USA hungern Venezuela aus

Freitag, 24. Mai 2019

https://www.jungewelt.de/artikel/355310.venezuela-usa-hungern-venezuela-aus.html
Aus: Ausgabe vom 23.05.2019, Seite 2 / Ausland
Venezuela

Caracas arbeitet an Gegenmaßnahmen
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Venezuelas Präsident Nicolás Maduro (M.) am 17. April in einem Versandzentrum für staatliche Lebensmittelpakete in Caracas
Die USA bereiten offenbar eine weitere Verschärfung ihrer Blockadepolitik gegen Venezuela vor. Wie die Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch meldete, sollen sich die neuen Maßnahmen gegen das staatliche Programm zur Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln richten. Washington werfe Regierungsmitgliedern vor, über die »Lokalen Komitees für Versorgung und Produktion« (CLAP) Geld für Präsident Nicolás Maduro gewaschen zu haben.
Die CLAP-Pakete sind für einen Großteil der venezolanischen Bevölkerung unverzichtbar, weil Lebensmittel auf dem freien Markt aufgrund von Hyperinflation und Spekulationen kaum noch bezahlbar sind. So erhalten die Menschen vor allem haltbare Grundnahrungsmittel, zum Beispiel Nudeln, Reis, Milchpulver, Sardinen, Öl oder das für die venezolanische Küche unverzichtbare Maismehl. Rund die Hälfte der Produkte wird im Land selbst produziert, andere importiert. Der Verkauf der staatlich subventionierten Waren zu äußerst geringen Preisen wird durch Basisgruppen in den Stadtvierteln organisiert. Nach offiziellen Schätzungen beziehen inzwischen rund 90 Prozent der Familien des südamerikanischen Landes die regulär monatlich ausgelieferten Pakete.
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Als Reaktion auf den Wirtschaftskrieg Washingtons will Venezuela ein neues »unabhängiges und souveränes« Zahlungssystem einführen. Das kündigte der Chef der Bankenaufsichtsbehörde Sudeban, Antonio Morales, am Dienstag (Ortszeit) in Caracas an. Es werde ein System für nationale Überweisungen geben, die keinerlei Verbindung zu ausländischen Servern habe, so dass es nicht blockiert werden könne, erklärte er. Diese sollten von den USA kontrollierte Kreditkarten wie Visa und Mastercard ablösen. Das neue System soll ab Ende November verfügbar sein, ab Januar 2020 sollen Kreditkarten eingesetzt werden können.
Die Regierung Venezuelas klagt mehrere Dutzend internationale Banken an, Vermögenswerte im Umfang von mehreren Milliarden US-Dollar eingefroren zu haben, die deshalb nicht für die Versorgung der Bevölkerung eingesetzt werden können. Auch deutsche Finanzinstitute verweigern Zahlungsgeschäfte mit Caracas, weil ihre Korrespondenzbanken in den USA von den Sanktionsvorschriften betroffen sind. (PL/Reuters/jW)

Venezuela: Das Inserat im Tages-Anzeiger

Donnerstag, 23. Mai 2019

Anzeige im Tages-Anzeiger vom 21. Mai 2019.
Hier geht es zum Text

Bolivien: So mobilisiert das MAS


Landesweiter Auftakt zur Wahlkampagne im Departement Cochabamba - es sollen eine Million Menschen dabei gewesen sein.

Rojava Newslertter 4

# Newsletter Nr. 4 # April - mitte Mai
Liebe Freund_innen
Schwerpunkte diesen vergangenen Monates :
1 Zerschlagung des IS
2 Hungerstreiks
3 Wahlen in der Türkei
4 Angriffe in Afrin und Idlib
1 Ein Riesenerfolg wurde durch die SDF (Syrian Democratic Forces, von
der YPJ und YPG geleitet) erkämpft. Die letzte IS Bastion wurde in einem
aufopferungsvollem Kampf befreit, nun folgen weitere Herausforderungen:
https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/siegesfeier-in-deir-ez-zor-der-is-war-wie-ein-krebsgeschwuer-10325
https://lowerclassmag.com/2019/03/20/dank-euch-soldatinnen-der-revolution/
2 Es gäbe unendliches zu Berichten über die 7000 im Hungerstreik und die
weltweiten Solidaritätsaktionen. Ein Bericht des Arztes in Strasbourg
zur aktuellen Lage am Tag 130 (26.4.) (Heute ist Tag 154 / 5 Monate),
(Leyla Güven seit 193 Tagen):
https://hungerstrikes.eu/de/2019/04/26/doctor-gulsen-hunger-strikers-in-strasbourg-at-critical-stage/
Dass zwei Anwält_innen am 2. Mai Abdullah Öcalan, nach 8 Jahren, für
eine Stunde im Gefängnis besuchen durften, liess die Forderung für die
Aufhebung der Isolation nicht verstummen:
http://civaka-azad.org/tuerkei-politische-gefangene-in-gefaengnissen-setzen-hungerstreik-fort/
Im Gegenteil, sie intensivierten sich. Im Moment sind 30 PKK Gefangene
ins Todesfasten übergegangen:
https://anfdeutsch.com/aktuelles/todesfastende-es-steht-auf-messers-schneide-11296
Andere Formen der Solidarität waren #7000gegenIsolation in der Schweiz
und Deutschland, aber auch in Frankreich und Italien wurden Transpis
gehängt:
Schweiz -
https://rojavaagenda.noblogs.org/post/2019/04/01/7000gegenisolation/
Deutschland - https://tatortkurdistan.noblogs.org/
In der Türkei demonstrieren unerschöpflich die Mütter und Angehörigen
der Gefangenen trotz grosser Gewalt der Polizei:
https://anfdeutsch.com/aktuelles/Uebergriff-auf-mahnwache-in-bakirkoey-11302
https://anfdeutsch.com/aktuelles/muetter-starten-sitzstreik-im-tuerkischen-parlament-11384
Und zwei Beispiele von Soli-Aktionen in Deutschland
https://anfdeutsch.com/aktuelles/bundespressekonferenz-wir-wollten-gar-nicht-lange-stoeren-11267
https://lowerclassmag.com/2019/04/14/hungern-gegen-isolation-hungerstreik-berlin/
Und der Druck des Widerstandes scheint etwas zu bewegen:
https://anfdeutsch.com/aktuelles/erklaerung-des-anwaltsbueros-von-abdullah-Oecalan-11437
3 Nach den Wahlen am 31.3.2019 ist für kurz die Politik der staatlichen
Zwangsverwaltung in Nordkurdistan (in der Türkei) zusammengebrochen.
Die HDP hat in acht Provinzen und 45 Landkreisen gewonnen. In Amed
(Diyarbakir) hat die HDP alle Kommunalverwaltungen zurückgewonnen, in
denen die gewählten Bürgermeister*innen abgesetzt und staatliche
Treuhänder eingesetzt worden waren. Doch gleich darauf riss Erdogan die
Macht wieder an sich.
Ausführlicher Artikel, 4.4.:
https://revoltmag.org/articles/t%C3%BCrkischer-fr%C3%BChling/
Weiterführend 7.5.:
https://revoltmag.org/articles/erdo%C4%9Fans-ziviler-putschversuch/
Kürzer:
https://anfdeutsch.com/aktuelles/hdp-putsch-gegen-den-willen-der-bevoelkerung-10701
4 Am 1.Mai lancierte der türkische Staat mit verbündeten islamistischen
Gruppen wieder Angriffe auf Gebiete im Kanton Afrin. Darunter auch die
Region Sehba wo sich tausende Geflüchtete befinden:
https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/efrin-fluechtlingen-droht-erneute-vertreibung-11195
Die Angriffe konnten im Moment grösstenteils gestoppt werden.
Gleichzeitig baut der türkische Staat eine Mauer in der Föderation
Nord-Ostsyrien / Rojava, um die Kantone Afrin und Kobane ganz zu
trennen:
https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/wir-werden-mauer-und-besatzung-zerschlagen-11300
Der Kampf um Idlib verstärkte sich erneut massiv:
https://anfdeutsch.com/rojava-syrien/offensive-auf-idlib-was-ist-aus-dem-astana-abkommen-geworden-11328

