Jaime Iturri Salmón*
Wie im klassischen Roman “Und dann gab’s keine mehr» von
Agatha Christie setzt die De-facto-Regierung in Bolivien darauf, dass die historischen
Führungsfiguren des Movimiento al Socialismo eine nach der anderen Anschuldigungen
zum Opfer fallen. Diese sind oft unglaublich, wie etwa, dass in einer Station der
Seilbahn von La Paz Gruppen Jugendlicher Videos erstellten. Das stimmt, es
handelt sich um einen Teil des erweiterten Programms des Transportbetriebs. So
sehr ich im bolivianischen Rechtssystem suche, ich finde das Delikt nicht. Aber
die einfallsreichen Regimejuristen fanden heraus, dass es sich dabei um einen
unangemessenen Gebrauch öffentlicher Güter handeln könne. Die FELCC (Polizei-Sondereinheit)
fahndet nach César Dockweiler, ehemaliger Manager der Seilbahn und fast sicher Bürgermeisterkandidat
des MAS für die Hauptstadt. Er befindet sich im Ausland, ein Verfahren wegen
Vorladungsmissachtung ist im Gang.
Ähnlich der Fall der ehemaligen Gesundheitsministerin und
Parlamentsvorsitzenden Gabriela Montaño, die wegen verfallener 50 Tonnen
Medikamenten angeklagt ist. Der Präsident der privaten TV-Kette ATB. Marcelo
Hurtado, ist unter dem Verdacht der Geldübergabe an den ehemaligen Vizepräsidenten
Álvaro García Linera des Weisswaschens illegaler Gewinne angeschuldigt. [1]
All das ohne irgendeinen Beweis. Die Liste ist lang, mehr als hundert Menschen
sind verhaftet.
Die Putschstrategie ist simpel: Ich beschuldige dich und
während der Untersuchung bist du hinter Gittern. In der Zwischenzeit sucht man entweder
Kronzeugenaussagen der Art, wie sie gegen Lula eingesetzt wurden, oder man schürt
Angst davor, dass Buenos Aires eine namhafte Gruppe der besten Kader des Prozesses
des Wandels schützt.
Diese Sorte Justizverfahren sind in der Politik nicht neu.
Die Franzosen hatten sie im Algerienkrieg nach ihrer Niederlage in Dien Bien
Phu in Indochina, heute Vietnam, entwickelt. Nicht Neues unter Sonne, aber mit
(Innenminister) Arturo Murillo ist … na ja, Sie wissen schon.
Deshalb ändert das MAS seine Strategie. Die Cocaleros aus
dem Chapare künden Mobilisierungen ab dem 15. Januar an. Sie verlangen Gerichtsverfahren
wegen der Massaker von Senkata und Sacaba gegen Jeanine Áñez und Arturo
Murillo.
Auf dem Land geht die Ernte zu Ende und in El Alto (einer
Stadt mit vielen Handelstreibenden) ist die mit Weihnachten verbundene
Verkaufssaison vorbei. Die MAS-Basis kann also real den Kampf wieder aufnehmen.
Januar, der heisseste Monat des bolivianischen Sommers, könnte das auch politisch
werden. Alles scheint darauf hinzuweisen, dass es am 3. Mai zu Wahlen kommt,
aber so nicht.
* Página 12, 7.1.20: Bolivia: elecciones sí, pero no así