(zas, 26.8.19) Die Parteistiftung der Die Linke, die Rosa
Luxemburg-Stiftung (RLS), ist in Lateinamerika seit Jahren eine reaktionäre Veranstaltung.
Erfreulicherweise hat ein Berlin Bündnis nach einem weiteren RLS-Angriff auf
Venezuela in amerika21 eine Kritik daran formuliert. Es ist auf eine Reaktion
der Die Linke zu hoffen, in deren Reihen die Solidarität mit den
Linksbewegungen in Lateinamerika klar vertreten ist.
In seinem Schreiben kritisiert das Berliner Bündnis "Hände weg von Venezuela" die Linkspartei-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung
Am
30. Juli erschien im Neuen Deutschland (ND) ein Interview mit dem Titel
"Venezuela schadet der Linken" mit zwei venezolanischen
Intellektuellen, dem Soziologen Edgardo Lander und dem Ökonomen und
ehemaligen Minister für Grundstoffindustrie und Bergbau, Víctor Álvarez.
Beide gehören einer Permanenten Arbeitsgruppe des Rosa Luxemburg
Regionalbüros in Quito an. Das Interview führte Karin Gabbert,
Referatsleiterin Lateinamerika der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
In dem Gespräch werden von beiden Interviewten ungeheuerliche
Angriffe auf das Foro von Sao Paulo, dem wichtigsten Zusammenschluss der
lateinamerikanischen Linken und offiziellen Partner der Partei DIE
LINKE geäußert, ohne dass die Referatsleiterin der Stiftung auch nur
ansatzweise kritisch nachgefragt hätte, bzw. sie gibt mit den
Fragestellungen bereits eine dubiose Richtung vor.
Das beginnt mit der Eingangsfrage, in der formuliert wird, der Westen
versuche, Präsident [Nicolás] Maduro zu isolieren. Erstens geht es
nicht um eine Person, sondern um eine Systemfrage – den "Chavismus" und
konkrete historische Umstände. Zweitens geht es dem Imperium USA und
verbündeten Ländern nicht nur um Isolierung, sondern um Putsch und
Umsturz. Ein weiteres Defizit besteht darin, dass die diversen Ursachen
der heutigen Probleme in Venezuela nicht erwähnt werden, ja dass sogar
die Bemühungen und Erfolge linker Politik unter Chávez nicht erwähnt
werden. Zugespitzt ist dieses Leugnen zum Ausdruck gebracht, in dem der
Ökonom behauptet, manche Linken würden die Lage leider "noch durch die
Brille des Kalten Krieges" betrachten.
Schockierend ist zudem, dass das Regionalbüro der Stiftung, die den
Namen der Revolutionärin Rosa Luxemburg trägt, solche Akademiker
unterstützt und ihnen eine Stimme gibt, damit sie die rechtmäßige linke
Regierung verunglimpfen können.
Die Solidarität des Foro mit den von Putsch und US-Intervention
bedrohten Linksregierungen von Nicaragua und Venezuela wird von Edgardo
Lander als stalinistisch verunglimpft. Solche Anwürfe erwarten wir von
bürgerlicher, reaktionär-antikommunistischer Seite, nicht jedoch von der
Stiftung der Partei DIE LINKE, einer Partei, die sich in ihrem
Grundsatzprogramm "internationaler Solidarität" verpflichtet sieht.
Im Erfurter Programm heißt es dazu: "....Verschiedene Bewegungen
suchen, wie in Lateinamerika, nach neuen Wegen für eine
nichtkapitalistische Entwicklung und fordern nicht nur unsere
Solidarität, sondern auch unsere Lernbereitschaft. In den Ländern des
globalen Südens entwickeln sich neue Formen des Eigentums und der
Kooperation, die wichtige Akzente gegen den Neoliberalismus setzen. DIE
LINKE beobachtet mit großem Interesse das Modell der Alba-Staaten, die
eine solidarische Zusammenarbeit vereinbart haben".
