Brief mediCuba-Suisse, 2. Dezember 2019

Donnerstag, 30. Januar 2020

Schon bald 2 Monate her, aber immer noch eindrückliche Angaben zur Lage auf Kuba unter dem US-Belagerungsregime.
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Sehr geehrte Mitglieder, sehr geehrte Leser und Leserinnen

Die wirtschaftliche Situation in Kuba hat sich deutlich verschlechtert und hat schwerwiegende Auswirkungen auf das kubanische Volk. Der größte Teil dieser Verschlechterung ist auf die Verschärfung des US-Embargos zurückzuführen und der Umsetzung neuer Maßnahmen zur Erstickung Kubas und seiner Bewohner.

Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen im Jahr 2015 und die von Barack Obama eingeleitete wirtschaftliche Öffnung, die in seinem Besuch in Havanna im März 2016, seinem Treffen mit Raúl Castro und seinem erklärten Wunsch, "die Überreste des Kalten Krieges zu begraben", gipfelte, sind leider wieder in weite Ferne gerückt. Offensichtlich stimmt die Trump-Administration der von Obama 2016 während seines Besuchs im kubanischen Kongress gemachten Erklärung, dass "das Embargo nur Kubaner verletzt, ohne ihnen zu helfen", nicht zu.

Diese Verhärtung der US-Blockade begann mit der Beendigung der diplomatischen Beziehungen und der Rückführung von US-Diplomaten im Jahr 2017. Es folgten eine Reihe von Maßnahmen, die schwerwiegende Auswirkungen auf die kubanische Wirtschaft und die Menschen haben werden, indem wichtige Punkte der kubanischen Wirtschaft und des Lebens betroffen sind. Erstens wurde das 1996 im US-Kongress verabschiedete Helms-Burton-Gesetz, welches den Sturz von Fidel Castro zum Ziel hatte, im April 2019 vollständig umgesetzt. Der nun aktivierte dritte Absatz des Gesetzes ermöglicht es amerikanischen Bundesgerichten ausländische Unternehmen - insbesondere spanische und französische -, die im Verdacht stehen mit Kuba und mit von der Regierung Castro verstaatlichten Unternehmen Handel zu betreiben, strafrechtlich zu verfolgen. Es folgte ein offizieller Protest der Europäischen Union, der aber leider ohne Wirkung blieb. Im Zuge dieser Entscheidung haben die USA das Volumen für Bargeldtransfers nach Kuba von in den USA lebenden kubanischen Familien begrenzt, die Genehmigungen für Kreuzfahrtschiffe nach Havanna gestrichen  und die Ölversorgung der Insel extrem erschwert. Dies als direkte Folge der amerikanischen Sanktionen gegen Venezuela, den Hauptexporteur von Öl nach Kuba. Wenn die derzeitige Situation andauert, muss mit grösseren Stromausfällen auf der Insel gerechnet werden, da in Kuba Strom teilweise noch mit Öl produziert wird.

Der Tourismus, eine der wichtigsten finanziellen Ressourcen Kubas, ist ebenfalls von diesen Maßnahmen betroffen. Nicht nur aufgrund der Einstellung der Kreuzfahrten, sondern auch durch die eingeschränkte Verfügbarkeit von Öl und damit von Benzin. Im September-Oktober 2019 war es Privatpersonen - und damit auch Touristen - aufgrund eines gravierenden Benzinmangels fast unmöglich, den Tank ihres Mietwagens zu füllen oder sie mussten für mehrere Stunden an Tankstellen anstehen. Auch in Supermärkten und "Paladares" ist die Nahrungsmittelknappheit ersichtlich und spürbar. Ein Teil der Touristen wird daher nicht zurückkommen und im Gegenteil ihr Umfeld über die schwierigen Umstände informieren, die die Einschränkungen mit sich bringen.
Das kubanische Gesundheitssystem ist ebenfalls ein Ziel und das Opfer der Verstärkung der US-Blockade. Die Opfer sind letztendlich und eigentlich die KubanerInnen. Das Gesundheitssystem mit seinem hervorragenden Ruf wird durch die Blockade erdrückt: Es gibt keine Plastikspritzen mehr auf der Insel, so dass die Glasspritzen wieder herausgezogen und die Nadeln neu sterilisiert werden müssen; Kunststoffkatheter werden für Infusionen wiederverwendet; es mangelt an lebenswichtigen Medikamenten, vor allem die Verfügbarkeit von Antibiotika und Krebsmedikamenten schrumpft; ÄrztInnen verschreiben die notwendigen Medikamente, aber diese sind nicht verfügbar und die PatientInnen können die Medikamente nicht in den Apotheken besorgen. Dies hat zur Folge, dass ein ungesunder Parallelmarkt entsteht. Kuba hat alle Voraussetzungen, um qualitativ hochwertige Medikamente zu produzieren, aber der Zugang zu Rohstoffen wird immer schwierigerer und gestaltet sich nahezu unmöglich.

