[rojavaagenda] Newsletter Nr. 31: Veranstaltungen und Demo zum Welt-Kobanê-Tag - 7 Jahre Kampf um Kobane

Dienstag, 26. Oktober 2021

 

Liebe Freund_innen und Genoss_innen

Kobanê – der Name dieser Stadt in Rojava steht heute als Synonym für Hoffnung und Widerstand. Die bewaffnete Bevölkerung von Kobanê schlug 2014 nach monatelangen Kämpfen den „Islamischen Staat“ (IS) zurück. In einer scheinbar aussichtslosen Situation kämpfte die Bevölkerung angeführt vom Mut und Widerstand der Frauen gegen den IS. Mit dem Sieg in Kobanê wendete sich das Blatt und die kurdische Freiheitsbewegung befreite Gebiet für Gebiet von der Terrorherrschaft des IS. Gleichzeitig gingen hunderttausende Menschen weltweit auf die Strasse, weil sie erkannt hatten, dass in Kobanê nicht nur um eine Stadt gekämpft wurde, sondern um grundlegenderes. Kobanê steht für die Verteidigung von Menschlichkeit und die feste Entschlossenheit, dass eine revolutionäre Perspektive inmitten dieser Zeit der Kriege und des erstarkenden Faschismus aufgebaut werden kann.

Montag, 1.11.21 in Zürich: Veranstaltung «7 Jahre Kampf um Kobane!»
Wir laden anlässlich des Weltkobanetags am 1. November zu einem Abend ein, der der Erinnerung an die Befreiung von Kobane vor bald sieben Jahren gewidmet ist. Gemeinsam mit einem Genossen, der damals selber in Kobane war, und dem Film «Nujîn», der die Bedeutung des organisierten Frauenkampfes in Rojava hervorhebt, wollen wir zurückblicken auf diese intensive Phase des Kampfes zwischen Revolution und Barbarei.
Wochenende für Wochenende gingen wir hier auf die Strasse, um mittels diesem Druck eine Öffentlichkeit zur Unterstützung des Befreiungskampfes zu schaffen, während die Genoss_innen dort dem «Islamischen Staat» bewaffnet widerstanden. Ein Kampf, der sich lohnte, und in der Befreiung Kobanes und – letztlich – der Zerschlagung des «Kalifats» mündete!

Montag, 1.11., ab 19 Uhr im Infoladen Kasama Film und Diskussion, organisiert vom Rojava-Komitee Zürich
 
Samstag, 6.11.21 in Basel: Demo «Widerstand ist Leben. Den türkischen Faschismus stoppen!»
Die faschistische Regierung in Ankara hat seit 2014 zahllose weitere Verbrechen und Angriffskriege losgetreten. Zuerst wurden kurdische Städte in der Türkei mit Kampfflugzeugen zerbombt, dann Afrin mit deutschen Panzern. 2019 besetzte die Türkei weitere Teile Rojavas und vertrieb die kurdische Bevölkerung. Heute findet ein intensiver Krieg gegen die Guerilla der PKK in den Gebirgen des Nordiraks statt. Die HDP ist einem Verbotsverfahren und faschistischer Gewalt ausgesetzt und es kommt zu Pogromen gegen Kurd*innen. Und nun, weil es Erdogan innenpolitisch wieder mal eng wird, droht er mit Vergeltung gegen Rojava, wie Nick Brauns die jüngste diplomatischen Ereignisse zusammenfasst: https://www.jungewelt.de/artikel/413116.kobani-im-fokus.html.
In all diesen Kriegen sind zehntausende Menschen getötet worden. Doch die kurdische Freiheitsbewegung kämpft weiter, Rojava lebt und damit die Gewissheit, dass ein Gesellschaft fernab kapitalistischer, staatlicher und patriarchaler Gewalt möglich ist. Der Aufbau einer globalen Solidaritätsbewegung mit Rojava und mit den antifaschistischen Kräften in der Türkei ist eine realer Machtfaktor. Denn je mehr wir die Stimme des Widerstands, die Stimme von Kobanê auch hier erheben, desto eher wird der Faschismus in der Türkei zusammenbrechen. Der türkische Faschismus wird von Europa und nicht zuletzt von der Schweiz gestützt. Am 1. Oktober wurde das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der Türkei neu ratifiziert. Dies bedeutet Einnahmen für den sich in der Krise befindenden türkischen Staat, welche er für seine faschistische Politik so dringend braucht.
Lasst uns am 6. November für einen internationalen Antifaschismus und für das revolutionäre Rojava auf die Strasse gehen! In Gedenken an alle Menschen, die im Kampf gegen den türkischen Faschismus und für ein freies Leben gefallen sind. Mit der Wut auf dieses System, dass Faschismus Krieg und Elend produziert und mit der Gewissheit, dass es auf wackeligen Beinen steht und dass wir es zum Fallen bringen!
 
