[rojavaagenda] Newsletter Nr. 20: 31.10.-8.11.2020: Internationale Woche der Solidarität und des Widerstands – Rise Up Against Fascism

Mittwoch, 28. Oktober 2020

 

Liebe Genoss_innen und Freund_innen

Kobanê: Widerstand ist Leben
Kobanê. Der Name dieser Stadt in Nordsyrien ist heute Synonym für
Hoffnung du Widerstand geworden. Die bewaffnete Bevölkerung von Kobanê
schlug 2014 nach monatelangen Kämpfen den «Islamischen Staat», trotz
dessen Unterstützung durch die Türkei, zurück. Gleichzeitig gingen
hunderttausende Menschen weltweit auf die Strasse, weil sie erkannt
hatten, dass in Kobanê nicht nur um eine Stadt gekämpft wurde, sondern
um Grundlegenderes.
Die globale Solidaritätsbewegung mit Rojava und mit den
antifaschistischen Kräften in der Türkei ist ein realer Machtfaktor.
Denn je mehr wir die Stimme des Widerstands, die Stimme von Kobanê auch
hier erheben, desto eher wird der Faschismus in der Türkei
zusammenbrechen.
Wir blicken am Weltkobanetag 2020 auf diesen Kampf zurück, setzen uns
mit der aktuellen Situation der Rojava-Revolution auseinander und
diskutieren die aktuellen Aufgaben der internationalen
Solidaritätsbewegung.

Demo: Samstag, 31. Oktober 2020, 15 Uhr De-Wette Park, Basel

31.10.-8.11.2020: Internationale Woche der Solidarität und des
Widerstands – Rise Up Against Fascism

Weltkobanetag 2020
Die Stadt Kobanê liegt im Norden Syriens, in Rojava, und ist das Symbol
der kurdischen Freiheitsbewegung gegen den Faschismus. Nach der
Umzingelung der Stadt durch den sogenannten IS im Spätsommer 2014 wurde
Kobanê am 1. November 2014 befreit. 134 Tage lang leistete die Stadt
einen historischen Widerstand. Verteidigt wurde dabei das revolutionäre
Modell, das auf basisdemokratische Strukturen, Frauenbefreiung und
Geschwisterlichkeit der Völker beruht.
Wir blicken am 31. Oktober im Anschluss an die schweizweite Demo auf den
Befreiungskampf in Kobanê zurück, setzen uns mit der aktuellen Situation
der Rojava-Revolution auseinander und diskutieren die aktuellen Aufgaben
der internationalen Solidaritätsbewegung.
31. Oktober 2020, ab 17:45 Uhr im Union (Klybeckstrasse 95, 4057 Basel)

Film mit Input «JI BO AZADIYE – The end will be spectacular»
SO, 01.11., 18:00: Open-Air-Kino im Kochareal, Zürich

Film mit Input «Commander Arian»
MO, 02.11., 19:00: Kurdischer Kulturverein, Steinwiesenstr. 1, Schlieren

Jinwar, das feministische Herz von Rojava.
Entstehung, Hintergründe, Bilder und Stimmen aus dem Frauendorf
DI, 03.11., 19:00: Frauen*LesbenKasama, Militärstrasse 87a, Zürich, für
Frauen*, Lesben und andere Weiblichkeiten

Infoveranstaltung zur aktuellen Situation (Schwerpunkt Shengal) /
Demokratischer Konföderalismus in Rojava und Shengal / Vorstellen der
Kampagne „Time to freedom“. Mit Zozan Derik.
MI, 04.11., 18:30: RAF, Flüelastrasse 54, Zürich

Alle Infos und Veranstaltungen in Zürich befinden sich auch unter
https://rojavaagenda.noblogs.org/ und im Anhang
Weitere Infos zur internationalen Aktionswoche:
https://riseup4rojava.org/de/aufruf-internationale-woche-der-solidariaet-und-aktion-1-8-november-2020/


