„Menschenhandelstukturen haben ganz Mexiko infiltriert“
Mittwoch, 20. März 2019
(zas,
20.3.19) Das Zitat stammt vom Chef der mexikanischen Migrationsbehörde INM,
Tonatiuh Guillén, wie La Jornada am 16. März berichtete.
„Es gibt einschlägige Strukturen im
ganzen Land“, fuhr er fort, „und sie
sind mit Zentralamerika und den USA verbunden.“ Die
Verbrecherorganisationen stellten eine massive Bedrohung der MigrantInnen dar,
speziell im Staat Tamaulipas (an der Grenze mit Texas). Dort, wo letzte Woche
19 MigrantInnen verschwanden, seien die Karawanen gefährdet. Leider beute die organisierte
Kriminalität die Menschen „in Mobilität“ aus. La Jornada schreibt weiter: „Bezüglich des AM Vorabend von Präsident López
Obrador angekündigten Plans zur Säuberung des INM präzisierte der Funktionär,
dass alle 2000 MigrationsagentInnen (ohne die Verwaltungsangestellten) überprüft
werden, um Kriminelle darunter ausfindig zu machen.“ Gleichzeitig mit
dieser auch strafrechtlich relevanten Untersuchung werde der Rekrutierunsprozess
in Sachen Ausbildung und Eignungskriterien neuer AgentInnen überholt. Im
gleichen Artikel wird Innenministerin Olga Sãnchez Cordero mit der Aussage
zitiert, das INM gehöre zu den „von
Korruption am meisten durchdrungenen“ Behörden. „Eine weitere Bastion dieser Säuberung“, so La Jornada weiter, „basiert auf der Erweiterung der Optionen
für ein reguliertes und geordnetes Passieren von Mexiko“.
Foto: La Jornada |
Mit
Letzterem meint das Blatt wohl im Kern die Erteilung von Arbeitsbewilligungen in
den anvisierten grossen Wirtschaftsentwicklungszonen an der US-Grenze. Eine Bekämpfung
der organisierten Menschenverachtung im INM ist auf jeden Fall positiv und
mutig, genau so wie etwa der Versuch, die an sich staatliche Erdölgesellschaft
Pemex aus den Klauen der Kriminalität und der Multis zu befreien. Wie weit die
Bekämpfung der Kriminalität in den Sicherheitskräften
geht, wie weit sie also auch andere bewaffnete Strukturen wie die Streitkräfte
umfasst, wird sich zeigen. Genau so wie die Frage, ob MigrantInnen mehr Rechte
und Schutz ihrer Würde jenseits von der Arbeitsvermittlung in Entwicklungszonen
erhalten. Auf jeden Fall ist die wütende und systematische Verurteilung der
neuen Regierung als die schlechtest mögliche, wie der zapatistische Subcomandante
Ellenbogen vor wenigen Monaten erklärt hatte, hirnverissen, erst recht, wenn
sie mit dem „Versprechen“ kombiniert wird, sich bewaffnet gegen die angeblich
geplante Vernichtung der indigenen Völker zur Wehr zu setzen. Töne, die wir in
dieser Schärfe aus dieser Ecke seit sehr langem nicht mehr gehört haben.
Venezuela: Mordtechnokratie und die Leute
Samstag, 16. März 2019
(zas, 15.3.19 Einige Stunden vor der mit Abstand grössten
Strom-«Havarie» in der Geschichte Venezuelas am 7. März beschied
der rechtsradikale, einflussreiche US-Senator Marco Rubio: «Venezuela tritt in eine Leidensphase ein, wie sie keine Nation unserer
Hemisphäre in der modernen Geschichte erlebt hat.» Rubio verspricht den
Heimgesuchten: «An die in Venezuela: Euer
Kampf für Freiheit und Wiederherstellung der Demokratie ist auch unser Kampf,
und die freie Welt hat euch und wir euch nicht vergessen.»
Und solange werden die Sanktionen weitergehen.
