Nicaragua: Mail aus La Trinidad. Anmerkungen zum Operieren des Klerus.

Samstag, 30. Juni 2018


(zas, 29.6.18) Vor einigen Tagen erhielt die Städtepartnerschaft Delémont-La Trinidad ein Info-Update zur Lage in dieser kleinen, rechts regierten Stadt auf der Strasse von Estelí nach Sébaco und weiter nach Managua. Ein Auszug daraus:
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Was nennen sie Studenten? Die von der Gemeinderegierung meiner Stadt bezahlten Vandalen. Eine Gruppe von Jungen, die nicht studieren und auf Drogen sind.
Es gibt kein Recht mehr auf Bewegungsfreiheit in den Strassen von La Trinidad, denn heute erwachten wir mit noch mehr Barrikaden.
Sie riefen nach Geld aus den USA, damit am Dienstag ein Bus voller Bewaffneter vom Ausland ankam.
Nennt man das jetzt Terrorismus oder Studenten?
Sie riefen danach: Seit April steigt die Arbeitslosigkeit in Nicaragua, da die Leute, die sich ihr Brot jeden Tag mit Strassenverkauf verdienen, dies nicht mehr tun können. Und viele RentnerInnen können wegen der Strassensperren nicht mehr ihre Monatsrente holen.
Einer Mutter, die eine Sperre passierte, entrissen sie ihr Mädchen und vergewaltigten es.
Wer ist Terrorist? Wer ist der Mörder?
Als sie auf der Strasse frei töteten und dann die Leichen anzündeten, sagte der Zyniker vom TV-Sender, der sie unterstützt, zum Kameramann: Nimm es gut auf!
Wer verletzt das Recht von wem? Als sie meinen Kindheitsfreund mit Kugeln und Schlägen aus dem Haus zerrten, wo er eine Geburtstagstorte für seinen 6-jährigen Sohn aufgetischt hatte?
Und sie schossen meinem anderen Freund seit Kindheitstagen nach, als er über die Dächer abhaute, damit sie ihn nicht umbringen. Beide waren Nachbarn von mir.
Also wer verletzt hier die Rechte? Sie sagen verallgemeinernd, es sei die nicaraguanische Bevölkerung.
ABER DIE NICARAGUANISCHE BEVÖLKERUNG IST NICHT SO. WIR LEBTEN IN FRIEDEN, GINGEN UNSERER ARBEIT NACH UND VERDIENTEN EHRLICH UNSER BROT. DIE BEVÖLKERUNG BLEIBT ZUHAUSE, WIR SIND KEINE VANDALEN.
Gestern haben sie eine Strassensperre in Estelí geräumt. Wen verhafteten sie dabei? Drei bewaffnete Salvadorianer.
Es ist nicht die Bevölkerung, es sind nicht die Studenten, es waren die USA, die nicht wollten, dass es in Nicaragua weiter die beste Sicherheit in Zentralamerika gäbe, die Wirtschaft weiter wachse und das Land von Finanzierung durch die Gringos unabhängig werde und Mittel in Japan, China und Europa sucht, Sie sind an allem, was hier geschieht, schuld.
In den Social Media zirkuliert die Info, die Armee sage «nein» zum Präsidenten.
Das ist eine Lüge.
Der Präsident will die Armee nicht einsetzen und sucht stattdessen eine Lösung.
Aber wie das erreichen, wenn die katholische Kirche hier im Land nicht Vermittlerin ist, sondern diesen Massenmord mitfinanziert und unterstützt?
Ich habe euch verrückt gerne und vergesst nicht: Die Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker.
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(zas) Nach Darstellung vieler Sandinistas spielt insbesondere die katholische Kirche eine wichtige logistische und mobilisierende Rolle in den Unruhen. Vielerorts sind demnach die Kirchen veritable Kommando-, Verpflegungs- und Mobilisierungszentralen für die Umsturzkräfte. Nicht erstaunlich, aber «reizend», da die Kirche offiziell im nationalen Dialog zwischen den beiden verfeindeten Lagern vermittelt und zu den wichtigsten «Infoquellen» der diversen internationalen Organisationen gehört, die sich, wie die OAS, Amnesty International, das UNO-Menschenrechtskommissariat für Menschenrechte, in Nicaragua auf Seiten der Kräfte des regime change engagieren.  
Da ist die oben angetönte parteiische Rolle der Bischofskonferenz im Dialogprozess. Am 31. Mai suspendierte sie den Dialog aufgrund der Ereignisse um die «Mutter aller Demonstrationen» vom Vortag (landesweit 15 Tote) mit der Begründung, sie habe «… die von bewaffneten regierungsnahen Gruppen gegen die Zivilbevölkerung verübten Gewalttaten mit Schmerzen mitverfolgt (…) Wir halten fest, dass der Nationale Dialog nicht weitergeführt werden kann», solange das nicaraguanische Volk (…) unterdrückt und ermordet wird.» Ansonsten erbat sie die Barmherzigkeit der Heiligen Jungfrau für die Mütter der Ermordeten, deren Leid sie ja kenne.
