa. Mit einem Paukenschlag haben die Richter im Mordprozess Berta Cáceres versucht, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu bekommen: Am vergangenen Freitag schlossen sie sämtliche Vertreter der Nebenklage aus dem Verfahren aus. Am Samstag eröffneten sie die in den letzten Wochen mehrfach abgebrochene mündliche Hauptverhandlung gegen acht mutmaßliche Täter und Mittelsmänner des Verbrechens ohne die Anwälte der Familie Cáceres und des Augenzeugen Gustavo Castro. Diese kündigten wiederum Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Gerichtes an.
Berta Cáceres wurde am 2. März 2016 ermordet. Der mexikanische Menschenrechtsaktivist Gustavo Castro befand sich zum Zeitpunkt des Attentats in ihrem Haus und überlebte.
Cáceres’ Organisation, der Rat der Volks- und Indigenenorganisationen von Honduras (Copinh), war vom selben Gericht schon von Beginn an von der Nebenklage ausgeschlossen worden. Die Vertretung der Opfer obliegt somit zur Zeit allein der Staatsanwaltschaft und damit der selben Instanz, die seit über zwei Jahren Beweismittel zurückhält bzw. nicht auswertet und der Nebenklage bis zum Prozessbeginn keine Einsicht in wichtige Ermittlungsakten gewährt hat. Laut Copinh sind bis heute mehrere Mobiltelefone, USB und weitere elektronische Daten aus Haus- und Bürodurchsuchungen nicht ausgewertet worden. Auch Geldflüsse, die Hinweise auf die Bezahlung des Auftragsmordes geben könnten, wurden nicht untersucht. Und zu den möglichen Tatwaffen fehlen offenbar immer noch die entsprechenden ballistischen Gutachten.
Die Anwälte der Nebenklage versuchen, bisher mit wenig Erfolg, ein rechtsstaatliches Verfahren zu erzwingen, während die honduranische Justiz öffentlichkeitswirksam damit kontert, dass die Untersuchungshaft von vier der acht Angeklagten am 2. November 2018 abläuft.
Hintergrund des aktuellen Ausschlusses ist ein juristisches Tauziehen um die aufschiebende Wirkung einer weiteren Anfechtungsklage beim Verfassungsgericht. Die Nebenkläger hatten diese mit dem Vorwurf der Fälschung von Informationen eingereicht, nachdem ein Berufungsgericht ihren Befangenheitsantrag gegen die Richter Esther Carolina Flores, José Anaín Orellana, Delia Lizeth Villatoro und Jocelyn Marie Donaire abgewiesen hatte. Nach Ansicht der Anwaltsteams der Familie Cáceres und von Gustavo Castro muss die Entscheidung des Verfassungsgerichts abgewartet werden und das der Parteilichkeit verdächtigte Gericht darf die Hauptverhandlung in der Zwischenzeit nicht aufnehmen. Damit sei diese am Freitag auf illegale Weise begonnen worden und folglich habe man nicht teilgenommen. Das Gericht hingegen beurteilte das Fernbleiben der Nebenklage als Aufgeben ihrer Funktion und übertrug diese flugs der Staatsanwaltschaft.
Eine Gerichtssprecherin betonte gegenüber Medien, die ausstehende Entscheidung der Verfassungskammer sei keineswegs ein Hindernis für den Fortgang der Verhandlung. Im Fall der Fälle müsse eben abgebrochen und der ganze bisherige Prozess annulliert werden. Am Montag hatte die Sprecherin gegenüber der honduranischen Presse noch versichert, dass die Verhandlung nicht begonnen werden könne, das Verfassungsgericht aber bereits am Mittwoch entscheiden werde, so dass der Prozess danach fortgesetzt werde.
Beobachter kommentierten, dieses Vorwissen lasse einige Rückschlüsse auf die Unabhängigkeit honduranischer Gerichte zu. Da verwundert ist es schon kaum mehr, dass eine Richterin des Berufungsgerichtes, das den Befangenheitsantrag abgewiesen hatte, ausgerechnet die gleiche Richterin ist, die im September 2016 die Akte Berta Cáceres mit nach Hause genommen hatte, worauf sie ihr unterwegs gestohlen wurde.
Ungelöst blieb bisher auch das Problem der mangelnden Öffentlichkeit der mündlichen Hauptverhandlung. Ein Antrag der Nebenklage auf öffentliche Übertragung der Verhandlung war abgelehnt und das Rechtsmittel dagegen für unzulässig erklärt worden. Ein weiterer Antrag des jesuitischen Radiosenders Radio Progreso wurde gar nicht erst behandelt.
Diese Handlungen seien gravierend, so Marcia Aguiluz von Center for Justice and International Law (CEJIL) mit Sitz in Costa Rica: "Sie bedrohen unmittelbar das Recht auf Wahrheit und Gerechtigkeit der Betroffenen, aber auch der Gesamtgesellschaft. Die Entscheidung des Gerichtes, die Übertragung der Verhandlung zu verbieten, lässt Zweifel an seiner Unparteilichkeit und seinem Willen transparent zu agieren aufkommen." CEJIL reichte nun, ebenfalls am Freitag, einen Amicus Curiae ein. Diese externe juristische Stellungnahme begründet ausführlich, warum das Gericht auf der Basis internationalen Rechts einer öffentlichen Übertragung der Verhandlung zustimmen sollte.