Ps:
- Check www.riseup4rojava.org, neue Kampagne
- In Rojava ist auch Frühling. Schöne Fotos aus der
internationalistischen Kommune Rojava, von Make Rojava Green Again
https://mesopotamia.coop/make-rojava-green-again-picture-gallery-march-2019/
Film Tipps:
-Kurzvideo von Debbie Bookchin aus der internationalistischen Kommune
https://vimeo.com/328462178
- Auch aus der Internationalistischen Kommune; “The New
Internationalist“. Eine Serie eines kurdischen TV-Senders auf englisch
http://internationalistcommune.com/womens-structures-of-internationalist-commune-of-rojava-the-new-international/
Lese Tipps
- Kurdistan Report (erscheint alle 2 Monate)
http://www.kurdistan-report.de/
- Abdullah Öcalan – Manifest der demokratischen Zivilisation Teil 2, NEU
auf Deutsch. Erhältlich auf https://black-mosquito.org
Und mehr Lesestoff gibt es immer an allen unseren Veranstaltungen.
Veranstaltung zum vormerken:
Fr 28.6. Veranstaltung in Zürich: 10 Monate Rojava, Erfahrungsbericht
Setzen wir alles dran, Rojava, die demokratische Konföderation
Nord-Ostsyrien zu verteidigen. Bei Angriff auf die Strasse!
Alles weitere auf: rojavaagenda.noblogs.org

Gute Zeit euch, viel Kraft und Mut, wir sehen uns

Eindrücke aus Nicaragua – Ein Reisebericht

Mittwoch, 15. Mai 2019


Samuel Weber, Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit

Im Rahmen meiner Dienstreise hielt ich mich vom 27. April bis 11. Mai zwei Wochen lang in Nicaragua auf. Die Einreise von Costa Rica aus über den Landweg erfolgte ohne Probleme. Angesichts der angespannten Lage und um mögliche Nachteile für meine Gesprächspartner*innen auszuschließen sind die meisten Aussagen anonymisiert.

Die Tragödie von Carlos Marx

In der Hauptstadt Managua angekommen  verbrachte ich die ersten drei Tage bei einer befreundeten Familie im Barrio Carlos Marx. Dieses liegt direkt an der UPOLI (Technische Universität)  und spielte im Zeitraum der Gewalt in Nicaragua seit dem 18. April 2018 eine wichtige Rolle. In Carlos Marx steht auch das Haus, in dem am 16. Juni 2018 sechs Menschen durch Brandstiftung ums Leben kamen. Ich hatte dort in mehreren Situationen die Möglichkeit, Gespräche mit Betroffenen zu führen. Laut deren Aussagen lässt sich folgendes Bild zeichnen.

Von Anbeginn der Proteste war Carlos Marx ein durch Barrikaden abgesperrtes Viertel (es gab dort bis zu 37 Tranques). Die Bewohner*innen konnten dieses nur unter Problemen und Angst betreten oder verlassen. Die UPOLI war ebenfalls in Teilen besetzt. Von da aus suchten bewaffnete und kriminelle Gruppen regelmäßig das Viertel heim. In dieser Zeit kam es zu Plünderungen und Brandstiftung von Geschäften bzw. zur Zerstörung von öffentlichem und privaten Eigentum. Neben dieser Gewalt wurden besonders die Mitglieder der sandinistischen Basis mit dem Tod bedroht und angegriffen.