Längst nicht alles, was an diesem 30. Mai geschah, ist klar. Doch einige Dinge stehen fest: Die tatsächlich enorme Demo der Opposition – von der klassischen Rechten und ihrem Klerus über enttäuschte Sandinistas bis zu vielen jugendlichen Kontingenten – war ungestört abgelaufen, kein Polizist in Sicht. Danach setzten sich militante Teile ab und zogen in Richtung der Sandinistas, die von einer Gegenmobilisierung («Gesang und Gebet» nannte das die Propaganda der Vizepräsidentin) heimgingen. Hier kam es zu ersten Feuergefechten, die ersten beiden Toten waren Sandinistas. Ein kleiner Teil der ursprünglichen Demo, der die militanten Kräfte bis zur Jesuitenuniversität UCA begleitet hatte (aber nicht weiter) geriet vermutlich wegen dieser in der Nähe stattfindenden Auseinandersetzung in Panik und flüchtete in die UCA. Die Rechte beschreibt die Panik als Resultat eines Beschusses durch «sandinistische Horden», was aber nach allem, was wir wissen, eine Erfindung ist (s. Nicaragua: Schlimme Eskalation). Die meisten Toten gab es erst spät nachts, als mit Bestimmtheit keine DemonstrantInnen mehr auf den Strassen waren, aber es beim wiederholt von den Rechten angegriffenen Nationalen Stadion zu Attacken und Gegenattacken kam.
Doch wie die Rechte oder Amnesty gehen für die Bischofskonferenz offiziell alle Toten auf das Konto der Regierung, weshalb sie den Dialog erst mal abbrach. Dies passte bestens zu den Kalkülen der Kräfte für den regime change, deren Angst, Daniel Ortega könnte in Verhandlungen wie früher das Lager der Opposition spalten, noch heute jederzeit sichtbar ist. Eine Verschärfung der Lage aber würde dank internationaler Parteinahme solche Tendenzen unterbinden. Erst morgen Samstag soll es wieder eine Grossdemo der Rechten geben. Die «Mutter aller Demos» hatte einen Monat ohne Demos, dafür mit zunehmend heftigeren bewaffneten Aktionen eröffnet. Erst seit ca. einer Woche scheint diese Dynamik an Stärke zu verlieren. In Nicaragua: Von der «Mutter aller Demonstrationen»  sehen wir den Pfarrer des Städtchens Nueva Guinea, wie er seiner «Herde» die Anweisungen für die Demo vom 30. Mai in Managua weiterleitet, und dabei betont, es sei nötig, «ins Herz des Problems zu gehen».  Nach Auskunft des Radio La Primerísima, dem wir seit vielen Jahren verbunden sind – etwa wegen seiner Politsendungen mit der unzensurierten Zuschaltung von Spontananrufenden – ist Nueva Guinea kein Einzelfall. Die Kirche war in die Unruhen involviert.
Auf Ähnliches bezieht sich die Anschuldigung gegen die Kirche in der Mail oben. Weihbischof Silvio Báez und ein Bischofskomplize wollten die unterdessen wiederaufgenommene Dialogrunde Mitte Juni mit der Begründung der Unvereinbarkeit der Positionen abbrechen. Bischof Bosco Vivas verhinderte dies, die Diskussion ging weiter und es kam zu einem Zwischenergebnis, das die Regierung verpflichtete, etwa das UNO-Menschenrechtskommissariat zur Teilnahme an einer internationalen Untersuchung einzuladen. Für die Regierung war dagegen der Beschluss positiv, dass eine aus den Dialoglagern zu bildende Verifizierungskommission einen «Plan zur schnellstmöglichen Aufhebung der Strassensperren» erarbeiten sollte. Noch am gleichen Abend liess die am Zwischenresultat beteiligte Oppositionsallianz dieses platzen: Die Strassensperren würden erst aufgehoben, wenn die Repression definitiv beendet sei. Und schnell schob die Allianz nach, erst wenn die einzuladenden internationalen Organisationen den Erhalt der Einladung bestätigten, könnten die Verhandlungen überhaupt fortgeführt werden. Auch Weihbischof Báez bediente sich dieser Sprachregelung: «Die Plenarsitzung des nationalen Dialogs ist suspendiert, bis diese Organisationen zeigen, dass sie eingeladen worden sind.» Denn, so Báez: «Hier können nicht weiter Menschen umgebracht werden.»
Der Priester von Nueva Guinea, der die Anweisungen «von oben» weitergibt, ist kein Einzelfall. Was etwa ist vom «Seelenhirten» im folgenden Video zu halten, der am 30. Mai die Leute vor der UCA in nicht sehr salbungsvollen Tonfall aufruft: «No se acobarden! No se acobarden! No se acobarden! (Werdet nicht feige!)».
 

