Brief nach Matagalpa

Dienstag, 31. Juli 2012



Am 28. Juli 1986 fielen fünf Compañeros, darunter Yvan und Joël, in einem Hinterhalt den Mördern der US-geleiteten Contra in Zompopera, im Norden von Nicaragua, zum Opfer. Auch am letzten 28. Juli trafen sich in Matagalpa sandinistische FreundInnen und Angehörige der  Ermordeten.
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28. Juli 2012

Yvan und Joël – präsent in unseren Herzen und in der Wirklichkeit von Nicaragua heute!

Liebe Freundinnen und Freunde

Seit 2007 können wir sagen, dass es sich gelohnt hat, sein Leben für den revolutionären Prozess zu geben. Es gab Momente, wo dies zu sagen schwieriger war, denn die Liberalen waren am Ruder. Jetzt gelten die Anstrengungen der Regierung den Arbeiterinnen und Arbeitern. auch wenn noch viel fehlt, damit Gleichheit und Gerechtigkeit Wirklichkeit werden.

An diesem Tag fällt es nicht schwer, sich an Genossen zu erinnern, die sich so sehr für die Sache hingaben und uns so oft zum Lachen brachten. Ihr habt das Glück, euch heute in Matagalpa treffen und euch einige der Streiche unserer Genossen erzählen zu können.

Wir hier in der Schweiz, in Genf, sind glücklich, denn in den kommenden Monaten bis Ende Jahr werden mehrere Projekte der Schweizer Solidarität die Frauen, die Jungen, die Mütter und ihre Kinder, die Campesinafamilien im Department unterstützen. Dies ist wie ein Signal, dass Nicaragua wieder zum Land wird, das die Compañeras/os und die Leute mit Sensibilität für den Kampf für Gerechtigkeit unterstützen wollen. Hoffentlich macht Nicaragua weiter, hoffentlich wendet sich die Solidarität wieder enthusiastisch Nicaragua zu.

Erlebt einen schönen Tag der Erinnerung, an dem die Melancholie euch nicht daran hindere, gut zu essen und zu trinken, als Gruss an unsere Freunde und Brüder.

Ein Gruss aus der Schweiz, aus Genf, von Gérald und Vivianne.

El Salvador: angespannte Situation

Samstag, 28. Juli 2012


(zas, 28.7.12) In El Salvador betreiben Kapital und die ARENA-Partei eine gefährliche Destabilisierung der Regierung mit linker Beteiligung, wie sie ins Bild des kontinentweiten Gegenangriffs des Imperiums passt. Ermutigt durch ihren Erfolg bei den Gemeinde- und Parlamentswahlen letzten März, geht die bis 2009 regierende ARENA-Partei zusammen mit dem Grossunternehmerverband ANEP daran, die verlorene Macht zurück zu gewinnen. Wichtiges Mittel dafür: die Kontrolle des Obersten Gerichts. Die aktuelle Regierung soll, solange der FMLN an ihr beteiligt ist, sabotiert und der Frente möglichst von den politischen Entscheidungsprozessen  ausgegrenzt werden. Das kleine Land befindet sich in einer schweren Krise, angeblich ausgelöst durch die Weigerung der Parlamentsmehrheit um den FMLN, sich höchstrichterlichen Urteilen zu fügen. ANEP und ARENA, die offen den Staatsstreich in Honduras feierten, sprechen von einem FMLN-Putsch gegen die Verfassung mit angeblicher Komplizenschaft des Staatspräsidenten Mauricio Funes. Der Generalstaatsanwalt droht Obersten RichterInnen mit Gefängnis. Die These vom „linken Putsch“ wird von einst progressiven Institutionen wie der Jesuitenuni UCA mitverbreitet. 

Kuba: Auftragsschreiber für den Schweizer Medienfilz

Montag, 23. Juli 2012


Ein Film präsentiert Schauermärchen über Kuba. Die Rezensionen schreiben die Macher von «Forbidden Voices»  gleich selbst.

Samuel Wanitsch

In der renommierten, rechtsbürgerlichen Neuen Zürcher Zeitung und in diversen anderen Blättern schrieb der Filmkritiker Geri Krebs am 8. Mai 2012: «Am Anfang stehen markerschütternde Schreie von Yoani Sanchez. Die kubanische Bloggerin wehrte sich im Februar 2010 gegen eine überfallartige Verhaftung durch Geheimpolizisten, und der couragierten Frau gelang in jenem kritischen Moment das Unmögliche, nämlich unbemerkt die Aufnahmetaste ihres Handys zu betätigen. Die hässliche Fratze des allgegenwärtigen Repressionsapparates im Reich der Brüder Castro, die in gewissen Kreisen immer noch ein Rest-Prestige geniessen (immerhin hat Kuba ein kostenloses Gesundheits- und Schulsystem für alle), könnte kaum eindrücklicher gezeigt werden als mit dieser drastischen Eingangssequenz». Gezeigt? Gemeint ist der anfangs Mai in der Schweiz offiziell angelaufene Film «Forbidden Voices» von Barbara Miller. In dem Streifen ist zu sehen, wie Yoani Sanchez auf einen Bildschirm blickt. Dazu wird ihr Geschrei abgespielt. Zu sehen ist nichts von Gewalt.

Die verschwiegene Rückkehr nach Kuba

Der Vorfall soll sich also im Februar 2010 ereignet haben. Miller gibt an, fünf Jahre an ihrem Film gearbeitet zu haben; sie fasste folglich mindestens drei Jahre vor dieser «drastischen Eingangssequenz» den Beschluss, Sanchez als Opfer einer Diktatur darzustellen. Interessanter ist, was im Film nicht gezeigt oder gesagt wird. Von der eingangs erwähnten «überfallartigen Verhaftung» ist rein gar nichts zu sehen. Eine Pressekonferenz, in welcher Yoani den herbeigeeilten westlichen Journalisten nicht die Spur einer Verletzung zeigen konnte, und was etwa von der BBC oder CNN entsprechend kommentiert wurde, bleibt unerwähnt. Die gröbste Auslassung ist aber: Im Film wird eine rührende Familienidylle mit kubanischem Mann und Bub gepflegt. Kein Wort davon, dass Sanchez nach der Heirat mit einem Deutschen im August 2002 in die Schweiz emigrierte und zwei Jahre dort lebte, um dann weinend bei der Einwanderungsbehörde in Kuba um eine Ausnahmegenehmigung zu bitten, damit ihr Auswanderungsstatus aufgehoben wurde und sie nach Kuba zurückkehren konnte. Es besteht deshalb der dringende Verdacht, dass sie in ihrer Schweizer Zeit zu dem aufgebaut wurde, was jetzt als «mutige Cyberdissidentin» daherkommt; unterstützt von einem Klüngel spanischer, deutscher und schweizerischer Journalisten.

