Video: Hands off Venezuela in USA

Mittwoch, 27. März 2019


„Menschenhandelstukturen haben ganz Mexiko infiltriert“

Mittwoch, 20. März 2019


(zas, 20.3.19) Das Zitat stammt vom Chef der mexikanischen Migrationsbehörde INM, Tonatiuh Guillén, wie La Jornada am 16. März berichtete. „Es gibt einschlägige Strukturen im ganzen Land“, fuhr er fort, „und sie sind mit Zentralamerika und den USA verbunden.“ Die Verbrecherorganisationen stellten eine massive Bedrohung der MigrantInnen dar, speziell im Staat Tamaulipas (an der Grenze mit Texas). Dort, wo letzte Woche 19 MigrantInnen verschwanden, seien die Karawanen gefährdet. Leider beute die organisierte Kriminalität die Menschen „in Mobilität“ aus. La Jornada schreibt weiter: „Bezüglich des AM Vorabend von Präsident López Obrador angekündigten Plans zur Säuberung des INM präzisierte der Funktionär, dass alle 2000 MigrationsagentInnen (ohne die Verwaltungsangestellten) überprüft werden, um Kriminelle darunter ausfindig zu machen.“ Gleichzeitig mit dieser auch strafrechtlich relevanten Untersuchung werde der Rekrutierunsprozess in Sachen Ausbildung und Eignungskriterien neuer AgentInnen überholt. Im gleichen Artikel wird Innenministerin Olga Sãnchez Cordero mit der Aussage zitiert, das INM gehöre zu den „von Korruption am meisten durchdrungenen“ Behörden. „Eine weitere Bastion dieser Säuberung“, so La Jornada weiter, „basiert auf der Erweiterung der Optionen für ein reguliertes und geordnetes Passieren von Mexiko“.
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Foto: La Jornada
 
Mit Letzterem meint das Blatt wohl im Kern die Erteilung von Arbeitsbewilligungen in den anvisierten grossen Wirtschaftsentwicklungszonen an der US-Grenze. Eine Bekämpfung der organisierten Menschenverachtung im INM ist auf jeden Fall positiv und mutig, genau so wie etwa der Versuch, die an sich staatliche Erdölgesellschaft Pemex aus den Klauen der Kriminalität und der Multis zu befreien. Wie weit die Bekämpfung der  Kriminalität in den Sicherheitskräften geht, wie weit sie also auch andere bewaffnete Strukturen wie die Streitkräfte umfasst, wird sich zeigen. Genau so wie die Frage, ob MigrantInnen mehr Rechte und Schutz ihrer Würde jenseits von der Arbeitsvermittlung in Entwicklungszonen erhalten. Auf jeden Fall ist die wütende und systematische Verurteilung der neuen Regierung als die schlechtest mögliche, wie der zapatistische Subcomandante Ellenbogen vor wenigen Monaten erklärt hatte, hirnverissen, erst recht, wenn sie mit dem „Versprechen“ kombiniert wird, sich bewaffnet gegen die angeblich geplante Vernichtung der indigenen Völker zur Wehr zu setzen. Töne, die wir in dieser Schärfe aus dieser Ecke seit sehr langem nicht mehr gehört haben.