Stadt im Dunkel |
Hinter dem Finanztechnischen steht ein anvisierter
Massenmord zwecks Stimmungsmache für (para-) militärische Grosseinsätze. Mark
Weisbrot, Ko-Direktor des Thintanks Center
for Economic and Policy Research (CEPR), schrieb Ende Februar einen Artikel
zu diesem Thema: Trump’s Other "National
Emergency": Sanctions That Kill Venezuelans. Vergessen wir nie, was die «liberale,
kultivierte» US-Aussenministerin Madeleine Albright 1996 in der TV-Sendung 60
Minutes von CBS sagte, als die Interviewerin
sie fragte, ob die halbe Million Kinder im Irak, die in direkter Folge der
damals vor dem Krieg von Bush Sr. von
ihr und Clinton verhängten Sanktionen starben, den «Preis wert» gewesen seien: «Ich denke, es ist eine sehr harte Wahl, aber der Preis – wir denken, er
ist es wert.».
Über 20 Jahre später die gleiche Botschaft, dieses Mal von
einem pensionierten Lateinamerika-As des State Departments, William Brownfield,
der vor vier Monaten sagte: «Wie stark
sollen Mangelernährung, Mangel an Medikamenten, Auswirkungen im
Gesundheitssystem zunehmen? Wie stark wollen wir wirklich die Schrauben bei den
zwangsläufigen Auswirkungen auf das venezolanische Volk anziehen? Wir sollten
dies ein wenig wie eine Tragödie ansehen, die solange dauert, bis sie endlich
beendet wird. Und falls wir etwas machen können, das dieses Ende schneller
bringt, sollten wir das vermutlich tun. Aber wenn wir es tun, dann sollten wir
verstehen, dass das Auswirkungen auf Millionen und Millionen von Menschen hat.
Wir haben die Schwierigkeiten, genug zum Essen zu finden, schon verschärft,
Pflege zu erhalten, wenn man krank ist, oder den Kindern Kleider anzulegen,
wenn sie zur Schule gehen (…) Wir müssen die harte Entscheidung fällen: Das
gewünschte Resultat legitimiert diese ziemlich strenge Bestrafung» (s. «Zur
Logik der Sanktionen»).
Erinnert sich wer an die medialen Aufschreie nach den Worten
Albrights und Brownfield?
Nein, denn es gab keine. Die «Humanitären» waren grad anderweitig
engagiert. Was machen die Sanktionen? Sie zerschlagen die Wirtschaft (s. den
Artikel von Weisbrot). In den ersten vier Tagen des Blackouts verlor die venezolanische
Wirtschaft nach Einschätzung
des rechten Unternehmens Ecoanálitica $ 875 Mio. Das sind keine Sanktionen
gegen chavistische Individuen. Sanktioniere den Chef des Finanzministeriums und
die Chefin der Notenbank samt ihren «untergeordneten Apparaten» und du unterbindest
sukzessive Handel und Finanztranskationen eines ganzen Landes. Sekundäre
Sanktionen, nennt das die Technokratie. Wir haben dazu die «Chronologie
einer Strategie, um Venezuela zu zerstören» übersetzt.
Und wenn die Not greifbar wird, schreit es: «humanitäre
Krise».
Wie oft thematisieren die «seriösen Medien» bei diesem
Aufschrei die dramatischen Zerstörungen der Sanktionen? Nie.
Nebel schleudern oder
Lumpen einsammeln
Das Negieren der Essenz des imperialistischen
Sanktionsregimes verändert sich in anderen Zusammenhängen zur
Konfusionsbewirtschaftung. Als letzten August ein Mordanschlag mit Drohnen auf
Präsident Maduro anlässlich einer Rede stattfand, war trotz eindeutigen
Filmaufnahmen fast ausnahmslos die Rede vom «angeblichen» Attentat. Warum?
