(zas, 10.3.19) Vor zwei Tagen, am Freitagabend, sprach Jorge Rodríguez, eine der Führungsfiguren
des Chavismus, derzeit Informationsminister, über den Grund, warum das
Grossblackout von Donnerstagnacht auf Sabotage zurückzuführen sei. Nachdem
gestern Samstag die Elektrizitätsversorgung zu einem beträchtlichen teil wieder
aufgenommen werden konnte, legte ein anderer Zusammenbruch des Stromnetzes die
Versorgung erneut lahm. Auch hier spricht die Regierung von Cybersabotage,
unterstützt von im staatlichen Stromwerk Corpoelec angestellten «Maulwürfen».
Zum Verständnis des folgenden Auszugs aus der Rede des
Informationsministers zuerst noch ein Tweet von Marco Rubio. Der CIA-kubanische
republikanische Senator gilt auch in US-Mainstreammedien als eine bestimmende Figur
in der aktuellen Politik Washingtons gegen Lateinamerika.
ALERT:
Reports of a complete power outage all across #Venezuela at this moment.
18
of 23 states & the capital district are currently facing complete
blackouts.
Main
airport also without power & backup generators have failed.
(Achtung: Aktuell Berichte über einen kompletten
Stromausfall in ganz Venezuela. 18 von 23 Staaten plus die Hauptstadt haben im
Moment Totalblackouts. Auch zentraler Flughafen ohne Strom &
Ersatzgeneratoren ausgestiegen.)
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Von Jorge Rodríguez
Jetzt, um 19h32, wissen wir schon, wie der kriminelle
Angriff gelaufen ist. Und dieser Tweet von Herrn Marco Rubio ist sehr
aufschlussreich. Denn sie machten einen Cyberangriff auf ein System, das
Automatisches Kontrollsystem heisst. Eine Art elektronisches Gehirn, das die 20
Maschinen des Guri reguliert, wo 80 %
des Strombedarfs des venezolanischen Volks produziert werden [A. d. Ü.: El Guri,
Bezeichnung für das Wasserkraftwerk Simón Bolívar].
Wie wird reguliert? Gibt es eine Erhöhung der Spannung und
der Nachfrage, sagt dieses automatische System den Maschinen des Guri: «Werdet
aktiv und erhöht die Umdrehungszahl für eine grössere Leistung!» Und umgekehrt,
wenn sie zu erhitzt sind, um dies so zu sagen, wenn einige Guri-Maschinen eine
sehr grosse Umdrehungszahl aufweisen, sagt das System: «»Geh ein wenig mit der
Geschwindigkeit runter!» Dieses System wurde angegriffen. Wird dieses System
angegriffen, ist es, als wenn das Gehirn durchdrehe. Wird also dieses
Automatisierte Kontrollsystem angegriffen, stellen sich die Guri-Maschinen
präventiv ab. Das meint Herr Rubio mit den «Ersatzgeneratoren».
Wie wusste er das wenige Minuten nach dem Angriff? Er konnte
dies nur wissen, weil er darüber informiert worden war (…) Sie gingen auf El
Guri los. Und da nicht mal auf die Maschinen des Guri, sondern auf das
Automatische Regulierungssystem, das bei richtigem Funktionieren einer
Guri-Maschine sagt, wenn eine andere ausfällt: «Werde aktiv!» Das meint Marco
Rubio mit «Ersatzgeneratoren”. Ein richtiges Geständnis (...) Damit Herr Rubio
sagen konnte, die Ersatzgeneratoren sind ausgefallen, musste er wissen, dass
das Automatisierte Kontrollsystem beschädigt worden war. Denn nur dieses kann
diese Sorte von Aktivierung erzeugen.