Venezuela: Mordtechnokratie und die Leute

Samstag, 16. März 2019


(zas, 15.3.19 Einige Stunden vor der mit Abstand grössten Strom-«Havarie» in der Geschichte Venezuelas am 7. März beschied der rechtsradikale, einflussreiche US-Senator Marco Rubio: «Venezuela tritt in eine Leidensphase ein, wie sie keine Nation unserer Hemisphäre in der modernen Geschichte erlebt hat.» Rubio verspricht den Heimgesuchten: «An die in Venezuela: Euer Kampf für Freiheit und Wiederherstellung der Demokratie ist auch unser Kampf, und die freie Welt hat euch und wir euch nicht vergessen.»
Und solange werden die Sanktionen weitergehen.
Stadt im Dunkel
Hinter dem Finanztechnischen steht ein anvisierter Massenmord zwecks Stimmungsmache für (para-) militärische Grosseinsätze. Mark Weisbrot, Ko-Direktor des Thintanks Center for Economic and Policy Research (CEPR), schrieb Ende Februar einen Artikel zu diesem Thema: Trump’s Other "National Emergency": Sanctions That Kill Venezuelans.  Vergessen wir nie, was die «liberale, kultivierte» US-Aussenministerin Madeleine Albright 1996 in der TV-Sendung 60 Minutes von CBS sagte, als die Interviewerin sie fragte, ob die halbe Million Kinder im Irak, die in direkter Folge der damals vor dem Krieg von Bush Sr.  von ihr und Clinton verhängten Sanktionen starben, den «Preis wert» gewesen seien: «Ich denke, es ist eine sehr harte Wahl, aber der Preis – wir denken, er ist es wert.».
Über 20 Jahre später die gleiche Botschaft, dieses Mal von einem pensionierten Lateinamerika-As des State Departments, William Brownfield, der vor vier Monaten sagte: «Wie stark sollen Mangelernährung, Mangel an Medikamenten, Auswirkungen im Gesundheitssystem zunehmen? Wie stark wollen wir wirklich die Schrauben bei den zwangsläufigen Auswirkungen auf das venezolanische Volk anziehen? Wir sollten dies ein wenig wie eine Tragödie ansehen, die solange dauert, bis sie endlich beendet wird. Und falls wir etwas machen können, das dieses Ende schneller bringt, sollten wir das vermutlich tun. Aber wenn wir es tun, dann sollten wir verstehen, dass das Auswirkungen auf Millionen und Millionen von Menschen hat. Wir haben die Schwierigkeiten, genug zum Essen zu finden, schon verschärft, Pflege zu erhalten, wenn man krank ist, oder den Kindern Kleider anzulegen, wenn sie zur Schule gehen (…) Wir müssen die harte Entscheidung fällen: Das gewünschte Resultat legitimiert diese ziemlich strenge Bestrafung» (s. «Zur Logik der Sanktionen»).
Erinnert sich wer an die medialen Aufschreie nach den Worten Albrights und Brownfield?
Nein, denn es gab keine. Die «Humanitären» waren grad anderweitig engagiert. Was machen die Sanktionen? Sie zerschlagen die Wirtschaft (s. den Artikel von Weisbrot). In den ersten vier Tagen des Blackouts verlor die venezolanische Wirtschaft nach Einschätzung des rechten Unternehmens Ecoanálitica $ 875 Mio. Das sind keine Sanktionen gegen chavistische Individuen. Sanktioniere den Chef des Finanzministeriums und die Chefin der Notenbank samt ihren «untergeordneten Apparaten» und du unterbindest sukzessive Handel und Finanztranskationen eines ganzen Landes. Sekundäre Sanktionen, nennt das die Technokratie. Wir haben dazu die «Chronologie einer Strategie, um Venezuela zu zerstören» übersetzt.
Und wenn die Not greifbar wird, schreit es: «humanitäre Krise». 
Wie oft thematisieren die «seriösen Medien» bei diesem Aufschrei die dramatischen Zerstörungen der Sanktionen? Nie.