Die Lehrerin Miriam Talavera konnte von ihrem Haus aus die Kreuzung beobachten, an welcher die Colchoneria (Manufaktur von Matratzen) steht, die am Morgen des 16. Juni angezündet wurde. Zum Zeitpunkt des Ausbruch des Feuers waren die Tranquistas auf der Straße, während sich die Menschen des Viertels aus Angst in ihren Häusern eingeschlossen hatten. Die Polizei hatte an diesen Tagen aufgrund der Barrikaden keinen Zugriff auf das Viertel.

Als sie das Feuer sieht, ruft sie einen bekannten der sandinistischen Basis an, der die Feuerwehr informiert. Diese benötigt aufgrund der Tranques einige Zeit, um den Ort des Unglücks zu erreichen. Als diese dann doch eintrifft, kann Miriam Talavera beobachten, wie die Tranquistas die Feuerwehrleute daran hindern, das Feuer zu löschen. Sie sieht, wie zwei Feuerwehrautos gestohlen und und am Straßenrand abgestellt werden, während das Haus weiter in Flammen stand. In diesen Momenten fassen sich die in ihren Häusern eingeschlossenen Bewohner*innen ein Herz und versuchen das Feuer mit Eimern und Wasser zu löschen. Für sechs Personen jedoch kommt jede Hilfe zu spät. Miriam Talavera flüchtet am selben Tag mit ihren Kindern aus dem Viertel, weil auch ihr damit gedroht wurde, ihr Haus anzuzünden.  Am 16. Juni ereigneten sich jedoch noch weitere Vorfälle in Carlos Marx.

Zwischen 9 und 10 Uhr morgens wurde der Sandinist Francisco Aráuz Piñeda von einem Tranque aus erschossen. Aussagen eines Anwohners zufolge mit einem AK-47. Danach wurde seine Leiche mit Benzin übergossen und angezündet. Videos von dem Vorfall finden sich im Internet. Gegen 17 Uhr wurde der kleine Laden von Auxiliadora Sotelo Robles von bewaffneten Tranquistas angegriffen und geplündert. Am 24. Juni wiederholte sich dieser Vorfall. Bis heute wird sie von Mitgliedern der Opposition in Nicaragua bedroht. Eine Nachbarin berichtet, dass traumatisierte Frau im Zuge der Ereignisse massiv an Gewicht verloren habe.

Wenige Tage zuvor ereignete sich in Carlos Marx ein weiterer Vorfall. Leonel Morales ist Student und Präsident der UNEN (Unión Nacional de Estudiantes de Nicaragua). Er beteiligte sich an den Protesten gegen die Reform der Sozialversicherung. Als das Dekret bezüglich der INSS zurückgenommen wurde und die Proteste zunehmend gewalttätig und kriminell wurden, distanzierte er sich von der Sache. Im Dialog repräsentierte er die Studenten*innen auf Seite der Regierung.
Seine Kritik am Vorgehen der Opposition wurde ihm jedoch zum Verhängnis. Am 13. Juni wurde Morales aus der Wohnung seiner Freundin mit Waffengewalt entführten und an mehreren Tranques sowie in den Räumen der UPOLI misshandelt. Danach wurde er mit einem Auto weggefahren und in einen Straßengraben geworfen. Als es ihm gelingt aufzustehen wird er mit drei Schüssen niedergestreckt. Wie durch ein Wunder überlebte er den Vorfall schwer verletzt.  (https://youtu.be/fcZY4PZM3_s)

An den Tranques und der Gewalt in dem Viertel beteiligten sich Jugendliche und Kriminelle aus dem Viertel. Es wurden aber auch Banden aus anderen Stadtteilen eingeladen. Auch wird berichtet, dass für die Präsenz an den Tranques Geld bezahlt wurde. Die Abmachung während des Dialogs, die Polizei von den Straßen abzuziehen, erleichterte die Aktivitäten dieser Banden erheblich.
Die UPOLI fungierte zu der Zeit als Rückzugspunkt und Bastion dieser kriminellen Gruppen. 

Die absurde Gewalt der Regierung

Später hatte ich die Gelegenheit mit einem Vater von drei Studenten zu sprechen, die an den Protesten der Uninversidad Nacionál de Ingería (UNI) teilgenommen haben. Dabei wird deutlich, dass auch die Regierung, besonders an den ersten Tagen der Proteste, durch einen an Absurdität grenzenden Einsatz von Gewalt, die Wut und den Hass innerhalb der Bevölkerung mit hervorgerufen hat. Es wird geschildert, dass zu Beginn der Demonstrationen gegen die Reform der Sozialversicherung wie gewöhnlich versucht wurde, die Proteste mit Schlägertrupps aufzulösen. Als sich dann jedoch die Student*innen mit Steinen gewehrt hatten und die UNI besetzen, reagierte die Polizei zunehmend mit dem Gebrauch von Schusswaffen. Laut Schilderungen kamen auch Scharfschützen und Maschinengewehre  zum Einsatz. Nachdem die UNI dann gestürmt wurde, soll es diesen Schilderungen zufolge die Polizei selbst gewesen sein, die dann Teile der Einrichtung zerstört hatte. Nach wie vor bleibt es ein Rätsel, was die Staatsmacht, zu einer solchen Überreaktion bewogen hat.

