El Salvador: Unsägliches Urteil gegen Teodora del Carmen Vásquez

Mittwoch, 27. Dezember 2017

(zas, 27.12.17 ) Sorry, dieses Schreiben von Michael Krämer von der deutschen NGO Inkota hätte schon vor zwei Wochen hier wiedergegeben werden sollen.
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Freiheit für die 17 plus
Liebe Freundinnen und Freunde von INKOTA,
das Urteil, mit dem am Mittwoch ein Gericht in El Salvador die 30-jährige Gefängnisstrafe für Teodora del Carmen Vásquez bestätigte, hat mich entsetzt.

Im Juli 2007 hatte Teodora del Carmen Vásquez während der Arbeit in einer Schule eine Fehlgeburt erlitten. Bereits Stunden zuvor hatte sie wegen großer Schmerzen beim polizeilichen Notruf einen Krankenwagen angefordert – doch der traf nie ein. Sie verlor ihr Kind. Einige Monate später wurde sie wegen Mordes zu 30 Jahren Haft verurteilt – obwohl die Autopsie des Babys keine Gewalteinwirkung festgestellt hatte und die Todesursache nicht klären konnte. Die Verhandlung ließ Teodora Vásquez keine Chance. Wie sie mir bei einem Gespräch im Gefängnis von Ilopango erzählte, sah sie ihre Pflichtverteidigerin erst vor Gericht zum ersten Mal.

Die 
von INKOTA seit einigen Jahren unterstützte „BürgerInnenvereinigung für die Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs“ hatte nun ein Berufungsverfahren erreicht. Eine diesmal sehr gut vorbereitete Verteidigung, die von Amnesty International finanziert wurde, konnte mit zwei Gutachten deutlich machen, dass im ersten Verfahren schwere Fehler begangen wurden und die Anschuldigung, Teodora Vásquez habe ihr Kind nach der Geburt erstickt, eine schwere Fehlinterpretation des Autopsieberichts darstellt.

Doch das Gericht wollte das an Teodora del Carmen Vásquez begangene Unrecht nicht rückgängig machen, hätte dies doch bedeutet, die Fehler der eigenen KollegInnen im ersten Verfahren anzuerkennen. Denn das Berufungsverfahren fand vor dem demselben Gericht in San Salvador statt, wie schon die Verhandlung vor zehn Jahren.

Ein Unrecht, das auch der Deutsche Botschafter in El Salvador, Bernd Finke, so bewertet: „Es wurde eine große Chance vertan, um Unrecht in Recht zu verwandeln, den Rechtsstaat zu stärken und den Menschenrechten zu einem, wenn auch späten, Triumph zu verhelfen.“ Der Botschafter hatte als Beobachter an dem Prozess teilgenommen.

Ich selbst konnte Teodora Vásquez vor einem Jahr im Gefängnis von Ilopango besuchen und 
interviewen. Wie unsere Partner von der „Kampagne Freiheit für die 17 Plus“, Amnesty International und die Deutsche Botschaft in El Salvador bin auch ich überzeugt, dass Teodora Vásquez zu Unrecht in Haft ist. Das salvadorianische Justizsystem begeht eine große Ungerechtigkeit, indem es ihr auch nach mehr als zehn Jahren Haft weiterhin die Freiheit verweigert.

Bei meinem Besuch in El Salvador im Januar 2018 werde ich Teodora Vásquez erneut im Gefängnis besuchen. Gemeinsam mit der Kampagne „Freiheit für die 17 plus“ planen wir, wie wir uns weiterhin für die Freiheit von Teodora Vásquez und anderen einsetzen können. Dieses Urteil ist ein großer Skandal und darf nicht so stehen bleiben!

Herzliche Grüße
Michael Krämer

Honduras: State Department wie gehabt

Freitag, 22. Dezember 2017



(zas, 22-12-17) Erst liess Washington Vasallen vortraben, um dem honduranischen «Wahlsieger», den Diktator Hernández, zu seinem Wahlerfolg zu gratulieren: Santos von Kolumbien, Peña von Mexiko und ihresgleichen (auch Rajoy von Spanien mochte da nicht fehlen, auch wenn sich seine Hoffnung auf ein Honduras-Repeat in Katalonien jetzt nicht erfüllt haben.) Jetzt hat auch das State Department Hernández beglückwünscht. Der hatte sich schon im Voraus als verlässlich erwiesen: Honduras war eines der wenigen Länder in der UNO-VV, die gegen die Jerusalem-Resolution gestimmt haben.
Die formelle US-Anerkennung von Hernández ist keine Überraschung. Das wusste die Menge, die gestern vor der US-Botschaft in Tegucigalpa demonstrierte. In einem Interview sagte dabei ein Exponent des linken Flügels von Libre, Gilberto Ríos, die Bewegung werde auch über Weihnachten weiter auf der Strasse sein. Das wäre für Honduras, wo über diese Feiertage normal einzig Fiesta und Playa angesagt sind. Ein reales Wunder. Gilberto Ríos äusserte auch an Nasralla, der sich während einiger Tage in den USA aufhielt, eine Kritik: Die Wahlen würden nicht bei Uncle Sam gewonnen, sondern im Land auf der Strasse. Nasralla, wieder zurück im Land, verteidigte sich gestern Nacht mit dem Verweis auf einen Brief gegen den Wahlbetrug von 27 US-Abgeordneten. Nasralla sagte tatsächlich: «Die Leute des US-Kongresses sind mit uns.» Und morgen (heute) werde die OAS sich definitiv für Neuwahlen aussprechen.


