(zas, 6.11.19) Evo Morales «hat 48 Stunden, um zurückzutreten. Denn am Montag um 7 Uhr nachts
werden wir hier Massnahmen treffen und garantieren, dass er geht.» Das
sagte Luis Fernando Camacho, der das ultrareaktionäre und mächtige Comité
Cívico de Santa Cruz leitet, letzten Samstag, dem 2. November, an einer
Mobilisierung seines «Bürgerkomitees». Am gleichen Anlass rief er die Armee
auf, sich «auf die Seite des Volkes»
zu stellen, also zu putschen. Und in Sachen Bibel teilte er mit: «Diese wird am Mittwoch in den
Regierungspalast zurückkehren».
Nun, daraus ist nichts geworden. Camacho war am Montag nach
La Paz geflogen, um, wie er über Facebook posaunte, Evo das Rücktrittschreiben
eigenhändig zu übergeben. Nur konnte er den Flughafen nicht verlassen. Die
Angeberei war ein Fehler. Vor dem Flughafen hatten sich schon viele
ParteigängerInnen der Regierung versammelt, um Camacho den Zugang zu La Paz zu
versperren. Eine Gruppe von ihnen konnte die Polizeisperren überwinden und
befand sich schon auf der Suche nach dem verhassten Rassisten im Innern des Flughafens,
als Camacho sich von der Polizei dazu bewegen liess, mit seiner Gruppe eine
Maschine der Luftwaffe zu besteigen und sicher nach Santa Cruz zurückzukehren.
"Alerta, alerta antifascista" - im Flughafen von La Paz. |
Um eine Ahnung davon zu bekommen, wofür der Mann und das
Comité Cívico stehen, reicht es zu wissen, dass er letzten Donnerstag als
Handlungsanweisung öffentlich eine Orientierung am «legendären» Drogencapo
Pablo Escobar formulierte:
«Wir müssen bei allen Unterschieden so
handeln, wie es Pablo Escobar tat, aber nur, um die Namen der Verräter an
diesem Volk zu notieren.» Was ganz Lateinamerika weiss: Escobar pflegte die
Aufgelisteten umzubringen. Aus Santa Cruz stammt bezeichnenderweise ein Video,
auf dem zu sehen ist, wie die Schläger des Comité Cívico, unterwegs auf
Motorrädern, einen Stopp einlegen, um eine an ihrer Kleidung als Indigene aus
dem Hochland erkennbare Passantin brutal
verprügeln. Kein Einzelfall. Ein anderes Video zeigt etwqa eine Indígena,
die auf den Knieen den «Bürger»-Mob um Verzeihung für ihren angeblichen Versuch,
die Täötigkeiten des Comités auszuspionieren, bitten muss. Die Frau hat
mittlerweile Anzeige gegen die Terrorcrew erstattet.
Santa Cruz ist das Zentrum des Agrobusiness und des
Faschismus. Dass die dortigen Angriffe
des «Mobs» wieder wie beim Sezessionsversuch 2005 an die Treibjagden der SA
erinnern, ist kein Zufall. Nach dem 2. Weltkrieg leiteten die US-Geheimdienste
grosse Kontingente von Nazi-Verbrechern nach Bolivien, Argentinien und Paraguay.
Stellvertretend sei an Klaus Barbie, den Schlächter von Lyon erinnert, der sein
Knowhow im bolivianischen Gehgeimndiest einbrachte. Diese Nazi-Spur ist nicht
verrsandet. erinnern wir uns an den 2009 von einem kroatischen Faschisten
koordinierten Mordversuch eines internationalen Kommandos an Evo Morales.
Vielleicht dachte Camacho auch an den unterlegenen
Präsidentschaftskandidaten Carlos Mesa, als er von Verrätern sprach. Denn der
hatte der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zugesichert, ihre mit der
Regierung ausgehandelte Überprüfung der Wahlresultate mitzutragen. Das aber ist
nicht im Sinn des Comité Cívico de Santa Cruz und anderer radikaler Kräfte. Sie
fordern die Annullierung der Wahlen, inklusive die parlamentarischen, bei denen
die Regierungspartei deutlich oben aufschwang. An Details wie Resultaten halten
sich Camacho & Co. nicht mehr auf. Jedenfalls sagte
Camacho am 29. Oktober etwas ominös: «National
ist die Forderung des Komitees für die Verteidigung der Demokratie und der
Cívicos die Annullierung; wenn der Herr Carlos Mesa eine Überprüfung
unterschreiben will, muss er die Verantwortung für ihr Resultat tragen (…) Hier
befiehlt das Volk, nicht die Politiker (…) Wir werden keine Überprüfung
akzeptieren, denn die Stimmen sind schon genügend verfälscht worden.» Ob
Mesa das OAS-Audit nun mitträgt oder nicht, scheint unklar zu sein. Mal sagt er
ja, mal nein.