Washington und sein Trupp in Venezuela «vermuteten» eine Inszenierung. Gestern
hat CNN en español sich dazu bequemt,
den «mysteriösen» Anschlag nicht mehr
in Zweifel zu ziehen, sondern ihn, gestützt auf
Videos und Interviews, abtrünnigen venezolanischen Militärs zuzuordnen. Kalter Kaffee, war da mal was? Das gleiche Muster, allerdings geraffter, lief ab dem letzten 23. Februar, dem Tag der «humanitären» Aktion an der Grenze. Empörter Aufschrei in den Medien: Maduro schreckt nicht einmal davor zurück, die Esswaren, die sein verhungerndes Volk doch so dringend braucht, in Brand zu setzen. Ich weiss nicht mehr, war es schon im Verlauf dieses Tages oder erst am nächsten Morgen, dass die Aufnahmen z. B. von Telesur klar machten, dass der Camion nicht von der bestialischen venezolanischen Guardia, sondern von den (angeheuerten) Molllies-schmeissenden antichavistischen Demokraten abgefackelt wurde. Erst dieser Tage hat die New York Times das schon lange zirkulierende Video publiziert.
Videos und Interviews, abtrünnigen venezolanischen Militärs zuzuordnen. Kalter Kaffee, war da mal was? Das gleiche Muster, allerdings geraffter, lief ab dem letzten 23. Februar, dem Tag der «humanitären» Aktion an der Grenze. Empörter Aufschrei in den Medien: Maduro schreckt nicht einmal davor zurück, die Esswaren, die sein verhungerndes Volk doch so dringend braucht, in Brand zu setzen. Ich weiss nicht mehr, war es schon im Verlauf dieses Tages oder erst am nächsten Morgen, dass die Aufnahmen z. B. von Telesur klar machten, dass der Camion nicht von der bestialischen venezolanischen Guardia, sondern von den (angeheuerten) Molllies-schmeissenden antichavistischen Demokraten abgefackelt wurde. Erst dieser Tage hat die New York Times das schon lange zirkulierende Video publiziert.
Dies ist ein Beispiel, mehr nicht. So ziemlich alles am 23.
Februar war Show. Konzedieren wir, die für jenen Tag an die kolumbianische Grenze
mit Venezuela angereisten KorrespondentInnen können nicht anders als zu «wissen»,
dass die Chavistas böse sind und die Rechten gut. Aber hat denn nicht eine/r
von ihnen mitbekommen, dass es in Cúcuta, der Bühne für das «humanitäre Schauspiel»,
schon am Vorabend Probleme gegeben hat, weil Arme aus dieser grossen Stadt von
der humanitären Hilfe auch was abbekommen wollten? Ist es möglich, dass alle
diese KorrespondentInnen, die ganz AugenezugInnen berichteten, wie die chavistischen
Milizen ihr Unwesen getrieben und die venezolanischen Oppositionellen auf
kolumbianischem Gebiet angegriffen hat, ist es möglich, dass nicht eine/r
dieser scharfen BeobachterInnen von dem mitbekommen hat, was der Bürgermeister
dieser Stadt, César Rojas, in der Tageszeitung El Tiempo (Kolumbien) kritisiert
hat? Zum Beispiel die demokratischen Lichtgestalten aus Venezuela: «Ich glaube, dass es auf kolumbianischer Seite
keine Vermummten geben darf. Sie sagen, sie seien ein Widerstand (…) Das kolumbianische
Militär seinerseits muss diese Aktionen gegen die venezolanische Guardia
unterbinden.» Der Bürgermeister sagt das Gegenteil von dem, was die KorrespondentInnen
sagen: Nicht die venezolanische Guardia hat liebenswürdige Demonstrierende auf
kolumbianischem Territorium angegriffen, sondern die Angriffe liefen in umgekehrter
Richtung. Denken diese KorrespondentInnen denn wirklich, Maduro sei grad scharf
darauf gewesen, vor versammelter internationaler Polit- und Medienpräsenz einen
Grenzkonflikt zu provozieren? Das sagte Rojas auch noch: «Als Bürgermeister bitte ich Guaidó und seine Kombo, ihre Vermummten
einzusammeln und dorthin zurückzubringen, wo sie sie geholt haben.» Und ja,
unbedingt: «Wir bitten [die Regierung],
dass ein Teil [der Hilfsgüter] hier in Cúcuta verteilt wird, um die schwere
Armutskrise in unseren ärmlichen Quartieren zu bekämpfen.»