https://www.state.gov/r/pa/prs/ps/2017/12/276752.htm

On the Presidential Elections in Honduras

Press Statement
Heather Nauert
Department Spokesperson
Washington, DC
December 22, 2017


We congratulate President Juan Orlando Hernandez on his victory in the November 26 presidential elections, as declared by the Honduran Supreme Electoral Tribunal (TSE).
The close election results, irregularities identified by the OAS and the EU election observation missions, and strong reactions from Hondurans across the political spectrum underscore the need for a robust national dialogue. A significant long-term effort to heal the political divide in the country and enact much-needed electoral reforms should be undertaken.
We call upon the TSE to transparently and fully review any challenges filed by political parties. We urge Honduran citizens or political parties challenging the result to use the avenues provided by Honduran law.
We reiterate the call for all Hondurans to refrain from violence. The government must ensure Honduran security services respect the rights of peaceful protestors, including by ensuring accountability for any violations of those rights.

Honduras: Viele Kämpfe, viele Fragen

Mittwoch, 20. Dezember 2017



(zas, 20.12.17) Für heute Mittwochnachmittag hat die Antidiktatur-Allianz zu einem «energischen» Grossprotest vor dem Generalstab der Armee aufgerufen. Für morgen Nachmittag zu einer Mobilisierung vor die US-Botschaft, gegen «die Unterstützung für den Betrug und die Finanzierung der Repressionskräfte, die die Menschenrechte verletzen». Für Freitag schliesslich zu allgemeinen Protesten landesweit.Das Regime schickt unterdessen noch mehr Militär für den Einsatz gegen Strassensperren in den Norden, die wichtigste Wirtschaftszone des Landes. 