Samstag, 6.11. um 14 Uhr in Basel
Gemeinsame Anreise ab Zürich HB mit dem Zug um 12.34, Demostart ist um 14 Uhr beim De-Wette-Park!
Danach folgt im neuen Komel an der Elsässerstrasse 215 in Basel ab 17:00 Uhr ein politisches und kulturelles Programm, organisiert vom Rojava-Komitee Basel.
 
 
Kampagne «Gasmasken für die Guerilla!»
Dass die Türkei seit Monaten Chemiewaffen benutzt ist inzwischen gut belegt (siehe u.a. https://anfdeutsch.com/hintergrund/knk-dossier-die-turkei-setzt-chemiewaffen-in-kurdistan-ein-28604), aber wie es Peter Schaber auf den Punkt bringt: «Giftgas gegen Kurden - und die Welt schaut weg» (https://lowerclassmag.com/2021/10/19/giftgas-gegen-kurden-und-die-welt-schaut-weg/). Um so wichtiger ist es, nebst Öffentlichkeitsarbeit und Druck auf der Strasse, die Guerilla konkret zu unterstützen. Die Kampagne «Gasmasken für die Guerilla» konnte in den vergangenen zwei Jahren bereits über 700 Gasmasken und unzählige Filter in die Berge schaffen. Doch viele weitere werden noch benötigt. Darum ein weiterer Anlauf, sammeln wir so viel Geld wie möglich. Denn der Sieg der Guerilla bedeutet den Niedergang des türkischen Faschismus!
Spendekonto: CH82 0900 0000 8555 9939 2 (Rote Hilfe Schweiz, 8036 Zürich Zahlungszweck: «Gasmasken»)
 
Und zum Schluss noch zwei Lesetipps - und gleich mehrere Kinotipps:
- Interview mit Cafer Şervan,Mitglied des Exekutivrats der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans(KCK)zur geopolitischen Bedeutung der Revolution in Rojava: https://anfdeutsch.com/hintergrund/Servan-Uber-das-neue-system-werden-die-volker-entscheiden-28956
- Interview mit den beiden KCK-Vorsitzenden Besê Hozat und Cemil Bayik zu den elementaren Grundsätzen der kurdischen Befreiungsbewegung. Auch deshalb sehr spannend, weil es die kommunale Ökonomie im Fokus hat: https://anfdeutsch.com/hintergrund/kck-kommunale-Okonomie-als-ganzheitlicher-ansatz-28683
- Irgendwie laufen grad sehr viele spannende Filme, die uns wärmsten empfohlen wurden: Ghost/Hayaletler von Azra Deniz Okyay (in Zürich: https://www.riffraff.ch/kinoprogramm/179189/ghosts-hayaletler.html?trailer=179189), Nachbarn von Mano Khalil (in St. Gallen: https://www.kinok.ch/index/program/movie/4708/premiere/true) und natürlich das Orient Express Film Festival, das noch in Zürich und Basel im November läuft: https://oeff.org/.  
 
Mit solidarischen und kämpferischen Grüssen
Rojava Komitee Zürich

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«Beirut»: Hizbollah bös, das ist alles

Donnerstag, 14. Oktober 2021

 

(zas, 14.10.13) Fast vier Minuten dauerte der Bericht heute Abend im Echo der Zeit von SRF (staatlicher Rundfunk in der Schweiz). In Beirut protestierten welche gegen eine Untersuchung der Hintergründe der verheerenden Ammoniumnitrat-Explosion letztes Jahr. Andere von einer christlichen Miliz kamen und schossen auf sie. 6 Tote. Noch Auseinandersetzung auf der Strasse. Dann aber zum Thema: Die Protestierenden sind pro-Hizbollah. Deshalb widmet die Journalistin die verbleibenden dreieinhalb Minuten einem Standardthema: Der Hizbollah ist mies. Kein Wort zu den Tätern. Wir lernen: Es gibt die Angehörigen der bei der Explosion Umgekommenen. Sie wollen eine Untersuchung. Und es gibt den Hizbollah. Der will keine. Vor lauter medialem Repetieren fragen wir uns nicht: Hatte niemand von den Gestorbenen mit dem Hizbollah sympathisierende Angehörige? Und was wollen sie, so es sie gibt? Die laufende Untersuchung unterstützen? Eine andere Untersuchung? Nur schon solche Fragen würden am Feindbild etwas rütteln. Stattdessen zeuge von Humanismus, medial jene zu beschimpfen, die heute – so die Darstellung – eigentlich Opfer waren. Nicht ihre Mörder.

Das mag demnächst «korrigiert» werden. Aber der Elefant steht im Raum.

Die ungeschützte Lagerung riesiger Mengen von Ammoniumnitrat in einer Stadt ist kriminell. Und ja, der Hizbollah war mit an der Regierung. Vielleicht ist er verantwortlich, vielleicht will er seine Untat verschleiern. Ich weiss es nicht. Aber ich hab eine Vorstellung davon, wie ausgewählt eine dem Westen genehme Justiz in dieser Region untersuchen kann. Ich weiss, wie im Mainstream nach der Explosion die libanesische Liebe zur guten Kolonialmacht besungen wurde, deren Rückkehr Macron voller Mitgefühl für die Leidenden, deshalb ungestüm, forderte. Aber nein, unwichtig. Ich soll wissen, Hizbollah ist bös.

Warum wollen die freien Medien, dass ich das wisse (und mir deshalb keine weiteren Fragen stellen müsse)?

Italien: Rache der Faschos und Mafias

Dienstag, 5. Oktober 2021

 

(zas, 5.10.21) Mimmo Lucano, Bürgermeister der Gemeinde Riace nahe von Reggio Calabria, hatte MigrantInnen in der Gemeinde aufgenommen. Schlimmer noch, Kooperativen, die migrantische Leute einstellten, mussten weniger Steuern bezahlen. Er organisierte den Bau von Häusern, damit die Leute ein Obdach hatten. Und – unerträglich – er soll versucht haben, einer Frau aus Afrika zu einer Heirat zu verhelfen, damit sie nach der Abweisung ihres Asylgesuchs bleiben könne. Es gab keine Heirat, die Frau, Becky Moses, wurde von den Behörden zwangsweise abtransportiert. Einige Monate später starb sie im Brand des Zeltlagers von Rosarno. Dor waren über 2000 braccianti, Tagelöhner in der Orangenernte.

Ab 2017 gingen die Strafverfolgungsbehörden daran, solches Tun zu ahnden. Der zwangsabgesetzte Bürgermeister bekam Hausarrest, das Verbot, Riace zu betreten … Minniti, der Innenminister der Regierung Renzi, hatte einen seiner Lieblingsfeinde gefunden. Am 30. September ist Lucano in erster Instanz zu über 13 Jahre Knast verurteilt worden. Weil er, so der Typ von Richter, Staatsgelder veruntreut habe und Teil der an der Migration verdienenden Mafia sei.

Die Mafias, die jedes Jahr von neuem und ungestört MigrantInnen zu Arbeitssklaven auf den Exportplantagen machen und dafür ein Terrorregime gegen die Leute aufstellen, die die scheusslichsten Verbrechen gegen die Menschenwürde begehen – sie werden nicht belangt. Ihre Justiz will zur Abschreckung anderer engagierter BürgermeisterInnen und Gruppen jenen einbuchten, der es schaffte, die ankommenden Menschen als Menschen zu behandeln. (In einem Artikel las ich zusammenfassend zum Urteil, es werde in Italien befürwortet und kritisiert. Auch der letzte Jagdhund kläfft mit.)

 

Mimmo Lucano am Prozess. Foto Fatto Quotidiano.

Italien: Die Verurteilung von Mimmo Lucano schafft eine gefährliche Situation

Paolo Ferrero*

Die Verurteilung von Mimmo Lucano zu 13 Jahren Gefängnis ist eine Schande. Nicht nur die Schwere der Strafe, die vor Rache trieft, ist absurd, sondern auch das Theorem, auf dem sie gründet. Der grossherzige Empfang von Migranten wird zur kriminellen Spekulation mit der klandestinen Migration erklärt. Dieses Urteil stellt die Realität auf den Kopf und erinnert an die dunklen Jahre des Landes nicht nur der Republik, sondern auch der der vorhergehenden Zeit. Es handelt sich weniger um ein Urteil als um einen Racheakt gegen einen Staatsdiener, der sein Mandat nicht als Karrierestation sah, sondern als Engagement, als Ausdruck von Humanismus.