Und brutal, grob, in Verletzung jeglicher internationalen
Norm, jeglichen internationalen Rechts, sagt Staatssekretär Pompeo: «Wir werden
das Stromblackout aufrechthalten, bis Maduro geht.» [A. d. Ü.: s. Kleine
Hilfe der Yankees.] Dies zeigt, dass es sich um einen multiformen, brutalen
Angriff auf das ganze Volk von Venezuela handelt. Denn mit dieser Aggression
zeigt sich, dass die Gewalt sich nicht nur gegen die Chavistas richtet. Wenn -
Gott bewahre, und es wird nicht dazu kommen, es geht bloss um eine Metapher - wenn
also die Bomben fallen sollten, würden sie nicht nur Chavistas treffen. Im
vorliegenden Fall zielten sie auf das Automatisierte System und zogen auch die
Menschen, die für sie stimmen, in Mitleidenschaft (…).
Das haben wir in diesem Land nie gehabt, dass sie einem
ganzen Land den Strom abstellen. Alle Spitäler ohne Strom … Gottseidank
funktionierten die Notgeneratoren in allen Spitälern. Zu was wäre es sonst gekommen?
Zur Nummer, die sie vorbereitet hatten. Sie wussten nicht, dass wir für den
Fall, dass eintreten sollte, was eingetreten ist, die Generatoren parat hatten.
Deshalb sagen sie jetzt: «79 Tote». No, das stimmt nicht. Und es stimmt nicht,
weil Präsident Maduro die Notgeneratoren für den Fall einer Attacke dieser Art
angeordnet hatte. Als Marco Rubio Hohn verbreitete, transportierten wir auf Geheiss
von Präsident Maduro fünf Kinder ins Spital JM de los Ríos. Als Guaidó sagte,
dass das Licht erst nach dem Abgang Maduros zurückkehren würde, arbeiteten die
Leute von Corpoelec an allen Möglichkeiten, den Service wieder aufzunehmen. Als
Pompeo sich so lustig machte, wie er es tat, und versicherte, das Blackout dauere
bis zum Rücktritt von Präsident Maduro, waren unsere Wissenschaftler zum Guri
unterwegs und fanden dort heute Morgen heraus, wie das verbrecherische Attentat
verübt worden war.
Wir werden eine internationale Anklage erheben. Wenn auf
diesem Planeten internationale Normen, internationale Gesetze existieren, wenn
es auf diesem Planeten Normen für das Zusammenleben der Länder gibt, dann
müssen die gutgesinnten Frauen und Männer ihre Stimmen gegen diese Barbarei
erheben. In wenigen Tagen wird eine Delegation der UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte
Michelle Bachelet Venezuela besuchen. Ihnen werden wir die Beweise vorlegen, die
Schuldgeständnisse dieser Verbrecher, vor ihnen werden wir Anklage erheben,
damit die gut gesinnte Welt sich für die Respektierung der Menschenrechte in Venezuela
einsetzt. Und ein fundamentales Recht ist das Recht auf Frieden, Herr Pompeo,
Herr Rubio, Herr Jon Bolton, Herr Elliot Abrams und Lakaien, die hier leben. Wir
haben das Recht auf Frieden, wir haben das Recht, frei den demokratischen Weg
von Venezuela zu begehen. Und Sie haben kein Recht, die Stromversorgung zu kappen,
weder hier noch sonst wo auf der Welt. Das ist ein krimineller Akt, und
deswegen werden wir Sie vor allen internationalen Instanzen anklagen, mit Beweisen.
Zu diesen gehören die Geständnisse von Guaidó, Pompeo und Rubio. In irgendeinem
Sektor der Opposition muss es einen Funken von Anstand geben, um diesen
kriminellen Angriff abzulehnen.