Im nächsten Video beteiligt sich ein Pfarrer an der «Ausräumung» des Polizeipostens von Diriamba. Nach Tagen der Belagerung (s. Nicaragua: Kurzinfos) konnte die Polizei als Resultat von Verhandlungen die Stadt verlassen.
 

Solche Beispiele gibt es mehrere. Zwei besonders stossende sollen noch erwähnt werden:
Am 19. Juni räumten starke Polizeieinheiten, unterstützt von sandinistischen Gruppen (einige bewaffnet), die Strassensperren zwischen Managua und der seit Wochen verkehrsmässig abgeschnittenen Stadt Masaya. Sie drangen ins Stadtzentrum vor. Wir haben viele Berichte über Angst und Schrecken in dieser Zeit in Masaya erhalten, von den Sprachrohren der Rechten stets als sandinistischer Terror denunziert, gegen den sich die Bevölkerung von Masaya heldenhaft auflehne. Am 18. Juni hatte die Oppositionsallianz hier die Ausrufung eines «befreiten Territoriums» angekündigt. Daraus wurde ebenso wie in León, wo die Rechte dem Beispiel folgen wollte, nichts. Die Polizei nahm eine Reihe von Verhaftungen vor, nach dem, was die rechten Medien mitteilen, keine zwanzig, wenige angesichts der Verhältnisse. Noch am gleichen Tag tweetete Weihbischof Báez, DER Liebling der Rechten und starker Mann für die Bischöfe in den Dialogrunden: «Priester in Masaya informieren mich, dass in der Zone von San Jerónimo [Pfarrei in Masaya] Schüsse fallen. Bitte, ich bitte alle auf den Barrikaden, schützt euer Leben. Das ist nicht Feigheit, sondern Intelligenz.» Orientierungshilfe.
Am 21. Juni tweetete der Mann: «Monimbó ist in Gefahr. Die Regierung muss ihrer Polizei und den Paramilitärs befehlen, Monimbó nicht anzugreifen (…) KEINE MASSAKER MEHR IN MASAYA!» Monimbó ist ein indigenes-populares Quartier, das beispielsweise bei den sandinistischen Aufständen der 70er Jahre eine wichtige Rolle gespielt hat. Und jetzt wieder. Dies gilt den Rechten als Beleg für den Volksaufstand. Allerdings ist zu sagen, dass Monimbó ein von den Regierungen, jetzt auch der sandinistischen, «vernachlässigtes» Quartier ist, in dem seit einer Weile Banden ihr Unwesen treiben. Wiederholt haben wir nicht verifizierte Mitteilungen erhalten, dass in Masaya gefangen genommene Sandinistas hierhergebracht worden seien, um sie ungestört quälen oder umbringen zu können. Denunziation? Wahrheit? Wir wissen es nicht. Fakt ist, dass nicht nur Báez wie von der Tarantel gestochen auffuhr, um «Monimbó zu retten». Nach seinem Tweet fuhr er zusammen mit dem neuen Nuntius, dem Kardinal und Kleruspersonal nach Masaya, um eine Prozession/Demonstration anzuführen. Der Gruppe gelang es auch, die Freilassung einiger der gerade Verhafteten zu erreichen. Als während Wochen die Polizisten eingekesselt waren, was nicht nur in den einschlägigen Social-Media-Accounts, sondern auch in den rechten TV-Sendern und Zeitungen höhnisch gefeiert wurde, als Sandinistas Todesängste ausstanden, kam kein Tweet, keine Delegation, kein Gebet.  
Am 21. Juni wurde sandinistische Musiklehrer Sander Bonilla in León an einer Strassensperre bös misshandelt. Im nächsten Video sagt er, er sei sogar mit Benzin übergossen worden. Ein Video zeigt, wie er brutal «behandelt» wurde. Im folgenden Video sagt Sander u.a., dass der Pfarrer Berríos und der evangelikale Priester Figuroa, der in León ein Kinderprojekt betreibe, dabeigestanden haben, als die Barrikadengruppe ihn misshandelte. Figueroa habe ihn angeherrscht, vor Gott und den Anwesenden für seine Sünde gegen das Volk um Verzeihung zu bitten; Berríos wiederum, den Sander anflehte, ihn zu retten, meinte dann nur, er nehme ihn jetzt mit und wies seine muchachos an, keine Aufnahmen vom Vorfall ins Internet zu stellen.