Viele Widersprüche rund um Sanchez

Yoani Sanchez rühmt sich in dem Film, auf ihrer Internetseite 14 Millionen Zugriffe zu haben. Jedoch: Wie kann sie in Kuba im Internet surfen, wenn die westliche Presse dauernd wiederholt, dass sie keinen Zugang dazu hat? Woher kommt das Geld, das es ihr erlaubt, einen Lebensstil zu pflegen, den sich kaum eine andere Kubanerin erlauben kann, wenn sie offiziell über keinerlei Einkommen verfügt? Wieso geniesst sie die besonderen Dienste der Cronon AG, einer auf grosse Geschäftskunden spezialisierten Tochter des deutschen Internet-Anbieters Strato, die für normale Nutzer nicht zugänglich ist? Die Webseite von Yoani Sanchez ist extrem ausgefeilt, mit Links zu ihren Accounts bei Facebook und Twitter sowie Übersetzungen in nicht weniger als 18 Sprachen. Kaum eine andere Webseite auf der Welt verfügt über eine solche Auswahl linguistischer Versionen. Der Server, der den Blog von Sanchez beherbergt, weist eine Bandbreite auf, die 160mal höher ist als die, über die Kuba für alle seine Internetnutzer verfügt. Wer verwaltet diese Seiten? Wer bezahlt die Administratoren? Wer bezahlt die Übersetzer, die täglich an der Seite von Sanchez arbeiten? Und wer bezahlt das Hosting einer Seite mit mehr als 14 Millionen Besuchen im Monat?

Die offenen Fragen bleiben

«Forbidden Voices» geht auf keine einzige solcher Fragen ein. Der Film fährt permanent auf der Mitleidsschiene, die Tränendrüsen ahnungsloser Kinobesucherinnen werden pausenlos bemüht. Es werden exakt die drei Länder behandelt, die seit Jahr und Tag im Visier der USA und der mit Washington verbandelten «Reporter ohne Grenzen» stehen: Iran, China und Kuba. Kein Mitleid für Bloggerinnen in Ägypten, Mexiko oder Honduras, wo Journalistinnen reihenweise ermordet werden. Der eigentliche Skandal ist jedoch die Werbung für den Film. Sie findet nicht nur in rechtsbürgerlichen Print- und Onlinemedien und in der «Tagesschau» des immerhin noch öffentlich-rechtlichen Schweizer Fernsehens Platz, sondern auch in der Gewerkschaftszeitung Syndicom. Diese verteidigte auf Nachfrage die Veröffentlichung der Lobeshymnen, weil es sich dabei ja nur um eine Filmkritik, nicht aber um eine Auseinandersetzung mit Yoani Sanchez gehandelt habe. Doch der Autor dieser Kritik ist derselbe: Geri Krebs, der auch die eingangs zitierten Elogen in der NZZ verfasst hat. Und eben dieser Geri Krebs selbst taucht auch im Abspann des Films auf. Er bediente also offensichtlich all diese Medien mit Filmkritiken zu einem Film, bei dessen Entstehung er selbst eine Rolle gespielt hat, ohne diese dabei offenzulegen.

Der Autor ist Koordinator der Vereinigung Schweiz-Cuba  (ASC/VSC)

Vorwärts, 20. Juli 2012

Zum Jahrestag der sandinistischen Revolution

Donnerstag, 19. Juli 2012



Compañeros/as

Bei allen Fagen, bei aller Kritik, bei aller Distanz, bei allem, was ihr wollt: Heute ist der 19. Juli und wir freuen uns. Nicaragua ist weiter dieses andere Land, in dem die Verarmten das Recht haben, zu leben, etwas zu fordern und etwas zu erreichen.
Es lebe der 19. Juli, es lebe das sandinistische Nicaragua!
Viviane Luisier, Gérald Fioretta

Venezuela: Reaktion auf die Attacke von HRW


Eine erste Reaktion aus dem venezolanischen Aussenministerium zum neuen Machwerk von Human Rights Watch gegen Venezuela.
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Bericht von HRW ist Teil einer „Strategie der  imperialen Anstiftung zur Destabilisierung“
Washington, 18.7.12 (MPPRE). „Wie es ihr unehrlicher Brauch in jeder Vorwahlperiode in Venezuela ist, zieht die Lateinamerikaabteilung der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch gegen die Regierung der Bolivarischen Republik Venezuela mit einem „Bericht“ zu Feld, voller Argumente, die zu einer Strategie der  imperialen Anstiftung zur Destabilisierung gehören.“
So der venezolanische Vertreter vor der OAS, Botschafter Roy Chaderton Matos. Er bemerkt weiter, dass die „Routine“ dieser Organisation „ein weiteres Mal den Verfall von Organisationen reflektiert, die für die internationale Verteidigung der Menschenrechte einstehen sollten. So wie es zu Beginn der Fall war und ausnahmsweise immer ist. Doch die betreffenden Organisationen haben sich in richtung inakzeptable korrupte Praktiken ‚entwickelt’, wo die begründete oder falsche Anschuldigung dazu dient, an Ressourcen zu gelangen, um ein ununterbrochenes Funktionieren und den persönlichen Wohlstand ihrer Leitungsmitglieder zu sichern.“  



Bauernmorde nach Gerichtsurteil in Honduras

Mittwoch, 18. Juli 2012

18. Jul 2012 | Honduras | Menschenrechte

Erneut drei Bauernaktivisten in Region Bajo Aguán ermordet. Großgrundbesitzer gehen nach Annulierung von Landttieln in die Gegenoffensive

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Tocoa. Nach einem Gerichtsurteil Ende Juni zugunsten der Kleinbauernorganisation MARCA spitzt sich der Landkonflikt in der nordhonduranischen Region Bajo Aguán erneut zu. Alleine in der ersten Juliwoche wurden drei Mitglieder der Kleinbauernorganisation MUCA ermordet und ein weiterer schwer verletzt. Bereits am 7. Juli war laut Informationen des lokalen Menschenrechtszentrums OPIDHA der Kleinbauer Jacobo López Erazo in dem Dorf Quebrada de Arena ermordet worden. Nur einen Tag später wurde José Luís Dubón Díaz in der Nähe der Ansiedlung La Lempira getötet. Zuvor war am 6. Juli die Leiche des 69-jährigen Gregorio Chávez Aranda auf einer Finca des Großgrundbesitzers Miguel Facussé aufgefunden worden. Chávez lebte in der Ansiedlung Panama und war 25 Jahre lang der Sprecher des Dorfes. Bewohner des Dorfes berichteten von Drohungen und Verfolgung durch staatliche und private bewaffnete Kräfte in den letzten Tagen.
Als Grund für den erneuten Anstieg der Gewalt gegen Kleinbauernaktivisten gilt nach Einschätzung der Organisation MUCA ein Gerichtsurteil, mit dem am 29. Juni insgesamt 1.800 Hektar Land mehreren hundert Kleinbauernfamilien zugesprochen worden waren. Der Richter in Tegucigalpa hatte dabei die Landaneignung der beiden Großgrundbesitzer Miguel Facussé und René Morales vor 18 Jahren als Unrecht gewertet. Das Gerichtsurteil wurde von den verschiedenen Kleinbauernorganisationen der Region als historisches Urteil bezeichnet. Laut Yoni Rivas, Generalsekretär von MUCA existiert eine direkte Verbindung zwischen den erneuten Aggressionen und dem Gerichtsurteil zugunsten von MARCA.
Mittlerweile wurde das Gerichtsurteil von Seiten der Großgrundbesitzer erfolgreich angefochten. Die Menschenrechtsorganisation OPIDHA kritisierte die Revisionsverhandlung als unrechtsmäßig.

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Zudem berichtet Heriberto Alemán, Koordinator von OPIDHA von Interessen des Bergbausektors in der Region. So sei die Eröffnung einer Mine in der Bergregion von Colón geplant. Ein derartiges Projekt könnte zu einer weiteren Zuspitzung der Landkonflikte und zu einer weiteren Verschlechterung der Menschenrechtslage in der Region führen. So wurde bereits der Radioreporter David Corea aufgrund seiner kritischen Berichterstattung zu Bergbauprojekten in Bajo Aguán bedroht.
Im Juni unterzeichneten die Organisationen MUCA und MARCA unter dem Druck von massiven Räumungsandrohungen ein Abkommen mit der honduranischen Regierung über den Kauf von 4.600 Hektar Land, das zuvor im Besitz der Großgrundbesitzer der Region stand. Doch auch die Unterzeichnung des Vertrages, welcher die Bauernorganisationen vor einen riesigen Schuldenberg stellt, konnte die Gewalteskalation in Bajo Aguán nicht stoppen. Durch die jüngsten Morde steigt die Zahl der getöteten Kleinbauernaktivisten in den letzten zwei Jahren auf 50 Personen.

Paraguay: Putschresultate und Widerstand

Sonntag, 15. Juli 2012



(zas, 15.7.12) Der Titel des Artikels vom 12.7.12 im erzreaktionären paraguayischen Blatts „ABC Color“ bringt es auf den Punkt: „Washington sieht keinen Grund für Suspendierung Paraguays“ von der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Der Mercosur und die Unasur (Verband der südamerikanischen Staaten) haben die Mitgliedschaft Paraguays suspendiert. Nicht so die OAS. Ihr Generalsekretär José Insulza war gerade von einer Fact-finding-Tour in Paraguay zurückgekehrt. Begleitet hatten ihn die OAS-BotschafterInnen der USA, von Kanada, Haiti, Mexiko und … ja, von Honduras. Zwar behauptet Insulza, seine Mission habe bei der Visite mit allen Sektoren gesprochen – eine Lüge, wie ein offener Brief an ihn von paraguayischen Menschenrechts- und kirchlichen Organisationen vom 4. Juli zeigt. Darin steht: „Der Entscheid, sich mit agroindustriellen Sektoren, Besitzern von kommerziellen Medien und der Bischofskonferenz zu treffen, alles Gruppen für den Staatsstreich, ohne einen Raum für die demokratische Zivilgesellschaft zu reservieren, beunruhigt uns ausserordentlich. Denn damit hat es keine Gelegenheit gegeben, in ihre Mission Elemente zu integrieren, die die Unzufriedenheit der BürgerInnen mit diesem parlamentarischen Staatsstreich unterstreichen“.
Entsprechend die „Empfehlung“ Insulzas an den OAS-Rat: keine Suspendierung der OAS-Mitgliedschaft Paraguays, dafür eine Mission nach Paraguay, um die Wahlen vom nächsten April zu „unterstützen“. Damit, fand Roberta Jacobson, Lateinamerikaverantwortliche im State Department, habe Insulza „ein Gleichgewicht gefunden in einem Prozess, der als zu schnell hat erscheinen können“ (ABC, 12.7.12). Gemeint: der „politische Prozess“ im Senat, der keine 24 Stunden brauchte, um Präsident Lugo wegen Mithilfe bei Mordstrategien als Präsident abzusetzen. Selbst ein Senator der Putschistenpartei der Colorados, Hugo Estigarribia, musste zugeben, dass die in der „Anklageschrift“ erfolgte „Erwähnung von Tatsachen, die, da öffentlich bekannt, nicht bewiesen werden müssen, barbarisch“ war (E’a, 13.7.12). „Das Wichtigste jetzt ist“ aber für Jacobson, „konstruktive Formen der Beziehungen mit den Paraguayern zu finden, einschliesslich der Regierung Franco, um auf die Wahlen vom kommenden Jahr zu blicken“. Es gehe darum, „Paraguay die Hilfe zu geben, die es für den Dialog in den Dingen braucht, die immer noch Spannungen erzeugen“ (ABC, 12.7.12).
Das honduranische Putschdrehbuch also. Erst werden faits accomplis geschaffen, danach orchestriert die „internationale Gemeinschaft“ Wahlen mit dem richtigen Ergebnis. Der Verweis Jacobsons auf die „Dialoghilfe in Spannungsangelegenheiten“ ist zynisch sowieso, könnte evl. aber auch ein Wink an die Rechte in Paraguay sein, ihre Leidenschaft für das Ausmerzen aller Oppositionellen zu zügeln. Die USA favorisieren eine Strategie von „nur so viel Repression wie nötig“, möglichst ohne offenes Blutbad – auch das eine honduranische Lektion. Der Eindruck, dass der Widerstand in Honduras stärker war als heute in Paraguay, ist vielleicht voreilig, findet aber auch seinen Widerhall im Fact, dass die OAS sich genötigt sah, Honduras bis zu den demokratischen Wunderwahlen im Zeichen der Armee-MGs von Ende 2009 zu suspendieren; im Fall von Paraguay wird diese politische Konzession an die Stärke des Widerstandes offenbar als unnötig erachtet.
Strassenblockade in San Juan Nepomuceno. Qulle: Última Hora, 26.6.12
 