Wir möchten ausserdem auf die Solidaritätskampagne gegen die Hinrichtung
der in Südkurdistan zum Tode verurteilten Kurden hinweisen: Ein
Berufungsgericht in Hewlêr (Erbil) hat die Todesurteile wegen der
Ermordung eines türkischen MIT-Verantwortlichen gegen zwei kurdische
Aktivisten bestätigt. Mehr Infos dazu unter
https://anfdeutsch.com/aktuelles/kck-ruft-zum-kampf-gegen-hinrichtung-auf-22331
und
https://anfdeutsch.com/aktuelles/todesstrafe-gegen-aktivisten-familien-appellieren-an-barzani-22271.
Und hier kam man die Petition unterschreiben:
https://www.change.org/p/aihm-stop-the-executions-of-kurdish?recruiter=1158875306&recruited_by_id=04848c30-1612-11eb-9b24-133edf439c55&utm_source=share_petition&utm_medium=copylink&utm_campaign=petition_dashboard


Zum Schluss noch drei Buchtipps:
- Im Münsteraner Unrast-Verlag ist aus der Feder von Peter Schaber die
erste deutschsprachige Einführung in das Gesamtwerk des kurdischen
Vordenkers und PKK-Begründers Abdullah Öcalan erschienen. Hier gibt es
eine Leseprobe:
https://anfdeutsch.com/hintergrund/leseprobe-die-Uberwindung-der-kapitalistischen-moderne-22233

- Der dritte Band von Abdullah Öcalans «Manifest der demokratischen
Zivilisation», «Soziologie der Freiheit», ist im Unrast Verlag
erschienen. Übersetzt wurde das Werk aus dem Türkischen von Reimar
Heider, dem Sprecher der «Internationalen Initiative: Freiheit für
Öcalan – Frieden in Kurdistan», und Mehmet Salih Akın. Hier gibt es eine
Leseprobe:
https://anfdeutsch.com/hintergrund/abdullah-Oecalan-das-industrialismusproblem-der-gesellschaft-18098

- Im Dezember erscheint im Verlag Edition Assemblage der Lyrikband «Mein
Name ist Ausländer | Benim Adım Yabancı» von Semra Ertan, die sich 1982
in Hamburg aus Protest gegen den Rassismus in Deutschland verbrannte:
https://anfdeutsch.com/kultur/buchtipp-mein-name-ist-auslander-von-semra-ertan-22373


Mit solidarischen und kämpferischen Grüssen
Rojava Komitee Zürich

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Ecuador: Nur ja nicht wie in Bolivien...

Montag, 26. Oktober 2020

 

Ecuador / Politik

Ecuador: Zulassung der linken Unes-Kandidaten wieder verhindert

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Links, der Präsidentschaftskandidat der Unes, Andrés Arauz; rechts sein möglicher Vize, Carlos Rabascall
Links, der Präsidentschaftskandidat der Unes, Andrés Arauz; rechts sein möglicher Vize, Carlos Rabascall

Quito. Die Anmeldung von Andrés Arauz und Carlos Rabascall als Kandidaten zur Präsidentschaft und Vizepräsidentschaft Ecuadors für das Linkbündnis Union für die Hoffnung (Unes) wird erneut versucht zu verhindern. Der Nationale Wahlrat (CNE) hat die zwei Kandidaten immer noch nicht zugelassen.

Der Anführer der politischen Bewegung Ahora (Jetzt), Michael Aulestia, hat Einspruch gegen die Kandidatur von Rabascall beim Nationalen Wahlrat (CNE) erhoben. Er wirft ihm vor, Aktionär der Bank Guayaquil zu sein und Konten in Steuerparadiesen zu besitzen.

Anfang Oktober hatte Aulestia bereits Widerspruch gegen die Kandidatur von Rabascall beim Wahlgericht TCE eingelegt. Laut Aulestia dürfte dieser nicht automatisch den Platz des Ex-Präsidenten und in Belgien exilierten Rafael Correa einnehmen. Ursprünglich sollte Correa für die Vizepräsidentschaft an der Seite von Arauz kandidieren. Der CNE hat aber dessen Kandidatur wegen der gerichtlichen Verurteilung zu acht Jahren Gefängnis abgelehnt.

Nach Demonstrationen von Unes-Unterstützern vor dem TCE entschieden dessen Mitglieder mit drei zu zwei Stimmen vor wenigen Tagen den Einspruch zurückzuweisen. Unes feierte diese Entscheidung als Erfolg. Wie jedoch ein Mitglied des Gerichts in einem Radiointerview erklärte, sei damit der Prozess der Anerkennung noch nicht abgeschlossen.

Nun legte der Ahora-Politiker Aulestia den neuen Einspruch gegen Rabascall ein. Die Kandidatur von Personen, die Konten in Steueroasen haben, ist in Ecuador verboten. Rabascall reagierte umgehend: Er besitze tatsächlich eine Aktie im Wert von drei US-Dollar, würde sie aber einer sozialen Einrichtung spenden. Er hoffe, der Bankier und Präsidentschaftskandidat für die konservative Parteibündnis Wir Glauben-Sozialchristliche Partei (Creemos-PSC), Guillermo Lasso, werde ihm folgen.

Gegen Lassos Kandidatur hatte Unes Widerspruch eingelegt, weil der konservative Politiker Konten in Finanzparadiesen besitze. Das Wahlgericht hatte diesen Einspruch allerdings zurückgewiesen. Lasso ist offiziell als Kandidat akzeptiert worden.

Der erneute Einspruch hat vermutlich wieder eine Aufschiebung der offiziellen Anerkennung der Kandidaten von Unes zur Folge. Von den 17 Bewerbungen sind bisher zwölf Präsidentenduos anerkannt, drei warten noch auf Entscheidungen, zwei wurden abgelehnt.

El Salvador: Chalatenango militarisieren…

Samstag, 24. Oktober 2020

(zas, 23.10.20) Am 22. Oktober tweetete das Südkommando der US-Armee: Southcom-Chef „Admiral Craig Faller traf sich in El Salvador mit der salvadorianischen Verteidigungsführung. El Salvador ist ein wichtiger Sicherheitspartner und ist  eine der mehr als 20 Nationen, die mit den USA kooperieren, um die internationalen Antidrogenoperationen zu unterstützen.“ Am 19. Oktober trafen Faller und die ihn begleitende ehemalige US-Botschafterin in El Salvador, Jean Manes, die heute als zivile Liaison im Southcom arbeitet, in Honduras ein, bevor sie nach Guatemala und dann El Salvador weitergingen. Heute beenden sie ihren Zentralamerikabesuch in Costa Rica. Zentrales Thema in allen Treffen mit nationalen Armeeführungen und den jeweiligen US-Botschaftern ist der Drogenkrieg.  Wie der dem Südkommando ans Herz gewachsen ist, zeigt sein Tweet anlässlich eines Treffens der US-Delegation mit dem honduranischen Präsidenten Juan Orlando Hernández und der dortigen Fürhung des Sicherheitsapparates aus Anlass des offiziellen Schlusses der US-honduranischen Anti-Drogen-Operation Dominio (April – Oktober 2020): Der „Southcom-Admiral hatte die Ehre, gestern an einem Treffen teilzunehmen und seine Anerkennung für die [Chefs von Staatsanwaltschaft, Polizei und Armee] für ihren Erfolg in der Operation Dominio auszudrücken, ein honduranischer Beitrag zur Unterstützung der verstärkten regionalen Counterdrugs-Operationen“. Der Bruder des Präsidenten sitzt in den USA wegen Drogenhandel, gegen Hernández selbst und andere führende Figuren des De-facto-Regimes ermittelt die US-Justiz wegen des gleichen Delikts.

Links von Faller die Ex-Botschafterin in El Salvador. Quelle: Southcom.

