(zas,
20.11.19) Am 16. November beeilte sich die
Menschenrechtskommission der OAS (span. CIDH), Distanz zu den in Bolivien
regierenden Ultras zu markieren. Anlass: De-facto-Präsidentin Jeanine Áñez hatte
tags zuvor ein Dekret unterzeichnet, das den Militärs totale Amnestie gewährt.
Das ist schlimm, und das entspricht so nicht den Vorstellungen der meisten
internationalen PutschunterstützerInnen, darunter natürlich die OAS (s. Nochmals
zum «Wahlbetrug» der Betrüger). Diese gehen viel mehr in Richtung einer «Pazifizierung»
des MAS im Rahmen eines von der katholischen Kirche vermittelten und von der EU
und der UNO aktiv unterstützten Dialogs zwecks Abhaltung von Wahlen unter leicht
versteckten Gewehrläufen der Soldateska.
Ein vor
wenigen Stunden publizierter Artikel
des rechten Mediums La Razón verrät, was gewünscht wird. Die Vorsitzende des
Senats (MAS) habe die «Sozialbewegungen
gebeten, radikale Positionen abzulegen und den Dialog zu suchen.» Das ist allerdings
die Darstellung des Medium, die Compañera wird nur so zitiert: «Wir wollen keine weiteren Toten mehr, kein
weiteres Blutvergiessen.» Noch fehlt der klare Wink aus Washington für das
Markieren einer gewissen Distanz zu den Faschisten.
Täglich
kommt es zu massiven Repressionen gegen die Widerstandsbewegung, die vor allem
von indigenen Organsationen getragen wird. Diese kämpft nicht nur in La Paz,
Cochabamba und El Alto. In diesen Tagen etwa konnte sie eine Grossdemo in Potosí
durchsetzen. Im Vorort Sacaba aber erschossen die Repressionskräfte letzten
Freitag 9 Cocaleros, als eine Demo in
die Stadt Cochabamba ziehen wollte. De-facto-Innenminister Murillo weist
der Umstand von Schüssen in die Nacken von zwei der Ermordeten auf internen
Streit der Cocaleros hin. Die Militärs schossen asuf eine Demo, an deren Spitze
extra Frauen mit ihren Kindern liefen, wie erschütternde Videoaufnahmen von traumatisierten
Müttern klar machen. Während Tagen wurden weitere Versuche der Cocaleros, nach
Cochabamba hineinzugelangen, von den Sicherheitskräften brutal, aber ohne
Todesfolgen, unterdrückt. Das zeigt aber auch die moralische Stärke der
Bewegung, die trotz 9 Morden und zahlreichen Verletzungen (s. ein Spital-Video hier)
weiter auf der Strasse ist.
Gestern erschossen
Armee/Polizei sicher 6, nach einigen Quellen noch mehr Menschen, als ein
Grossaufgebot Treibstoff aus der Raffinerie von El Alto, der Zwillingsstadt von
La Paz, wegtransportierte. Die Raffinerei von Senkata war seit Tagen auf
Beschluss der Fejuve (AnwohnerInnenföderation) von El Alto umzingelt gewesen,
in La Paz und anderen Städten kommt es deswegen und wegen der vielen
Strassenblockaden der indigen-bäuerischen Bewegungen zu Versorgungsengpässen. Vom
El Alto-Arzt Aiver Huaranca zirkuliert ein Video, in dem er berichtet, wie die
Militärs auf ihn schossen, als er einen Sterbenden in seinen Armen hielt. Auch
er ruft wie so viele andere verzweifelt nach Hilfe, sie bräuchten alles,
Verbandszeugs, Medikamente. Er fragt: «Wo
ist das Rote Kreuz?». In diesem
Video aus El Alto, auch von gestern, sagen Verwandte eines lebensgefährlich
Verletzten: «Es gibt keine Gerechtigkeit.
Sie töten uns wie Hunde.»
Solidarität nein, Komplizenschaft
ja
Man kommt
nicht um Tränen herum bei all den Zeugnissen von betroffenen Menschen in
Bolivien, die fassungslos nach internationaler Medienpräsenz und medizinischer
Hilfe rufen. Stattdessen läuft hier die Putschverschönerungsmaschine. Nicht nur
seitens der einschlägig bekannten Akteure.
Da ist etwas die katholische Comundo in der Schweiz,
die Einsätze von VoluntärInnen im Trikont organisert. Man liest ihre Beiträge zu Bolivien und
ist angewidert. Nicht nur wegen der dick aufgetragenen «Objektivität» der in
Santa Cruz stationierten Infolieferantin Nicole Maron mit progressiver
Schreibbiographie. Wahlbetrug des MAS? Keine Frage, OAS hat es bestätigt. «Die Aggressivität einiger Gruppen, die Evo
Morales zurück ins Amt holen wollen, lief so aus dem Ruder, dass die Polizei
das Militär um Hilfe bat, weil die Situation ihrer Kontrolle entglitt.» Klar,
Maron weiss von Rassismus in Bolivien. Da hat Evo Morales auch Gutes dagegen getan,
teilt sie ganz ehrlich mit. Um anzufügen: «Damit
möchte ich nicht rechtfertigen, dass in den letzten Wochen verschiedene Gruppen
indigener Organisationen Evo Morales mit Gewalt verteidigt haben, und diese
seit seinem Rücktritt exponentiell angestiegen ist – und wir reden dabei
vom Zünden von Dynamit, vom Einsatz von Schusswaffen, vom Anzünden von Häusern,
von Geiselnahme und Misshandlung.» Mir ist ein Fall bekannt, in dem das Haus
eines Putschisten niedergebrannt worden ist, jenes des Uni-Rektors Albarracín,
eines zentralen intellektuellen Brandstifters. Dies, nachdem nicht nur
Gewerkschaftssitze und mehrere Häuser von MAS-Leuten in Feuer standen, sondern
auch Angehörige von linken ExponentInnen zwecks deren Gefügmachung misshandelt
und bedroht worden waren. Dazu kein Wort, dafür immer wieder Hetzdenunziationen
aus den rechten Medien. Antiputschdemos sind angekündigt – «wie das aussieht, kann man sich leider vorstellen». Für Maron, die
Ausgewogene, gibt es auf beiden Seiten Gewalttätige, doch die Beispiele sind
einzig, dafür immer wieder in Erinnerung bzw. Imagination gerufen, auf der
Seite der Angegriffenen zu finden. Alte Mache: Sag verbal und entkräfte es emotional.
Zwar ist «nicht zu leugnen, dass die
Opposition um Carlos Mesa und Fernando Camacho sich aus einer weissen
Mittelschicht zusammensetzt», aber – wer weiss? – vielleicht ist (der
Faschist) Camacho doch «eine Art mutiger
Rebellenführer». Usw., usf. Die Landesverantwortliche von Comundo wusste: «Nach Morales’ Rücktrittsankündigung
feierten die Menschen auf den Strassen und schwangen die bolivianischen
Fahnen.» Solche Schäbigkeit der DEZA-nahen Comundo erinnert an die Praxis auch progressiver Hilfswerke in Bolivien vor Evo. Damals kam es zu Kofinanzierung etwa von «zivilgesellschaftlichen Basisstrukturen» gegen den revolutionären Aufbruch, die faktisch z. B. in Programme der Weltbank eingebunden waren.