Dass Evo Morales einer umfassenden, verbindlichen
Überprüfung der Wahlresultate ausschliesslich durch die OAS und nicht unter
Einbezug etwa des CEELA, eines Gremiums von Exponentinnen lateinamerikanischer
Wahlbehörden, verblüfft. Es drückt seine feste Überzeugung aus, dass es beim
Wahlsieg mit rechten Dingen zugegangen ist. Aber natürlich weiss Evo Morales
auch, für wen die OAS arbeitet. So hatte er die Hoffnung geäussert, die
OAS-ExpertInnen würden technisch, nicht politisch agieren, doch worauf sich
diese Hoffnung stützt, hat er nicht verraten. In einigen Tagen soll der
OAS-Bericht vorliegen, der Chef der ExpertInnen musste schon mal wegen einer
üblen Anti-Evo-Aussage vier Tage vor den Wahlen vom 20. Oktober in
den Ausstand treten.
Die Unruhen halten je nach Darstellung mit minderer oder verstärkten
Intensität an. Gestern Nacht etwa versuchten Kontingtente von StudentInnen und
ÄrztInnen (die seit Monaten gegen eine von der Regierung angestrebte Minderung
ihrer exorbitanten Privilegien ankämpfen), zum Regierungssitz durchzubrechen,
der von MAS-Leuten beschützt wird. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen
zwischen den beiden Lagern, bis die angerückte Polizei die Angreifenden mit
Tränengas und Wasserwerfer zurückdrängen konnte. Ebenso wurde gestern Nacht ein Versuch, das
Arbeitsministerium zu stürmen, vereitelt.
Bekannte in Bolivien sagen, zwar könne die Rechte
tatsächlich grosse Menschnmengen mobilisieren, aber deutlich weniger als die
Sozialbewegungen hinter dem MAS. So gibt es beispielsweise Kontingente von
Minenarbeitern, die rechts mitmarschieren, doch das Gros dieser in Bolivien
wichtigen und kampferprobten indigenen Arbeiter ist seit Tagen für die
Verteidigung ihrer Regierung auf den Strassen mobilisiert. Die brutale Gewalt
der Cívicos und Kohorten soll auch Rechte abschrecken. Umgekehrt ist klar, dass
die Regierung und das MAS ihre Basis zur Zurückhaltung auffordern.
Wo steht die Armee? Eine These besagt, würde es den Cívicos etc.
gelingen, die Zusammenstösse zu eskalieren und das MAS-Lager tatsächlich in die
Defensive zu treiben, könnte die Armee putschen. Seit einigen Tagen insistieren
MAS-Medien auf im Portal https://bbackdoors.wordpress.com/
publizierten Unterlagen zu einer Verschwörung von Cívicos, Militärs i. R. und
anderen. Für den Fall eines Wahlsieges von Evo Morales am 20. Oktober wat
demnach, nach einer Phase des Aufheizens auf den Strassen, die Einsetzung einer
zivil-militärischen Übergangsregierung vorgesehen. Offenbar sind in
mitpublizierten Audios einige bekannte ExponentInnen der Cívicos, rechter
Parteien und hohen Ex-Militärs klar identifiziert. Die sich seit August
steigernden Vorbereitungen für einen Regime Change werden danach von
US-Personal geleitet; für den Fall einer neuen Präsidentschaft Morales sollen
die US-Senatoren Bob Menéndez, Ted Cruz und Marco Rubio die Verhängung von
Sanktionen betreiben. In die putschistischen Bestrebungen sollen auch evangelische
Sekten und Leute der Regierung des Nachbarlandes Brasilien eingebunden sein.
Die Glaubwürdigkeit dieser Schilderungen steht und fällt mit
den Audios, deren Qualität für uns nicht einschätzbar ist. Tatsache ist auf
jeden Fall, dass die anfänglich angeführte Begründung für die rechte Offensivfe
(Überprüfung der Wahlresultate) zur Forderung nach einem sofortigen Abtreten
der MAS-Regierung mutiert ist. Die putschistische Ausrichtung ist klar. Und wenn
der Helikopter, in dem Evo Morales am letzten Sonntag reiste, wegen eines
Defekts am Flügel gleich nach dem Start gerade noch notlanden konnte, kommt
natürlich der Verdacht der Sabotage hoch – eine Untersuchung läuft. Evos
früherer Innenminsiter Hugo Moldiz twitterte:
«Am 24. Mai 1981 stirbt Jaime Roldos,
Präsident von Ecuador. Am 31. Juli stirbt der Präsident von Panama. Omar
Torrijos. Beide waren nationalistische und antiimperialistische Präsidenten.
Evo ist Antiimperialist. Zufall?» Beide, ist anzufügen, bei einem Flug-«Unfall».