In El Salvador präsentiert sich dieser „Antidrogenkampf“ so: Die Gemeinden San Fernando, San Ignacio, Nueva Trinidad und Arcatao im nördlichen, an Honduras angrenzenden Departement Chalatenango sind militarisiert. Dies betrifft eine klassische historische Kernzone der ehemaligen Guerilla des FMLN. Begonnen hatte das mit der Covid-19-Epidemie, was damals vom FMLN mit Mühe hingenommen wurde. Heute – die Pandemie ist momentan abgeflacht - ist die Begründung für die andauernde Militarisierung: den Drogenschmuggel unterbinden. Die Bürgermeister der vier Gemeinden wehrten sich in einer Pressekonferenz im Parlament dagegen. Sie erläuterten, wie die Dichtmachung der Grenze für viele Gemeindemitglieder eine Schikane darstelle. Denn eine neue Grenzziehung zwischen Honduras und El Salvador 1992 aufgrund eines Urteils des internationalen Gerichtshofes von Den Haag hatte Äcker und Viehweiden der salvadorianischen Campesinas und Campesinos zum Teil „honduranisiert“ und generell das sozioökonomische Geflecht der Region beeinträchtigt. Es gibt Fälle, in denen die Grenze durch den Hof einer Finca geht. Die Militärs lassen nun, so kritisierten die Gemeindevertreter, die Leute nicht mehr auf ihre Äcker und lähmen die traditionell kleinräumige, jetzt halt binationale Wirtschaftsaktivität.

In Chalate.

Präsident Nayib Bukele antwortete auf die gewohnte Weise auf die Kritik der Bürgermeister, die sich zuvor schon erfrecht hatten, von ihm die gesetzlich vorgeschriebene Überweisung aus den laufenden Staatseinnahmen an die Gemeinden zu fordern. Er twitterte am 21. Oktober, zufällig am Tag der Ankunft des „Antidrogen“-Trupps aus den USA: „Dort gibt es keine Grenzübergänge, nur eine grüne Grenze. Man kann sehen, wer für die Drogenhändler und die Schmuggler arbeitet. Bürgermeister, Medien und natürlich gehen sie zu denen, die sie beschützen: das Parlament.“ Im Weitern meinte Bukele: „Entweder sind [die Bürgermeister] schwer von Begriff oder sie sind Teil des Geschäfts dieser Ratten“, also der Narkos. Im gleichen Twitterthread wandte er sich an Verteidigungsminister Merino Monroy: „Verdoppeln Sie die Militärpräsenz an der grünen Grenze [dieser Gemeinden]. Es ist offensichtlich, dass sie Drogen und/oder Schmuggelware transportieren wollen und zudem auf die Unterstützung der lokalen Behörden zählen“.

Die bekannte FMLN-Aktivistin Lorena Peña antwortete in einem Facebook-Clip, entweder warne Bukele die Drogenhändler, statt sie zu verhaften, oder er greife den FMLN an.  (San Fernando war oder ist noch tatsächlich als Punkt auf der Drogenroute bekannt. Nur fängt das Regime null Narkos …) 

 

Beschlagnahmte Tonnen Kokain in El Salvador. 2019 übernahm Bukele die Präsidentschaft. Quelle: LPG.

 

Am gleichen 20. Oktober fasste eine Mitteilung des FMLN Aussagen des Pfarrers von Arcatao, Miguel Ángel Vasquez Hernández, so zusammen: Er „bat die Soldaten, die einfachen Leute der Grenzcomunidades nicht mehr in der praktizierten Weise zu bedrängen und forderte Präsident Bukele zu Beweisen“ für seine per Twitter lancierten Behauptungen auf. „Weiter denunzierte er, dass in den letzten Wochen Personen und Jugendliche der Comunidad Teosinte von den Militärs bedrängt wurden, die ihre Macht gegen die Menschen in diesem Weiler von Arcatao missbraucht haben.  Ihm zufolge wird es aus der Pfarrei eine Untersuchung aller Missbräuche (…) geben, denn, so der Padre Miguelito, die Kirche muss immer zu ihrem Volk stehen.“

Wieder Alltag in Teilen von Chalatenango. Quelle: Facebook,

 

(Persönliche Bemerkung. Beim Lesen dieser Aussage erschauderte ich: Arcatao, der FMLN, die Basiskirche, die Armee – Erinnerungen an den Krieg in den 80-er Jahren).

Gleichentags antwortete José Alberto Avelar, Bürgermeister von Arcatao, Bukele auf Facebook: «Heute beschuldigte der Präsident mich und die anderen drei Bürgermeister, den Drogenhandel in den Grenzgemeinden zu protegieren. Wenn es ein Verbrechen ist, alle Personen, die abends einen Teller Frijoles mit Tortillas essen, zu schützen, dann werde ich es weiter begehen.»  

Der Compa legte Fotos von seinem Nachtessen und der Küche bei: «Dies ist die Villa des Bürgermeisters von Arcatao. Man wird daraus die Millionen ersehen, die ich für die Protektion des Drogenhandels einstreiche. Wenn Sie es nicht glauben, kommen Sie sich überzeugen, meine Tür steht offen, und in meinem Dorf sind wir mit Hilfe Gottes und unserer organisierten Leute frei von Gewalt und Kriminalität, so dass Sie keine Angst haben müssen zu kommen. Hier wird Ihnen niemand etwas antun. Ich fordere den Präsidenten auf, seine Worte zu beweisen. Ich bin stolzes Mitglied des Frente und diene dem Volk.»

Die "Narkoküche" des Bürgermeisters.

 Es scheint, dass die Regierung Bukele (unter US-Regie) zu einer weiteren Eskalation gegen den FMLN ansetzt, zu einer sehr gefährlichen. Eine repressive Militärpräsenz in solchen Zonen wie in Chalatenango wird früher oder später auf Gegenwehr stossen. Weniger von Seiten der früheren Guerillas, die viele schon alt und krank sind. Aber es gibt hier eine Erinnerung des Kampfes für Befreiung, die in den Köpfen und Herzen vieler Leute wirkt. Sie nährt eine kollektive Identität, die sich in vielen Selbstorganisationen im Alltag zeigt (mit dem Resultat zum Beispiel eines deutlichen Rückgangs der Gewalt gegen Frauen). Sie ist im Visier.

Diesen Sonntag soll eine Solidaritätskarawane aus der Hauptstadt nach Chalatenango fahren. Eine Initiative von Compas des FMLN. Den Fallers und Bukeles erwächst Widerstand.

Beschlagnahmte Tonnen Kokain in El Salvador. 2019 übernahm Bukele die Präsidentschaft. Quelle: LPG.

 

Bolivien: el pueblo unido…

Montag, 19. Oktober 2020

 

(zas, 19.10.20) Wunderbar! Nach vorläufigen Schnellauszählungen des MAS und zweier Umfrageinstitute (oder Exit Polls, die Quellen widersprechen sich) haben Luis Arce und sein Vize David Choquehanca die Präsidentschaftswahlen klar für sich entschieden. Selbst die Putschpräsidentin Jeanine Áñez und Tuto Quiroga, ein Ex-Präsident und Schlachtross im Dienst des State Departments, haben Arce schon gratuliert. Das Wahlgericht ist jetzt an der offiziellen Auszählung, deren Ergebnis noch Tage auf sich warten lassen dürfte. 

Vom Hauptkonkurrenten auf Seiten der Rechten, Carlos Mesa, vom Faschistenführer Camacho in Santa Cruz und vor allem von Seiten Washingtons (und damit der OAS) und der Militärs liegen noch keine Stellungsnahmen vor. Dennoch scheint es angesichts des grossen Vorsprungs des MAS und der Anerkennung der Resultate durch Figuren wie Áñez und in grossen Medien unwahrscheinlich, dass dieses Resultat weggezaubert wird. Schon beim Putsch letzten Jahres gegen Evo Morales war klar, dass die Rechte bei einem Resultat von 50 % oder mehr für das MAS stillgehalten hätte.

Nach Mitteilung einer MAS-Genossin hat ihre Partei auch im Parlament die Mehrheit erreicht.

In digitalen Medien kursierten diese Nacht Videos wie jenes, das angeblich zeigt, wie die Polizei Mitglieder des MAS mit Aktenkopien bei Verlassen eines Wahllokals verhaftet. Das Putschregime hatte einen mehrtägigen Ausnahmezustand mit massiver Armeepräsenz auf den Strassen angeordnet; in vielen Wahllokalen waren die Militärs mit deutlich einschüchternder Haltung präsent. Eppur si muove – und die Leute wählten die Hoffnung. 


In den Wahllokalen von Yacapani resp. Buenavista im Departement Santa Cruz. Fotos: Telesur

Die Absage von letztem Samstag der Schnellauszählung durch die Wahlbehörde wegen «gerade entdeckter» technischer Mängel ist ein klarer Hinweis auf einen Betrugsplan. Zuerst sollten die Resultate in der Schnellauszählung nur auf Ebene Wahllokal, nicht wie bisher auf Ebene Wahltische, veröffentlicht werden, und dies neu in einem Format, das das Downloaden der Daten in Excel-Format nicht erlauben würde (s. CEPR). Der Grund dafür: Die detaillierte Veröffentlichung der Resultate im Oktober 2019 unter Evo Morales erlaubte es, die OAS-Lüge von Evos Wahlbetrug zu widerlegen (s. dazu Mark Weisbrot auf dt.). Die nun «entdeckten» technischen Mängel an der zuvor vom Wahlgericht hoch gelobten neuen Schnellauszählsoftware sind wohl auf die damit provozierte verbreitete Kritik, auch von UNDP-Leuten, zurückzuführen. Bei der offiziellen Auszählung werden Akten genutzt, die zuvor einzig in Obhut von Armee und Polizei sind. Wahlgerichtspräsident Salvador Romero ist nicht nur ein persönlicher Freund des rechten Hauptkandidaten Carlos Mesa, sondern hatte das Büro des National Democratic Institute (NDI), ein Tentakel des State Departments, im Nachputsch-Honduras von 2011 bis 2014 geleitet. In einem von Wikileaks veröffentlichten Kabel der US-Botschaft in La Paz wird er als als Autor von damaligen Wahlbetrugsvorwürfen gegen das MAS und Planer von damit zusammenhängenden Gewaltakten gewürdigt.

Das Ausmass des MAS-Sieges dürfte jetzt von der OAS gedeckte mutmassliche Betrugsvorhaben scheitern lassen. Wir werden sehen.

Falls Arce und Choquehuanca wirklich die Regierung antreten, wird dies in einem Land mit enormer Zerrüttung sein. Arce, ein wohl keynesianischer Ökonom, vertritt die «gemässigte» Tendenz im MAS, während David Choquehuanca der indigenen Bewegung sehr viel näher steht. Aber heute herrscht grosse Freude. Denn die unglaublichen indigenen Mobilisierungen der vergangenen Monate, der Wunsch offenbar auch in Mittelschichten nach einem Ende des faschistisch-neoliberalen Regimes bedeuten in Bolivien die Rückkehr zur Anerkennung der Würde derer unten. Und sie nähren die Hoffnung in einem brutal angegriffenen Kontinent. Wunderbar!

Für weitere Information: Der Live-Blog von CEPR und amerika21.de.

Moria, Humanismus

Freitag, 16. Oktober 2020

 https://twitter.com/ErikMarquardt/status/1315994264296448000?s=09

Erster Herbststurm im neuen #Moria. Schaut dieses Video, leitet es weiter. Eigentlich braucht es keine weiteren Kommentare. Es ist so unwürdig. Und viel zu wenige kriegen es mit. #leavenoonebehind
 
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(zas) Gerade noch erfreuten uns eine gewisse Keller-Sutter und Anhang mit den Botschaften, wie toll die Schweiz sich für menschenwürdige Bedingungen in Moria einsetzt und natürlich die EU-Grenzen verteidigt. Clever: Die, die "wir" brauchen, sollen kontrolliert herangebracht werden. Der Rest soll jetzt weniger im Miteelmeer ertrinken, sondern in vorgelagerten Wüsten verdursten oder in Gefängnissen der "Migationskooperations-Partner" fertiggemacht werden. Als weiteren Beleg für den überströmenden Humanismus von EU % Co.:

Wie schon 2019? Wahlergebnisse in Bolivien könnten keine Akzeptanz finden

 

Bolivien / Politik

OAS mit gleichem Personal vor Ort. Neues Zählsystem wohl weniger transparent. Rechte würde Sieg der MAS laut Umfragen nicht akzeptieren
Die OAS und Vertreter des Obersten Wahlgerichts von Bolivien bei der Übereinkunft, "genauso wie im vergangenen Jahr" vorzugehen
Die OAS und Vertreter des Obersten Wahlgerichts von Bolivien bei der Übereinkunft, "genauso wie im vergangenen Jahr" vorzugehen

La Paz. In der Woche vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am kommenden Sonntag in Bolivien mehren sich Stimmen in beiden Lagern wie auch bei unabhängigen Organisationen, die einen erneuten Wahlbetrug bzw. eine Fortsetzung des Putsches vom vergangenen Jahr befürchten. Einige Umstände sprechen dafür, dass sich die Geschichte vom vergangenen Jahr wiederholen könnte.

Die in den letzten Umfragen weit vorne liegende Bewegung zum Sozialismus (MAS) sieht insbesondere in der erneuten Anwesenheit der Wahlbeobachtermission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) unter der gleichen personellen Führung wie im vergangenen Jahr ein gravierendes Problem. Die OAS hat 40 Personen aus 12 Ländern geschickt, angeführt wird die Mission wie im vergangenen Jahr von Manuel González aus Costa Rica. Er wird allerdings wegen der Covid-19-Pandemie nur virtuell anwesend sein, vor Ort ist Francisco Guerrero für die OAS federführend. Dass González wieder hauptverantwortlich sein wird, bezeichnete die Sprecherin der MAS, Marianela Paco, als einen "Affront gegen das bolivianische Volk".

Die OAS hatte mit ihrem Vorwurf von festgestellten Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen vom 20. Oktober 2019 zum Sturz des gewählten Präsidenten Evo Morales und der darauffolgenden Entwicklung mit der Verfolgung von MAS-Politikern sowie Massakern gegen deren Anhänger maßgeblich beigetragen. Am Dienstag erst hatte die OAS nochmals einen Prüfbericht vorgelegt, der "böswillige Manipulation" und "schwerwiegende Unregelmäßigkeiten" bei der Übermittlung der Ergebnisse der Wahlen vom vergangenen Jahr festgestellt habe.

Diese Ansicht wurde allerdings bereits mehrfach entkräftet und widerlegt, wie Studien und Analysen der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation Center for Economic and Policy Research (CEPR) oder der US-Tageszeitung New York Times belegten.

Trotzdem sorgte OAS-Generalsekretär Luis Almagro vor etwa zwei Wochen schon einmal vor, indem er einen im Bereich des Möglichen liegenden Wahlsieg des MAS-Kandidaten Luis Arce bereits in der ersten Wahlrunde am Sonntag erneut als möglichen Wahlbetrug deklarierte (amerika21 berichtete).

Der Leiter der OAS-Mission in Bolivien rief zwar am Dienstag "alle politischen Kräfte des Landes" dazu auf, die Ergebnisse in jedem Fall zu akzeptieren. Jedoch ist vor allem bei der extremen Rechten wie auch bei der OAS in Person von Almagro zu befürchten, das sie dies ebenso wie im vergangenen Jahr nicht tun werden.

Die MAS sieht nach den Erfahrungen des vergangenen Jahres die Gefahr, dass die Geschichte sich wiederholen könnte und ein Sieg in der ersten Runde von den politischen Konkurrenten nicht akzeptiert würde. Die MAS-Sprecherin Paco sprach Anfang der Woche davon, dass ein "zweiter Schlag gegen die Demokratie" im Gange sei, da das vom Obersten Wahlgericht (TSE) neu entwickelte Auszählungssystem, das am Sonntag zum ersten Mal zum Einsatz kommen wird, "völlig intransparent" sei.

Zuvor hatte der Präsident des TSE, Salvador Romero, erklärt, dass es in diesem Jahr keine Fotos der Wahlprotokolle geben werde. Damit können weder Medien noch die Bevölkerung die Zählung überprüfen. Das Zählsystem sei zudem bis heute nicht international anerkannt, so Paco.

Die gleichen Bedenken äußerte gestern das CEPR. Es bezog sich in einer Presseerklärung auf eine auf Twitter veröffentlichte Antwort des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen, wonach man auch dort davon ausgeht, "dass es keine seperate Downloadmöglichkeit der Ergebnisse im Excel-Format" geben werde. Das war bei den Wahlen im vergangenen Jahr noch der Fall gewesen. Dies hatte es ermöglicht, den Vorwurf der OAS, es habe Unregelmäßigkeiten in einem Umfang gegeben, dass die Wahl entscheidend zu Gunsten der MAS manipuliert war, zu widerlegen.

Auch in der Bevölkerung gibt es Skepsis, dass die Wahlen ohne Manipulation ablaufen werden. Dies geht aus einer Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung hervor, über die die bolivianische Tageszeitung La Razón berichtete. Zwar glauben demnach immerhin 67,6 Prozent der Befragten, dass das Oberste Wahlgericht (TSE) "saubere und transparente" Wahlen garantieren könne, 38 Prozent hätten aber kein "Vertrauen“ in die OAS als Beobachter freier Wahlen.

Auf die Frage, wer einen Sieg der MAS akzeptieren würde, glaubten die Befragten, dass dies Anhänger der noch amtierenden, aber wegen Chancenlosigkeit nicht am Sonntag antretenden De-facto-Präsidentin, Jeanine Áñez, zu 44 Prozent nicht tun werden. Anhänger des ultrarechten Kandidaten Fernando Camacho würden nach Einschätzung der Befragten sogar zu 83 Prozent einen MAS-Sieg nicht anerkennen.

75 Prozent der Befragten waren allerdings der Meinung, dass der gemäßigtere Kandidat und größte Konkurrent von Arce, Carlos Mesa, das Wahlergebnis anerkennen wird. Sollte die MAS verlieren, glauben indes 54 Prozent der Befragten, dass Arce, die MAS und deren Anhänger das Ergebnis nicht akzeptieren werden.

Dass es für die Rechten und Ultrarechten einzig um die Verhinderung der Rückkehr der MAS an die Macht zu gehen scheint, machten nicht nur verstörende Aussagen des de-facto-Innenministers, Arturo Murillo, deutlich. Er hatte am Samstag gegenüber Polizisten geäußert, sie hätten die "Pflicht, die Rückkehr der Linken zu verhindern".

Auch Ernesto Suárez, der Vize-Präsident der Partido Democrático, die keinen eigenen Kandidaten stellt, schwor die Anhänger seiner Partei darauf ein, in der ersten Runde lieber für Mesa als für den ultra-rechten Camacho zu stimmen. "Leider werden wir für Mesa stimmen müssen", bedauerte Suárez.

USA: Paramilitärs am Üben

Samstag, 10. Oktober 2020

 (zas, 9.10.20)

Heute kam die Meldung, dass ein paar Milizionäre die Gouverneurin von Michigan entführen wollten. Das FBI liess sie auffliegen, so die Polizeimeldung. Was da genau Sache ist, bleibt noch unklar. Aber einige Stränge sind sichtbar.

American Patriot Rally – so nannten sie letzten April ihren Versuch, das Parlament von Michigan zu «stürmen», als Protest gegen den Versuch der demokratischen Gouverneurin Gretchen Whitmer, im  republikanisch dominierten Parlament des Gliedstaates Unterstützung für Stay-at-home-Massnahmen gegen die Covid-19-Pandemie zu kriegen. Ein Teil der Patriots war schwer bewaffnet. Das ist in Michigan legal, auch im Parlament, ein Transparent hochhalten dagegen nicht. Die Senatorin Dayna Polehanki veröffentlichte etwa dieses Bild:

 


 Trump tweetete darauf: "Liberate Michigan!"

 

Sie folgten dem Ruf. Greg Miller von der Washington Post begriff den Zusammenhang (sein Ressort: national security):

 

Common Dreams schreibt heute:

«Die New York Times schätzte die Zahl aktiver Milizmitglieder auf rund 20'000 Leute in 300 Gruppen, wobei ArmeeveteranInnen ein Viertel davon stellten. Aber eine neue Untersuchung von The Atlantic der Oath Keepers, eine der bekanntesten rechtsextremen paramilitärischen Gruppen, enthüllte eine Liste von fast 25'000 aktiver oder ehemaliger Mitglieder, davon zwei Drittel mit Armee- oder Sicherheitskräftebackground. Dies deutet daraufhin, dass die Zahl von Americans mit Beziehungen zu extremistischen Gruppen grösser ist.»