(zas, 27.1.20) «Blutgold» - der Begriff ging der Schweizer
Journalistin letzten
Freitag cool über die Lippen. Und es fehlte auch nicht die Aussage, die
Schweiz als wichtiger Goldhandelsplatz trage Mitverantwortung, die Vermarktung
dieses Goldes zu erschweren. Das verlange nämlich der von ganz vielen Ländern
Europas anerkannte venezolanische Präsident Juan Guaidó am WEF. Er kämpft auch
sonst gegen den Diktator Maduro, werden wir aufgeklärt. Doch der hält sich
immer noch an der Macht, trotz der Sanktionen, werden wir mehrmals im Verlauf
der Sendung belehrt.
Lassen wir die Schweiz als global entscheidende und kriminelle
Drehscheibe im Handel mit Blutgold im Dienste von Multis wie Glencore. Fragen
wir uns: Warum Raubgold, Blutgold? Guaidó gibt Auskunft: Es handelt sich um illegal
gewonnenes Gold. Begründung? Wenn er es doch sagt, wozu noch nachfragen? Es gäbe
zwei Antworten, die sich ergänzen, aber ausserhalb des mainstream-medialen Aufnahmevermögens
liegen: Illegal wäre das Gold, weil die Regierung Maduros, also die rechtmässige,
in seine Förderung/Vermarktung involviert ist. Und nicht Guaidó, die Marionette
Washingtons. Und zweitens, weil womöglich ein Teil des Goldes tatsächlich über
Schleichwege vermarktet werden soll. Das Problem des auch in Venezuela
existierenden «illegalen» Goldschürfens ist komplex. Seit Jahren wird dieser
Bereich von paramilitärischen Mafias drangsaliert oder auch kontrolliert, die
nicht etwa im Pro-, sondern im Antiregierungslager zu finden sind. Ein
Grossteil der Goldproduktion ist legal, wird von der Regierung kontrolliert und
soll, wie im Bericht dann beiläufig erwähnt, den Devisenausfall wegen der gegen
die Ölwirtschaft gerichteten US-Sanktionen kompensieren.
Damit sind wir wieder bei den Schleichwegen. Bloomberg, in
keiner Weise einer minimalen Fairness gegenüber dem Chavismus verdächtig, schrieb
vor zehn Tagen, unter dem Aufreisser «Totale
Reserven in einem 30-Jahre-Tief von nur $ 6.61 Mrd. - limitierte liquide
Reserven können Schlechtes für Importe von Nahrungsmitteln und Medikamenten
verheissen»:
«Venezuelas internationale Währungsreserven (…)
erreichen ein neues dramatisches Tief; unter erdrückenden Wirtschaftssanktionen
fallen die Cash-Vorräte auf unter $ 1 Milliarde.»
«Zwar hat das Land ca.
73 Tonnen Gold gefördert, doch seine Vermarktung ist dank der US-Bemühungen,
das Regime von Nicolás Maduro von einem globalen Netzwerk von Käufern, Banken
und Mittelpersonen abzutrennen, zunehmend schwieriger geworden.»
«Eine Cash-Verknappung
könnte die Möglichkeit des Maduro-Regimes, Nahrungsmittelsubventionen
fortzuführen, Basisgüter zu importieren und die Unterstützung der Armeeführung
zu bewahren, bedrohen.»
«Ein signifikanter
Teil von venezolanischem Gold, 32 Tonnen im Wert von rund $ 1.6 Mrd., ist
weiter in London, nachdem die Bank of England mehrere Forderungen Maduros nach
Repatriierung des Goldes abgelehnt hat. Zwar ist die Zentralbank unabhängig,
aber die britische Regierung erkennt Maduro nicht an und sagt, sein Regime
solle keinen Zugriff auf Vermögenswerte im Ausland haben.»
London, Februar 2019. |
Auch wenn regierungsnahe Organe in Venezuela sich seit
einigen Monaten bemühen, eine leichte wirtschaftliche Verbesserung
festzustellen – etwa erste Erfolge in der Bekämpfung der induzierten
Hyperinflation (aber entscheidend auch, weil fast niemand mehr die absurden
Preise bezahlen kann), minimale Steigerung der Ölförderung, angebliche Erfolge mit
der Kryptowährung Petro, die ein gewisses autonomes Agieren im faktisch
dollarisierten Land ermöglichen soll - die sozioökonomische Lage ist auf jeden Fall
dramatisch. Dies primär aufgrund des Sanktionenregimes, das zwischen August 2017
und Ende 2018 vermutlich mindestens 40'000 Menschen das Leben gekostet hat, und
das letztes Jahr mit drakonischen weiteren Blockaden der Zentralbank und der
Ölindustrie und neuer der Goldbewirtschaftung noch beträchtlich grössere
Mordlawinen ausgelöst hat (s. dazu Correos
194).
Und schon repetiert die «objektive Berichterstattung» den neuen
Refrain.
Guaidós Stern scheint am Sinken, nachdem auch mit ihm keine namhaften
Armeeteile zum Putschen bewegt werden konnten (anders als etwa in Bolivien). Am
Schluss der Befehlskette, weit unten, drückt sich das im Gejammer wie in der
erwähnten Sendung aus: Trotz Sanktionen sei «das Regime» weiter am Ruder. Einziger
Stimmungsmacher: Mit schärferen internationalen Sanktionen (nicht so
Wischiwaschi wie der britische Goldklau) könnte der Chavismus vielleicht doch
noch gekippt werden. Dass Sanktionen den Regime Change anvisieren, wird als
Selbstverständlichkeit vermittelt, was diese Sorte von Medienschaffenden das
nächste Mal nicht daran hindern wird, die Belagerungsergebnisse als Missetaten
der Diktatur zu propagieren.
Mit schärferen Sanktionen, also mit mehr Massenmord, gebe es
Hoffnung. Die solche Propaganda nachplappern, sind meist nicht einmal offen
pervers. Sie sind einfach folgsam und waschen ihre Hände in Einfalt.