Mein Gesprächspartner selbst ordnet sich keiner politischen Richtung zu. Trotz einiger Hoffnungen zu Beginn hat ihn die Regierung von Daniel Ortega enttäuscht, wobei er auch kein Vertrauen in die anderen Parteien hat. Besonders kritisch sieht er die Rolle der MRS (Movimiento de Renovación Sandinista) und die der sogenannten Gruppen de Zivilgesellschaft. Diese hätten zu der Zeit als die Technische Universität (UPOLI) besetzt war, die Protestierenden mit Material zum Bau von Morteros und Waffen versorgt. Allerdings vertreten deren Mitglieder seiner Meinung nach nicht die Interessen der Bevölkerung, sondern verfolgen durch die Einmischung in die Proteste eigene Machtinteressen. Ähnlich kritisch sieht er auch die Rolle der diversen Menschenrechtsorganisation, die  bereits seit Jahren jegliche Neutralität aufgegeben hätten und klar auf Seite der Opposition stünden. Richtige Menschenrechtsgruppen hingegen, müssten die Opfer auf Seiten der Sandinisten wie die der Polizei genau so behandeln wie die Opfer der Opposition. Trotz dieser kritischen Haltung ist für ihn klar, dass die Regierung Ortega keine Zukunft mehr in Nicaragua haben kann. „Eine Regierung die auf unbewaffnete Student*innen schießt, das geht nicht. Das kann einfach nicht sein!“ Trotz der Angst um seine Söhne, wollte er ihnen nicht verbieten, an den Demonstrationen teilzunehmen. Jedoch fragte er sich immer wieder: „Was werde ich machen, wenn sie eines meiner Kinder töten. Wir werde ich reagieren?“

Eindrücke bei den Menschen auf dem Land

Auf dem Land finden sich verschiedene Meinungen und Perspektiven hinsichtlich der Ereignisse des letzten Jahres. Eindeutig ist, dass die Tranques Ausgangspunkt extremer Gewalt waren und wenig bis gar nichts mit friedlichen Protesten zu tun hatten. Schusswechsel dort waren so normal, dass sie von meinen Gesprächsparter*innen fast beiläufig erwähnt wurden. Nicht nur in den armen Stadtvierteln im Süden Matagalpas wird auch dort offen Geschildert, dass dort bezahlte Kriminelle, Alkoholiker und Drogensüchtige eingesetzt wurden. Woher das Geld für die Bezahlung kam ist nicht klar. Es ist aber kein Geheimnis, dass die Barrikaden in vielen Fällen von der politischen Rechten organisiert und dirigiert wurden. Zum Teil dürfte das Geld dort auch direkt durch kriminelle Aktivitäten erwirtschaftet worden sein.
Wie geschildert wurde war ein Teil der Bevölkerung auch nicht bereit der Gewalt, die durch die Proteste ausging, tatenlos zuzusehen. Stattdessen organisierte man sich und versucht, öffentliche Gebäude vor der Zerstörung zu bewahren. In diesem Zusammenhang schildert ein Gesprächspartner, wie sein Freund bei der Verteidigung eines Rathauses von einer Kugel der Tranquistas schwer verletzt wurde.

Andererseits wird aber auch immer wieder darauf hingewiesen, dass es in der Vergangenheit aufgrund der intoleranten Haltung der Regierung immer schwieriger wurde auch legitime Anliegen und soziale Forderungen auf die Straße zu bringen. Auch wird immer wieder die Meinung formuliert, dass angesichts der extremen Gewalt und der weitaus besseren Bewaffnung der Regierungsseite, die Gewalt von Teilen der Proteste in gewisser Weise durchaus nachvollziehbar sei, bzw. nicht ausreiche um diese zu delegitimieren. Als bedrückend wird auch die nach wie vor hohe Anzahl der Inhaftierten gesehen.  Es entsteht der Eindruck, dass zahlreiche Verhaftungen und Verurteilungen willkürlich bzw. aus politischen Motiven vorgenommen wurden. In einigen Fällen werden auch persönliche Streitigkeiten mit hohen sandinistischen Funktionären vermutet. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass zahlreiche Zeugen bei den Prozessen für belastenden Aussagen bezahlt oder bedroht worden seien. Deutlich zu spüren ist das Misstrauen gegenüber der Polizei und der Justiz. Zu oft haben sich in der Vergangenheit Aussagen der Regierungsseite als falsch herausgestellt.

Eine Realität in der es schwer fällt, die Guten und Bösen eindeutig auszumachen

Allgemein stellt sich die Situation vor Ort als eine hochkomplex Realität dar, in der es sehr schwierig erscheint, die Guten und die Bösen eindeutig auszumachen. Wie so oft sind es allerdings die ärmeren Teile der Bevölkerung, die am meisten unter der Krise zu leiden haben. Neben dem Schaden durch zerstörte Infrastruktur wie Krankenstationen, Rathäuser oder Sportplätze trifft die Menschen die wirtschaftliche Lage und die Verteuerung der Produkte. Andererseits hat der Konflikt zahlreiche Gemeinden und sogar Familien tief gespalten. Einem kommunalen Radio hat die lokale Verwaltung mit dem Entzug der Lizenz gedroht, sollte dort zu den Protesten gegen die Regierung aufgerufen werden. Andererseits haben die Anhänger der Alianza Civica (Bündnis von Oppositionsgruppen) damit gedroht das Radio anzuzünden, würde dort nicht klar gegen die Regierung Stellung bezogen. Es gab Nächte bei denen Bewaffnete und Vermummte von den Tranques in der Nähe des Radios aufgetaucht sind. Passiert ist jedoch zum Glück nichts. 

Leben mit den Wunden der Konfliktes

Überparteilich arbeitenden Organisationen wie das Movimiento Comunal Nicaragüense arbeiten daran, zum Beispiel durch Initiativen für eine Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit die Einheit der Gemeinden zu erhalten und Konflikte zu überwinden.
Trotz aller Schwierigkeiten sind die Anstrengungen der Regierung, die wirtschaftlichen Folgen für die Bevölkerung abzumildern und die Sozialprogramme aufrecht zu erhalten unübersehbar. Gerade das Ministerium für Gesundheit zeigt Präsenz durch Aufklärungskampagnen, kostenlosen Impfungen und dem Einsatz mobiler Kliniken. Auch die Programme für die Schulspeisungen laufen weiter, was von vielen Menschen auf dem Land explizit honoriert wird.