Nebel schleudern oder Lumpen einsammeln
Das Negieren der Essenz des imperialistischen Sanktionsregimes verändert sich in anderen Zusammenhängen zur Konfusionsbewirtschaftung. Als letzten August ein Mordanschlag mit Drohnen auf Präsident Maduro anlässlich einer Rede stattfand, war trotz eindeutigen Filmaufnahmen fast ausnahmslos die Rede vom «angeblichen» Attentat. Warum? Washington und sein Trupp in Venezuela «vermuteten» eine Inszenierung. Gestern hat CNN en español sich dazu bequemt, den «mysteriösen» Anschlag nicht mehr in Zweifel zu ziehen, sondern ihn, gestützt auf
Videos und Interviews, abtrünnigen venezolanischen Militärs zuzuordnen. Kalter Kaffee, war da mal was? Das gleiche Muster, allerdings geraffter, lief ab dem letzten 23. Februar, dem Tag der «humanitären» Aktion an der Grenze. Empörter Aufschrei in den Medien: Maduro schreckt nicht einmal davor zurück, die Esswaren, die sein verhungerndes Volk doch so dringend braucht, in Brand zu setzen. Ich weiss nicht mehr, war es schon im Verlauf dieses Tages oder erst am nächsten Morgen, dass die Aufnahmen z. B. von Telesur klar machten, dass der Camion nicht von der bestialischen venezolanischen Guardia, sondern von den (angeheuerten) Molllies-schmeissenden antichavistischen Demokraten abgefackelt wurde. Erst dieser Tage hat die New York Times das schon lange zirkulierende Video publiziert.
Dies ist ein Beispiel, mehr nicht. So ziemlich alles am 23. Februar war Show. Konzedieren wir, die für jenen Tag an die kolumbianische Grenze mit Venezuela angereisten KorrespondentInnen können nicht anders als zu «wissen», dass die Chavistas böse sind und die Rechten gut. Aber hat denn nicht eine/r von ihnen mitbekommen, dass es in Cúcuta, der Bühne für das «humanitäre Schauspiel», schon am Vorabend Probleme gegeben hat, weil Arme aus dieser grossen Stadt von der humanitären Hilfe auch was abbekommen wollten? Ist es möglich, dass alle diese KorrespondentInnen, die ganz AugenezugInnen berichteten, wie die chavistischen Milizen ihr Unwesen getrieben und die venezolanischen Oppositionellen auf kolumbianischem Gebiet angegriffen hat, ist es möglich, dass nicht eine/r dieser scharfen BeobachterInnen von dem mitbekommen hat, was der Bürgermeister dieser Stadt, César Rojas, in der Tageszeitung El Tiempo (Kolumbien) kritisiert hat? Zum Beispiel die demokratischen Lichtgestalten aus Venezuela: «Ich glaube, dass es auf kolumbianischer Seite keine Vermummten geben darf. Sie sagen, sie seien ein Widerstand (…) Das kolumbianische Militär seinerseits muss diese Aktionen gegen die venezolanische Guardia unterbinden.» Der Bürgermeister sagt das Gegenteil von dem, was die KorrespondentInnen sagen: Nicht die venezolanische Guardia hat liebenswürdige Demonstrierende auf kolumbianischem Territorium angegriffen, sondern die Angriffe liefen in umgekehrter Richtung. Denken diese KorrespondentInnen denn wirklich, Maduro sei grad scharf darauf gewesen, vor versammelter internationaler Polit- und Medienpräsenz einen Grenzkonflikt zu provozieren? Das sagte Rojas auch noch: «Als Bürgermeister bitte ich Guaidó und seine Kombo, ihre Vermummten einzusammeln und dorthin zurückzubringen, wo sie sie geholt haben.» Und ja, unbedingt: «Wir bitten [die Regierung], dass ein Teil [der Hilfsgüter] hier in Cúcuta verteilt wird, um die schwere Armutskrise in unseren ärmlichen Quartieren zu bekämpfen.»
Guaidó, momentan zum Anführer der rechten Kräfte ernannt, twitterte nach dem Blackout vom 8. März, «Venezuela weiss, dass das Licht erst mit dem Ende der Usurpation kommt», also der Präsidentschaft Maduros. Als die Hinweise auf einen Cyberangriff sich verdichteten, wusste er nachzuplappern, das sei Mache der Regierung, das ausgefallene Riesenstromwerk El Guri funktioniere rein analog, nix digital. Ausschlaggebend seien Korruption und Misswirtschaft der Regierung gewesen.
Die imperialen Medien haben die Spur aufgenommen. So wie es wohl keinen Mordanschlag gegeben hat, sowie die Sanktionen humanitär wirken, wird die Sabotage-These zur Schutzbehauptung einer miesen Regierung. Mit Bestimmtheit trifft das immer wieder wichtige Internetportal Misión Verdad die Lage besser: «Das nationale Stromnetz ist von einer explosiven Mischung von durch die Finanzblockade potenzierter Deinvestition, Verlust an spezialisiertem Personal aufgrund des Lohnschwunds und einer systematischen Sabotage unter Angriff gestanden. Die Sabotageakte ereigneten sich immer dann, wenn der Chavismus politisch wieder in die Offensive gehen konnte.»  Im gleichen Artikel lesen wir: «Die im Automatisierten Kontrollssystem [in El Guri] benutzte Software, SCADA genannt, die die Maschinen [Generatoren] operativ managte, wurde vom Unternehmen ABB geschaffen, das seit Jahren nicht mehr im Land operiert. Dieses Unternehmen ABB, das in Venezuela als Dreierkonsortium auftrat (ABB Venezuela, ABB Kanada, ABB Schweiz) entwarf Ende des letzten Jahrzehnts ein Modernisierungsprogramm El Guri, das sowohl das angegriffene System wie die Grundorganisation von El Guri beschreibt.»  