Guaidó, momentan zum Anführer der rechten Kräfte ernannt, twitterte
nach dem Blackout vom 8. März, «Venezuela
weiss, dass das Licht erst mit dem Ende der Usurpation kommt», also der
Präsidentschaft Maduros. Als die Hinweise auf einen Cyberangriff sich
verdichteten, wusste er nachzuplappern, das sei Mache der Regierung, das
ausgefallene Riesenstromwerk El Guri funktioniere rein analog, nix digital. Ausschlaggebend
seien Korruption und Misswirtschaft der Regierung gewesen.
Die imperialen Medien haben die Spur aufgenommen. So wie es wohl
keinen Mordanschlag gegeben hat, sowie die Sanktionen humanitär wirken, wird
die Sabotage-These zur Schutzbehauptung einer miesen Regierung. Mit
Bestimmtheit trifft
das immer wieder wichtige Internetportal Misión Verdad die Lage besser: «Das nationale Stromnetz ist von einer explosiven
Mischung von durch die Finanzblockade potenzierter Deinvestition, Verlust an
spezialisiertem Personal aufgrund des Lohnschwunds und einer systematischen
Sabotage unter Angriff gestanden. Die Sabotageakte ereigneten sich immer dann,
wenn der Chavismus politisch wieder in die Offensive gehen konnte.» Im gleichen Artikel lesen wir: «Die im Automatisierten Kontrollssystem [in
El Guri] benutzte Software, SCADA genannt, die die Maschinen [Generatoren]
operativ managte, wurde vom Unternehmen ABB geschaffen, das seit Jahren nicht mehr
im Land operiert. Dieses Unternehmen ABB, das in Venezuela als Dreierkonsortium
auftrat (ABB Venezuela, ABB Kanada, ABB Schweiz) entwarf Ende des letzten
Jahrzehnts ein Modernisierungsprogramm
El Guri, das sowohl das angegriffene System wie die Grundorganisation von
El Guri beschreibt.»
Und die Leute?
Im Portal von Misión Verdad finden sich zurzeit täglich
mehrere Artikel (spanisch, manche auch englisch) zu den Angriffen seit dem 7.
März auf das Stromnetz (bisher offenbar fünf oder sechs), vom ursprünglich von
Wikileaks publizierten Dokument eines «Farbenrevolution»-Tentakels über Störungs-
und Sabotageanfälligkeit der hyperzentralisierten venezolanischen
Stromversorgung über russische Regierungsaussagen punkto kanadischer
Beteiligung beim Cyberangriff (dank Knowhow von ABB Kanada) bis zum Pentagonpapier über Auswirkungen sog.
EMP-Angriffe (Elektromagnetischer Puls) - offenbar wurden in einem Fall ferngesteuerte
elektrische Apparate zur Spannungsüberladung eingesetzt. Aber wir erhalten auch
Hinweise auf die Leute, wie sie mit der Notlage und dem Bewusstsein, dass jetzt
der lange angekündigte Angriff rollt, umgehen. Wir erahnen so ein wenig, warum dieses
chavistische Venezuela inmitten des traumatisierenden Dauerangriffs leibt und lebt.
Dazu zwei Geschichten aus dem Artikel «10
minicrónicas de resistencia en medio del apagón».