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(zas) Es ist interessant zu sehen, wie die Berichterstattung
funktioniert, wie es kommt, dass wir hier als Info serviert bekommen, was wir
serviert bekommen. Beispiel: Die «vielen Toten» in den Spitälern als Resultat
der Kleptomanie der Chavistas. Zuerst als Nachricht gebracht, wird das jetzt
manchmal etwas relativiert, im Still von «mutmasslich viele Tote». Die
Relativierung erfolgt nicht, weil es noch eine Seite gibt, die chavistische,
die diese «Toten» bestreitet. Die ist nicht ernst zu nehmen, bestenfalls kommt mal
ein abfälliger Satz über irgendwelche «Behauptungen» aus dieser Ecke. Ein wenig
Vorsicht scheint hingegen angezeigt, weil bis jetzt nicht ein Name eines dieser
an der Korruption «gestorbenen» Menschen publik wurde. Man vergisst die Sache
dann einfach, es sei denn, knallhart neue Infos würden sie reaktivieren – etwa wieder
ein Tweet von Rubio. Denn er war es, der, gestützt auf irgendwelche
10-Worte-Infos «aus Venezuela», die Sache mit den Todesopfern der «Raffsucht
Maduros» als Grund für das Blackout wohl als erster so verbreitete, dass die
internationalen Nachrichtenagenturen aufmerksam wurden.
In seiner Tweetflut zum Blackout wusste er auch gleich
mitzuteilen, dass die Gewerkschaft von Corpoelec zwei Wochen zuvor vor dem
Zusammenbruch des aufgrund von Maduros Korruption auf den Hund gekommenen
Stromnetzes warnte. Welche Gewerkschaft, wo, wann, in welchem Zusammenhang?
Forget it. Die Nachricht habe ich seither mehrmals konsumiert, so …fundiert wie
hier dargestellt, zuletzt heute in einem Sonntagsblatt.
Apropos Gewerkschaft. Nachdem der Putsch gegen Chávez 2002
gescheitert war, kam es 2002/2003 zu einer monatelangen Aussperrung vor allem
im zentralen Bereich der Ölgewinnung, um die Regierung doch noch zu stürzen.
Viel jubelten die Medien über diese «Gewerkschaftskämpfe», doch Pustekuchen:
Zentral bei diesem Wirtschaftsputsch war die Leitung der damals nur nominell
staatlichen Erdölgesellschaft PDVSA. Die Regierung und die Belegschaft waren
lange nicht imstand, die Produktion wieder aufzunehmen. Grund: Die ganze
PDVSA-Software, die bis zur Ladung der Öltanker alles automatisiert leitete, war
Eigentum des outgesourcten CIA/Pentagon-Unternehmens SAIC, das alle Vorgänge
ferngesteuert blockieren konnte. Es dauerte lange, bis Hacker und Ölprofis die Software
(Betriebsgeheimnis von SAIC) knacken und endlich die Blockade brechen konnten. (Mehr
dazu in «Wer
bewegt den Anker?») Nicht zu vergessen solche «Details» wie die Zerstörung des
Hafens von Corinto im revolutionären Nicaragua 1983 durch ein CIA-Kommando. Die
Zerstörung dieses einzigen für den internationalen Handel benutzbaren Hafens
illustrierte natürlich die sandinistische Unfähigkeit, vernünftig zu wirtschaften.
Zuletzt noch: Ist der zitierte Tweet von Rubio ein Beweis
für seine Komplizenschaft, mithin für die Sabotage? Jedenfalls ein ernstes Indiz:
Ja, woher wusste er, dass die Ersatzgeneratoren nicht funktioniert hatten? Erst
recht im Kontext der stets von neuem bewiesenen Bereitschaft des Reichs, Leben
und Ökonomien von unbotmässigen Gesellschaften zu zerstören. Natürlich lässt
sich eine andere Erklärung finden: Rubio könnte ja an die Ersatzgeneratoren in
der Garage gedacht haben, mit deren Hilfe etwa die Metro hätte operieren
können. Selbst wem dies einleuchtet, müsste sich aber der Frage stellen, ob
eine vielleicht tatsächlich relativ prekäre Lage im Stromnetz (abgesehen von
einer langen Kette evidenter Sabotageaktionen) wirklich auf eine «Raffgier des Diktators»
zurückzuführen wäre oder vielleicht nicht doch eher auf die Folgen von seit
Jahren anhaltenden Wirtschaftsattacken und Sanktionen. Aber man soll vom Ochsen
keine Milch erwarten, von der Reichspropaganda keine, ähm, Fairness.