How to hack an election

Donnerstag, 14. April 2016



(zas, 14.4.16) Er hat sich verrechnet und sitzt deshalb seit bald zwei Jahren in einem kolumbianischen Hochsicherheitsgefängnis. Jahrelang hatte Andrés Sepúlveda für den berüchtigten JJ Rendón gearbeitet, den Meister schmutziger Wahlkampagnen für rechte Hardliners quer durch Süd- und Zentralamerika. Bei der der letzten kolumbianischen Präsidentschaftskampagne 2014 roch Rendón richtig und arbeitete für den Sieger, Juan Manuel Santos. Sepúlveda hingegen hielt es mit Óscar Iván Zuluaga, den der frühere Präsident Uribe vorgeschickt hatte. Zuluaga  trat mit dem „Versprechen“ an, die Verhandlungen mit der FARC subito zu beenden und die „Terroristen“ ins Jenseits zu befördern. Santos hingegen, als Verteidigungsminister Uribes für viele Kriegsverbrechen verantwortlich, verkündete, er werde die Guerilla im Handumdrehen friedlich domestizieren können.
Doch was war Sepúlvedas Arbeit? Verhaftet und verurteilt wurde er, weil er – im Auftrag Zuluagas, was aber angeblich nicht gerichtsfähig bewiesen werden könne – die Kommunikation der Verhandlungsdelegationen, insbesondere, der FARC gehackt hat, um dem uribistischen Lager  mit Insiderinfos Munition zu liefern. Kürzlich hat er in einem langen Gesprächszyklus mit Journalisten von Bloomberg Businessweek über seine langjährige Arbeit für Rendón in Wahlprozessen in einer ganzen Reihe  lateinamerikanischer Länder ausgepackt (s. How to Hack an Election oder Cómo Hackear una Elección), mit Schwergewicht auf der Kampagne des jetzigen mexikanischen Präsidenten Enrique Peña Nieto.  

Einige Beispiele aus dem Artikel:


Rendón, sagt Sepúlveda,  erkannte, dass Hackers komplett in eine moderne politische Operation integriert werden können, indem sie offensive Anzeigen schalten, die Opposition untersuchen und Wege finden, um die Popularität von GegnerInnen zu mindern. Sepúlveda sah die Sache so, dass WählerInnen mehr dem glaubten, was sie für spontane Äusserungen realer Leute in den Social Media hielten, als dem, was ExpertInnen im Fernsehen und in den Zeitungen sagten. Er wusste, dass Accounts gefälscht und Trends in den Social Media fabriziert werden können – alles relativ billig. Er entwickelte ein Programm, das jetzt Social Media Predator heisst, dass eine virtuelle Armee von Twitter-Konten managen konnte. Die Software erlaubte ihm Namen, Profilfotos und Biographien rasch für den jeweiligen Zweck zu verändern. Er entdeckte dabei, dass er die öffentliche Debatte so einfach manipulieren konnte wie Schachfiguren auf dem Brett zu bewegen. Wie er sagte: ‚Als ich begriff, dass die Leute mehr dem glauben, was das Internet sagt, als der Realität, entdeckte ich, dass ich die Macht hatte, die Leute fast alles glauben zu machen.‘

Sepúlveda managte tausende solcher gefakter Profile und benutzte diese Accounts, um die Diskussion über Themen wie Peña Nietos Plan zur Beendigung der Drogengewalt zu manipulieren, indem er die Social Media-Pumpe mit Ansichten formte, die reale NutzerInnen übernehmen würden. Für weniger nuancierte Arbeit hatte er eine grössere Armee von 30‘000 Twitter bots, automatische Posters, die solche Trends kreieren konnten.

So gut wie alles, was die dunklen digitalen Künste Peña Nieto oder wichtigen lokalen Verbündeten offerieren konnten, wurden von Sepúlveda und seinem Team geliefert. In der Wahlnacht liess er Computer zehntausende von WählerInnen um 3h früh anrufen. Die Anrufe schienen von der Kampagne des populären linksgerichteten Gouverneurkandidaten Enrique Alfaro Ramírez zu kommen. Das ärgerte die WählerInnen – und darum ging es- und Alfaro verlor knapp. In einer anderen Gouverneurswahl in Tabasco, kreierte Sepúlveda gefakte Facebook Accounts von Schwulen, die angeblich den konservativen katholischen Kandidaten des PAN [Konkurrenzpartei des siegreichen PRI] unterstützen, ein Schachzug, um dessen Basis aufzubringen.

Interessant die Info, dass Sepúlveda nach eigenen Angaben im Knast online geht:

Sepúlveda sagt, dass [das] Teil einer Vereinbarung mit der Generalstaatsanwaltschaft sei, um mit einer Version seinen Social Media Predators Drogenkartelle zu knacken. Die Regierung bestätigt [dies] weder noch dementiert sie es. [Sepúlveda] sagt, er habe sein Programm eingesetzt, um 700‘000 Tweets von Pro-IS-Quellen zu scannen, um zu lernen, was einen guten terroristischen Organisator ausmacht.

Rendón, in ganz Lateinamerika berüchtigt und vor allem in den USA wohnhaft, bestreitet, dass Sepúlveda in seinem Auftrag krumme Dinger wie das im Artikel beschriebene Hacken der Kommunikation der Kampagne von López Obrador, dem linken Konkurrenten von Peña Nieto,  gemacht habe.
Bloomberg Businnessweek schliesst ihren Artikel so:

Drei Wochen vor der Verhaftung von Sepúlveda musste Rendón aufgrund von Pressebeschuldigungen, dass er $ 12 Millionen von Drogendealern erhalten und einen Teil an den Kandidaten weitergegeben habe, aus der Santos-Kampagne aussteigen. Er bestreitet diese Vorwürfe.