El Salvador: «Terroristen» gegen Wasserprivatisierung

Freitag, 15. Juni 2018


Die Rechte kann’s nicht lassen. Während fast 10 Jahren hat sie in Parlament eine Verfassungsklausel, welche das Recht der Bevölkerung auf Wasser beinhaltet hätte, verhindert. Dito die Verabschiedung eines Gesetzes auf der Grundlage von Vorschlägen von sozialen und kommunalen Organisationen. Jetzt, wo sie die nötige parlamentarische Mehrheit hat, geht sie daran, das Wasser zu privatisieren. In der vorbereitenden parlamentarischen Kommission beschloss die Mehrheit am 11. Juni zuhanden des Plenums, eine neue oberste Wasserbehörde zu gründen, deren Leitungsorgan aus fünf Personen bestehen soll: eine wird vom Staatspräsidenten ernannt, zwei vertreten den (rechts dominierten) Gemeindeverband Comures und zwei weitere den Grossunternehmerverband ANEP. Diese zu gründende Behörde entscheidet nach Angaben der FMLN-Fraktion «über die Verteilquote von Wasser, also welcher Anteil für menschlichen Konsum, für die Landwirtschaft, die Bewässerung privater Zuckerrohrplantagen, die Industrie, die Abfüllunternehmen – was bleibt für die Leute?»
2011 überarbeitete das Umweltministerium zusammen mit dem Foro de Agua, einem Zusammenschluss sozialer und ökologischer Organisationen, dessen früheren Entwurf für ein integrales Wassergesetz, das in die Beratungen der Parlamentskommission einging. Als Antwort erarbeiteten vom Unternehmerverband ANEP einen Gegenentwurf, der jetzt als Grundlage für die weitere parlamentarische Geschäftsabwicklung dient. Die Jesuitenuniversität UCA hatte letztes Jahr als «Kompromiss» einen Gesetzesvorschlag eingereicht, der sich auf die Frage der Institutionalität der zu gründenden Wasserbehörde bezieht. Auch die Bischofskonferenz, die seit dem Amtsantritt des neuen Chefs in Rom in einigen Bereichen einen vergleichsweise progressiven Kurs fährt, hatte sich lautstark für ein soziales Wassergesetz ausgesprochen.
Zentral waren in den Diskussionen die Fragen nach der Personalbesetzung und den Kompetenzen der neuen Behörde. Das Foro de Agua, der FMLN und faktisch die Bischöfe sprachen sich für eine Institution unter Regierungsverantwortung aus, der Unternehmervorschlag dagegen wollte eine «autonome» Institution unter seiner Regie. Unter den früheren neoliberalen Regierungen hatten Unternehmen wie SAB Miller und Coca-Cola immer mehr Wasserreserven des Landes unter Kontrolle gekriegt, in einem Land, das weltweit als einer der in Sachen Wasser am stärksten gefährdeten Länder gilt. Es war in jenen Jahren zu vielen mehr oder weniger spontanen Strassenprotesten wegen Wassermangel in den städtischen Unterklassengebieten gekommen. Unter den beiden FMLN-Regierungen konnte dies trotz mancher Hindernisse eindeutig entschärft werden, insbesondere weil zuvor nur für Oligarchen erschlossene Grundwasserreserven ans öffentliche Netz angehängt wurden.
Um sich das Leben nicht unnötig zu komplizieren, hatte die rechte Präsidentin der Parlamentskommission eine Anhörung der UCA und sogar des Erzbischofs verweigert. Die Bischöfe betonten danach, sie würden für das Recht auf Wasser kämpfen, denn «das Volk  (…) verlangt Trinkwasser in allen Haushalten und könnte die Kosten nicht ragen, wenn diese lebensnotwendige Flüssigkeit zur Ware würde».
Jetzt droht ein Schritt in neue kapitalistische Brutalität. Doch gleichzeitig erwacht der Widerstand. Für gestern Donnerstag hatten sowohl einige NGOs wie auch StudentInnen und der Lehrkörper der Nationaluniversität zu Protestdemos aufgerufen. Die der StudentInnen ging wie oft der Fall zum Parlament. Doch dessen neuer, reaktionärer Präsident von ARENA hatte daran keinen Gefallen. Gerade als Abgeordnete des FMLN zu den Leuten rausgegangen waren, um ihren Kampf zu unterstützen, befahl er dem parlamentarischen Sicherheitdienst einen Räumungseinsatz. Doch das Tränengas zeigte nicht den gewünschten Erfolg. Steine flogen, Scheiben gingen kaputt, die Studis gerieten in Stimmung.

Die angestrebte Wasserprivatisierung freut Multis wie Coca-Cola, Agrarunternehmer und wohl auch in Kanada domizilierte Minenunternehmen. Es wird befürchtet, dass die parlamentarische 2/3-Mehrheit der Rechten spätestens nach den Präsidentschaftswahlen von Beginn  2019 das von der Linken mit Unterstützung der katholischen Kirche durchgesetzte, weltweit erste Bergbauverbot wieder aufheben wird. Die Rechte will auch die seit dem Krieg geltende Verfassungsklausel, die Grundbesitz auf maximal 245 ha einschränkt, aufheben – auch hier sind Bergbau- und Agrarkapitalien interessiert.
Doch eben, der Widerstand: ARENA bereit sich auf ihre Weise darauf vor. Ihr Fraktionschef Alberto Romero sagte gestern mit Bezug auf Unirektor Roger Arias und einen weiteren Dozenten: »Wir bitten den Herrn Generalstaatsanwalt, gegen die diese beiden Terroristen eine Untersuchung einzuleiten, die heute Morgen kamen und weitere Terroristen anführten.»
Bueno, für morgen Samstag ist eine grosse Demo gegen die Wasserprivatisierung angesagt.