«Angesichts der Menge Leute mit Holz oder Gas kochen. Wir, mehrere Familien, konnten uns zusammentun, gemeinsam essen, zusammen sein, 11 Erwachsene, 5 Kinder. Wir erkannten, dass wir allein nicht wiederstehen können, und ich habe mein Haus hier in Cabimas zur Verfügung gestellt. Wir legten alle Geld zusammen und kochten für die ganze Gruppe. Gemeinsam kauften wir Wasser, Medikamente. Aber es war nicht einfach. Wir versuchten, ruhig zu bleiben angesichts eines 80-jährigen Grossvaters, der an der Hitze verzweifelte, eines Neugeborenen, das weinte. Einige Oppositionelle schlossen sich der Solidarität an, andere spotteten nur. Domino, Dame, Kartenspiel, das Gespräch über die politische Lage oder der Familienwitz. Alles nachts, im Licht der Kerosenlampen, die wir machten, als wir begriffen, dass wir mehr als nur eine Nacht ohne Strom sein würden. Ich denke, das war eine Schulung, um uns auf was immer vorzubereiten, auch dafür, dass sie das Wichtigste von uns nicht haben brechen können: die Solidarität im Kleinen.» Rosanna, Barrio Cabimas, Gliedstaat Zulia.
«Das ganze Gebäude, wir sind etwa 20 Familien hier, haben wir uns getroffen, um selbstgebastelte Lampen herzustellen, für ein wenig Licht während des Stromausfalls. Damit das niemandem fehlt. Wir sind hier 20 Familien, und wir können sagen, dass 17 ihre Lampen gebastelt haben. Am Tag vorher war das CLAP gekommen [massiv subventionierter Essenverkauf von Regierung und Basisorganisationen]. Für alle Familien. Wer kein Gas hatte, für den kochte der andere das Essen. Wir haben kein Leitungsgas, nur Gasflaschen. Das ganze Haus war wie lebend, als gäbe es keine Dunkelheit. Es kam zu einer Solidarität im Krieg, im Notfall, im Wissen, dass das ganze Land betroffen war, als Ergebnis eines Angriffs.Wir hatten ein Radio in Betrieb, um zu wissen, was läuft. Nur an einem Tag gab es eine Guarimba [Gewaltunruhe], aber die verflüchtigte sich schnell, denn die Leute kamen aus ihren Häusern, stellten die Wagenlichter an, begannen zu tanzen, zu Sound. Da blieb den Guarimberos nur noch abzuziehen. Die Kleinen nahmen sich tagsüber die Strasse, sie war ihr Spielfeld. Nachts trafen wir uns mit den Nachbarn, drehten Sicherheitsrunden, verbrachten die Zeit mit Spielen und Erzählungen.» Andy Franco, Caracas.
Noch dieses: Drei Tage nach dem Blackout-Beginn erhielten
wir dank WIFI eine Audiobotschaft über die schwierige Lage. Eine Bemerkung war
frappierend: Die Leute arbeiteten an Kommunikationswegen ohne Telefon, ohne Computer,
ohne Radio. Um zu wissen, was läuft, worauf man sich vorbereiten muss.
«Unsere Werte» in Venezuela und Italien
Donnerstag, 14. März 2019
Antonio Tajani, der Präsident des Europaparlaments, ist kein
Freund von Diktatoren. Also sagte er Ende Januar: «Ich habe mit Präsident Guaidó telefoniert, unserem einzigen
Gesprächspartner, um ihn der Unterstützung des Europaparlaments zu versichern.»
Zu einem anderen Politiker meinte
er: «Mussolini? Solange er nicht Hitler
gefolgt ist und der ganzen Welt den Krieg erklärt hat, solange er nicht die Rassengesetze
gebracht hat, hat er, ausser den dramatischen Ereignissen von Matteotti,
positive Dinge gemacht, um die Infrastruktur in unserem Land zu ermöglichen und
dann die Sumpfaustrocknung.»
Wer will dem aufrechten Demokraten die Hoffnung verargen, dass
Guaidó nach einem Putsch oder so in Venezuela «positive Dinge» bewirken kann?