Und die Leute?
Im Portal von Misión Verdad finden sich zurzeit täglich mehrere Artikel (spanisch, manche auch englisch) zu den Angriffen seit dem 7. März auf das Stromnetz (bisher offenbar fünf oder sechs), vom ursprünglich von Wikileaks publizierten Dokument eines «Farbenrevolution»-Tentakels über Störungs- und Sabotageanfälligkeit der hyperzentralisierten venezolanischen Stromversorgung über russische Regierungsaussagen punkto kanadischer Beteiligung beim Cyberangriff (dank Knowhow von ABB Kanada) bis zum  Pentagonpapier über Auswirkungen sog. EMP-Angriffe (Elektromagnetischer Puls) - offenbar wurden in einem Fall ferngesteuerte elektrische Apparate zur Spannungsüberladung eingesetzt. Aber wir erhalten auch Hinweise auf die Leute, wie sie mit der Notlage und dem Bewusstsein, dass jetzt der lange angekündigte Angriff rollt, umgehen. Wir  erahnen so ein wenig, warum dieses chavistische Venezuela inmitten des traumatisierenden Dauerangriffs leibt und lebt.

Dazu zwei Geschichten aus dem Artikel «10 minicrónicas de resistencia en medio del apagón».  

«Angesichts der Menge Leute mit Holz oder Gas kochen. Wir, mehrere Familien, konnten uns zusammentun, gemeinsam essen, zusammen sein, 11 Erwachsene, 5 Kinder. Wir erkannten, dass wir allein nicht wiederstehen können, und ich habe mein Haus hier in Cabimas zur Verfügung gestellt. Wir legten alle Geld zusammen und kochten für die ganze Gruppe. Gemeinsam kauften wir Wasser, Medikamente. Aber es war nicht einfach. Wir versuchten, ruhig zu bleiben angesichts eines 80-jährigen Grossvaters, der an der Hitze verzweifelte, eines Neugeborenen, das weinte. Einige Oppositionelle schlossen sich der Solidarität an, andere spotteten nur. Domino, Dame, Kartenspiel, das Gespräch über die politische Lage oder der Familienwitz. Alles nachts, im Licht der Kerosenlampen, die wir machten, als wir begriffen, dass wir mehr als nur eine Nacht ohne Strom sein würden. Ich denke, das war eine Schulung, um uns auf was immer vorzubereiten, auch dafür, dass sie das Wichtigste von uns nicht haben brechen können: die Solidarität im Kleinen.» Rosanna, Barrio Cabimas, Gliedstaat Zulia.

«Das ganze Gebäude, wir sind etwa 20 Familien hier, haben wir uns getroffen, um selbstgebastelte Lampen herzustellen, für ein wenig Licht während des Stromausfalls. Damit das niemandem fehlt. Wir sind hier 20 Familien, und wir können sagen, dass 17 ihre Lampen gebastelt haben. Am Tag vorher war das CLAP gekommen [massiv subventionierter Essenverkauf von Regierung und Basisorganisationen]. Für alle Familien. Wer kein Gas hatte, für den kochte der andere das Essen. Wir haben kein Leitungsgas, nur Gasflaschen. Das ganze Haus war wie lebend, als gäbe es keine Dunkelheit. Es kam zu einer Solidarität im Krieg, im Notfall, im Wissen, dass das ganze Land betroffen war, als Ergebnis eines Angriffs.
Wir hatten ein Radio in Betrieb, um zu wissen, was läuft. Nur an einem Tag gab es eine Guarimba [Gewaltunruhe], aber die verflüchtigte sich schnell, denn die Leute kamen aus ihren Häusern, stellten die Wagenlichter an, begannen zu tanzen, zu Sound.  Da blieb den Guarimberos nur noch abzuziehen. Die Kleinen nahmen sich tagsüber die Strasse, sie war ihr Spielfeld. Nachts trafen wir uns mit den Nachbarn, drehten Sicherheitsrunden, verbrachten die Zeit mit Spielen und Erzählungen.» Andy Franco, Caracas.