Äußerlich scheint sich das Nicaragua 2019 von dem Nicaragua 2017 nicht großartig zu unterscheiden. Das Leben geht seinen Gang und es gibt wieder ein gewisses Maß an Sicherheit. Auch das Auswärtige Amt hat seine Reisewarnungen für das mittelamerikanische Land aufgehoben. Niemand mit dem man spricht, möchte eine Wiederholung der Ereignisse des Jahres 2018.

Dennoch sind lassen sich hinter dieser Oberfläche die Wunden des Konfliktes nur schwer verdecken. So patrouillieren in einigen Städten Nachts mit Maschinengewehren bewaffnete Männer auf Motorrädern die Straßen. Oft sind diese wenig qualifiziert für ihrer Tätigkeit und gehen sehr willkürlich gegen die Bevölkerung vor. Demonstrationen, auch wenn sie konkreten Anliegen dienen, und nicht den Sturz der Regierung im Sinn haben, können nach wie vor nicht durchgeführt werden. 

Vom Dialog der derzeit in der Hauptstadt Managua stattfindet ist kein großer Durchbruch zu erwarten. Zu hoffen ist lediglich, auf die Freilassung der Gefangenen. Diese wäre kein Resultat der Macht und des Einflusses der Opposition sondern scheint lediglich von der Gnade der Regierung abzuhängen. So hat die Alianza Civica politisch keinerlei Druckmittel in der Hand. Faktisch haben deren Vertreter*innen auch wenig Einfluss auf die im Dialog thematisierten und von den den USA und EU angedrohten Sanktionen. Die in den Verhandlungen anwesenden Akteure repräsentieren darüber hinaus eher die Interessen einer kleinen Elite als die der Bevölkerung. Selbst wenn es gelingen sollte im Jahre 2021 mehr oder weniger transparente Wahlen durchzuführen, muss befürchtet werden, dass die unterlegene Seite den Sieg der jeweils anderen nicht anerkennen wird. Angesichts der polarisierten Lage sind bei einem Machtwechsel auch Racheaktion gegen Menschen die vermeintlich dem Sandinismus nahestehen, keineswegs auszuschließen.

US-Außenministerium löscht Liste über Erfolge der Sanktionen gegen Venezuela

Sonntag, 12. Mai 2019

https://amerika21.de/2019/05/226185/liste-sanktionen-venezuela
Venezuela / Politik / Wirtschaft

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Das US-Außenministerium in Washington D.C.
Das US-Außenministerium in Washington D.C.
Caracas/Washington. Das US-Außenministerium hat eine offizielle Darstellung über die umfangreichen Sanktionen gegen die venezolanische Regierung sowie der damit verursachten Schäden an der Wirtschaft des Landes schon nach kurzer Zeit wieder von den meisten offiziellen Webseiten entfernt.
In dem Papier listet die US-Regierung neben den erfolgten Sanktionen sowie den Entscheidungen einiger internationaler Organisationen zur Unterstützung des Oppositionsführers Juan Guaidó auch die "Schlüsselergebnisse" des Jahres 2019 auf. Darunter finden sich unter anderem die umstrittene Selbsternennung Juan Guaidós zum Interimspräsidenten und die eintausend übergelaufenen venezolanischen Militärangehörigen. Weiter werden auch 3,2 Milliarden US-Dollar eingefrorenes Staatsvermögen im Ausland sowie der Einbruch der Ölproduktion genannt. Letzteres habe geschätzt den Verlust von etwa 50 Prozent der Staatseinkommen innerhalb des letzten Jahres bedeutet.
Der venezolanische UN-Botschafter Samuel Moncada bezeichnete das zurückgezogene Dokument angesichts seiner Offenheit als eine "Liste von Geständnissen". Es zeige wie stolz die US-amerikanische Regierung darauf sei, einen militärischen Putsch in Venezuela zu provozieren, das politische System eines Landes zu zerstören und dessen Bevölkerung leiden zu lassen, so Moncada. Erst kürzlich hatten die US-amerikanischen Ökonomen Mark Weisbrot und Jeffrey Sachs in einem Bericht die humanitären Auswirkungen der Sanktionen kritisiert und auf 40.000 Tote beziffert, da der medizinische Sektor von den Sanktionen besonders hart betroffen sei.
Über die schnelle Rücknahme des umstrittenen Dokuments wird vermutet, dass sie aus dem Widerspruch zu den bisherigen Verlautbarungen des US-Außenministeriums erfolgte. Demnach wurden bisher die Erfolge Guaidós bei der Verteilung humanitärer Hilfe betont, während die Sanktionen diese Krise täglich weiter zuspitzen. Den angeblich 24.000 im Rahmen der humanitären Hilfe medizinisch behandelten Venezolanern stehen laut oben erwähnter Studie von Weisbrot und Sachs rund 300.000 durch die Sanktionen gesundheitlich stark gefährdete Personen gegenüber.

Justizaffäre in Argentinien erreicht Präsident Macri

Neue Aussage belastet Staatschef. Netzwerk manipulierte Verfahren gegen politische Gegner. Prozess gegen Ex-Geheimdienstchef eingestellt
Buenos Aires/Dolores et al. In Argentinien hat Präsident Mauricio Macri den parlamentarischen Abzugsversuch des in der Justizaffäre ermittelnden Bundesrichters, Alejo Ramos Padilla, mutmaßlich auf persönlichen Druck des im Fall beschuldigten Bundesstaatsanwalts, Carlos Stornelli, veranlasst. Dies legen nun die Aussagen und vorgebrachten Beweismittel eines neuen Zeugen nahe. Stornelli verweigert noch immer eine Aussage.

hier weiterlesen: https://amerika21.de/2019/05/226047/affaere-dalessio-macri-lawfare

Die Krise in Venezuela: Die Sicht der Kommunen


(zas, 11.5.19) Es vergeht kein Tag, an dem nicht Informationen kursieren, die entweder bedrohliche militärische Angriffe auf Venezuela nahelegen oder diese «Option» als unwahrscheinlich darstellen. Am 8. Mai etwa gab die Washington Post in A frustrated Trump questions his administration’s Venezuela strategy hohe US-Offizielle wieder, wonach Trump von der Pro-Kriegs-Strategie seines Nationalen Sicherheitsberaters abrücke, der die Möglichkeit für den Sturz Maduros viel zu optimistisch dargestellt habe. Er wolle zudem die Wahlen 2020 nicht mit dem Makel bestreiten, ein angesichts der Armee und der Volksmilizen in Venezuela auch für die USA verlustreiches und lang andauerndes «Abenteuer» vom Zaun gebrochen zu haben. Einen Tag darauf gibt der Chef des gegen Lateinamerika und die Karibik gerichteten Südkommandos der US-Armee per Twitter bekannt, man sei für die Unterstützung putschistischer Militärs in Venezuela parat. Gestern patroullierte ein Kriegsschiff der US-Küstenwache provokativ in venezolanischen Gewässern. Jedes Mal, wenn Guaidó eine entsprechende Anweisung erhält, sagt er wie heute, dass er einer kriegerischen Operation zustimmen könnte. Und falls nicht Krieg, dann Aushungern, was die Post meint, wenn sie schreibt: «US-Offizielle denken, die Zeit sei auf ihrer Seite und Maduro werde durch sein eigenes Gewicht zu Fall gebracht» (gemeint die systematische Zerstörung der Wirtschaft und damit enorme Verschärfung der Notlage der Bevölkerung durch die Sanktionsregime).

In dieser dramatischen Lage kann es für Linke nur eines geben: die Reihen gegen den Staatsterrorismus der Washingtoner Gemeinschaft schliessen. Dies gesagt, tun wir aber auch gut daran, etwas von der Dynamik in den gesellschaftlichen Kämpfen des militanten Basis-Chavismus mitzukriegen. Der folgende Artikel des mit Venezuela gut vertrauten Autors gibt in diesem Sinn mehrere Stimmen und Einschätzungen aus der Kommunenbewegung wider. Eine wichtige Kritik ist etwa, dass die Verteilung von Lebensmittelpaketen zu Billigpreisen an 6 Millionen Haushalte (bei einer Bevölkerung von 30 Millionen (vor der Emigration…) völlig auf Importwirtschaft statt auf dezentraler kooperativer Produktion im Land beruht. Tatsächlich sind diese CLAP-Programme durch die US-Sanktionen seit einiger Zeit massiv behindert; es ist kein Zufall, dass das US-Finanzministerium diese CLAP-Programme in einer «Warnung» vom 3. Mai 2019 als Teil der Korruption und der Geldwäscherei angreift. (Und natürlich ist es auch kein Zufall, dass diese Tage in mehreren Medien Berichte mit genau dieser Message kommen.)

Es scheint, dass die Importabhängigkeit zur Achillesferse dieses breiten Ernährungsprogramms wird. Von aussen ist die auch im folgenden Artikel formulierte Kritik an den CLAP-Programmen schwer einzuschätzen. Welche Möglichkeiten etwa hatten Agrarkoops u. ä. gehabt, Millionen von Menschen mit staatlicher Unterstützung zu ernähren, wie das die CLAP-Komitees taten? Aber angesichts einer seit Jahren immer wieder auftretenden Sabotage etwa an der kooperativen Landwirtschaft durch Teile des Regierungsapparats ist die Kritik sehr ernst zu nehmen, auch, weil sie aus dem Mund ausgewiesener KämpferInen stammt. Wenn etwa Landwirtschaftsminister Soteldo letztes Jahr von sich gibt, es brauche eine «revolutionäre Bourgeoisie», ist doch einigermassen klar, woher der Wind weht.

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Federico Fuentes*

Am 30. April hatte Oppositionsführer Juan Guaídó zu Strassendemonstration für die Unterstützung seines militärischen Putschversuchs gegen Präsident Nicolás Maduro aufgerufen. Es vergingen nur wenige Stunden, bis seine Anhänger das Hauptquartier der Kommune Indio Carucao im Südwesten von Caracas in Brand gesetzt hatten. Das Gebäude diente für Versammlungen der AnwohnerInnen und beherbergte ein von der Kommune betriebenes Textilunternehmen, das Projekte in der Gemeinschaft finanziert.
Atenea Jiménz von Nationalen Netzwerk der KommunardInnen (Red Nacional de Comuneras y Comuneros, Kommunen-AktivistInnen) kommentierte: «Wieder einmal beginnen faschistische Angriffe auf die Kommunen.» Sie verwies allerdings auch darauf, dass KommunardInnen «von Regierungssektoren verfolgt werden» und bezog sich dabei auf die zehn seit ihrer Verhaftung am 11. Februar inhaftierten KommunardInnen, die eine staatliche Reisverarbeitungs-Fabrik im Gliedstaat Portuguesa besetzt hatten. Der Protest erfolgte wegen der Weigerung des privaten Fabrikmanagement, mit lokalen ProduzentInnen zusammenzuarbeiten. «Und warum passiert das?», fragte sie und antwortete: «Weil die Kommune der einzige Ort ist, der die Macht in Frage stellt (…) Sie ist einer der wenigen, echten Plätze von unten für den Aufbau von Demokratie.»