Trump hat kürzlich erklärt, dass die USA wirtschaftliche Maßnahmen gegen jedes ausländische Unternehmen ergreifen würden, das in Kuba ein Produkt verkauft, das 10% oder mehr Komponenten amerikanischen Ursprungs enthält. Es erübrigt sich fast zu sagen, dass nahezu jedes Produkt, ob technologisch, medizinisch oder pharmazeutisch, mindestens 10% amerikanische Komponenten enthält. Kubanische PatientInnen beginnen zu sterben, einzig und allein wegen des fehlenden Zugangs zu lebenswichtigen Behandlungs-möglichkeiten.[1]

Jedes Unternehmen wird es vorziehen, seine Beziehungen zum kleinen kubanischen Markt einzustellen, anstatt den amerikanischen Markt zu verlieren. Dies war zuletzt bei der PostFinance der Fall, die rücksichtlos beschloss, keine Euro-Überweisungen mehr nach Kuba zu tätigen, um es sich nicht mit den Vereinigten Staaten zu verderben. mediCuba-Suisse, das seine Überweisungen mit PostFinance tätigt, konnte von einer individuellen Behandlung, einer dauerhaften Ausnahmebewilligung, profitieren.

Darüber hinaus ist Lateinamerika in Bewegung. Die neuen rechten Regierungen vertreiben kubanische Ärzte und Ärztinnen, die in ihren Ländern im Einsatz stehen, darunter mehr als 8.000 ÄrztInnen in Brasilien Ende 2018, 750 kürzlich in Bolivien und fast 400 in Ecuador. Eine weitere Quelle von Deviseneinnahmen, die damit für Kuba verschwindet.

Die Tätigkeit von NGOs und Verbänden wie mediCuba, die dem kubanischen Volk durch die Unterstützung seines Gesundheitssystems helfen, ist wichtiger denn je. Die finanzielle Unterstützung unserer Mitglieder ist unerlässlich. mediCuba-Suisse verfolgt und unterstützt Projekte, die hauptsächlich vom kubanischen Gesundheitsministerium vorgeschlagen werden, die die bestehenden Bedürfnisse erkennen und auf sie eingehen und in Zusammenarbeit  mit unserem Büro in Havanna erarbeitet werden. Heute müssen wir mehr denn je das kubanische Volk in seinem Kampf gegen diese ungerechte und unmenschliche Blockade unterstützen.