Noch dieses: Drei Tage nach dem Blackout-Beginn erhielten wir dank WIFI eine Audiobotschaft über die schwierige Lage. Eine Bemerkung war frappierend: Die Leute arbeiteten an Kommunikationswegen ohne Telefon, ohne Computer, ohne Radio. Um zu wissen, was läuft, worauf man sich vorbereiten muss.

«Unsere Werte» in Venezuela und Italien

Donnerstag, 14. März 2019


Antonio Tajani, der Präsident des Europaparlaments, ist kein Freund von Diktatoren. Also sagte er Ende Januar: «Ich habe mit Präsident Guaidó telefoniert, unserem einzigen Gesprächspartner, um ihn der Unterstützung des Europaparlaments zu versichern.»
Zu einem anderen Politiker meinte er: «Mussolini? Solange er nicht Hitler gefolgt ist und der ganzen Welt den Krieg erklärt hat, solange er nicht die Rassengesetze gebracht hat, hat er, ausser den dramatischen Ereignissen von Matteotti, positive Dinge gemacht, um die Infrastruktur in unserem Land zu ermöglichen und dann die Sumpfaustrocknung.»
Wer will dem aufrechten Demokraten die Hoffnung verargen, dass Guaidó nach einem Putsch oder so in Venezuela «positive Dinge» bewirken kann?

Venezuela: Die Spur der Sabotage

Montag, 11. März 2019


(zas, 10.3.19) Vor zwei Tagen, am Freitagabend, sprach Jorge Rodríguez, eine der Führungsfiguren des Chavismus, derzeit Informationsminister, über den Grund, warum das Grossblackout von Donnerstagnacht auf Sabotage zurückzuführen sei. Nachdem gestern Samstag die Elektrizitätsversorgung zu einem beträchtlichen teil wieder aufgenommen werden konnte, legte ein anderer Zusammenbruch des Stromnetzes die Versorgung erneut lahm. Auch hier spricht die Regierung von Cybersabotage, unterstützt von im staatlichen Stromwerk Corpoelec angestellten «Maulwürfen».
Zum Verständnis des folgenden Auszugs aus der Rede des Informationsministers zuerst noch ein Tweet von Marco Rubio. Der CIA-kubanische republikanische Senator gilt auch in US-Mainstreammedien als eine bestimmende Figur in der aktuellen Politik Washingtons gegen Lateinamerika.
ALERT: Reports of a complete power outage all across #Venezuela at this moment.
18 of 23 states & the capital district are currently facing complete blackouts.
Main airport also without power & backup generators have failed.
 #MaduroRegime is a complete disaster.
(Achtung: Aktuell Berichte über einen kompletten Stromausfall in ganz Venezuela. 18 von 23 Staaten plus die Hauptstadt haben im Moment Totalblackouts. Auch zentraler Flughafen ohne Strom & Ersatzgeneratoren ausgestiegen.)
____

Von Jorge Rodríguez
Jetzt, um 19h32, wissen wir schon, wie der kriminelle Angriff gelaufen ist. Und dieser Tweet von Herrn Marco Rubio ist sehr aufschlussreich. Denn sie machten einen Cyberangriff auf ein System, das Automatisches Kontrollsystem heisst. Eine Art elektronisches Gehirn, das die 20 Maschinen des Guri reguliert, wo  80 % des Strombedarfs des venezolanischen Volks produziert werden [A. d. Ü.: El Guri, Bezeichnung für das Wasserkraftwerk Simón Bolívar].