Es gäbe noch viele solcher Beispiele. Gerade erhielten wir einen Ausschnitt aus einem TV-Programm, in dem eine grosse Zahl von Camionneuren aus dem zentralamerikanischen Ausland die «Menschenrechtler» und die «Priester» bitten, sich endlich für sie einzusetzen. Sie seien seit einem Monat in Jinotepe festgehalten, als «Schutzschilder», wie mehrere von ihnen sagten, manche von ihnen seien krank, Diabetes, anderes, ohne Zugang zu Medikamenten. Vielleicht tut sich jetzt was für die Männer. Bisher hatten die Pfaffen von Jinotepe für sie keine Zeit.
Vieles in Nicaragua erinnert an den Krieg der Cristeros im nachrevolutionären Mexiko (1926 – 1929). Der katholische Klerus leitete damals eine brutale Revolte gegen die neue Regierung, die die Macht der Kirche einschränken wollte. Eine von vielen Menschen aus den Unterklassen getragene Revolte. Wie heute in Nicaragua. Mit einem wichtigen Unterschied jedoch: In Mexiko wollte die Postrevolution tatsächlich die Macht der Kirche brechen – das gelang auch für einige Jahrzehnte; in Nicaragua gibt sich die Regierungsspitze als besonders fromm. Das interessiert die Kirchenhierarchie und ihre Truppen aber nicht mehr.

Heftige Debatte um Zwangssterilisation von zwei Frauen in Brasilien

Donnerstag, 28. Juni 2018

https://amerika21.de/2018/06/204944/sterilisation-brasilien
25.06.2018 Brasilien / Menschenrechte

