Ecuador: Infosplitter zu Neoliberalismus und Repression

Dienstag, 15. Oktober 2019



(zas, 15.10.19) Einen Einblick in die aktuelle Situation in Ecuador gibt der Artikel «Nach Deal mit Indigenen: Verhaftungswelle gegen Oppositionelle in Ecuador», heute auf a21.  
Ein paar Infosplitter aus dem Land:
Das correistische Gremium Observatorio de la Dolarización tweetete gestern Nacht:
« Während das Land streikte, begann der Privatisierungsprozess des Banco del Pacífico. Es ist die rentabelste Bank. Sie verschaffte dem Staat hunderte von Millionen Dollars an Einkommen. Warum sie verkaufen?»
Offerten für den Kauf der Bank kamen u. a. von UBS Securities LLC und dem Credit Suisse.
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Kurz zuvor tweetete das Observatorio:
«Moreno wird dem Parlament diese Woche das Gesetz mit den Wirtschaftsmassnahmen zustellen. IWF bewilligte die nächste Auszahlung von $ 250 Mio. sonst nicht. Gesetz schliesst ein: Steuerflucht erlauben, Samstagsarbeit, Tele-Arbeit, 16-Stunden-Arbeitstag, Autonomie der Zentralbank»
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Schon am 24. September dieses Jahres hatte das Observatorio einen Auszug offensichtlich aus einem Vertrag mit dem IWF getweetet und dazu kommentiert:
«IWF-Schulden werden der Bezahlung von Gerichtsurteilen wie dem von Chevron dienen. In den Dokumenten, welche die Regierung nicht öffentlich machen wollte, wird der die Bestimmung der IWF-Schulden enthüllt. Schulden für die Bezahlung der Multis. Dollars, die nicht ins Land kommen, sondern nach draussen.»
1993 hatte Texaco, danach von Chevron gekauft, eine riesige Umweltzerstörung in Ecuador verursacht. 30’000 Opfer fordern seither eine Entschädigung. 2002 erklärte sich ein New Yorker Gericht in Übereinstimmung mit der Argumentation Chevrons als nicht zuständig in der Sache, sie falle in die Kompetenz der ecuadorianischen Justiz. Hintergrund: Als Chevron nach dem Umweltverbrechen das Land verliess, liess sie ganze $ 360 Dollar zurück. Um an Geld für die Sanierung des betroffenen Urwalds zu gelangen, war der Gang vor die ausländische Justiz unvermeidlich. Nun, 2011 verurteilte die ecuadorianische Justiz Chevron zu einer Zahlung von $ 9.5 Mrd.  2014 taxierte ein New Yorker Gericht das ecuadorianische Verfahren als “betrügerisch”, da die AnwältInnen der Opfer die ecuadorianischen Richter gekauft hätten. Das ist nachgewiesenermassen eine reine Schutzbehauptung des Unternehmens, aber für die US- und transnationale Justiz massgebend. (Chevron fühlt sich von den AnwältInnen der Opfer “erpresst” und prozessiert gegen diese deshalb). 2018 verurteilte das Internationale Schiedsgericht von Den Haag Ecuador wegen Verletzung des Bilateralen Investitionsschutzzabkommens (engl. BIT) mit den USA, das 1997 in Kraft getreten war, Jahre, nachdem Chevron das Land verlassen hatte. Rechte ecuadorianische Regierungen hatten sich in den 90 er Jahren im Gegenzug zu einer absolut lächerlichen Schadenreduktion von Chevron im zerstörten Urwald dazu verpflichtet, keine Gerichtsverfahren anzustrengen. Das Haager Tribunal wertete diese aufgezwungenen Verträge absurderweise als “Investition”, die unter das BIT fallen. Ecuador habe somit Chevron eine faire Justiz verunmöglicht.
Die von Ecuador zu zahlende «Entschädigung» an Chevron ist noch nicht festgelegt. Das New Yorker Gericht hatte Ecuador 2014 schon mal zu einer Entschädigungszahlung an Chevron $ 96 Mio. verurteilt, auf welche sich der IWF-Deal mutmasslich bezieht.
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Die Wirtschaftsfakultät der Universidad Central de Ecuador publizierte vor wenigen Tagen eine Analyse zum Thema der vom IWF geforderten “Autonomie” der Zentralbank (Paquetazo, autonomía del banco central y dolarización). Darin hält Autor Stefano Meyer u. a. fest, dass die vom IWF z. B. im Dokument “Ecuador : First Review under the Extended Fund Facility Arrangement, Requests for Waiver of Nonobservance of Performance Criterion, Modification of Performance Criteria, and Financing Assurances Review-Press Release and Staff Report” vom 3. Juli 2019 geforderte Revisionen verschiedener mit dem Finanzsektor zusammenhängenden Gesetze noch nicht veröffentlicht seien. Meyer:
“In seiner Erklärung vom 2. Oktober zur Unterstützung der [von Moreno angekündigten] Massnahmen bezieht sich der IWF auf [diesbezügliche] ‘wichtige Reformen’, die von der Regierung vorbereitet werden.”
Zu den “wichtigen Reformen” gehört, so das Papier der Wirtschaftsfakultät, auch das Verbot einer Nationalbank-Finanzierung von Posten im Staatsbudget. (Denn dies bzw. die dabei gemachten Zinseinnahmen seien in der neoliberalen Vision Sache der Privatbanken.)
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Der Zusammenschluss von lateinamerikanischen Sozialorganisationen Alba Movimientos schrieb am letzten 8. Oktober:
“In weniger als drei Jahren verschuldete Moreno Ecuador mit mehr als $ 20 Mrd., während er die Unternehmerschulden in der Höhe von $ 4.295 Mrd. vergab, einen Betrag, den der Staat von den Reichen einzutreiben unterlässt und ihn vom Volk bezahlen lassen will. Unterdessen machten die Gewinner des neoliberalen Fests, die Bankiers, Gewinne von mehr als $ 500 Mrd.”
Zur Erinnerung: Von den über $ 10 Mrd. Moreno-Schulden bei internationalen Finanzinstitutionen fallen $ 4 Mrd. direkt auf den IWF. Das erklärt. Warum KorrespondentInnen der Mainstreammedien im Brustton der Überzeugung bekunden, “natürlich”, wie sich einer ausdrückte, sei die Streichung der Subventionen zwingend, um das Budget zu sanieren. Denn schliesslich sagen das auch UBS, CS und die Schweizer, deutsche etc. Vertretungen im IWF.
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Das schleckt keine Geiss weg: Die Conaie (genauer: ihre Führung – über die Dynamiken in der kämpferischen Basis wissen wir wenig) und die Regierung Moreno ziehen am gleichen Strick gegen die linken Kräfte, die nach dem früheren Präsidenten Correa als correistas bezeichnet werden. Gestern wurde z. B. eine Audioaufnahme publik, in der eine berüchtigte Figur des anticorreistischen Establishments, Enrique Ayala Mora, Berater der Conaie und der mit dieser verbandelten Gewerkschaft FUT, Moreno rät, mit der Conaie zu verhandeln und so den Correismus zu schwächen und ihn für “Vandalenakte” verantwortlich zu machen.
Heute verschickte Rafael Correa einen eindrücklichen Tweet:
“Unglaublich! Von den 10 Mitgliedern des damaligen Politbüros, die wir uns zu Beginn seiner Präsidentschaft mit Moreno versammelten, sind 8 im Gefängnis oder mit Haftbefehl gesucht. “
Begleitet von einem Bild der Sitzung: