(zas, 24.10.18) wegen einer katholischen Basisgruppe namens Comunidad
San Juan Pablo Apóstol bittet Kardinal
und Erzbischof Leopoldo Brenes laut dem Rechtsblatt El
Nuevo Diario «das Priesterkollegium
und die Gläubigen des Episkopats, weiter für die Kirche zu beten». Die
Gruppe hatte eine Tonaufnahme eines Treffens des Weihbischofs Silvio Báez mit,
so heisst es, Campesinos veröffentlicht,
die es in sich hat. Hochwürden, bekannterweise eine der realen Führungsfiguren
der Unruhen, sagte dabei:
Es muss wieder heiss werden.
(Unverständliche Bemerkung aus dem Publikum) Ja, vielleicht. Jemand sprach
sogar von einer weiteren Barrikadenphase, denn das war das Einzige, das sie
dazu brachte, sich an den Tisch zu setzen. Die Einheit, die wir jetzt
benötigen, muss alle einschliessen, trotz unseres Verdachts, dass sie
Opportunisten sind, Abtreibungsleute, Feministinnen, Homosexuelle,
Drogenhändler. Wir bilden keine neue Partei, wir stehen nicht vor Wahlen (…). Wir
müssen jetzt vereint für die Sache sein, in der wir alle übereinstimmen, lassen
wir die Differenzen für den Moment zur Seite (…). In einer zweiten Etappe, wenn
es dann um Wahlen geht, werden die verschiedenen politischen Optionen hervortreten.
Aber in einem neuen Szenario. Diesen Mann an den Tisch bringen, denn wir wollen
ihn nicht an die Wand stellen und erschiessen, auch wenn wir Lust darauf hätten,
wir werden das nicht machen, ihn als Kriegsverbrecher erschiessen. Die tranques (Barrikaden) waren eine
aussergewöhnliche Erfindung (…).
Wir Bischöfe haben etwas weniger
Gas gegeben, vermutlich, um ihm nicht die Möglichkeit zu bieten, uns weiter zu
disqualifizieren, denn er hat uns extrem disqualifiziert, denn er sagte am 19.
Juli … [Stimme aus dem Publikum: «Putschisten»). Wären wir zu aggressiv, zu
konfrontativ weitergefahren, hätte er viel mehr Handhabe gehabt, uns einen
Fusstritt zu versetzen. Nicht, weil wir keinen Fusstritt wollen, [sondern)
damit wir im Moment, wo es eine Verhandlung gibt, präsent sein können. Ich habe
der (Oppositions-) Allianz gesagt, sie solle der Bischofskonferenz einen Brief
schreiben, dass sie ein Treffen mit uns wünschen, die Allianz weiss, dass wir
Bischöfe sie geschaffen haben, dass wir sie gemacht haben, dass die Allianz
existiert, weil wir das wollten.
El Nuevo Diario musste berichte, dass von Báez trotz Anfragen
keine Stellungnahme zum Wahrheitsgehalt des Tonmitschnitts zu erhalten gewesen
sein. Vermutlich kommt demnächst was in der Art von «aus dem Zusammenhang
gerissen». Schnickschnack.
Báez an einer seiner Demos |
Die Reaktionen auf die Veröffentlichung liessen nicht auf
sich warten. Wenig erstaunlich, dass sich der Unternehmerverband COSEP mit Báez
& Co. solidarisiert, dass ein Sergio Ramírez die «prophetische Stimme» des Bischofs bewundert oder dass Carlos F.
Chamorro, der für seine «unabhängige» Mediengruppe US-Gelder erhält, über
Twitter mitteilt, dass «die von
Ortega-Murillo befohlene virulente Angriffskampagne gegen den Bischof
@silviobaez das amoralische Regime noch weiter diskreditiert». Vielleicht
weniger zu erwarten war die Reaktion der früheren sandinistischen Kommandantin
Mónica Baltodano. Auf ihrer Facebook-Seite
wusste sie dieses beizusteuern: «Monseñor
Báez, vorbildlicher Priester, erinnert mich an den hl. Romero. Denn der sprach
sich wie heute Báez für das Ende der Repression aus. Denn der schwierigste Teil
des Priesteramtes ist, stets auf Seite der Armen, der Verfolgten, der
Gerechtigkeit und nicht der Macht zu sein. Und dies ärgert die Unterdrücker
immer ... erst recht die kriminellen Diktatoren!»