Víctor Álvarez macht in dem Interview ausschließlich die Regierung
Venezuelas für die "rasante Verarmung" und für die dadurch ausgelöste
Migration verantwortlich, ohne auch nur mit einem Wort die jahrelangen
Wirtschaftssanktionen und Subversionen gegen das Land zu erwähnen.
Entgegen aller Fakten wird behauptet, die jetzige Regierung sei keine
linke Regierung, weil sie den Zugang zu Sport, Bildung, Gesundheit und
Kultur behindere. Kein Wort über die Programme im Wohnungsbau, die von
der Regierung organisierte Sicherstellung der Gesundheitsversorgung mit
kubanischen Ärzten und der Grundversorgung mit Nahrungsmitteln durch das
CLAP-System usw. usf.
Völlig außer Acht gelassen werden die von den USA und Verbündeten
seit 1999 in unterschiedlichen Formen gesteuerten und durchgeführten
Einmischungen und Umsturzversuche gegen die linke Regierung, u.a. der
Putschversuch 2002, die unzähligen Wirtschaftssanktionen, die Terrorakte
gegen Venezuela mit Zerstörung der Stromversorgung und die verschärfte
Blockade gegen das Bruderland Kuba. Also die gesamte Genese, die
Hintergründe, die geostrategische Bedeutung der Lage, das Agieren des
US-Imperiums mit alten und neuen Handlungsmustern werden nicht erwähnt:
diese Gemengelage ist "Kalter Krieg". Und dies auch so zu benennen, ist
das Mindeste, was ein Intellektueller und eine linke Stiftung und eine
linke Zeitung leisten müssten. Stattdessen werden Trumpsche Ideologeme
wiederholt.
In wessen Namen spricht Edgardo Lander, wenn er sagt, dass die
venezolanische Linke schockiert sei von der neoliberalen Politik der
Regierung, die bewirkt, dass Kinder vor Hunger sterben? Wer ist diese
Linke, worin besteht die neoliberale Politik – hätte die Interviewerin
in luxemburgischem Sinne fragen müssen.
Im April letzten Jahres hat der Sonderberichterstatter des
Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen Alfred de Zayas nach einem
Besuch in Venezuela das Wirtschaftsembargo seitens der USA und von
EU-Staaten angeprangert: "Die Sanktionen töten", klagte de Zayas bei
einer Pressekonferenz der UN in Genf an. Sie seien "geopolitische
Verbrechen", die direkt zum Tod von Kindern durch Unterernährung
führten. "In Venezuela sterben Kinder, weil sie wegen der Sanktionen und
der Blockade nicht genügend Lebensmittel oder Medikamente bekommen."
Daher fordert Alfred de Zayas, dass der Internationale Strafgerichtshof
in Den Haag die Wirtschaftssanktionen gegen Venezuela als mögliche
Verbrechen gegen die Menschlichkeit untersuchen solle.
Idriss Jazairy, UN-Sonderberichterstatter für negative Auswirkungen
von Sanktionen, sagte, wirtschaftspolitische Strafmaßnahmen zur
Erzwingung politischer Ziele im Fall von Iran, Kuba und Venezuela
stünden im Widerspruch zu Menschenrechten und Normen der internationalen
diplomatischen Beziehungen. "Der Aufbau von Druck für Regimewechsel
durch wirtschaftliche Maßnahmen, die eine Verletzung grundlegender
Menschenrechte und möglicherweise sogar den Hungertod von Menschen
billigend in Kauf nehmen, war noch nie eine akzeptable Praxis in den
internationalen Beziehungen", betonte Jazairy. Politische Differenzen
zwischen Regierungen dürften niemals dadurch gelöst werden, dass
wirtschaftliche und humanitäre Katastrophen herbeigeführt werden, indem
die einfachen Menschen in Geiselhaft genommen werden. "Es ist schwer
nachzuvollziehen, wie Maßnahmen, die die Wirtschaft Venezuelas zerstören
und verhindern, dass Venezolaner Geld nach Hause schicken, darauf
abzielen könnten, dem venezolanischen Volk zu helfen", sagte der
UN-Experte unter Bezugnahme auf entsprechende Begründungen des US-
Finanzministeriums. Jazairys Aussagen folgen Berechnungen des
Washingtoner Centre for Economic and Policy Research, wonach seit 2017
rund 40.000 Menschen in Venezuela an den Folgen von US-Sanktionen
gestorben sein könnten.