Militärtransporter auf der Fahrt in den Norden. Quelle: twitter.com/GildateleSUR/
Obwohl schon am Montag drei Protestierende erschossen worden sind, gehen die Leute immer noch auf die Strasse. In den Social Media zirkulieren viele Videos mit erschreckenden Szenen, etwa wenn die Leute entsetzt sagen hörst, dass jetzt im Park (gefilmt aus der Distanz mit Handy), grad welche erschossen worden sind. Oder «Jagdszenen» mit Scharfschüssen auf den Strassen. Dennoch ist es nicht richtig, nur die Opfererzählung zu verbreiten. Die Führung der Alianza ruft zu strikt friedlichen Protesten auf, aber in der Resistencia trifft das nicht unbedingt die Stimmung. (Eine andere Sache ist der erwiesene Einsatz von Provokateuren bei Plünderungen.) Im folgenden Video etwa sehen wir auch einen Studenten, der ruft, sie hätten keine Angst zu sterben und würden die Bullen packen.
 Der gewählte, aber vom Regime nicht anerkannte Oppositionskandidat Salvador Nasralla ist derzeit in Washington. Hier hat er sich schon mit OAS-Chef Luis Almagro ins Einvernehmen für die Ausrufung von Neuwahlen gesetzt; ein Treffen im State Department steht an. Er sagte nach dem OAS-Besuch, die Lage im Land sei «unhaltbar; wir befinden uns am Rand eines Bürgerkriegs.»
Es scheint drei grundsätzliche Stossrichtungen in Honduras zu geben. Die eine verkörpert das Regime, das darauf setzt, über Weihnachten/Neujahr die Proteste unter Kontrolle zu kriegen, um die Präsidentschaft von Juan Orlando Hernández weiterführen zu können. Diese Tendenz wird vorderhand vom State Department unterstützt, etwa wenn die Departmentsprecherin Heather Hauert nach der Verkündung des «Wahlsiegs» vom Juan Orlando Hernández (JOH)  erklärt, jetzt beginne eine 5-Tages-Frist für allfällige Einsprachen, die Parteien sollten «allfällige Bedenken» hier kanalisieren – in ein evident verlogenes Wahlgericht.
Eine zweite Tendenz ist jene von OAS, Nasralla, verschiedenen Strukturen der «Zivilgesellschaft», wie dem jesuitischen Radio Progreso, die eine Neuwahl unter OAS-Regie anpeilen. Hauptargument ist, dass die Institutionalität des Landes zerbrochen sei und keine Lösungsmöglichkeit biete, weshalb die in Verfassung und Gesetzen nicht vorgesehene Neuwahl sich aufdränge. Radio Progreso, Nasralla etc. betonen, Neuwahlen könnten nicht unter dem bisherigen Wahlgericht laufen, sondern müssten von einer «unparteiischen, objektiven» Instanz oder, wie Nasralla mehrmals sagte, von einem solcherart qualifizierten «internationalen Richter» ausgerichtet werden. Aus einer linken Ecke der führenden Oppositionspartei Libre erhielten wir die Einschätzung, diese Lösung müsse als «taktisches Ziel» unterstützt werden, als Station also im Prozess der Unterklassenorganisierung. Eine «Ecke», die natürlich bestens Bescheid weiss über die Rolle der OAS gegen die links regierten Länder im Kontinent. Diese Kräfte sprechen sich so faktisch für eine Ermächtigung der OAS aus, die über derzeit offenbar bestehende Differenzen mit einem Teil der US-Politeliten hinaus eindeutig deren Werkzeug ist. Dass etwa die progressiven Jesuiten diese Lösung unterstützen, ist weniger überraschend. Sie haben in Zentralamerika oft gezeigt, dass sie mehrheitlich ein möglichst «cleanes» formaldemokratisches Politmanagement den Wirren und Dynamiken einer Politik von unten vorziehen. Die Orientierung auf Neuwahlen, zu denen es nur mit dem Plazet Washingtons als Resultat eines elite-internen policiy finding kommen kann, könnte je nach dem für viele Leute in Honduras ein Ausweg sein aus einer Lage sein, die viele schlimme Opfer androht. Gleichzeitig aber wird sie im Fall ihrer Durchsetzung zulasten der Dynamik von unten jene Kräfte ins Zentrum stellen, die wie vermutlich Nasralla gesellschaftliche Mobilisierungen bloss als Mittel zum Zweck sehen, nicht als Teil des strategischen Ziels.
Und damit wären wir bei einer dritten Tendenz, wie sie sich in den Strassenkämpfen ausdrückt. Sie will die Diktatur (nicht nur auf der politischen Ebene) weghaben und hat mit OAS-Strategien und dgl. kaum viel am Hut. Dafür stehen nicht nur Organisationen wie die indigene Copinh, die Ofraneh der Garífunas an der Karibikküste oder die vielen Kerne der studentischen Bewegung. Das geht in undefinierte Gewässer wie die spontanen Strukturen der Kollektivität in den Barrios und Dörfern, von denen wir immer wieder «en passant» Zeugnisse erhalten, also in die Seele der Resistencia. Diese operieren nicht entlang von mehr oder weniger edlen Politkalkülen, sondern direkt aus der Revolte gegen untragbare Zustände im Alltag, die mit dem Wahlbetrug einen Overkill erfahren haben. Sollte hier ein «Ja» für Neuwahlen zum Konsens tendieren – weil eben die Perspektive enormer Schmerzen wegen der Repression als übermächtig wahrgenommen wird –gäbe es von aussen nichts zu meckern.
Die Linke wäre dann ein weiteres Mal damit konfrontiert, dass der Imperialismus nicht nur offen völkermörderisch, sondern auch auf samten Pfoten daherkommen kann. (Wie etwa in Guatemala, wo viel Wut über Willkür und Korruption der Mächtigen bisher in Kanäle unter Kontrolle der US-Botschaft etc. geleitet werden konnte.) Die OAS hat sich in der letzten Zeit wegen ihrer schamlosen Dienstbarkeit für die Angriffe auf linke Regierungen in Lateinamerika immer mehr diskreditiert. Almagro und seine Organisation werden den ungewohnten Glanz an «demokratischem Engagement» neue Imperiumsdienste einzusetzen wissen. In diesem Punkt ist der nach Brüssel zurückgekehrten Leiterin der EU-Wahlmission in Honduras, Marisa Matías, Recht zu geben, wenn sie im Interview mit dem Regimeblatt El Heraldo mit Blick auf die OAS meint: «Eine Wahlwiederholung vorzuschlagen ist eine Form der Einmischung.» Ansonsten stellt sich die eigentlich linke portugiesische Europarlamentarierin hinter das den Wahlbetrug politisch und praktisch schluckende Statement ihrer Mission – s. Post von gestern - und stellt erst für den Abschlussbericht Äusserungen zu «eventuellen» Mechanismen der Wahlmanipulation in Aussicht. Die kritische Predigt gibt’s sonntags, wenn die Woche gelaufen ist. Nicht jetzt, wo sie Leben retten könnte.) 
Solidarität auf der salvadorianischen Seite eines Grenzübergangs. Quelle: twitter.com/GildateleSUR/