Staatsanwalt und Richterin führen "Drogenabhängigkeit" und "moderate geistige Behinderung" als Begründung an. Kritik von Anwälten und Vereinten Nationen
Weltweit kritisieren Frauen- und Menschenrechtsorganisationen die Zwangssterilisation
Weltweit kritisieren Frauen- und Menschenrechtsorganisationen die Zwangssterilisation
Quelle: youtube.com
São Paulo. Janaina Aparecida Quirino und Tatiane Monique Dias sollen im Bundesstaat São Paulo zur Sterilisation gezwungen worden sein. Der Fall wurde von der brasilianischen Zeitung Folha de S.Paulo aufgedeckt und hat landesweit für Empörung gesorgt.
Janaina Aparecida Quirino aus Mococa im ländlichen Gebiet des Bundesstaats São Paulo, 36 Jahre alt und Mutter von acht Kindern, wurde im November 2017 wegen Drogenhandel festgenommen. Damals hatte sie sieben Kinder und die Staatsanwaltschaft stellte einen Antrag auf Sterilisation. Als dem Widerspruch der Anwälte stattgegeben wurde, waren der angeblich obdachlosen Frau bereits die Eileiter durchtrennt worden. Ob ein Einverständnis Quirinos vorlag bleibt umstritten. Das Verfahren wurde auch vom Büro des örtlichen Bürgermeisters und von einem Justizgericht in zweiter Instanz angefochten.
Die Operation sei durchgeführt worden, nachdem die Betroffene sich freiwillig bereit erklärt hatte, so der Staatsanwalt Frederico Liserre Barruffini. Die erstinstanzliche Verfügung zur Zwangssterilisation wurde im Oktober von Richterin Djalma Moreira Gomes Junior erlassen. Diese Entscheidung veranlasste das örtliche Bürgermeisteramt zur Berufung. Die höhere Instanz hob die Entscheidung im Mai auf. Die Entscheidung fiel jedoch zu spät: Quirino hatte sich bereits drei Monate zuvor der Operation unterzogen.
Kurze Zeit später wurde der Fall von Tatiane Monique Dias bekannt, die von denselben Personen – Staatsanwalt Barruffini und Richterin Moreira Gomes – zu einer Sterilisation gezwungen wurde. Bei der 23-jährigen Mutter von zwei Kindern wurde eine "moderate geistige Behinderung" festgestellt. Vom Staatsanwalt wurde sie als "absolut unfähig" bezeichnet. Dennoch erkannte er im Gerichtsbeschluss ein von ihr unterzeichnetes Dokument an, in dem sie "sich bewusst" mit der Operation "einverstanden" erklärt habe.
Janaina Paschoal, eine Anwältin die bereits im Impeachment-Verfahren gegen Dilma Rousseff klar rechte Positionen bezogen hatte, sprach sich in solchen "Härtefällen" für Zwangssterilisationen aus. Sie beschuldigt die siebenfachen Mutter der Drogenabhängigkeit und behauptet, in der Familie käme es zu "gewalttätigen Streits". Auch der ehemalige Militär und rechtsextreme Präsidentschaftskandidat für die kommende Wahl im Oktober 2018, Jair Bolsonaro, äußerte sich deutlich auf die Frage der Sterilisierung der ärmsten Bevölkerungsschicht: "Nur die Geburtenkontrolle kann uns vor dem Chaos bewahren."
Scharfe Kritik an solchen Eingriffen kommt von der brasilianischen Vereinigung der Anwälte für die Demokratie: "Die Frauen wurden wie Objekte behandelt". Der Schutz ihrer Rechte sei die wichtigste Aufgabe der Vereinigung.
Auch die Vereinten Nationen (UNO) äußerten sich besorgt. Mit dem Zwang zur Sterilisationen seien die Frauen in einer besonderen Lage der Verletzlichkeit ausgenutzt worden. Der zwangsweise Eingriff stelle eine "Verletzung verschiedener Menschenrechte von Frauen dar, einschließlich des Rechts auf Nichtdiskriminierung, auf Gesundheit und auf Schutz vor grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung".

Das Aroma der Rebellion [eBook]

Querid@s Amig@s, 
 
Das Buch "Aroma der Rebellion" ist nun leicht überarbeitet und mit ausführlichem aktuellem Vorwort soeben als eBook erschienen. Das Buch war mehrere Jahre lang vergriffen und nur noch antiquarisch für über 40 Euro erhältlich, also, jetzt zugreifen und (wieder) lesen. Das Buch gibt Einblicke in den entbehrungsreichen Alltag indigener Gemeinden in Chiapas und die spannenden Prozesse innerhalb der Kaffeekooperativen:

Das Aroma der Rebellion [eBook]

Zapatistischer Kaffee, indigener Aufstand und autonome Kooperativen in Chiapas, Mexiko

ISBN 978-3-95405-010-9
Erscheinungsdatum: Juni 2018
Seiten: 196
eBook
Ausstattung: epub
9,99 €
 
Beim Unrast-Verlag in Deutschland bestellen (die Helvetiaplatz-Buchhandlung wird es auch bald in ihrem Shop anbieten):
https://www.unrast-verlag.de/neuerscheinungen/das-aroma-der-rebellion-197-197-detail

US-Regierung rühmt sich, in Nicaragua den Boden für den Aufstand zu bereiten

Ein Artikel (auf deutsch) über einige der mderzeit eingesetzten Interventionsinstrumente Washingtons in Nicaragua.