Dieses skandalöse Urteil ist jedoch kein isolierter Einzelfall, sondern muss in seinem gesellschaftlichen und kulturellen Kontext gesehen werden. Und der besteht in der eigentlichen zentristischen Normalisierung, die wir erleben. Die Regierung von Draghi – der wie ein Monarch in einer postdemokratischen Situation agiert, in der das Parlament nichts mehr zählt, unterstützt von den europäischen Institutionen, vom Staatspräsidenten und vom ohrenbetäubenden Chor der Mainstreammedien – ist nicht nur eine Regierung der nationalen Einheit, sondern eine verfassungsgebende Regierung. Der grundlegende Charakter der Regierungshandlungen besteht in der Ausweitung der politischen Unterstützung und der harten Repression der gesellschaftlichen Subjekte, die nicht Teil der bonapartistischen Mediation sein wollen. Davon weiss die Gewerkschaft ein Lied zu singen, die bei einer subalternen, von Confindustria (Unternehmerverband) geleiten Konzertation mitmachen soll. Ich glaube nicht, dass jemand in Palazzo Chigi (Regierungspalast) telefoniert hat, um die Verurteilung von Mimmo Lucano zu erreichen. Es gibt kein Komplott. Wer überall ein Komplott sieht, täte gut daran, sich umzuschauen. Aber es gibt ein Klima. Und das Klima kennzeichnet ein Land, in dem man von der harten politischen, aber demokratischen Dialektik zum Mechanismus von Einschluss/Ausschluss übergeht. Die No-Tav-Bewegung (gegen den Bau einer Hochgeschwindigkeitszuglinie Lyon-Torino) erfährt das seit Jahren, heute geschieht es explizit auf politischer Ebene, dieses Urteil sagt uns, das sich dieser Mechanismus verstärkt.

Daher die Solidarität mit Mimmo, die Empörung über die Tatsache, dass wer Menschen aufnimmt, als Krimineller behandelt wird, als Ausbeuter. Das demokratische Loch im Gitter, in dem das Land eingesperrt wird, muss zugeschweisst werden. Der Aufbau einer Alternative bedingt zuerst das Erkennen von gefährlichen Situationen. Und diese ist eine.

·        Fatto Quotidiano, 30.9.21: La condanna di Mimmo Lucano apre una situazione pericolosa

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Mimmo Lucano ehrlich und arm. Schändliches Urteil, Rache des Systems

Maurizio Acerbo und Sefano Galieni*

Mimmo Lucano ist eine ehrliche und arme Person. Das Schandurteil gegen ihn – mehr als 13 Jahre Gefängnis – ist eine Rache des Systems, die auf einem absurden Theorem basiert. Mit dem Empfang von Migranten hat Mimmo in einer Region mit extremer Arbeitslosigkeit und mit heruntergekommenen Stadtzentren Arbeitsplätze für seine Mitbürger geschaffen. Sie beschuldigen ihn, nachdem es klar war, dass er nicht einen Cent geklaut hat, damit Stimmenfang betrieben zu haben.

Dieser Prozess wurzelt in der Verfolgung durch Minister Minniti und danach von Salvini und im Willen mächtiger Seilschaften in Kalabrien, die anormale und ehrliche Erfahrung von Riace zu tilgen. Jemand hat programmiert, dass Mimmo Lucano aus der öffentlichen Sphäre verschwinden und die Zeche dafür bezahlen soll, in einer gerechteren Welt leben zu wollen. Das Urteil von 13 Jahren des Gerichts von Locri hat die Forderung der Anklage beinahe verdoppelt.

Wenn Mimmo Lucano ein Empfangssystem umgesetzt hat, das keine Bereicherung der Mafias vorsah, hat er damit ein Land vorgeschlagen, das Innenministern wie Minniti und Salvini missfällt. Lebten wir in einem Land, dessen Institutionen tatsächlich von den Verfassungsprinzipien inspiriert wären, würde sein Verdienst anerkannt.

Hätte Mimmo tangenti (Schmiergeld, Korruptionsgeld) erhalten, wäre er milder bestraft worden.  Aber in Italien gibt es Gesetze und Richter, die Solidarität zu einem Delikt machen.

·        Rifondazione.it, 30.9.21, Die Autoren sind Kadermitglieder von Rifondazione Comunista: RIFONDAZIONE: MIMMO LUCANO ONESTO E POVERO. SENTENZA VERGOGNOSA, VENDETTA DI SISTEMA