Graswurzel-Macht
Die Kommunen versuchen, die Nachbarschaftsräte (Consejos Comunales) zusammenzubringen, die in den Städten zwischen 200-400 und auf dem Land zwischen 20-50 Familien umfassen. Das Ziel ist, auf Nachbarschaftsebene Fragen der Wohnung, der Erziehung, der Gesundheit und des Zugangs zu Grunddienstleistungen zu lösen. Die Entscheide über Prioritäten und wie diese anzugehen sind, werden im Vollversammlungen der AnwohnerInnen entschieden.
Die Idee von Kommunen ist, dass lokale Nachbarschaften gemeinsam grössere Projekte angehen und dank gemeinschaftlich betriebener, eigener Unternehmen selbstständig werden. Für Hugo Chávez stellten die Kommunen das Fundament eines kommunalen, auf partizipatorischer Demokratie beruhenden Staats dar.
Dem Kommunenministerium zufolge sind derzeit 47000 Nachbarschaftsräte und fast 3000 Kommunen registriert. Aber viele der AktivistInnen, mit denen ich während meines März-Besuches sprach, gehen von tieferen Zahlen aus. Jiménez erklärte: «Die Bewegung involviert Kommunen, die sich über die letzten zehn Jahre konsolidiert haben.» In dieser Zeit «hat es neue Kommunen und spannende Fortschritte gegeben, aber natürlich haben sich einige Kommunen aufgelöst. Aber die Kommunen bleiben aktiv und haben ein bemerkenswertes Niveau der politischen und ideologischen Konsolidierung erreicht – und die Bereitschaft, weiter zu machen.»

Selbstverwaltung
Gsus García von der Sozialistischen Kommune Altos de Lídice, die sieben Nachbarschaftsräte hoch oben in der La Pastora-Gegend von Caracas vereint, erklärte, dass die Kommunen entstanden, weil «die Nachbarschaftsräte erkannten, dass sie die gleichen Probleme haben, die sie aber getrennt nicht lösen können.» Er fügte an, dass es bei der Kommune «nicht einfach um gemeinsames Problemlösen geht, wir streben darüber hinaus eine reale Selbstregierung an.»
Während García anerkennt, dass die Kommunen aus dem Chavismo entstanden, hat die Kommune Altos de Lídice auch Mitglieder, die gegen Maduro sind: «Viele sind unzufrieden, es gibt viel Opposition. Und doch bringen sie sich in die Dynamik der Kommune ein; sie weisen sie nicht zurück, sondern akzeptieren sie, und nach und nach verstehen sie, dass wir zusammen mehr ausrichten. Sie sehen, dass wenn wir uns nicht zusammentun, wir beide deswegen leiden werden. Deshalb müssen wir geduldig sein und uns verstehen. Das Mass an Geduld hat mich überrascht. Ich denke, in jedem anderen Land mit Ereignissen wie die hier letztes und dieses Jahr wäre es schon zur Explosion gekommen.»
Im nahe gelegenen Stadtteil 23 de Enero gibt die Kommune Panal 2021 mit acht Nachbarschaftsräten und ungefähr 3600 Familien ein Beispiel für die Selbstregierung, die viele KommunardInnen anstreben. Cucaracho, ein Panal 2012-Aktivist, erklärte, dass die Kommune damit begann, dass AktivistInnen Geld mit Tombolas und anderen Aktivitäten auftrieben. Die Kommune hatte eine Weile Mitverwaltung mit staatlichen Mitteln für Projekte und ist jetzt selbstverwaltet.
Panal 2021 hat eigene Bäckereien, ein Verpackungsunternehmen für Textilien und Zucker und ein Lager und ein Verteilzentrum für Nahrungsmittel. Die Erlöse aus diesen kommunalen Unternehmen fliessen in eine kommunale Bank und Mitgliederversammlungen beschliessen über die damit finanzierten Gemeinschaftsprojekte.
Wie bei den meisten heute existierenden Kommunen war die Fähigkeit von Panal 2021, eigenes Einkommen zu generieren, entscheidend für ihre Weiterexistenz. Mit Beginn der Wirtschaftskrise hatte der Staat seine Geldüberweisungen an lokale Gemeinschaften weitgehend eingestellt.
Für Julian von der Revolutionären Strömung Bolívar und Zamora (Corriente Revolucionaria Bolívar y Zamora, CRBZ) einer radikalen Basistendenz in der Regierungspartei PSUV, hat dies die Basisorganisierung beeinflusst: «Als die Regierung Projekte finanzierte, schuf sie gewisse Erwartungen und förderte die Teilnahme, da die Leute den Eindruck hatten, ihre Probleme könnten gelöst werden. Aber angesichts der starken existierenden Rentenkultur, trat das ein, was viele gesagt hatten: ‹Wenn wir nichts kriegen, können wir nichts machen.› In diesen Fällen beschränken sich die Nachbarschaftsräte weitgehend auf die Verteilung von Regierungsdienstleistungen wie die Lieferung von Gasflaschen in ihrer Gemeinschaft. Der Fehler war, dass das Gewicht zu Beginn mehr auf die Beteiligung als auf die Entwicklung der Fähigkeit der Gemeinschaften zur Selbstorganisation gelegt wurde. Heute sind die Kommunen am aktivsten, die wenig mit der Regierung zu tun haben und nicht vom PSUV kontrolliert werden.»