Bemerkenswert, dass Baltodano perverserweise Romero, von
jenen Kräften ermordet, für die heute Báez weibelt, mit diesem auf die gleiche
Stufe stellt. Insbesondere, da die Frau in Teilen der internationalen Linken
und Soli-Projektgruppen als Vertreterin einer emanzipatorischen sandinistischen
Strömung beklatscht wird. Gerade weilte sie auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung
(RLS) in Deutschland, um dort Teile der Partei Die Linke und Gruppen der
früheren Solibewegung aufzumunitionieren.
Dass Leute wie Baltodano ziemlich erfolgreich Linke auf ihre
Seite ziehen können, hat zweifellos mit unguten Entwicklungen im sandinistischen
Lager zu tun. Ein klassisches Beispiel ist der Sexismus. Dass im FSLN bis heute
der sexuelle Missbrauch Ortegas an seiner Schwiegertochter unter den Tisch
gekehrt wird; dass Abtreibung offiziell absolut verboten ist (auch wenn alle
wissen, wo ohne Knastterror nach medizinischen Standards abgetrieben werden
kann); dass unter der jetzigen Regierung ein gutes Gesetz zum Schutz gegen häusliche
Gewalt mit realen Schutzmechanismen wie polizeilichen Frauenkommissariaten und
Massnahmen gegen Gewalttäter erfolgreich eingeführt, dann aber wieder
abgeschafft wurde zugunsten eines Mediationsverfahrens, das an Gewalt gegen
Frauen so gut wie nichts ändert – das und anderes hat zwangsläufig einen Graben
zwischen Feministinnen und FSLN provoziert. Das aber legitimiert in keiner
Weise, mit einem der reaktionärsten Scharfmacher im katholischen Klerus
gemeinsame Sache gegen den FSLN zu machen, wohl verstanden, mit vielfachem
Verweis auf den Sexismus der «Diktatur». Das ist ebenso pervers wie etwa die
Berufung auf Sandino im gemeinsamen Kampf mit den imperialen Kräften gegen den
Frente. So simpel das zu kapieren wäre, so sehr wehren sich «aufgeklärte» Teile
der Linken gegen diese Einsicht.
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Ansonsten gilt wohl auch für Nica, was fast im ganzen
Kontinent (um nicht von Europa zu sprechen), angesagt ist: Trübsal blasen. Nein
Ortega ist kein Bolsonaro, so fest das manche auch glauben wollen. Aber
unverkennbar der Fakt, dass die Chance von letztem Juli nach dem Sieg über die
Regime-Change-Brutalität der tranques (Báez:
«ausserordentlichen Erfindung») von der Regierung vertan worden ist. Es gibt
einen Haufen Verhaftungen und Prozesse gegen mutmassliche
Regime-Change-AktivistInnen, die keineswegs alle von vornherein als
Schauprozesse abgetan werden können. Aber es gibt - und das wird offenbar so
bleiben – nicht ein Verfahren gegen Regierungskräfte, die mit Bestimmtheit auch
Verbrechen begangen haben. Und vor allem: Es ist keine Initiative wahrzunehmen,
mit der die Regierung den extrem vielen Menschen, die zurecht eine scharfe
Kritik am Status Quo haben und deshalb in einer ersten Phase der Unruhen aktiv
beteiligt waren, etwas anböte. Man muss sich dagegen die Schleimerei einer
«christlichen Versöhnung», einer gottgefälligen «Normalisierung» der Lage von
Seiten der Propagandamedien der illuminierten Gattin des Präsidenten anhören.
Zwar soll es unter der medialen Wahrnehmungsschwelle Bestrebungen für gewisse
neue Allianzen geben, aber dass das wirklich was wird, ist schwer zu glauben.
Dafür bräuchte es einen öffentlichen Schwung – aber, no hay. Und was wir von den Frente-internen Diskussionen hören, die
es jetzt tatsächlich gibt und die nötig sind, lässt auch kaum hoffen: Statt
Veränderungen anzustossen, sind sie vom Apparat her offenbar mehr gedacht als
Gelegenheit für die Leute an der Basis, mal sagen zu können, was sie schon
lange plagt, und das wär’s dann auch.
Dies in einem Kontext der weiter aufdrehenden imperialen
Aggression; einer durch die Unruhen geschaffenen schweren und künftig durch die
zunehmenden Blockaden intensivierten Wirtschaftskrise und eines katastrophalen
kontinentalen Umfelds – es braucht keine Kassandra, um zu erahnen, wohin die
Reise geht.