US-Regierung rühmt sich, in Nicaragua den Boden für den Aufstand zu bereiten



Nicaragua: Ein Brief aus San Marcos und ein paar Anmerkungen


(zas, 27.6.18) Eine E-Mail vom letzten Montag von einer Frau der LandarbeiterInnengewerkschaft ATC (Umfeld FSLN) an die Städtepartnerschaft Biel-San Marcos. San Marcos liegt südlich von Managua im Departement Carazo.
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Lieber XXX
In Nicaragua haben wir weiterhin ein ziemlich angespanntes Klima. Etwas Ruhe spüren wir nur an wenigen Tagen. Der Dialog [zwischen Regierung und der rechten Allianz] wurde vor einer Woche unterbrochen, als wir schon dachten, die bis dann erreichten Abkommen würden unserem Land Frieden bringen. Doch die sog. Zivilgesellschaft in diesem Dialog verletzt die Abkommen mit Unterstützung der katholischen Kirche, Das bedeutet, dass wir wieder in einen Zyklus der Gewalteskalation fallen. Mehrere Gemeinden in Carazo machten sehr schwere Zeiten durch, dies wegen der um die Strassenblockaden organisierten und Terror verbreitenden Gruppen. Vorallem in Diriamba und Jinotepe. San Marcos ist glücklicherweise ruhig, es ist zu keinen Gewaltakten gekommen. Das Bürgermeisteramt und das Gemeindezentrum des FLN haben Massnahmen ergriffen, um Angriffe zu verhindern. Die sandinistische Bevölkerung engagiert sich, um Angriffe zu verhindern, die Stadt insgesamt lebt relativ ruhig. Es hat Demos von Gruppen gegeben, die den Putsch gegen Präsident Ortega unterstützen, aber sie greifen niemanden an und das freut uns.
In San Marcos kam es nur in Las 4 Esquinas im ländlichen Bezirk zu Gewaltakten. Ein Junge wurde erschossen, als er aus seinem Haus ging, um zu arbeiten. Die kriminellen Gruppen kamen vorbei und haben Salven abgeschossen. Leider ist die Polizei in ihren Posten derzeit kaserniert, was es den Kriminellen ermöglicht, nach Gusto zu operieren und die Bevölkerung anzugreifen. Die sandinistische Bevölkerung bittet Präsident Ortega, die Polizei wieder auf der Strasse einzusetzen, vorallem, weil die putschistische Rechte die Sandinistas verfolgt und terrorisiert.
Es ist so, dass die Lage komplizierter wird, denn die rechten Gruppen haben im ganzen Land kriminelle Gruppen unter Vertrag genommen. Sie sind es, die den Verkehr mit den Barrikaden lahmlegen, wo sie Mädchen und Frauen vergewaltigt haben und Menschen entführt, gefoltert und umgebracht haben. Das machen sie mit jenen, die sich gegen sie stellen. Leider sind es nicht die Studenten, von denen zu Beginn die Rede war, die man auf der Strasse kämpfen sieht, sondern diese Gangster.
Ich will euch sagen, dass wir inmitten all dessen auf den ersehnten Frieden für unser Land hoffen. Deshalb ist es für uns wichtig, dass die Welt sich für die Fortführung des Dialogs ausspricht. Sehr traurig ist dabei die Rolle der katholischen Kirche. Sie sollte im Dialog Vermittlerin und Zeugin sein, schlägt sich aber auf die Seite der Gruppen, die keinen Frieden wollen und schützt, besonders schlimm, die Verbrecher, die Morde an der wehrlosen Bevölkerung verüben.
Grüsse und Danke, dass ihr an Nicaragua denkt.
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(zas) Wir erhalten sehr widersprüchliche Informationen aus Nicaragua (abgesehen von den schäumenden rechten Medien und den meist entsetzlich uninformativen offiziellen sandinistischen Homepages). Nach allem, was wir wissen, gab und gibt es eine tatsächlich sehr grosse Protestbewegung. Sie wurde sehr schnell instrumentalisiert, aufgeheizt und überlagert von organisierten Kräften des regime change. Eine klare Trennung ist natürlich nicht möglich, doch Viele mögen den Abgang subito der Regierung wollen, ohne deswegen realen Terror im Alltag auszuüben. Eine Sache ist es, mit einem zwar potentiell mörderischen, aber historisch vertrauten Handmörser gegen