(zas, 13.8.19) Was war ich doch wieder mal schwer von
Begriff heut früh! Ich suche im ersten, im Auslandbund der NZZ, nach der Klage
über die Vorwahlniederlage von Mauricio Macri in Argentinien. Nichts! Nicht mal
in den Kurzmeldungen. Endlich dämmert es: Wirtschaftsbund! Wo sonst? Tatsächlich:
«Investoren fürchten sich vor Kirchner-Revival».
Und wir mit ihnen, denn weise ist ihre Führung. Haben sich die Geierfonds unter
Präsident Macri doch an der Verarmung in der Gesellschaft nach all den
Cristina-Jahren endlich sättigen können; schwingt Washingtons IWF, unter Néstor
Kirchner und dann Cristina Fernández de Kirchner (CFK) schmählich zum Land
herauskomplimentiert, wieder das Schwert der Wirtschaftsvernunft; wurde zur Animierung
der Investoren doch das Finanz- und Devisensystem so dereguliert, dass die Investoren
(ink. transnationalisierte Bourgeoisie) mit einfachen Spekulationen gegen den sorgsam
zum Absturz geleiteten Peso tolle Gewinne ins Ausland verschieben konnten! Und
jetzt, im obligatorischen Probelauf zu den Präsidentschaftswahlen Ende Oktober,
dies: Cristina droht zurückzukommen!
Klar, nur als Vizepräsidentin. Denn Im Wissen um ihre «tiefen Popularitätswerte» hat sie einen
klar rechts von ihr stehenden Peronisten Alberto Fernández, zum
Präsidentschaftskandidaten gemacht. Der Schreiber meint: Niemand im politischen
Argentinien ist so populär wie sie, aber sie ist bei denen verhasst, für die er
schreibt, und die mit Schaujustiz und Mediendominanz die gewünschte Sicht der
Dinge in viele Köpfe zu nageln verstehen. Selbst die Gruppe um den noch weiter als
Alberto Fernández rechts stehenden Ex-Peronisten Sérgio Massa kam an Bord des
Bündnisses Frente de Todos (Front von
Allen), Cristina Kirchner hat das etwas anders als der NZZler begründet: Ein
Wahlsieg ohne die rechten Fraktionen des Peronismus wäre zwar möglich gewesen,
doch die liebe Regierbarkeit danach … (s.
dazu: «Pass
auf dich auf!», Correos 194).
Es gilt reihum als sehr schwer, dass Macri bis Ende Oktober
die Trendwende schaffen könnte. Allerdings sind die Hedgefonds, imperialistischen
Zentralen, die transnationale Oligarchie, die grossen Medien, die Diktatur-affine
Justiz etc. bestimmt nicht bereit, auf ihren Mann in der Casa Rosada
(Regierungssitz) nur wegen Wahlen zu verzichten. An extrem schmutzigen Tricks
wird es in den kommenden Wochen nicht fehlen. Die US-geleiteten Justizorgane
werden wie wild auf der «Antikorruptions»-Klaviatur spielen, um Cristina
Fernández de Kirchner vielleicht doch noch ausschalten zu können. Oder als
weitere von mehreren Möglichkeiten: brutaler Wirtschaftsterrorismus, sollte er
als einträglicher Modus taxiert werden. Anzeichen gibt es schon jetzt. Nach
Bekanntgabe der Vorwahlresultate stieg gestern der Dollar dank der Deregulierungspolitik
der letzten Jahre wieder ungehindert, trotz des extrem hohen $
57-Milliarden-Kredits des IWF an die Regierung Macri. Drei
Aussagen des Präsidenten dazu: «Heute
ist der Dollar angesichts des für den Kirchnerismus vorteilhaften Resultats
wieder gestiegen. Wir stehen vor dem Problem, dass die Alternative keine
Glaubwürdigkeit besitzt. Der Kirchnerismus müsste eine Selbstkritik üben.» Weiter:
«Das ist nur ein Vorspiel zu dem, was
passieren kann, wenn der Kirchnerismus gewinnt. Es ist schrecklich, was
passieren kann.» Und noch: «Der Markt
glaubt nicht an diesen (kirchneristischen) Vorschlag.»
Erinnern wir uns des neoliberalen Machtwortes: TINA, there is no alternative. Der von unter
40 auf über 60 Pesos gestiegene Kurs für einen US-Dollar bedeutet Teuerung und
grössere Schuldenlast – für das Gros der Gesellschaft. Nicht für die in- und
ausländischen Bonzen, im Gegenteil, die die IWF-Devisen dafür benutzten,
angesichts des Zusammenbruchs des macristischen «Wirtschaftswunders» ihre Beute
ins Ausland zu transferieren – mit dem Segen des Fonds für eine entsprechende
Abänderung der eigenen Norm, die solches verhindern soll … theoretisch.
Der Frente de Todos ist natürlich keine schöne linke Kraft. Die
kirchneristische Politik war widersprüchlich gewesen, eine Regierung von
Alberto Fernández wird deutlich weniger progressive Elemente beinhalten. Und
hoffentlich lässt sich sein Lager nicht schon jetzt in der einen oder anderen
Form kaufen oder erpressen. Das Imperium jedenfalls wird eine Reihe «innovativer
Optionen» durchspielen. Allerdings weiss das linksperonistische Lager um die
ehemalige Präsidentin um die Fiesheit der globalen Gegenseite, und in Argentinien
lassen sich viele Leute weniger schnell ins Bockshorn jagen als auch schon.Zur dramatischen sozialen Lage, zum «Absturz» des
neoliberalen Wirtschaftsmodells und zur «Antikorruption» als lawfare siehe den für uns Nicht-ArgentinierInnen
geschriebenen Artikel: «Weinen um
Argentinien» von Juana Leguizamón. Und während Offshore-Businessman Macri diese
gewinnende lächelnde Coolness seiner Klasse ausstrahlt, bricht bei Cristina Kirchner
immer wieder eine verdächtige menschliche Note durch, die sie ja auch zum
Zielobjekt macht. Ein Beispiel, wie sie in diesem Kurzvideo von ihrer Ankunft
gestern im Flughafen von Buenos Aires ihren Bodyguards davon rennt, um die
Leute zu grüssen: