Venezuelas Militär bekämpft Paramilitärs aus Kolumbien

Dienstag, 28. März 2017

https://amerika21.de/2017/03/172659/paramilitaers-kolumbien-venezue
27.03.2017Von
Die Gaitanistischen Selbstverteidigungstruppen sind landesweit aktive Paramilitärs
Die Gaitanistischen Selbstverteidigungstruppen sind landesweit aktive Paramilitärs
Caracas/Bogotá. Venezolanische Militäreinheiten haben im Bundesstaat Tachira im Grenzgebiet zu Kolumbien ein Lager mit 120 Paramilitärs aufgelöst. Dort wurden Uniformen der kolumbianischen und venezolanischen sowie der US-Armee entdeckt. Außerdem wurden Granatwerfer, Handgranaten, Maschinengewehre und Raketenwerfer beschlagnahmt.
Auf einer Pressekonferenz erläuterte Tachiras Gouverneur, José Gregorio Vielma Moro, die Einzelheiten der Operation. Neben Uniformen verschiedener Nationalitäten und Kriegswaffen seien detaillierte Aufstellungen des An- und Verkaufs von Waffen und Treibstoff sowie Namenslisten von künftigen Opfern von Entführungs- und Erpressungsdelikten gefunden worden. Im Lager sichergestellte Uniformen tragen das Abzeichen der in Kolumbien bekannten paramilitärischen Organisation "Gaitanistische Selbstverteidigung! (ACG).
Der Gouverneur berichtete, dass zwischen neun und zwölf Paramilitärs bei der Einnahme des Lagers, die stundenlange Gefechte auslöste, getötet wurden. Zwei Soldaten der venezolanischen Armee wurden mit Schussverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Er wies die Behauptung zurück, dass die Souveränität des kolumbianischen Luftraums durch Hubschrauber aus Venezuela verletzt worden sei. Der Vorwurf soll Gegenstand von direkten Gesprächen auf Regierungsebene sein. Die Bevölkerung des venezolanisch-kolumbianischen Grenzgebietes zeigte bereits seit Monaten vermehrt Raubüberfälle, Viehraub und Erpressungen durch kolumbianische Paramilitärs an.
Kolumbiens Militär hat bislang nicht eingegriffen, die Regierung weigert sich, die Existenz von Paramilitärs im Land überhaupt anzuerkennen.
Am 17. März haben mehrere soziale Organisationen vor der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte (CIDH) neben verschiedenen Klagen über die Nichterfüllung der Friedensvereinbarungen durch den kolumbianischen Staat auch dieses Thema zur Sprache gebracht. Sie forderten, dass die Regierung die Existenz und die Operationen der Paramilitärs im Land anerkennen müsse. Das sei der erste Schritt, um sie überhaupt bekämpfen zu können. Die Regierungsvertreter argumentieren jedoch, eine Anerkennung würde den sogenannten kriminellen Banden (Bacrim) einen politischen Status verleihen. Dagegen sprechen mehrere Urteile des Obersten Gerichts, in denen geklärt worden ist, dass die Paramilitärs keinen politischen Status erhalten, da sie den Staat nicht angreifen.

Brasilien: Massenwiderstand, ein Mord, ein Skandal und die Sklaverei

Mittwoch, 22. März 2017




(zas, 22. 3. 17) Letzten Samstag demonstrierten vielleicht eine Million Menschen gegen die geplante Rentenkonterreform der Putschregierung Temer (Renten nur ab 65 und nach mindestens 25 Jahren Arbeit - für die Mehrheit unmöglich; private Pensionsfonds – für die Mehrheit unerschwinglich - als  Lösung für die Rausgefallenen). Hauptkraft bei der Riesenmobilisierung war die LehrerInnengewerkschaft CNTE, deren Mitglieder am 14. März einen zehntägigen Streik gegen die Rentenzerstörung begannen. Die Demo gliedert sich ein in eine Reihe zunehmender Aktionen des Widerstands gegen die neoliberale Zerstörung (und eine breite Mobilisierung um Lula, um dessen Präsidentschaftskandidatur 2018 gegen den Versuch der Justiz, ihn als Kandidaten auszuschalten, zu schützen). Am 7. März blockierten 1500 Frauen des MST die Anlagen des Agrogiftfabrikanten Vale Fertilizantes in Cubatão (São Paulo), der zum brasilianischen Minen- und Logistikmulti Vale gehört. (Vale Fertilizantes schuldet der staatlichen Rentenversicherung $ 90 Mio. Insgesamt schulden Privatunternehmen der Versicherung nach Aussagen der Frauen des MST rund $ 140 Mrd. Temer & Co. argumentieren wie auch hierzulande gewohnt mit der „Nicht-Nachhaltigkeit“ des öffentlichen Pensionsystems). Die Blockade war Teil eines Kampfzyklus der MST-Frauen vom 6. – 10. März gegen die Rentenkonterreform. Am 10. übernahmen also die LehrerInnen.

Cubatão, 7. März 2017: MST-Frauen blockieren Vale.

Temer versucht nun eine taktische Neuaufstellung: Er zieht die Reform für die von Einzelstaaten angestellten LehrerInnen zurück, nicht aber für die vom Bund besoldeten, für alle anderen Bundesangestellten und die Werktätigen im Privatsektor. Die Einzelstaaten, so Temer, hätten ihre je eigenen Reformpläne.

Der Mord
Waldomiro Costa Pereira


Am 19. März wurde Waldomiro Costa Pereira im Spital der Stadt Parauapebas im Staat Pará im Nordosten des Landes von einem fünfköpfigen Killerkommando umgebracht. Tags zuvor wurde er mit Schussverletzungen hospitalisiert. Drei Killer hatten versucht, ihn auf seinem Hof nahe von Eldorado dos Carajás zu erschiessen. 
Spitalkameras nahmen das Killerkommando auf.
Eldorado dos Carajás? International ein Symbol für den Kampf für eine Landreform. Hier brachte am 17. April 1996 die Militärpolizei 19 LandarbeiterInnen des MST um, in einer „Konfrontation“, wie sich das Medienimperium O Globo noch heute nicht zu lügen enthalten kann.  Seither ist der 17. April der Internationale Tag des Landkampfs. Waldomiro gehörte damals zu den Überlebenden. 2 der von der Staatsanwaltschaft angeklagten 154 Militärpolizisten sind verurteilt worden (zwei Kommandanten). Im Pará gibt es viele Landkämpfe, 14‘000 Familien lebten letztes Jahr in MST-Besetzungsaktionen. 
April 1996: An der Beerdigung der LandarbeiterInnen.
 
Einfühlsam - der „Skandal“
Fleischskandal in Brasilien –die Schweiz ist davon angeblich nur am Rand betroffen, also fliegt die Nachricht schnell wieder aus den Medien. Nicht ohne dass zuvor am 21. März die NZZ in Schadenbegrenzung gemacht hätte. „Unappetitliche Vorwürfe“, „Auch aussenpolitisch ärgerlich“ – so die doch einfühlsame Tonlage zu  einem gesundheitsschädigenden Grossbetrug, an dem die beiden global führenden Multis JBS und BRF, und eine Reihe staatlicher FunktionärInnen, eventuell bis hinauf zum noch amtierenden Justizminister Temers, beteiligt waren. Die NZZ leistete ihren gewohnten Schreibeinsatz für die „Argumente“ der Betrüger und ihres Landwirtschaftsministers: Die Bullen hätten keine Beweise, bloss oft falsch interpretierte Abhörprotokolle etc. Dem Wirtschaftskorrespondenten in São Paulo scheinen zwei Dinge aufgestossen zu sein: dass seine Speise so gut wie angenommen vielleicht nicht gewesen sei, und vor allem, dass das „Ärgernis“ protektionistischen Kräften Auftrieb geben könne, wo doch eigentlich ein Freihandelsvertrag EU/Mercosur die Welt beglücken sollte: Die Lobbys der Fleischproduzenten in den Absatzländern der brasilianischen Marktführer bekommen nun Aufwind: Abgeordnete und der Agrarminister Irlands verlangen einen umgehenden und permanenten Importstopp für brasilianisches Fleisch in Europa. Auch in Belgien und Finnland gibt es Druck auf Brüssel, den Markt längerfristig zu sperren.“

Demnächst einfühlsam – die Sklaverei?
Dass der „Marktführer“ JBS auf der „schmutzigen Liste“ des Arbeitsministeriums auftaucht, die Unternehmen, die von „Sklaverei-ähnlichen“ Ausbeutungsbedingungen profitieren, erfasst, muss im Freihandels-Modus nicht erwähnt werden. Um genau zu sein: Nicht JBS, „bloss  ihr Zulieferer“ (Fazenda CSM). Falls über die „Affäre“ doch noch berichtet werden müsste, dürfen wir uns wohl auf eine neue „Einfühlsamkeit“ freuen, wie sie JBS vorspurt. Sie teilt nämlich mit, „dass ihre letzte Kaufoperation mit Fazenda CSM Agropecuária Ltda am 14. November 2016 erfolgt ist, also vor der Veröffentlichung der Liste der Sklavenarbeit durch Repórter Brasil am 14. März 2017“. Ohnehin benutzt JBS „täglich erneuerte Blockierungsmechanismen, um den Kauf von Rohstoffen bei Lieferanten zu verhindern“, die in der Sklavereiliste auftauchen. 
Quelle: Repórter Brasil.
 Corporate Social Responsibility at its best! Ein Licht auf diese edle Politik wirft Folgendes: Unter Präsident Lula wurde die “schmutzige Liste” ab 2003 veröffentlicht. Im Dezember 2014 verbot der Präsident des Obersten Gerichts, Ricardo Lewandowski, ein Putschgehilfe, deren Publikation auf Verlangen einer Immobiliengesellschaft. Im Mai 2016 hob die neue oberste Magistratin das Verbot nach einer Änderung der Veröffentlichungsregeln auf. Das hinderte den Arbeitsminister Temers, Ronaldo Nogueira,  nicht daran, am Veröffentlichungsverbot festzuhalten. Letzten Dezember verlangte aber  die Arbeitsrechtliche Staatsanwaltschaft die Aufhebung der Geheimhaltung, worauf Nogueira mehrere Rechtsschritte dagegen ergriff. Seine Begründung: Es brauche eine weitere Problemdiskussion und es gelte, die Rechtsgarantien besagter Wirtschaftssubjekte zu respektieren. (Die Liste wird von der UNO als eines der wichtigsten Instrumente gegen die Sklaverei in Brasilien taxiert.) Schliesslich konnte die auf Arbeits- und Umweltfragen spezialisierte NGO Repórter Brasil gestützt auf das Informationszuganggesetz die Liste erhalten und publizieren. 
Quelle: Repórter Brasil.