Wie wird reguliert? Gibt es eine Erhöhung der Spannung und der Nachfrage, sagt dieses automatische System den Maschinen des Guri: «Werdet aktiv und erhöht die Umdrehungszahl für eine grössere Leistung!» Und umgekehrt, wenn sie zu erhitzt sind, um dies so zu sagen, wenn einige Guri-Maschinen eine sehr grosse Umdrehungszahl aufweisen, sagt das System: «»Geh ein wenig mit der Geschwindigkeit runter!» Dieses System wurde angegriffen. Wird dieses System angegriffen, ist es, als wenn das Gehirn durchdrehe. Wird also dieses Automatisierte Kontrollsystem angegriffen, stellen sich die Guri-Maschinen präventiv ab. Das meint Herr Rubio mit den «Ersatzgeneratoren».
Wie wusste er das wenige Minuten nach dem Angriff? Er konnte dies nur wissen, weil er darüber informiert worden war (…) Sie gingen auf El Guri los. Und da nicht mal auf die Maschinen des Guri, sondern auf das Automatische Regulierungssystem, das bei richtigem Funktionieren einer Guri-Maschine sagt, wenn eine andere ausfällt: «Werde aktiv!» Das meint Marco Rubio mit «Ersatzgeneratoren”. Ein richtiges Geständnis (...) Damit Herr Rubio sagen konnte, die Ersatzgeneratoren sind ausgefallen, musste er wissen, dass das Automatisierte Kontrollsystem beschädigt worden war. Denn nur dieses kann diese Sorte von Aktivierung erzeugen.
Und brutal, grob, in Verletzung jeglicher internationalen Norm, jeglichen internationalen Rechts, sagt Staatssekretär Pompeo: «Wir werden das Stromblackout aufrechthalten, bis Maduro geht.» [A. d. Ü.: s. Kleine Hilfe der Yankees.] Dies zeigt, dass es sich um einen multiformen, brutalen Angriff auf das ganze Volk von Venezuela handelt. Denn mit dieser Aggression zeigt sich, dass die Gewalt sich nicht nur gegen die Chavistas richtet. Wenn - Gott bewahre, und es wird nicht dazu kommen, es geht bloss um eine Metapher - wenn also die Bomben fallen sollten, würden sie nicht nur Chavistas treffen. Im vorliegenden Fall zielten sie auf das Automatisierte System und zogen auch die Menschen, die für sie stimmen, in Mitleidenschaft (…).
Das haben wir in diesem Land nie gehabt, dass sie einem ganzen Land den Strom abstellen. Alle Spitäler ohne Strom … Gottseidank funktionierten die Notgeneratoren in allen Spitälern. Zu was wäre es sonst gekommen? Zur Nummer, die sie vorbereitet hatten. Sie wussten nicht, dass wir für den Fall, dass eintreten sollte, was eingetreten ist, die Generatoren parat hatten. Deshalb sagen sie jetzt: «79 Tote». No, das stimmt nicht. Und es stimmt nicht, weil Präsident Maduro die Notgeneratoren für den Fall einer Attacke dieser Art angeordnet hatte. Als Marco Rubio Hohn verbreitete, transportierten wir auf Geheiss von Präsident Maduro fünf Kinder ins Spital JM de los Ríos. Als Guaidó sagte, dass das Licht erst nach dem Abgang Maduros zurückkehren würde, arbeiteten die Leute von Corpoelec an allen Möglichkeiten, den Service wieder aufzunehmen. Als Pompeo sich so lustig machte, wie er es tat, und versicherte, das Blackout dauere bis zum Rücktritt von Präsident Maduro, waren unsere Wissenschaftler zum Guri unterwegs und fanden dort heute Morgen heraus, wie das verbrecherische Attentat verübt worden war.
Wir werden eine internationale Anklage erheben. Wenn auf diesem Planeten internationale Normen, internationale Gesetze existieren, wenn es auf diesem Planeten Normen für das Zusammenleben der Länder gibt, dann müssen die gutgesinnten Frauen und Männer ihre Stimmen gegen diese Barbarei erheben. In wenigen Tagen wird eine Delegation der UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte Michelle Bachelet Venezuela besuchen. Ihnen werden wir die Beweise vorlegen, die Schuldgeständnisse dieser Verbrecher, vor ihnen werden wir Anklage erheben, damit die gut gesinnte Welt sich für die Respektierung der Menschenrechte in Venezuela einsetzt. Und ein fundamentales Recht ist das Recht auf Frieden, Herr Pompeo, Herr Rubio, Herr Jon Bolton, Herr Elliot Abrams und Lakaien, die hier leben. Wir haben das Recht auf Frieden, wir haben das Recht, frei den demokratischen Weg von Venezuela zu begehen. Und Sie haben kein Recht, die Stromversorgung zu kappen, weder hier noch sonst wo auf der Welt. Das ist ein krimineller Akt, und deswegen werden wir Sie vor allen internationalen Instanzen anklagen, mit Beweisen. Zu diesen gehören die Geständnisse von Guaidó, Pompeo und Rubio. In irgendeinem Sektor der Opposition muss es einen Funken von Anstand geben, um diesen kriminellen Angriff abzulehnen.