Venezuela: Die Spur der Sabotage
Montag, 11. März 2019
(zas, 10.3.19) Vor zwei Tagen, am Freitagabend, sprach Jorge Rodríguez, eine der Führungsfiguren
des Chavismus, derzeit Informationsminister, über den Grund, warum das
Grossblackout von Donnerstagnacht auf Sabotage zurückzuführen sei. Nachdem
gestern Samstag die Elektrizitätsversorgung zu einem beträchtlichen teil wieder
aufgenommen werden konnte, legte ein anderer Zusammenbruch des Stromnetzes die
Versorgung erneut lahm. Auch hier spricht die Regierung von Cybersabotage,
unterstützt von im staatlichen Stromwerk Corpoelec angestellten «Maulwürfen».
Zum Verständnis des folgenden Auszugs aus der Rede des
Informationsministers zuerst noch ein Tweet von Marco Rubio. Der CIA-kubanische
republikanische Senator gilt auch in US-Mainstreammedien als eine bestimmende Figur
in der aktuellen Politik Washingtons gegen Lateinamerika.
ALERT:
Reports of a complete power outage all across #Venezuela at this moment.
18
of 23 states & the capital district are currently facing complete
blackouts.
Main
airport also without power & backup generators have failed.
14:18
- 7. März 2019
(Achtung: Aktuell Berichte über einen kompletten
Stromausfall in ganz Venezuela. 18 von 23 Staaten plus die Hauptstadt haben im
Moment Totalblackouts. Auch zentraler Flughafen ohne Strom &
Ersatzgeneratoren ausgestiegen.)
____
Von Jorge Rodríguez
Jetzt, um 19h32, wissen wir schon, wie der kriminelle
Angriff gelaufen ist. Und dieser Tweet von Herrn Marco Rubio ist sehr
aufschlussreich. Denn sie machten einen Cyberangriff auf ein System, das
Automatisches Kontrollsystem heisst. Eine Art elektronisches Gehirn, das die 20
Maschinen des Guri reguliert, wo 80 %
des Strombedarfs des venezolanischen Volks produziert werden [A. d. Ü.: El Guri,
Bezeichnung für das Wasserkraftwerk Simón Bolívar].
Wie wird reguliert? Gibt es eine Erhöhung der Spannung und
der Nachfrage, sagt dieses automatische System den Maschinen des Guri: «Werdet
aktiv und erhöht die Umdrehungszahl für eine grössere Leistung!» Und umgekehrt,
wenn sie zu erhitzt sind, um dies so zu sagen, wenn einige Guri-Maschinen eine
sehr grosse Umdrehungszahl aufweisen, sagt das System: «»Geh ein wenig mit der
Geschwindigkeit runter!» Dieses System wurde angegriffen. Wird dieses System
angegriffen, ist es, als wenn das Gehirn durchdrehe. Wird also dieses
Automatisierte Kontrollsystem angegriffen, stellen sich die Guri-Maschinen
präventiv ab. Das meint Herr Rubio mit den «Ersatzgeneratoren».
Wie wusste er das wenige Minuten nach dem Angriff? Er konnte
dies nur wissen, weil er darüber informiert worden war (…) Sie gingen auf El
Guri los. Und da nicht mal auf die Maschinen des Guri, sondern auf das
Automatische Regulierungssystem, das bei richtigem Funktionieren einer
Guri-Maschine sagt, wenn eine andere ausfällt: «Werde aktiv!» Das meint Marco
Rubio mit «Ersatzgeneratoren”. Ein richtiges Geständnis (...) Damit Herr Rubio
sagen konnte, die Ersatzgeneratoren sind ausgefallen, musste er wissen, dass
das Automatisierte Kontrollsystem beschädigt worden war. Denn nur dieses kann
diese Sorte von Aktivierung erzeugen.
