Argentinien: Schulden, Non-Investitionen und kommende Strafexpeditionen

Samstag, 25. Januar 2020


zas, 25.1.20) Das rechte Portal Infobae, Nr. 1 für digitale News in Argentinien,  veröffentlichte vorgestern auf der Basis eines Berichts des obsediert neoliberalen Thinktanks Fundación Libertad y Progreso einen Artikel über das Verhältnis ausländische Investitionen/neue Staatsverschuldung in den vier Jahren der Präsidentschaft von Mauricio Macri (2015-2019). Zusammengefasst: Der von Macri (und den Mainstreammedien) angekündigte Strom ausländischer Investitionen entpuppte sich als Rinnsal. In Zahlen: $ 9.7 Mrd. über die vier Jahre, «weit entfernt von den 20 % des BIP, das die Ökonomen für ein Schwellenland als angemessen ansehen». Laut Weltbank belief sich die Wirtschaftsleistung des Landes 2017 auf $ 638 Mrd. Erforderlich wären in jenem Jahr laut den «Ökonomen» rund $ 125 ausländische Investitionen gewesen, was doch etwas mehr dargestellt hätte als die $ 2.4 Mrd. pro Jahr, die unter Macri Realität waren.
Wo sich doch die Ratingagenturen des US-Finanzministeriums, der IWF und die seriöse Presse doch so gefreut hatten, wie unter Macri eine neue lichte Ära beginnen sollte. Hatte er nicht den gordischen Knoten durchschnitten, der unter den Kirchner-Regierungen Land und Leuten (und natürlich der internationalen Gemeinschaft) so grossen Kummer gebracht hatte? Damals, als er den Geierfonds endlich jenes Geld zahlte, das sie für ihre Ramschpapiere mit argentinischen Schuldensummen forderten und damit den Weg für neue Investitionen und grossen Aufschwung frei machte.
Pero no! Statt freudige Investitionen gab es Verschuldung, die zuvor unter den grässlichen Regierungen von Néstor und Cristina Kirchner zurückgedrängt worden war (auch dank eines Checks von Chávez, der die damaligen argentinischen Schulden beim IWF bezahlbar und damit den IWF unnütz machte). Die Renten stiegen, die Leute hatten was zu futtern – kurz, enorme Misswirtschaft. Dafür hatte sich, so die Stiftung und Infobae weiter, Argentinien unter Macri um $ 103 Mrd. verschuldet, mit $ 44 Mrd. allein beim IWF. (Die neue Regierung von Alberto Fernández und Cristina Kirchner hütete sich, eine weitere vorgesehene IWF-Tranche von $ 13 Mrd. anzunehmen.)
Lagarde (IWF) und Macri. Qulle: Página 12.
$ 103 Mrd. Neuverschuldung versus 9.7 Mrd. Investitionen – nicht ganz das segensreiche Gleichgewicht der Ökonomischen Lehre der Herrschenden. «Investitionen» ist eine Ausdrucksweise. Als etwa die Fed die Zinsen leicht erhöhte, floss, so Libertad y Progreso, mucho Geld wieder back home, kein Beleg für «produktive Investitionen». Und eine andere Quelle, Kontrainfo, beleuchtete diese Tage einen weiteren Aspekt der Sache: In den vier Macri-Jahren wurden $88 Mrd. aus dem Land abgezogen. Ergebnis einer seinerzeit freudig begrüssten Innovation: Aufhebung der Kapitalkontrollen. $ 103 Mrd. kamen als staatliche Verschuldung rein, $ 88 Mrd. flossen ab. Honi soit qui mal y pense und registriert, einmal mehr dienten IWF- und weitere Schulden der Oligarchie – der lokalen und der multinationalen – Profitspekulationen in schmucke Dollars zu verwandeln.
Die Regierung will die Schuldenrückzahlung an den IWF erstmal stunden, bis die Leute wieder halbwegs anständig leben können und die Wirtschaft dafür läuft. Und zwar – Gipfel der Unvernunft – ohne sich dafür neuen Konditionen des IWF zu unterwerfen, also die Macri-Story weiterzuführen. Letzten Mittwoch sagte der argentinische Wirtschaftsminister Martín Guzmán: «Das Wirtschaftprogramm wird von uns entworfen und ausgeführt, wir werden keine Bedingungen tolerieren, was unser ist, ist unser.»
Auch wenn das noch lange keine Thematisierung der Illegitimität der Schulden der letzten vier Jahre ist, gerade auch in Sachen IWF-Kredite, so wird es, sofern ernst gemeint, als Casus belli angesehen werden. Wir müssen demnächst ein nächstes Gebell der «Sachverständigen» erwarten, wonach diese Regierung so gar nichts von sinnvollem Wirtschaften verstehe. Denn unter Macri lief die Sache nur darum schief, so der übliche Refrain, weil die dort unten die guten Rezepte von hier oben erneut nicht richtig angewendet haben. Auch Libertad y Progreso spurt schon in diese Richtung vor. Wer hätte auch investieren wollen, wenn Macri nur eine «sehr schüchterne» Rentenreform riskiert hatte (mit drastischen Reduktionen der Pensionen zugunsten der privaten Kassen, aber das bloss nebenbei)? Die überdies jetzt von der Regierung aufgehoben wurde! Das ewig gleiche Lied: Unter Macri «wurden die Hausaufgaben nicht gemacht». Während Macri zu Beginn «einen phänomenalen Kredit» hatte, gibt es für die neue Regierung «viel weniger Kredit und es muss sogar verhandelt werden, um einen Zahlungsausfall zu verhindern.»  Das ist nichts anderes als die Ankündigung einer neuen Strafexpedition seitens eines Kettenhunds der Transnationalen.