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(zas) Es ist interessant zu sehen, wie die Berichterstattung funktioniert, wie es kommt, dass wir hier als Info serviert bekommen, was wir serviert bekommen. Beispiel: Die «vielen Toten» in den Spitälern als Resultat der Kleptomanie der Chavistas. Zuerst als Nachricht gebracht, wird das jetzt manchmal etwas relativiert, im Still von «mutmasslich viele Tote». Die Relativierung erfolgt nicht, weil es noch eine Seite gibt, die chavistische, die diese «Toten» bestreitet. Die ist nicht ernst zu nehmen, bestenfalls kommt mal ein abfälliger Satz über irgendwelche «Behauptungen» aus dieser Ecke. Ein wenig Vorsicht scheint hingegen angezeigt, weil bis jetzt nicht ein Name eines dieser an der Korruption «gestorbenen» Menschen publik wurde. Man vergisst die Sache dann einfach, es sei denn, knallhart neue Infos würden sie reaktivieren – etwa wieder ein Tweet von Rubio. Denn er war es, der, gestützt auf irgendwelche 10-Worte-Infos «aus Venezuela», die Sache mit den Todesopfern der «Raffsucht Maduros» als Grund für das Blackout wohl als erster so verbreitete, dass die internationalen Nachrichtenagenturen aufmerksam wurden.
In seiner Tweetflut zum Blackout wusste er auch gleich mitzuteilen, dass die Gewerkschaft von Corpoelec zwei Wochen zuvor vor dem Zusammenbruch des aufgrund von Maduros Korruption auf den Hund gekommenen Stromnetzes warnte. Welche Gewerkschaft, wo, wann, in welchem Zusammenhang? Forget it. Die Nachricht habe ich seither mehrmals konsumiert, so …fundiert wie hier dargestellt, zuletzt heute in einem Sonntagsblatt.
Apropos Gewerkschaft. Nachdem der Putsch gegen Chávez 2002 gescheitert war, kam es 2002/2003 zu einer monatelangen Aussperrung vor allem im zentralen Bereich der Ölgewinnung, um die Regierung doch noch zu stürzen. Viel jubelten die Medien über diese «Gewerkschaftskämpfe», doch Pustekuchen: Zentral bei diesem Wirtschaftsputsch war die Leitung der damals nur nominell staatlichen Erdölgesellschaft PDVSA. Die Regierung und die Belegschaft waren lange nicht imstand, die Produktion wieder aufzunehmen. Grund: Die ganze PDVSA-Software, die bis zur Ladung der Öltanker alles automatisiert leitete, war Eigentum des outgesourcten CIA/Pentagon-Unternehmens SAIC, das alle Vorgänge ferngesteuert blockieren konnte. Es dauerte lange, bis Hacker und Ölprofis die Software (Betriebsgeheimnis von SAIC) knacken und endlich die Blockade brechen konnten. (Mehr dazu in «Wer bewegt den Anker?») Nicht zu vergessen solche «Details» wie die Zerstörung des Hafens von Corinto im revolutionären Nicaragua 1983 durch ein CIA-Kommando. Die Zerstörung dieses einzigen für den internationalen Handel benutzbaren Hafens illustrierte natürlich die sandinistische Unfähigkeit, vernünftig zu wirtschaften.
Zuletzt noch: Ist der zitierte Tweet von Rubio ein Beweis für seine Komplizenschaft, mithin für die Sabotage? Jedenfalls ein ernstes Indiz: Ja, woher wusste er, dass die Ersatzgeneratoren nicht funktioniert hatten? Erst recht im Kontext der stets von neuem bewiesenen Bereitschaft des Reichs, Leben und Ökonomien von unbotmässigen Gesellschaften zu zerstören. Natürlich lässt sich eine andere Erklärung finden: Rubio könnte ja an die Ersatzgeneratoren in der Garage gedacht haben, mit deren Hilfe etwa die Metro hätte operieren können. Selbst wem dies einleuchtet, müsste sich aber der Frage stellen, ob eine vielleicht tatsächlich relativ prekäre Lage im Stromnetz (abgesehen von einer langen Kette evidenter Sabotageaktionen) wirklich auf eine «Raffgier des Diktators» zurückzuführen wäre oder vielleicht nicht doch eher auf die Folgen von seit Jahren anhaltenden Wirtschaftsattacken und Sanktionen. Aber man soll vom Ochsen keine Milch erwarten, von der Reichspropaganda keine, ähm, Fairness.