Putschgewinne
Die imperiale Position ist logisch. Gleich zu Beginn: Die sechs Parteien, die das Absetzverfahren gegen Lugo durchgeputscht haben, sind allesamt Klientinnen der USAID, wie dies Orlando Castillo Caballero in La Patria Sojera y USAID detrás del Golpe de Estado vom 30. Juni 2012 festhält. Am 7. Mai 2012 hatte „ABC Color“ gemeldet, wie der lokale Arm der USAID diese Parteien schult, damit sie „gemeinsam interagieren“ können. Eine lohnenswerte Investition, ganz offensichtlich.
Zudem betreibt De-facto-Präsident Federico Franco genau die Art von Politik, die Washington und Brüssel erfreut. Am 26. Juni, drei Tage nach dem Putsch, traf er sich mit einer Abordnung von Agroexporteuren und Grossgrundbesitzern. Befriedigt hatte ein Mitglied der Delegation die Ergebnisse so zusammengefasst: „Der neue Präsident versprach uns, den Agroindustriesektor zu unterstützen, das Privateigentum zu schützen und Landbesetzungen zu verhindern“ (E’a, 4.7.12).
Putschpräsident Franco. Bild: E'a
 Tags darauf zeigte sich Richard González, Vertreter der Landesfiliale des US-Multis Crescent Global Oil nach einem Treffen mit dem Putschpräsidenten erfreut: Franco „gab uns seine Unterstützung bei der Ölexploration und bat uns um ein schnelles Vorgehen“ (id.). Unter Lugo war die Bude Objekt einer Untersuchung wegen illegaler Machenschaften und konnte deshalb keine Förderverträge abschliessen. E’a, die progressive Zeitung im Land, erwähnt weiter, dass Franco seinen Handelsminister angewiesen habe, die Verhandlungen mit dem Minenmulti Río Tinto für die Errichtung einer grossen Aluminiumfabrik zu beginnen. Hintergrund: Ricardo Canese, Leiter des nach dem Putsch gegründeten Linkszusammenschluss Frente Nacional por la Defensa de la Democracia (FDD) und anerkannter Spezialist für Energiefragen, meinte in der E’a vom 3. Juli 2012 zur Alufabrik der Río Tinto, sie werde binnen 7 oder 8 Jahren zu Strommangel in Paraguay führen. Die Fabrik werde 9.6 MWh pro Jahr konsumieren, während die gesamte paraguayische Industrie 1.6 Mio. MWh pro Jahr verbrauche. Sie werde 1250 Arbeitsplätze schaffen, im Gegensatz zu 322'000 der paraguayischen Industrie. Zudem müsse der Staat Vorleistungen im Wert von $ 700 Mio. für die Strom- und Verkehrsinfrastruktur leisten. Im zuvor zitierten E’a-Artikel vom 4. Juli erfahren wir auch, dass Franco seinen Agrarminister angewiesen hat, die Resolution für den Einsatz des gentechnisch veränderten Monsanto-Saatguts Bollgard BT für Baumwolle beschleunigt umzusetzen. Die Beschränkung von Gentech-Soja und -baumwolle unter Lugo war einer der Hauptgründe für den Putsch. Im für die Zulassung von Saatgut zuständigen Regierungsinstitut sitzt jetzt ein Vertreter des Agrobusiness in Paraguay. Am 5. Juli betont E’a ferner den Willen der Franco-Regierung, sich international zu verschulden, um die Strassen- und Wasserweginfrastruktur für den Agroexport zu stärken, und das Investitionsfördergesetz zu modifizieren, so dass für neue Investitionen im Land künftig nicht mehr 5, sondern 15 Jahre Steuerfreiheit herrsche.
 Zu diesem Bild einer „offenen“ Wirtschaftspolitik passen auch die Meldungen von explodierender Vetternwirtschaft (allein 40 Verwandte von Franco sind neu im Staatsdienst, teils in finanziell zentralen Kaderpositionen) und der altbewährten Schmiere: Die putschtreibende Vereinigung der Grossgrundbesitzer Asociación Rural del Paraguay (ARP) erhielt vom Franco einen Kredit von 50 Mrd. Guaraní (etwa $ 11 Mio.) für die Land- und Viehwirtschaft (E’a, 7.7.12). Die ARP-Mitglieder haben die Unterstützung dringend nötig. Sie haben laut E’a 2010 Waren im Wert von $ 2.5 Mrd. exportiert und bezahlen nach offiziellen Angaben, so das Blatt, 1 Prozent der nationalen Steuereinnahmen. 2 Prozent der Bevölkerung besitzen laut Jeremy Hobbs von Oxfam International rund 80 Prozent des Landwirtschaftsbodens. Das kleine Paraguay ist weltweit der viertgrösste Sojaexporteur.
Das geht weit über das Thema Korruption hinaus. Es bedeutet eine verschärfte Vertreibung der Bäuerinnen und Bauern vom Land zugunsten der Export-orientierten Grossgrundbesitzer und Multis. Laut Tomás Zaya, einem Anführer der Central Nacional de Organizaciones Indígenas y Populares (Cenocip), auf den sich Raúl Zibechi im Artikel Paraguay: plataforma para la hegemonia continental vom 1. August 2006  bezieht, plant die Weltbank, „dass im Jahr 2015 der Anteil der Landbevölkerung an der Gesamtbevölkerung noch zwischen 12 und 15 Prozent betrage, um Soja und Zuckerrohr als Erdölersatz zu produzieren’“. Die carperos, so benannt nach den Zeltlagern, in den sie leben müssen, landvertriebene Bäuerinnen und Bauern, gehören zu den erklärten FeindInnen der neuen Obrigkeit und der von ihr vertretenen Oligarchie.
Und auch dies entspannt Washington: José López Chávez, Vorsitzender des Verteidigungsausschuss in der Abgeordnetenkammer, führte mit US-Militärchefs einen „Dialog“ über die Errichtung einer US-Militärbase im Departement Chaco an der bolivianischen Grenze (Andes, Alba TV, 2.7.12). Begründung: das bolivianische „Wettrüsten“. Real scheint es sich um die von Lugo gestoppte US-Luftwaffenbasis Marsical Estigarribia zu handeln, in ummittelbarer Nachbarschaft zu den bolivianischen Gasfeldern.
Kein Wunder also, schützt Washington den Coup und damit genau die Politik, die unter Lugo, trotz aller immensen subjektiven und objektiven Schwächen seiner Regierung, behindert war.
Und der Widerstand?
Nach wie vor kommt es zu erklärtermassen friedlichen Aktionen des Frente Nacional por la Defensa de la Democracia (FDD). Während Tagen haben carperos, Landorganisationen und urbane Protestkontingente immer wieder wichtige Strassen und internationale Brücken besetzt (letzteres in Zusammenarbeit mit antifaschistischen Kräften aus Argentinien und Brasilien). Mit Dauerkundgebungen wurde die Sendung „Offenes Mikrofon“ des seither mit einer proputschistischen Leitung versehenen Senders „TV Pública“ unterstützt. Es kommt zu escraches, gezielten Protestaktionen gegen ExponentInnen des Putschlagers.
Protestaktion. Qulle: E'a, 2.7.12
 Der frisch gegründete FDD selber scheint sich in einer intensiven Konsolidierungsphase mit departementalen Vollversammlungen u. ä. zu befinden. Insgesamt kommt es heute noch zu weniger Repression als in einer vergleichbaren Phase in Honduras. Aber die Weichen werden gestellt: Zehn von Lugo ernannte Armeegeneräle sind in den Ruhestand versetzt worden; die Fernsehstationen bringen tagelang „Informationen“ zu einem Schulungskurs im Jahr 2004, an dem wichtige ExponentInnen der Landbewegungen und des Pro-Lugo-Lagers teilgenommen haben, darunter auch einige Campesinos, die seither wegen einer Entführungsaktion der sehr umstrittenen angeblichen Guerrillaorganisation EPP verurteilt sind. Die Tendenz ist klar: Die Betroffenen, darunter auch Jorge Galeano vom Movimiento Agrario Popular (MAP), mit dem wir zusammenarbeiten, werden für eine kommende Repressionsrunde als „Terrordrahtzieher“ aufbereitet. Vom MAP haben wir auch vor wenigen Tagen erfahren, dass eine seiner Comunidades  im Grenzgebiet zu Brasilien von der Polizei vertrieben und ihre Ernte zerstört wird. Das MAP sieht die Zukunft bezüglich Repression mit grosser Sorge.
Über die reale Stärke des Widerstandes wagen wir uns kein Urteil anzumassen. Einerseits sind Einschätzungen zu hören, dass die Linke bei den kommenden Aprilwahlen reale Siegeschancen habe, andererseits scheint es nicht nur an der brutal durchgesetzten Linie der paraguayischen Medienmogule - das Land befinde sich in bester Ordnung und seine Hauptsorgen seien Fussball, Mode und Wetter – zu liegen, dass viele den Eindruck haben, eine relative Demobilisierung der sozialen Organisationen unter Präsident Lugo erschwere nun die notwendige Mobilisierung.

Mexiko: Tausendköpfiges Monster mit Geld

Freitag, 13. Juli 2012



(zas, 13.7.12) Natürlich hat am 2. Juli es in Mexiko einen Wahlbetrug beträchtlichen Ausmasses gegeben. Natürlich sehen diesen weder die Eliten in Mexiko noch ihre nicht minder demokratiebesessenen Pendants der „internationalen Gemeinschaft“. Folglich taucht das Phänomen auch kaum im Mainstreammedium auf, und wenn, verniedlicht oder vor allem als „Beleg“ dafür, zu welch absurden Verdrehungen „schlechte Verlierer“ greifen.

Die linkszentristische Allianz um López Obrador hat die „Ergebnisse“ offiziell angefochten, natürlich ohne jede Erfolgschance. Zuviel steht auf dem Spiel: Musste beim Wahlbetrug 2006 der PAN-Mann Felipe Calderón mit Betrug ins Amt gehievt werden, um den „Drogenkrieg“ von US-Gnaden –das Massaker von offiziell 60'000 Menschen durch Paramilitärs (Kartelle) und Sicherheitskräfte – erst richtig anzuheizen, gilt jetzt die elitäre Liebe Peña Nieto vom PRI. Er soll dem in der Bevölkerung „diskreditierten“ Krieg einen Anstrich von Polizei- und Justizreform geben, wie das Foreign Relations Committee des US-Senats gerade skizziert hat –  selbstredend unter Führung der US-Dienste (s. Berichte der Washington Post, 12.7.13, und der La Jornada, 13.7.12). Peña Nieto, der Verbrecher von Atenco (s. unter diesem Suchbegriff www.chiapas.ch), muss zudem Privatisierungen vorantreiben, vor allem jene des mexikanischen Öls und der Stromwirtschaft, Dinge, die unter einem Präsidenten López Obrador kaum möglich gewesen wären.

Zu Mechanismen des Wahlbetrugs ein gekürzter Artikel von zwei PRD-PolitikerInnen aus La Jornada, 7.7.12: El fraude electoral en favor del PRI: un monstruo de dinero con mil cabezas.
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Tausendköpfiges Monster mit Geld

Claudia Sheinbaum Pardo und Carlos Imaz Gispert

In den Wochen und Monaten vor den Wahlen vom 2. Juli haben wir multimillionenfache Ausgaben gesehen, die, widerrechtlicher Herkunft,  die Limiten für Kampagnen nach dem Wahlgesetz überschreiten – für den Kauf von TV-Sendezeit (bezahlte Interviews und Kommentare) und für als Propaganda gefertigte Meinungsumfragen […] . all dies bei komplizenhafter Passivität des IFE [ Behörde für die Wahlorganisation] und des TEPIF [Wahlgericht].

Vor und während der Wahlen sahen wir auch einen massiven Stimmenkauf mit Bargeld, Gutscheinen für Benzin, Elektrohaushaltgeräte, Prepaidkarten für Telefongesellschaften und für die Ladenketten Soriana, Aurrerá, Chedraui und Walmart … (im Wert von Milliarden von Pesos widerrechtlicher Herkunft [1 USD ~13.5 Pesos]. Die bekannten und illegalen Praktiken der operación tamal (Frühstück für herbei gekarrte WählerInnen] kehrten zurück; alle wählen (Urnen, in denen 100 Prozent oder mehr gewählt haben, selbst Ortsabwesende und Verstorbene); Stimmenbündel (ein/e WählerIn wirft mehrere Zettel ein) mit 2.5 Millionen Wahlzetteln, die in [der staatlichen Druckerei] Talleres Gráficos de la Nación nach dem offiziellen Ende des Druckens von Wahlzetteln und in Texas (weitere 3 Millionen) gedruckt worden sind; zehntausende von [im Land] reisenden BürgerInnen, die ihre Stimme nicht abgeben konnte, da das IFE absichtlich nicht genügend Spezialurnen aufgestellt hat; Karusselle (Leute, die in mehreren Wahlzentren wählen); casillas zapato („Schuhurnen“, mit der Variante, dass ein paar wenige Stimmen für andere KandidatInnen gezählt wurden, um nicht aufzufallen) [casilla zapato: alle Stimmen in der Urne gehen an einen einzigen Kandidaten]; Herankarren von WählerInnen;  Nötigung von WählerInnen ausserhalb der Wahlzentren; Urnenraub, Wahlzettel werden verbrannt oder auf den Abfall geworfen; Einschüchterung und Gewalt gegen WahlfunktionärInnen und ParteivertreterInnen in den Wahlzentren, einschliesslich Entführung und sogar Ermordung, und körperliche Angriffe auf WahlbeobachterInnen aus der Zivilgesellschaft. All dies bei allgemeiner und komplizenhaften Passivität von Polizei und Wahlbehörden.

Die Ladenkette Soriana gibt bekannt, dass aufgrund einer behördlichen Weisung alle ihrer vom PRI Prepaid-Karten eingefroren sind… (s. dazu Demokratiecoups - Station Mexiko)
 Weiter waren wir ZeugInnen des Spiegelverhaltens bei der Erfassung der Resultate im Programa de Resultados Electorales Preliminares [PREP,  Programm für die vorläufige Stimmenauszählung], welches darauf hinweist, dass es sich nicht um einen Zufallsfaktor bei der Erfassung der Akten handelt, sondern um einen numerischen Faktor, der die Resultatserfassung checkt und adjustiert.

Am Schluss des Wahltages sind in den Distriktzentren des IFE Urnen ohne oder mit gebrochenem oder evident verändertem Siegel gesehen worden; ungefaltete Wahlzettel in den Urnen (unmöglich, wären sie während des Wahlvorgangs eingelegt worden, da sie schlicht nicht hinein passen würden) ; Geisterurnen (die nie installiert wurden, aber in den Angaben des PREP auftauchen – unmöglich, ohne bewussten Eingriff, oder installierte Wahlzentren,  die im PREP nicht auftauchen; Manipulation oder Fälschung von Akten oder deren Erfassung im PREP (sie differieren – beträchtlich – von den Aushängen bei den Wahlzentren); […] der unerklärliche Prozentsatz der Beteiligung in vielen ländlichen Gebieten (weit über dem Durchschnitt), der mit dem Wahlverhalten nirgends auf der Welt übereinstimmt, mit einer Ausnahme: dem Wahlbetrug 1988 in Mexiko. All dies evidente Anomalien, die aber das IFE weder sieht noch korrigiert.

Und zu allem Überdruss erlebten wir in der Wahlnacht eine neue Welle von Desinformation seitens der  Umfrageinstitute und der TV-Sender mit manipulierten Exit Polls. Wir sahen die Bundesregierung und den Präsidenten des IFE, wie sie mit der Eile von Dieben, unter Verletzung des Wahlgesetzes, Peña Nieto zum Sieger erklärten – bevor die Akten erfasst oder die Distriktsauszählung erfolgt war, also bevor Resultate vorlagen! Wir sahen den IFE-Präsidenten, wie er diese Wahlen zu den saubersten der Geschichte erklärte - als sie noch im Gange waren! – und wie er ein paar Tage später dazu aufrief, die Resultate anzuerkennen – ohne dass eine offizielle [also nicht vorläufige] Auszählung der Stimmen, als es sie also noch gar nicht gab! Und wie wenn dies nicht reichte, erklärte der Präsident des Wahlgerichts gleichzeitig, indem er meinte, dass, was man im Feld nicht gewinne, nicht am Tisch erreicht werden  könne, alle möglichen gesetzlichen Einsprachen für abgewiesen, ohne dass diese überhaupt erhoben worden wären!






Mexiko - Die Losung in Goldenen Dreieck: den PRI wählen

Donnerstag, 12. Juli 2012


Ausschnitte aus einem am 9. Juli 2012 in der mexikanischen Zeitschrift „Proceso“ veröffentlichten Artikel.  Quelle:
Consigna narca en el Triángulo Dorado: votar por el PRI


Patricia Dávila
Im ominösen Goldenen Dreieck des Drogenhandels zwischen den Bundesstaaten Sinaloa, Chihuahua und Durango konnte der PRI Pistolenaktivismus der kriminellen Organisationen profitieren, die ungewöhnlicherweise durch ein gemeinsames politisches Anliegen vereint waren. AktivistInnen der Opposition berichten, wie diese effizienten Wahloperateure die stattliche Ernte an PRI-Stimmen auch in Orten, in denen niemand mehr lebt, einfuhren…
(9.7.12) „Wählt den PRI“, so lautete die Losung der organisierten Kriminalität im goldenen Dreieck, wo ungefähr 80 Prozent der Landesproduktion von Marihuana und Mohn erfolgt. In dieser gefährlichen Gegend mobilisierten das Kartell von Sinaloa, das von Juárez, die Organisation der Beltrán-Leyva und die Zetas mit der gleichen Stossrichtung. Und der PRI gewann.
Für dieses Ziel verletzten die Narcos die Freiheit der Stimmberechtigten und der Parteien: In Chihuahua schlossen sie sogar hunderte von Rarámuris-Indígenas in Lagerräumen ein und drohten, Feuer an die Häuser derjenigen zu legen, die nicht für die Kandidaten des PRI stimmen würden. In Durango bedrohten sie VertreterInnen anderer Parteien mit dem Tod. In Sinalao errichteten bewaffnete Vermummte Strassensperren. Sie sagten: „Nur die vom PRI und vom IFE [Wahlbehörde] fahren weiter, niemand sonst“.  
[…]  
Mario Vázquez Robles, Präsident des Wahlausschusses von Sinaloa des PAN [jetzt abgewählte Regierungspartei], sagt: „Drogenhändlergruppen intervenierten zugunsten des PRI. Es scheint, als ob eine faktische Allianz zischen ihnen gegeben habe: Unsere allgemeinen Parteivertreter, die am Wahltisch und sogar unsere AktivistInnen wurden bedroht. Sie sagten ihnen: ‚Wenn der PAN gewinnt oder wenn ihr den PAN wählt, werden eure Häuser brennen und eure Familien leiden’.  
„Auch wenn mich das sehr besorgt, haben wir diesen Teil nicht denunziert, denn die Leute haben Angst. Es handelt sich um Gemeinden wie Batopilas, Balleza, Nonoava, Gómez Farias, Ocampo, Guadalupe y Calvo oder Guerrero. Hier scheint es, der Staat hat die Hände in den Schoss gelegt und will nicht regieren, denn hier befehlen die mit der wirtschaftlichen Macht aus illegalen Geschäften. 
Vázquez Robles, berichtet, dass die bewaffneten Gruppen die PAN-Leute mit Telefonanrufen bedrohten, während die Parteivertreter an den Urnen mit dem Wagen verfolgt wurden, bis sie sie gezwungenermassen nach Hause umkehrten, wo sie bewacht wurden, um zu verhindern, dass sie hinaus gingen.  
[…]
Sie fuhren mit Pickups durch die Berge und brachten hunderte von Rarámuris-Indígenas herunter, die in den Ortschaften von San Carlos, Pichique und Arroyo de Rebol konzentriert wurden, Orten, wo das IFE Wahlurnen aufgestellt hat. Sie schlossen sie in Lagerräumen ein, bewacht von Bewaffneten. Sie patrouillierten in den Dörfern, so dass man sie sah, um einzuschüchtern.  
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Zum gleichen Thema auch:
Escándalo nacional: documenta Proceso apoyo del narco a campaña de Peña Nieto  


Demokratiecoups – Station Mexiko

Samstag, 7. Juli 2012



(zas, 7.7.12) Die Demokratiecoups bahnen sich ihren Weg – gegen den Aufbruch in Lateinamerika. In Paraguay haben die Multis und die Grossgrundbesitzer einen Präsidenten abgesetzt und erhalten dafür, wie im Land befürchtet wird, in ein paar Tagen auch noch einen nur dünn kaschierten Segen der Organisation der Amerikanischen Staaten. Ziele des parlamentarischen Staatsstreichs: Zerstörung der vor allem bäuerischen Sozialbewegungen , Ausweitung von gentechnisch beglückten Monokulturen unter dem Banner von Monsanto und Syngenta; Verhinderung eines linken Wahlsieges nächstes Jahr; Transformation des Landes in eine politische und militärische Aufmarschbasis des Imperialismus gegen die Unabhängigkeits- und sozialen Emanzipationsbewegungen in Südamerika und ähnlich gefällige Dinge. Vor diesem Hintergrund findet der internationale Medienmainstream auch nur wenig an Details dieser Konterrevolution auszusetzen. In El Salvador mobilisieren die Unternehmerverbände für ein ihnen genehmes Oberstes Gericht und destabilisieren jene Staatsgewalten, die, wie die Regierung und das Parlament, sich nicht direkt ihren Entscheiden anschliessen. Für Mexiko hatten die Eliten den neuen Präsidenten schon längst bestimmt, am 1. Juli und in den folgenden Tagen galt es, den Beschluss elektoral abzusichern. Schliesslich geht es hier um so wichtige, keinesfalls in Händen einer verantwortungslosen Bevölkerung zu belassende Dinge wie die Privatisierung der Ölwirtschaft, die Weiterführung (unter ein paar neuen Modalitäten) des mithilfe auch paramilitärischer Warlords geführten Sozialkrieges von oben („Drogenkrieg“) und die Integration Mexikos in die US-Sicherheitspolitik gegen den Aufbruch im Südkontinent.

Da musste halt ein wenig gehobelt werden, wie sich etwa Anfang letzter Woche in Geschäften der Ladenkette Soriana zeigte. Es gab einem Ansturm von KundInnen, die alle mit einer Prepaid-Karte von Soriana angekommen waren. Viele der sich zu Hunderten im Geschäft drängenden KundInnen waren zudem empört: Auf ihren Karten war manchmal gar kein Guthaben, manchmal nur eines von 100 oder 200 Pesos statt der vermeintlichen 500 oder 1000 (1 USD ~ 14 Pesos). KundInnen zeigten sich empört, dass der PRI, die Partei des offiziellen Wahlsiegers Peña Nieto, sie beim Stimmenkauf betrogen habe. (Die Soriana-Variante gilt für den Bundesstaat México, rund um die Hauptstadt, in dem Peña Nieto bis vor kurzem Gouverneur war). Die Leute erhielten die Karten gegen Vorweisen der Handy-Foto ihres ausgefüllten Stimmzettels). In anderen Regionen köderte der PRI mit Telekom-Karten, Geld, Zement.

Im Soriana-Laden. Aus Washington Post, 3.7.12
Quelle: El Universal, 5.7.12


Andere beliebte Tricks des Wahlbetrugs wie der, Wahllokale (in „feindlicher“ Gegend) mit einer ungenügenden Anzahl von Wahlmaterialien auszustatten, scheinen ebenfalls eine grössere Rolle gespielt zu haben.

Alles halb so wild! Nein, das mit Soriana kann man nicht mehr einfach leugnen oder ignorieren – da gab es von den linken Medien und der Wahlkampagne des offiziell untelegenen linken Präsidentschaftskandidaten Andrés Manuel López Obrador (AMLO) zuviel Wirbel um die Sache. Das mexikanische Wahlinstitut  IFE bequemt sich gar zu einer … Untersuchung. Leider etwas spät, AMLO hatte schon vor den Wahlen offiziell Anzeige gegen diese Art von Wahlbetrug des PRI gemacht. So behauptet der Mainstream, im Einklang mit einer vom IFE angeordneten Nachzählung in den Wahllokalen, in denen die offizielle Differenz zwischen AMLO und Peña Nieto weniger als ein Prozent betragen hat, es ginge da nur um ein paar Stimmchen hier, ein paar dort. Woher er das Wissen bezieht – sein Geheimnis. AMLO hatte die IFE-Nachzählung von Anfang an als ein Verschleierungsmanöver bezeichnet, da relevante Hotspots ausgelassen würden. Um Neutralität, Ausgewogenheit und Augenmass zu markieren, berichtete dafür im Schweizer Radio ein Journalist, auch der PRD habe Stimmen gekauft, wenn auch weniger als der PRI. Woher er das Wissen bezieht – sein Geheimnis. Es geht hier nicht um die einzelne Anekdote, sondern um die Dimension, Systematik des Vorgangs. Jeder relativierende Vergleich dient da nur der Absegnung des vom Imperium gewollten Wahlausgangs.

Mag sein, dass AMLO die Wahlen dank des üblichen volldemokratischen Wahlbetrugs per Medienpsychose verloren hat (auch wenn viele MexikanerInnen vom Gegenteil überzeugt sind). Mag sein, dass seine Partei, der früher linke und heute traurige PRD zum offiziellen Resultat beigetragen hat, wie das Mitglieder der ausserparlamentarischen Opposition kritisieren  – mit Sabotage an der Kampagne von AMLO, mit einer eklatanten Unfähigkeit oder einem markanten Unwillen, die defensa del voto, die Verteidigung der Stimmresultate, praktisch anzugehen (Ausbildung seiner UrnenvertreterInnen, eigenes Übermittlungssystem für Resultate und Alarme, sofortige juristische Interventionen bei Wahlbetrug etc.). Vermutlich werden wir bald mehr wissen.

So oder so: Die Sehnsucht des Mainstreams, zur „Tagesordnung“ unter dem neuen Präsidenten Peña Nieto, dem politischen Verantwortlichen für die Morde, die Vergewaltigung gefangener Demonstrantinnen und die Terrorisierung der Bevölkerung von Acteal 2006 durch seine wütende Sicherheitstruppen, spricht Bände. Das Blutvergiessen, die Paramilitarisierung  in Mexiko werden weitergehen, die Sozialangriffe gesteigert werden. Democracy!

Unsere Hoffnung: Wer zuviel mit der Geduld eines Volkes spielt, wer seine Erwartungen in Wahlprozesse systematisch frustriert, weckt neue Geister des Widerstandes. Eines Widerstandes, der sich angesichts der dramatischen Kriegslage im Land – bei allen von Peña Nieto in Aussicht gestellten Retouchen – nur radikal, umfassend, das Ganze angehend, entwickeln werden kann.

Hier einige Links zu Videos zum Wahlbetrug auf Youtube, von denen aus man noch viel mehr Material ansehen kann, so auch auf Videos von Anonymous, in denen angebliche computergesteuerte Veränderungen des Wahlresultats gezeigt werden:


2 m, englisch untertitelt. Empörte, nicht bezahlte WahlbetrugshelferInnen des PRI fordern … Gerechtigkeit.



4 m. Die PRI-Senatskandidatin María Elena Barrera, gefilmt bei einer Vorwahlveranstaltung, an der sie die Kreditkarten verteilt. Anschliessend Stellungsnahmen des Wahlkampfbüros von AMLO.

TELEVISION FRANCESA EXHIBE AL PRI COMPRANDO VOTOS DE GENTE POBRE
3 m. Englisch gesprochen. France 24-Bericht über die Organisierung von Stimmenkauf, ins Netz gestellt zwei Tage vor der Wahl.



9 m. In der Stadt Xalapa (Bundesstaat Veracruz) protestieren Hunderte vor dem Wahllokal, in dem sie nicht wählen können, da zu wenig Wahlzettel ausgeliefert wurden.

Honduras: DEA-Agent tötet in Honduras einen verdächtigen Drogenhändler

Montag, 2. Juli 2012

http://www.heise.de/tp/artikel/37/37171/1.html

Andreas Knobloch 27.06.2012

US-Regierung militarisiert den Kampf gegen die Drogen in Lateinamerika

Ein Erschossener ruft in Honduras selten öffentliche Aufmerksamkeit hervor. Dafür ist das Sterben zu alltäglich in dem Land, das als das gewalttätigste der Hemisphäre gilt (Honduras ist zum mörderischsten Land der Erde geworden). Doch das ändert sich, wenn der Schütze ein US-Amerikaner ist, ein Agent der US-amerikanischen Antidrogenbehörde DEA (Drug Enforcement Administration) noch dazu. Auch wenn er, wie die US-Botschaft Tegucigalpa mitteilt, in Notwehr gehandelt habe.
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Dass die Vereinigten Staaten an Antidrogeneinsätzen in dem zentralamerikanischen Land beteiligt sind, ist nichts Neues. Das sind sie in den verschiedensten Ländern der Region - zum Teil seit Jahren (Der Krieg gegen den Terror mündet in den Krieg gegen die Drogen). Aber es ist das erste Mal, dass die US-Regierung zugibt, dass der Todesschütze ein US-Beamter war und kein honduranischer Polizist. Das macht den Fall besonders. Und es rückt die immer aktivere Verstrickung der USA in den Drogenkrieg in den Fokus.
Der Einsatz der DEA-Agenten ist Teil einer neuen, aggressiveren Durchsetzungsstrategie, mit der versucht wird, die illegalen Drogentransporte mit Kleinflugzeugen abzufangen. An der sogenannten Operation Anvil (Amboss) sind sechs Hubschrauber des US-Außenministeriums, sowie Spezialkräfte der DEA in Zusammenarbeit mit honduranischen Polizeibeamten beteiligt.
So auch am vergangenen Samstag. Vier Helikopter der Operation griffen ein, als auf einem illegalen Flugfeld unweit des Dorfes Brus Laguna im Norden von Honduras mehrere Männer ein Flugzeug mutmaßlich mit Drogen an Bord entluden. Es gab vier Festnahmen, darunter der Pilot; mehrere Waffen und 360 Kilo Kokain wurden sichergestellt. Ein fünfter Mann versuchte nach seiner Waffe zu greifen und wurde von einem DEA-Agenten erschossen, wie der Sprecher der US-Botschaft, Stephen Posivak, mitteilte. Später nahm die honduranische Polizei noch sechs weitere Verdächtige fest.
Die DEA bestätigte die Schüsse, erklärte aber, der Beamte habe sich nach den Einsatzregeln , die in einem bilateralen Abkommen zwischen Honduras und den USA festgelegt sind, korrekt verhalten. Danach ist der Einsatz von Schusswaffen erlaubt, wenn Leben in Gefahr sind. Dieser Fall habe vorgelegen. Trotz des Toten bezeichnete Botschaftssprecher Posivak den Einsatz als "großartiges Beispiel positiver US-amerikanisch-honduranischer Zusammenarbeit". Es kommt wohl auf die Perspektive an.
Bereits Mitte Mai waren bei einer Aktion gegen Drogenbanden in der Nähe von Ahuas, rund zwanzig Kilometer von Brus Laguna entfernt, unter Beteiligung der DEA vier Menschen getötet worden. Laut honduranischer Polizei handelte es sich dabei um Drogenschmuggler. Menschenrechtsorganisationen erhoben jedoch schwere Vorwürfe gegen die Einsatzkräfte. Sie widersprachen der offiziellen Version. Vielmehr seien die Opfer unbeteiligte Zivilisten gewesen, darunter zwei schwangere Frauen, die auf dem Fluss unterwegs waren. Auch war spekuliert worden, dass US-Beamte die Schützen gewesen sein könnten, was von offizieller Seite aber dementiert wurde.
Vom War on Terror zurück zum War on Drugs
Das Massaker geschah nur wenige Tage, nachdem die New York Times in einem vielbeachteten Artikel die Verlegung von Truppen nach Zentralamerika und die Anwendung von Aufstandsbekämpfungsstrategien aus den Kriegen im Irak und in Afghanistan berichtet hatte. Die FAST (Foreign-deployed Advisory Support Team) genannten Kommandounternehmen, die unter der Bush-Administration in Afghanistan zur Bekämpfung der Verbindungen von Taliban und Drogenschmugglern geschaffen und nun nach Honduras "importiert" wurden, erhalten ihre militärische Ausbildung von früheren Mitgliedern der Navy SEALs. Die Spezialeinheit der US-Marine war u.a. an der Erschießung Osama Bin Ladens in Pakistan, aber auch den Invasionen in Granada oder Panama beteiligt. Zudem wurden drei neue Stützpunkte in abgelegenen Regionen des Landes eingerichtet, um den Bewegungsradius zu erhöhen. Auch personell wurde aufgestockt - zusätzlich zu den geschätzt 600 US-Militärs, die zuvor schon in Honduras stationiert waren.
Die FAST-Einheiten sind Teil einer aggressiveren Strategie gegen die in der Region operierenden Drogenkartelle. Das US-Außenministerium schätzt, das fast vier Fünftel aller Drogentransporte aus Südamerika in Honduras zwischenlanden. Allein in der Region um Ahuas werden mindestens elf illegale Landebahnen vermutet. In den vergangenen Monaten haben die USA ihre militärische Beteiligung in Honduras deshalb massiv ausgebaut. Das erste Feuergefecht in Honduras, in das FAST-Agenten involviert waren, wurde im März 2011 bekannt. In diesem Jahr hat die Häufigkeit solcher Operationen zugenommen. Allein in den vergangenen zwei Monaten wurden vier Drogenflugzeuge abgefangen. Davor waren es von Mitte 2010 bis Ende 2011 insgesamt sieben.
Während sich die Regierungen in Washington und Tegucigalpa zufrieden zeigen, kritisieren Menschenrechtsgruppen in beiden Ländern die zunehmende Verwicklung der USA. In Honduras wächst zudem die Sorge, dass die Kommandooperationen, die nationale Souveränität untergraben könnten. Eine Gruppe von 40 honduranischen Wissenschaftlern und früheren Regierungsvertretern hat Anfang des Monats in einem Brief an US-Präsident Barack Obama und US-Außenministerin Hilary Clinton deshalb den Stopp der US-Hilfe für Honduras' Armee und Polizei gefordert. Dem Aufruf schlossen sich bisher 300 Akademiker aus 29 Staaten an.
Die wachsende US-Militärpräsenz in Honduras seit dem Staatsstreich gegen Manuel Zelaya 2009 wird begleitet von zunehmenden Menschenrechtsverletzungen. Unter dem Deckmantel des "Krieges gegen die Drogen" wird das Land mehr und mehr militarisiert. Mindestens 24 Journalisten wurden seit dem Amtsantritt von Zelayas Nachfolger im Präsidentenamt, Porfirio Lobo, ermordet. Aufgeklärt wurde bis heute keines der Verbrechen. Es herrscht ein Klima totaler Straflosigkeit, die Sicherheitslage ist verheerend, Korruption weit verbreitet, Morde und das "Verschwinden" politischer Gegner an der Tagesordnung. Ein Menschenleben ist eben nicht viel wert in Honduras. Den US-Amerikanern auch nicht, wie es scheint. Das Verteidigungsministerium setzt zur Bekämpfung der Gewalt für weitere drei Monate das Militär im Rahmen der Operation Relámpago ein.