Polizeieinheiten zu agieren, die vorallem zu Beginn rücksichtlos vorgingen. Als etwa StudentInnen sich mit diesen morteros und Steinen gegen die Polizeierstürmung der Nationalen Universität zur Wehr setzten, standen sie in einer alten lateinamerikanischen Tradition der universitären Autonomie, die nur zu oft von diktatorischen Regimes angegriffen wird. Eine andere Sache ist, wenn tatsächlich besetzte Universitäten – wobei die BesetzerInnen vermutlich zu Beginn Studis waren, danach aber andere Kräfte das Szepter übernahmen – wie etwa die Upoli in Managua zu Ausgangs- und Rückzugsterrains von stark bewaffneten Strukturen wurden, die keineswegs «das Volk verteidigten».
Ähnliches gilt für die Barrikaden, die tranques. Es gibt ganz offensichtlich eine Reihe von tranques, die vopn den AnwohnerInnen errichtet wurden, um sich gegen schiessende, in Autos umherkurvende Gruppen zu schützen. Ob diese nun sandinistisch oder oppositionell, von der Polizei oder von Strassenbanden oder der der organisierten Kriminalität seien. Eine andere Sorte von tranques allerdings sind jene, auf die die Compañera der ATC Bezug nimmt: bewaffnete Strassenblockaden, die entweder niemanden durchlassen oder nur gegen Bezahlung, und die in sehr vielen Fällen tatsächlich zu Orten der Folter von Sandinistas werden. Dass die Hetzmedien und reaktionären «Menschenrechtsvereine» (nationale und internationale) zusammen mit dem Grossteil der katholischen Kirche diese Praxis leugnen bzw. bejubeln als «Volkswiderstand», ist zwar unerträglich, aber erstaunt nicht. Schlimm ist, dass frühere linke FreundInnen wie die Ex-Comandante Mónica Baltodano oder der «Analytiker» René Óscar Vargas, auch er ein in der Soliszene kein Unbekannter, in den Hetzmedien wie in progressivern Kreisen dieselbe Tour abspielen. Sie sind so scharf links, antikapitalistisch, dass sie heute in der Sache mit den Agenturen der Bourgeoisie und des Imperialismus kooperieren und unbeirrt dreist lügen, sogar wenn Sandinistas, die sie kannten, brutal ermordet werden – nur die «Ortega-Diktatur», schlimmer als jene von Somoza (Baltodano im La Prensa gestern), mordet, die Opposition ist mustergültig zivilgesellschaftlich friedlich. Und klar, in der ausländischen Linken gibt es genug Leute, denen das runtergeht wie warme Semmel.
Dieser Tage, so scheint es, gelingt es der Polizei, die wieder aktiver in Erscheinung tritt, zusammen mit sandinistischen, ebenfalls bewaffneten Gruppen, eine Reihe von Blockaden aufzubrechen.  Als vor wenigen Tagen so die wochenlange Dominanz von oppositionellen Gruppen in der Stadt Masaya gebrochen oder relativiert wurde, verhaftete die Polizei ein paar wenige Leute. Und was geschah? Sofort fuhr eine Delegation des im Dialog «vermittelnden» Klerus nach Masaya – darunter der Nuntius, der opportunistische Kardinal und der ultrareaktionäre Weihbischof von Managua, um das «Volk von Masaya zu schützen» und die Freilassung der verhafteten Demokraten zu erreichen. Eine von unzähligen gleich gelagerten Episoden.
Der Dialogprozess ist wieder am Anlaufen, es gibt viele Gerüchte, aber nichts Handfestes über Geheimverhandlungen zwischen Managua und Washington. Sollte sich der Eindruck bestätigen, dass die brutalen Umsturzkräfte im Land an Macht verlieren, wird die internationale Gemeinschaft in die Bresche springen – zuvorderst ihre «Menschenrechtsorgane». Einen weiteren Vorgeschmack davon lieferte der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge. Das Hochkommissariat wird an einer internationalen Untersuchungskommission teilnehmen, die die Ereignisse in Nicaragua aufklären wird. Eigentlich überflüssig, denn Zeid Ra'ad Al Hussein weiss schon, was Sache ist: «In Nicaragua [kam es zur] Ermordung von mindestens 178 Menschen, fast alle verübt von der Polizei oder bewaffneten Pro-Regierungsgruppen».