(zas,
11.10.18) Marcelo Falak leitet die Auslandsredaktion des argentinischen Wirtschaftsblatts
Ámbito Financiero. Am
7. Oktober 2018
publizierte er den Artikel Bolsonaro,
un líder construido en pos de un nuevo proyecto de poder militar, in dem er
ein Gespräch mit einem hohen brasilianischen Militär wiedergibt. Dieser erklärt,
die Armeeführung habe Bolsonaro in den letzten vier Jahren als neuen Präsidenten
aufgebaut. Wenn auch nur die Hälfte dessen, was der Offizier von sich gibt,
zutrifft, stehen den Menschen in Brasilien sehr schwere Zeiten bevor. Selbst
wenn der PT die Stichwahl für sich entscheiden könnte, was sehr
unwahrscheinlich ist, wird sich die brasilianische Linke auf eine Strategie
eines schwierigen Widerstands besinnen müssen. Und nicht nur sie. Vergessen wir
nicht, dass der Sieg Bolsonaros im ersten Wahlgang die internationalen
Börsenhaie zu Kurssteigerungen anspornte.
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Von Marccelo Farak:
Bolsonaro soll eine „neue Demokratie“
vorantreiben, in der die Militärs eine protagonistische Rolle spielen. Auf der
Basis von politischem Konservatismus, wirtschaftlichem Liberalismus und dem
Versprechen, die Linke auszuradieren. Die Leitung der Streitkräfte hatte
Bolsonaro 2014 kontaktiert, um ihn aufzubauen.
(Brasilia)
Uneingeschränkte Verteidigung der letzten Militärdiktatur (1964 – 1985).
Apologie der Folter. Waffenkult und Versprechen einer harten Hand gegen die
organisierte Kriminalität einschliesslich Auszeichnung der Angehörigen der
Sicherheitskräfte, die Kriminelle töten. Ankündigung der Aufnahme mehrerer
Militärs in sein Kabinett. Rein ideologische Aussagen von Jair Bolsonaro? Nein,
dahinter steht die Strategie der Führung der Streitkräfte, einen eigenen
Präsidenten aufzubauen, der durchsetzen soll, was die Armeespitze „neue
Demokratie“ nennt. Sie wird aus einem ultrakonservativen politischen Programm
und einer ultraliberalen Ökonomie bestehen, garniert mit einer aktiven
Teilnahme der Militärs an politischen Leben und der Mission, die „trügerische Linke,
die die Gesellschaft täuscht“, an der Wurzel auszurotten.
So skizzierte
es Ámbito gegenüber ein hoher brasilianischer Militär, der eine wichtige
institutionelle Rolle innehat und Protagonist war im minutiösen Prozess des
politischen Aufbaus, der vor vier Jahren begann und in die Wahlen von heute
Sonntag mündete. Seine einzige Bedingung: Anonymität, da sonst seine Karriere zu
Ende sein könnte.
Für die
Quelle jährte sich 2014 der 50. Jahrestag des von ihr „Revolution von 1964“
genannten Militärputsches gegen João Goulart. Angesichts dessen und weil sich
das Klima verhärtete – Vorspiel für die Absetzung von Dilma Rousseff zwei Jahre
danach – begannen die Streitkräfte zu schauen, wer ihre Interessen im Kongress
verteidigen könnte. Die Wahl fiel natürlich auf den Abgeordneten Bolsonaro,
einen ehemaligen Fallschirmspringer-Hauptmann, der die Armee inmitten mehrerer
Fälle von Disziplinlosigkeit verlassen hatte.
Diese
Vorgeschichte sprach gegen ihn, aber „wie
er die Streitkräfte verteidigte, liess unsere Wertschätzung für ihn steigen“,
sagte die Quelle. „In dieser Situation
beschlossen wir, eine Gruppe hoher Offiziere, den Abgeordneten an das Heereskommando
heranzuführen. Wir dachten schon an die Wahlen dieses Jahres. Vor einem Jahr
zuvor hatte das Heer analysiert, dass es Bolsonaro sein würde, der gegen den PT
antreten würde. Warum? Weil die Geschichte Brasiliens zeigt, dass sich die
Elite nie um die Nation sorgt und nur an sich selber denkt. Wir wussten deshalb,
dass sich die Mitteparteien nicht gegen die Linke zusammenschliessen würden.
Und so kam es. Wir lagen richtig, auf Bolsonaro zu setzen“, sagte sie.