Und brutal, grob, in Verletzung jeglicher internationalen
Norm, jeglichen internationalen Rechts, sagt Staatssekretär Pompeo: «Wir werden
das Stromblackout aufrechthalten, bis Maduro geht.» [A. d. Ü.: s. Kleine
Hilfe der Yankees.] Dies zeigt, dass es sich um einen multiformen, brutalen
Angriff auf das ganze Volk von Venezuela handelt. Denn mit dieser Aggression
zeigt sich, dass die Gewalt sich nicht nur gegen die Chavistas richtet. Wenn -
Gott bewahre, und es wird nicht dazu kommen, es geht bloss um eine Metapher - wenn
also die Bomben fallen sollten, würden sie nicht nur Chavistas treffen. Im
vorliegenden Fall zielten sie auf das Automatisierte System und zogen auch die
Menschen, die für sie stimmen, in Mitleidenschaft (…).
Das haben wir in diesem Land nie gehabt, dass sie einem
ganzen Land den Strom abstellen. Alle Spitäler ohne Strom … Gottseidank
funktionierten die Notgeneratoren in allen Spitälern. Zu was wäre es sonst gekommen?
Zur Nummer, die sie vorbereitet hatten. Sie wussten nicht, dass wir für den
Fall, dass eintreten sollte, was eingetreten ist, die Generatoren parat hatten.
Deshalb sagen sie jetzt: «79 Tote». No, das stimmt nicht. Und es stimmt nicht,
weil Präsident Maduro die Notgeneratoren für den Fall einer Attacke dieser Art
angeordnet hatte. Als Marco Rubio Hohn verbreitete, transportierten wir auf Geheiss
von Präsident Maduro fünf Kinder ins Spital JM de los Ríos. Als Guaidó sagte,
dass das Licht erst nach dem Abgang Maduros zurückkehren würde, arbeiteten die
Leute von Corpoelec an allen Möglichkeiten, den Service wieder aufzunehmen. Als
Pompeo sich so lustig machte, wie er es tat, und versicherte, das Blackout dauere
bis zum Rücktritt von Präsident Maduro, waren unsere Wissenschaftler zum Guri
unterwegs und fanden dort heute Morgen heraus, wie das verbrecherische Attentat
verübt worden war.
Wir werden eine internationale Anklage erheben. Wenn auf
diesem Planeten internationale Normen, internationale Gesetze existieren, wenn
es auf diesem Planeten Normen für das Zusammenleben der Länder gibt, dann
müssen die gutgesinnten Frauen und Männer ihre Stimmen gegen diese Barbarei
erheben. In wenigen Tagen wird eine Delegation der UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte
Michelle Bachelet Venezuela besuchen. Ihnen werden wir die Beweise vorlegen, die
Schuldgeständnisse dieser Verbrecher, vor ihnen werden wir Anklage erheben,
damit die gut gesinnte Welt sich für die Respektierung der Menschenrechte in Venezuela
einsetzt. Und ein fundamentales Recht ist das Recht auf Frieden, Herr Pompeo,
Herr Rubio, Herr Jon Bolton, Herr Elliot Abrams und Lakaien, die hier leben. Wir
haben das Recht auf Frieden, wir haben das Recht, frei den demokratischen Weg
von Venezuela zu begehen. Und Sie haben kein Recht, die Stromversorgung zu kappen,
weder hier noch sonst wo auf der Welt. Das ist ein krimineller Akt, und
deswegen werden wir Sie vor allen internationalen Instanzen anklagen, mit Beweisen.
Zu diesen gehören die Geständnisse von Guaidó, Pompeo und Rubio. In irgendeinem
Sektor der Opposition muss es einen Funken von Anstand geben, um diesen
kriminellen Angriff abzulehnen.