Spannungen
Die Produktion und Verteilung von Nahrungsmitteln in Zeiten der Krise ist für viele Kommunen prioritär geworden, auch in Caracas.
Panal 2021 hat sich mit Kommunen auf dem Land zusammengetan, um Essen in die Stadt zu bringen und es weit billiger als die privaten Supermärkte zu verkaufen. Atenea Jiménez sagte, viele andere Kommunen machten das Gleiche: «Das sind Systeme zum Austausch von Nahrung und Dienstleistungen zwischen Kommunen, die mit unterschiedlichem, aber verbessertem Grad der Komplexität operieren.»
Trotz – oder vielleicht wegen – ihrer Bedeutung ist die Produktion und Verteilung von Nahrungsmitteln ein Schlüsselelemente für Spannungen zwischen Staat und Kommunenbewegung. Vor mehreren Jahren übergab das Nationale Netzwerk der KommunardInnen Maduro einen Vorschlag für die Gründung eines landesweiten Kommunenunternehmens für die Produktion und Verteilung von Nahrungsmitteln. Die Idee war, dass alle Kommunardinnen und Bauern ihre Produkte über ein von den Leuten, nicht von privaten Intermediären, kontrolliertes Unternehmen austauschen könnten, um sicher zustellen, dass billiges Essen diejenigen erreicht, die es benötigen. Jiménez sagte: «Unsere Vision des Unternehmens war, dass alles, was auf dem Land produziert wird, verteilt wird und nicht verloren geht, und wir erst danach importieren sollten, was wir nicht selber produzieren können – nicht umgekehrt.»
Doch die Regierung begann mit den CLAP (Komitees für die Versorgung und Produktion von Lebensmitteln). Jiménez hielt fest, dass trotz des «P im Namen (für Produktion), die wirklich produzieren, die Bäuerinnen und Kommunarden», bei der Bildung der CLAP «nicht einbezogen» wurden. Diese werden stattdessen grossteils von örtlichen PSUV-Offiziellen kontrolliert, und «alles, was die CLAP verteilen, ist importiert.» Das läuft für Jiménez darauf hinaus, «die existierenden Organisationen beiseite zu schieben, da sie schwerer zu kontrollieren sind, denn in einer Kommune muss ein Vorschlag in der Versammlung erörtert werden, während du bei den CLAP den Leuten einfach sagen kannst, was Sache ist.»
Praktisch haben laut Julián die ClAP vielerorts die Kommunen als Zentren der Gemeinschaftsorganisierung überflügelt. «Es ist nicht so, dass die anderen Strukturen nicht existierten, aber die CLAP haben die dynamischste Struktur, denn für Viele steht das Essen im Mittelpunkt. In einigen Fällen haben die CLAP die Kommunen geschwächt, und ich denke, das war absichtlich. Denn die CLAP sind der Partei verantwortlich, die Kommunen nicht.»
«Die Partei spielte bei der Förderung der Kommunen und Consejos Comunales abgesehen von wenigen Ausnahmen nie eine Schlüsselrolle: sie konzentrierte sich mehr auf Wahlen und Regierung. Aufgrund der den Kommunen eigenen Dynamik, die auf der Idee der Selbstregierung beruht, herrscht die Vorstellung vor, dass die KommunardInnen permanent im Konflikt liegen mit der Partei, dem Bürgermeister oder der Gouverneurin.»
«KommunardInnen haben die Übergabe von Verantwortlichkeiten vom Gemeinderat an die Kommunen propagiert, um den Leuten den Beginn der Selbstorganisation zu ermöglichen. Dies sorgte für Spannungen zwischen der Kommunenbewegung auf der einen und der Partei und lokalen VerwaltungsfunktionärInnen auf der anderen Seite, die keine Verantwortung z. B. für Abfallentsorgung abgeben wollen, die für sie oft ein Geschäft darstellen.»
«Ich glaube, die Partei kam in Sachen CLAP zum Schluss, dass sie sie kreieren und kontrollieren musste. Sie konnten die Kommunen wegen ihrer demokratischen, herausfordernden, unehrerbietigen Art nicht kontrollieren, aber sie konnten bestimmen, wer die CLAP leitet. Die ausgeprägte rentistische und klientelistische existierende Kultur brachte mit sich, dass die Leute zu den von der Regierung finanzierten und unterstützten CLAP tendierten.»

Liebe-Hass-Beziehung
Gsus García resümierte: «Der Staat hat im jetzigen Chaos nicht die Möglichkeit, alle Probleme zu lösen, aber die Leute versuchen, wo immer eine Lösung zu finden. Und doch ist eines der grössten Probleme des Staates, dass es ihm schwer fällt, Kompetenzen abzutreten, die Zügel loszulassen, damit die Leute ihre Probleme angehen können.»
«Es existiert also eine Liebe-Hass-Beziehung zwischen den Staat und den Kommunen. Aber bei allen Schwächen und Fehlern, es ist unser Staat, unsere Regierung. Und gleichzeitig haben wir eine Beziehung, in der wir kämpfen müssen. Das können wir nicht abstreiten. Es gibt Dinge, die wir nicht erhalten, wenn wir Nahrungsmittel produzieren müssen, in einer Situation, in der wir fast alle Nahrung importieren. Aber statt zu helfen, legt uns der Staat all diese bürokratischen Hindernisse in den Weg, wo doch alles, was wir zu machen versuchen, ist, den Leuten zu Essen zu verhelfen und mit dem Problem der unterernährten Kinder umzugehen.»
«Aber uns ist bewusst, dass wir nur mit dieser Regierung machen können, was wir als Kommunen machen. Mit einer anderen Regierung hätten wir diese Möglichkeit nicht, erst recht nicht mit der rechtsradikalen Regierung, die Guaidó mit dem Putsch installieren will.»
Was auch immer in Venezuela als Nächstes geschieht, Julián denkt, die in den letzten zwei Jahrzehnten aufgebaute starke Organisierung der Gemeinschaft wird nicht so leicht verschwinden. «Es gibt immer noch viel Stärke, ein hohes Niveau von Organisation. Wo immer du hinschaust, wirst du eine Kommune finden, eine Kooperative, irgend eine Form von Komitee oder Organisation. Würde die Regierung fallen, wäre die Organiserung immer noch da. Sie wäre für eine nächste Regierung schwierig abzuschaffen.»

* Green Left Weekly, 10.5.19: Venezuela’s crisis: A view from the communes