"Die Politik wird die Streitkräfte nie spalten, denn für die Militärs steht Brasilien immer über allem." Im Bild Bolsonaro und sein Vize Mourão. |
Der hohe
Offizier, der Ámbito in einem Vorzimmer seines Büros empfing, berichtete, dass Bolsonaro
„sich für den Dialog empfänglich zeigte,
unsere Vorschläge akzeptierte und viele seiner Positionen veränderte. So wechselte
er beispielsweise vom Wirtschaftsnationalismus zum Liberalismus. Was man in der
Kampagne sehen konnte, war Resultat des Dialogs, den das Heer mit ihm begann,
da gibt es keinen Zweifel.“ Und der Mann ordnete sein Privatleben „Er heiratete seine dritte Frau, hatte eine Tochter und
ging während zwei Jahren in die Psychoanalyse.“
„Der Wirtschaftsnationalismus ist nicht mehr
unser Programm, das überlassen wir dem Partido dos Trabalhadores. Jetzt ist es
der Liberalismus. Das sagten wir Bolsonaro. Wir wollen ein so freies Land wie
möglich. Das positioniert uns radikal gegen das, was der PT vertritt.“ Diese ökonomische Positionierung, die der traditionellen der Armee in diesem
Land widerspricht, ist die Basis dessen, was die neue Doktrin als „neue Demokratie“
definiert. Ihre Pfeiler sind laut der Quelle „der Kampf gegen die Korruption, die Sicherheit, die Sparpolitik, die
Rentenreform und die Verbesserungen im Transportwesen. Und sie geht, warum
nicht, auch die Frauenfrage an.“
Die Linke
kann in der „neuen Demokratie“ unter bestimmten Bedingungen Platz finden. „Es gibt eine gute Linke, auch im PT und in
der brasilianischen KP. Brasilien muss sie nutzen. Aber es gibt eine andere,
die die Gesellschaft mit einem exzessiven Diskurs der politischen Korrektheit
belästigte, die im Kongress die Schwulenheirat durchbringen wollte, die
Genderfragen … die Gesellschaft will das nicht. Wir werden solche trügerischen Positionen
nicht mehr erlauben, die als Sozialismus getarnt sind.“
Bolsonaro
ist nicht der Frauenverächter, Schwulenfeind und Rassist, als den ihn seine
eigenen Worte erscheinen lassen. „Sie
erinnern sich an die Episode 2014 mit der Abgeordneten (PT) Maria do Rosario“, der
Bolsonaro in einer Diskussion über ein Gesetzesprojekt zu Vergewaltigung sagte,
„ich vergewaltige dich nicht, weil du es
nicht verdienst“, was ihm eine Verurteilung einbrachte. „Nun, das ist nicht bekannt, aber das veränderte seine Wahrnehmung, er
bereute. Das war etwas, was ihm persönlich wehtat. Wir halfen ihm auch, das zu
verstehen, dass er solche Reaktionen unterlassen muss“, um sich in einen
ernsthaften Kandidaten zu wandeln.
Der
Übergang von der Militärdiktatur zur Demokratie war der Quelle zufolge
ausgehandelt: In einer grossen nationalen Übereinkunft war das Amnestiegesetz
die Gegenleistung für die Einberufung von Wahlen ohne Ausschlüsse. Dies „erhielt den Status der Streitkräfte als
permanente Staatskraft. In dieser ersten Phase stützte sich die Armee auf ihre
professionelle Rolle, aber jetzt sind wir in einer neuen Phase, in der wir
verlangen, als vollwertige, nicht als zweitklassige Bürger behandelt zu werden.“
Das Ziel ist, einen „dritten Weg“ zu begehen, also weder eine Rolle, in der die
Militärs einer eigenen Regierung vorstehen noch die Rolle passiver Untergebener
von zivilen Behörden. „Wir wollen als
vollwertige Bürger akzeptiert werden, nicht als zweitklassige. Deshalb sprechen
wir von einer ‚neuen Demokratie‘. Die
Armeeoffiziere sind bestens qualifiziert, wir beherrschen Sprachen, sind
postgraduates. Wir müssen damit aufhören, dass wir nicht Minister sein können.“
„Wir waren klar, als wir von einer Gruppe
sprachen, die die Nation bestahl und Verbindungen mit Diktaturen wie den von
Evo Morales, von Nicolás Maduro oder von Daniel Ortega hat. Der Prozess endete
damit, dass ein Ex-Präsident einsitzt, ein Krimineller, abgeurteilt in einem
normalen Verfahren, und mit einer legal abgesetzten Präsidentin, nicht mit
einem Putsch, wie es hiess“, sagte die Quelle, ohne Lula, Dilma Rousseff oder den PT namentlich zu
nennen. Es existiert keine Möglichkeit für einen Putsch in Brasilien, sagte
sie, so viel Bolsonaro und Mourâo auch davon reden mögen. „Es existiert keine Möglichkeit für einen Putsch, keine. 1964 gab es
kein Facebook, die Welt war anders. Es wird in keinem Fall einen Putsch geben.
Die Presse versteht das nicht, und in der Kampagne hatte sie eine sehr
infantile Analyse. Die erste Verliererin der Wahlen ist die Globo-Kette“,
so die Quelle.
Es scheint,
die Zeit der Putsche ist vorüber. Kommt die „neue Demokratie“?
Eine Botschaft an die argentinische Armee
„Wir wollen Südamerika und der Welt zeigen,
dass wir Brasilianer sind, Militärs, Weisse, Schwarze, Indios, das ist
unwichtig, denn unser Diskurs ist die Einheit“, sagte der hohe Kommandant, der Ámbito empfing.
„Wir sprechen von diesem Thema (der
Doktrin der „neuen Demokratie“) mit unseren Pendants in Uruguay, aber
unglücklicherweise nicht mit denen in Argentinien, die wir immer noch als zu
deprimiert wahrnehmen. Sie haben eine sehr gute Ausbildung, aber wegen
mangelnder gesellschaftlicher Unterstützung haben sie keinen politischen Blick entwickelt.“
Anders in Brasilien: „Wir haben ein
positives Image von 80 %“.
„Argentinien verdient unseren Respekt und macht
uns heute Sorgen“
wegen der Folgen der Wirtschaftskrise. „Wir
sind darauf angewiesen, dass die Streitkräfte Ihres Landes gestärkt und als
permanente Kraft des Staates gesehen werden, wie in Brasilien, um Partner in
bilateralen und internationalen Projekten sein zu können. Wir haben uns sehr
gefreut, als Cristina Kirchner ging und Mauricio Macri kam. Macri ist ein
qualifizierter und kultivierter Mann, der alle Voraussetzungen hat, um
Argentinien zu verbessern“, betonte der Kommandant.
Die Doktrin
der „neuen Demokratie“ geht über das Nationale hinaus. „Wir sehen keine Lösung für unsere Ökonomien ohne Mercosur. Die
Integration muss weitergehen, denn für uns gibt es keine Zukunft in der Welt
ohne Mercosur.“