(zas, 23.10.19) Auszug aus einem Bericht eines Compañero aus
Bolivien, der früher in Zürich in Alba Suiza mitgemacht hat. Datiert vom 22. Oktober..
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Miguel Villamizar
Die allgemeinen Wahlen von letztem Sonntag fanden in grösster
Normalität statt; dies nach einer auf seine Regierungsplattform fokussierten Kampagne
des MAS (Movimiento al Socialismo). Die Rechte betrieb eine starke
Verleumdungskampagne gegen das MAS und Evo Morales. Sie manipulierte die Bevölkerung
emotional mit Verdrehungen und Lügen, mit breiter Unterstützung in den Medien
und Social Media. Seit Jahren werden Hass, Rassismus, Klassismus verbreitet und
fallen bei Mittelschichten und Fachkräften auf fruchtbaren Boden.
Das Oberste
Wahlgericht (TSE) gab am Sonntag das vorläufige Ergebnis nach der
Schnellauszählung von 83.76 % der Stimmen bekannt. Evo Morales war zwar Sieger,
aber ohne die absolute Mehrheit (50 % der Stimmen plus eine) zu erreichen. Ein
siegreicher Kandidat braucht entweder diese Mehrheit oder mindestens 40 % der
Stimmen mit 10 % Vorsprung auf den nächsten. Es fehlten die Akten von 17 % aus
den abgelegensten ländlichen Regionen mit einer traditionellen Unterstützung für
Evo, die ihm den Sieg schon in der ersten Runde geben könnten. Und so kam es
denn auch.
Der Kandidat Carlos
Mesa bereitet die Destabilisierung vor. Mesa hatte triumphierend versichert,
es werde so oder so zu einer Stichwahl kommen. Er hatte auch Unterstützung von
anderen Linksparteien gegen Evo Morales bekommen. Über Social Media, Sprecher
der Rechten und ihre Medien zirkulierte schon der Falschvorwurf des
Wahlbetrugs. Das TSE hatte für 22 h Sonntag nachts eine nächste
Resultatsveröffentlichung der Schnellauszählung, zu der es aber nicht kam. Dies
lieferte den Vorwand für die Betrugsbehauptung, die schon lange vor den Wahlen propagiert
worden war. Montagnachmittag gab das TSE dann die Schnellauszählungsresultate
für 95.62 % der verarbeiteten Wahlakten. Danach hat -Carlos Mesa von der
Comunidad Ciudadana (CC) mit 36.74 % der Stimmen gegen Evo Morales mit 46.85 %
verloren. Mit einer Differenz von 10.11 % wäre eine Stichwahl ausgeschlossen
und Evo weiter Präsident. Noch fehlen die definitiven und offiziellen
Resultate.
Mesa lanciert einen
Putschversuch. Ohne Beweise vorzulegen oder Beschwerden beim TSE
einzulegen, denunzierte er einen angeblichen Betrug in der Auszählung und gab
bekannt, die Resultate des TSE nicht anzuerkennen, das die Akten nachzählt. Er
rief zu Mahnwachen vor den departementalen Zentren des TSE auf, die sich aber
zu Angriffen auf diese wandelten. Hier waren die Operateure des Tribunals und
die Parteikontrolleure dabei, die Stimmen der zu zählen und zu verifizieren. Im
vielen Städten wurden die Dependancen des TSE belagert, abgebrannt, und wurden
Materialien zerstört. Auch Büros des MAS wurden abgebrannt und einige Wohnungen
von MAS-Mitgliedern angegriffen. Es kam vereinzelt zu Angriffen auf Mitglieder
des MAS; diese Organisation hat intern durchgegeben, keine Antworten zu geben,
die mehr Gewalt provozieren könnten. Auch die Polizei hielt sich an diese
Regel; sie verteidige die Einrichtung und vermied Konfrontationen, die die
Rechte und Parteigänger von CC und Carlos Mesa zu entfachen suchten. Diese
waren an den von den Angreifern getragenen Parteiemblemen zu erkennen.
Die Rechte und Mesa wollten
das TSE an der abschliessenden Auszählung hindern. Mit den Angriffen auf
die Sitze des TSE und dem Verbrennen von Wahlmaterial brachen in der Nacht von
Montag den sozialen Frieden. Aber es gelang ihnen nicht, die Auszählung des TSE
zu stoppen, das die Ergebnisse auf seiner Page https://trep.oep.org.bo/ publiziert. An die
Mobilisierungen der Rechten (Comités Cívicos und Cabildos) kommen nur Leute
ihrer politischen Ausrichtung, ohne grosse Basis, aber mit Verbreitung durch
die privaten Medien. Sie haben für heute zu 22 Streiks in den Städten
aufgerufen. Mit dabei die ÄrztInnensektoren, die schon streiken und die
Regierung von Evo für die so provozierte Unterversorgung verantwortlich machen.
Andere Berufsgremien werden sich anschliesse; es wird eine grosse Mobilisierung
erwartet. In diesen meist mittelständischen Mobilisierungen gibt es viel
Aggressivität, Slogans wie «Tod für Evo» und «Evo an die Wand und eine markante
Prägung von Rassismus und machistischer Gewalt.
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Carlos Mesa: «Ich will meine 2. Runde, denn ihre Stimme
zählt nicht.»
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(zas) Heute Mittwoch haben die rechten Mobilisierungen nach Presseberichten aus Bolivien etwas nachgelassen. Nicht so die internationale Mobilisierung für die Rechte. Washington und der EU-Vertreter im Land fordern eine Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit im Land; die Wahlbeobachtungsmission der OAS (Organisation Amerikanischer Staaten) twitterte am 21. Oktober ihre «grosse Sorge und Überraschung wegen des drastischen und schwer zu erklärenden Wechsels in der Tendenz der vorläufigen Resultate»; OAS-Generalsekretär Almagro hat für heute Mittwoch eine Sondersitzung des Permanenten Rates der OAS einberufen, um über die Lage in Bolivien zu beraten. Von den Mainstream-Medien ganz zu schweigen. Die «Überraschung» der OAS-Wahlbeobachtungsmission ist lachhaft. Offenbar waren die noch nie in einem Land mit Transport- und/oder Überrmittlungsproblemen. Sie können sich nicht erklären, dass Wahlakten aus dem Dschungel im Tiefland und dem Kaff in den unwegsamen Höhen der Anden nicht nullkommasubito disponibel sind.
Dass die Rechte nur ein Resultat mit Stichwahl akzeptieren
würde, hatte sie schon lange klar gemacht. Die Umfragen und die vorläufigen
Resultate zeigen, dass sie, falls sie geeint auftäte und das MAS keine weitere
Unterstützung mobilisieren könnte, Chancen auf einen Sieg gehabt hätte. Warum das so ist, bedarf noch einer genaueren Analyse.
Klar ist, dass die Regime Change-Offensive jetzt in Bolivien tobt.