______
(zas) Es ist interessant zu sehen, wie die Berichterstattung
funktioniert, wie es kommt, dass wir hier als Info serviert bekommen, was wir
serviert bekommen. Beispiel: Die «vielen Toten» in den Spitälern als Resultat
der Kleptomanie der Chavistas. Zuerst als Nachricht gebracht, wird das jetzt
manchmal etwas relativiert, im Still von «mutmasslich viele Tote». Die
Relativierung erfolgt nicht, weil es noch eine Seite gibt, die chavistische,
die diese «Toten» bestreitet. Die ist nicht ernst zu nehmen, bestenfalls kommt mal
ein abfälliger Satz über irgendwelche «Behauptungen» aus dieser Ecke. Ein wenig
Vorsicht scheint hingegen angezeigt, weil bis jetzt nicht ein Name eines dieser
an der Korruption «gestorbenen» Menschen publik wurde. Man vergisst die Sache
dann einfach, es sei denn, knallhart neue Infos würden sie reaktivieren – etwa wieder
ein Tweet von Rubio. Denn er war es, der, gestützt auf irgendwelche
10-Worte-Infos «aus Venezuela», die Sache mit den Todesopfern der «Raffsucht
Maduros» als Grund für das Blackout wohl als erster so verbreitete, dass die
internationalen Nachrichtenagenturen aufmerksam wurden.
In seiner Tweetflut zum Blackout wusste er auch gleich
mitzuteilen, dass die Gewerkschaft von Corpoelec zwei Wochen zuvor vor dem
Zusammenbruch des aufgrund von Maduros Korruption auf den Hund gekommenen
Stromnetzes warnte. Welche Gewerkschaft, wo, wann, in welchem Zusammenhang?
Forget it. Die Nachricht habe ich seither mehrmals konsumiert, so …fundiert wie
hier dargestellt, zuletzt heute in einem Sonntagsblatt.
Apropos Gewerkschaft. Nachdem der Putsch gegen Chávez 2002
gescheitert war, kam es 2002/2003 zu einer monatelangen Aussperrung vor allem
im zentralen Bereich der Ölgewinnung, um die Regierung doch noch zu stürzen.
Viel jubelten die Medien über diese «Gewerkschaftskämpfe», doch Pustekuchen:
Zentral bei diesem Wirtschaftsputsch war die Leitung der damals nur nominell
staatlichen Erdölgesellschaft PDVSA. Die Regierung und die Belegschaft waren
lange nicht imstand, die Produktion wieder aufzunehmen. Grund: Die ganze
PDVSA-Software, die bis zur Ladung der Öltanker alles automatisiert leitete, war
Eigentum des outgesourcten CIA/Pentagon-Unternehmens SAIC, das alle Vorgänge
ferngesteuert blockieren konnte. Es dauerte lange, bis Hacker und Ölprofis die Software
(Betriebsgeheimnis von SAIC) knacken und endlich die Blockade brechen konnten. (Mehr
dazu in «Wer
bewegt den Anker?») Nicht zu vergessen solche «Details» wie die Zerstörung des
Hafens von Corinto im revolutionären Nicaragua 1983 durch ein CIA-Kommando. Die
Zerstörung dieses einzigen für den internationalen Handel benutzbaren Hafens
illustrierte natürlich die sandinistische Unfähigkeit, vernünftig zu wirtschaften.
Zuletzt noch: Ist der zitierte Tweet von Rubio ein Beweis
für seine Komplizenschaft, mithin für die Sabotage? Jedenfalls ein ernstes Indiz:
Ja, woher wusste er, dass die Ersatzgeneratoren nicht funktioniert hatten? Erst
recht im Kontext der stets von neuem bewiesenen Bereitschaft des Reichs, Leben
und Ökonomien von unbotmässigen Gesellschaften zu zerstören. Natürlich lässt
sich eine andere Erklärung finden: Rubio könnte ja an die Ersatzgeneratoren in
der Garage gedacht haben, mit deren Hilfe etwa die Metro hätte operieren
können. Selbst wem dies einleuchtet, müsste sich aber der Frage stellen, ob
eine vielleicht tatsächlich relativ prekäre Lage im Stromnetz (abgesehen von
einer langen Kette evidenter Sabotageaktionen) wirklich auf eine «Raffgier des Diktators»
zurückzuführen wäre oder vielleicht nicht doch eher auf die Folgen von seit
Jahren anhaltenden Wirtschaftsattacken und Sanktionen. Aber man soll vom Ochsen
keine Milch erwarten, von der Reichspropaganda keine, ähm, Fairness.
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