– Kein Wort dazu im Interview.
Internationale Unterstützung erhält die Regierung Venezuelas nicht
nur von "Russland, China, Iran Türkei, Bolivien und Kuba", wie Edgardo
Lander vereinzelnd aufzählt, sondern von einer Gruppe von rund 60
Staaten bei den Vereinten Nationen in New York, die sich aktiv gegen die
Anerkennung des Putschisten [Juan] Guaidó als Präsidenten Venezuelas
und damit aktiv für die Verteidigung der UN-Charta einsetzen. Neben den
engen Verbündeten wie die Alba-Länder oder Russland haben u.a. auch die
Karibikgemeinschaft Caricom und der Südafrikanische Staatenbund klare
Solidarität mit Venezuela gezeigt. Die große Mehrheit der Staaten der
UN-Vollversammlung hat ausschließlich die legitime Regierung von Nicolás
Maduro anerkannt. Eine Woche vor dem Interview gab es in Caracas ein
Treffen auf Außenministerebene der 120 Mitgliedsstaaten der Blockfreien
Bewegung, auf dem die US-Sanktionen verurteilt wurden und sich alle
Länder hinter die Maduro-Regierung stellten.
– Kein Wort davon im Interview.
Gerade heute in Zeiten des völkerrechtswidrigen Interventionismus des
Westens (Interventionen in Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen) und
dessen massive Einmischung in weiteren Ländern (Ukraine, Syrien,
Nicaragua, Venezuela) halten wir entgegen der Meinung von Edgardo Lander
Kategorien wie "Imperialismus" und "Antiimperialismus" für alles andere
als überholt. Wir stimmen mit Kubas Präsident Miguel Diaz–Canel
überein, wenn er auf der Abschlussveranstaltung des Foro von Sao Paulo
vor rund 750 Vertretern von mehr als 125 progressiven Organisationen und
Parteien aus 70 Ländern fordert, die Verteidigung Venezuelas sei heute
"die wichtigste Aufgabe im antiimperialistischen Kampf". Ebenso wichtig
sein Appell an die progressiven Kräfte Lateinamerikas, sich vor dem
Hintergrund der Offensive des US-Imperialismus und der Oligarchie nicht
auseinanderdividieren zu lassen.
Wir erwarten von einer Parteistiftung der Linken, dass sie nicht dem
antiimperialistischen und antikolonialen Kampf Kubas und der anderen
Alba-Länder in den Rücken fällt, sondern vor Ort in Lateinamerika mit
den im Foro von Sao Paulo organisierten Linkskräften den Dialog und die
Zusammenarbeit bei der Verteidigung der Souveränität und Unabhängigkeit
Lateinamerikas sucht und sich an der Kampagne und den damit verbundenen
Aktionen gegen die Blockade Venezuelas und Kubas, gegen den Nica-Act der
USA gegen Nicaragua und darüber hinaus für die Freilassung des
inhaftierten brasilianischen Expräsidenten Lula da Silva beteiligt.
Vor allem erwarten wir ebenso von der Stiftung in den Ländern, in
denen sie tätig ist, dass sie den von der dortigen Bevölkerung
eingeschlagenen progressiven Entwicklungsweg anerkennt und achtet, statt
ihn zu torpedieren.
Nicht Venezuela schadet der Linken, sondern eine derart einseitige,
prinzipienlose und damit verzerrte Darstellung der Situation in
Venezuela und der Linken in Lateinamerika wie sie von der
Rosa-Luxemburg-Stiftung über das ND verbreitet wird.