Prof. Jérôme Pugin
Mitglied des Vorstandes von mediCuba-Suisse

Venezuela: Bloomberg zu Sanktionen

Montag, 27. Januar 2020


(zas, 27.1.20) «Blutgold» - der Begriff ging der Schweizer Journalistin letzten Freitag cool über die Lippen. Und es fehlte auch nicht die Aussage, die Schweiz als wichtiger Goldhandelsplatz trage Mitverantwortung, die Vermarktung dieses Goldes zu erschweren. Das verlange nämlich der von ganz vielen Ländern Europas anerkannte venezolanische Präsident Juan Guaidó am WEF. Er kämpft auch sonst gegen den Diktator Maduro, werden wir aufgeklärt. Doch der hält sich immer noch an der Macht, trotz der Sanktionen, werden wir mehrmals im Verlauf der Sendung belehrt.
Lassen wir die Schweiz als global entscheidende und kriminelle Drehscheibe im Handel mit Blutgold im Dienste von Multis wie Glencore. Fragen wir uns: Warum Raubgold, Blutgold? Guaidó gibt Auskunft: Es handelt sich um illegal gewonnenes Gold. Begründung? Wenn er es doch sagt, wozu noch nachfragen? Es gäbe zwei Antworten, die sich ergänzen, aber ausserhalb des mainstream-medialen Aufnahmevermögens liegen: Illegal wäre das Gold, weil die Regierung Maduros, also die rechtmässige, in seine Förderung/Vermarktung involviert ist. Und nicht Guaidó, die Marionette Washingtons. Und zweitens, weil womöglich ein Teil des Goldes tatsächlich über Schleichwege vermarktet werden soll. Das Problem des auch in Venezuela existierenden «illegalen» Goldschürfens ist komplex. Seit Jahren wird dieser Bereich von paramilitärischen Mafias drangsaliert oder auch kontrolliert, die nicht etwa im Pro-, sondern im Antiregierungslager zu finden sind. Ein Grossteil der Goldproduktion ist legal, wird von der Regierung kontrolliert und soll, wie im Bericht dann beiläufig erwähnt, den Devisenausfall wegen der gegen die Ölwirtschaft gerichteten US-Sanktionen kompensieren.
Damit sind wir wieder bei den Schleichwegen. Bloomberg, in keiner Weise einer minimalen Fairness gegenüber dem Chavismus verdächtig, schrieb vor zehn Tagen, unter dem Aufreisser «Totale Reserven in einem 30-Jahre-Tief von nur $ 6.61 Mrd. - limitierte liquide Reserven können Schlechtes für Importe von Nahrungsmitteln und Medikamenten verheissen»:
 «Venezuelas internationale Währungsreserven (…) erreichen ein neues dramatisches Tief; unter erdrückenden Wirtschaftssanktionen fallen die Cash-Vorräte auf unter $ 1 Milliarde.»
«Zwar hat das Land ca. 73 Tonnen Gold gefördert, doch seine Vermarktung ist dank der US-Bemühungen, das Regime von Nicolás Maduro von einem globalen Netzwerk von Käufern, Banken und Mittelpersonen abzutrennen, zunehmend schwieriger geworden.»
«Eine Cash-Verknappung könnte die Möglichkeit des Maduro-Regimes, Nahrungsmittelsubventionen fortzuführen, Basisgüter zu importieren und die Unterstützung der Armeeführung zu bewahren, bedrohen.»
«Ein signifikanter Teil von venezolanischem Gold, 32 Tonnen im Wert von rund $ 1.6 Mrd., ist weiter in London, nachdem die Bank of England mehrere Forderungen Maduros nach Repatriierung des Goldes abgelehnt hat. Zwar ist die Zentralbank unabhängig, aber die britische Regierung erkennt Maduro nicht an und sagt, sein Regime solle keinen Zugriff auf Vermögenswerte im Ausland haben.» 
London, Februar 2019.
Auch wenn regierungsnahe Organe in Venezuela sich seit einigen Monaten bemühen, eine leichte wirtschaftliche Verbesserung festzustellen – etwa erste Erfolge in der Bekämpfung der induzierten Hyperinflation (aber entscheidend auch, weil fast niemand mehr die absurden Preise bezahlen kann), minimale Steigerung der Ölförderung, angebliche Erfolge mit der Kryptowährung Petro, die ein gewisses autonomes Agieren im faktisch dollarisierten Land ermöglichen soll -   die sozioökonomische Lage ist auf jeden Fall dramatisch. Dies primär aufgrund des Sanktionenregimes, das zwischen August 2017 und Ende 2018 vermutlich mindestens 40'000 Menschen das Leben gekostet hat, und das letztes Jahr mit drakonischen weiteren Blockaden der Zentralbank und der Ölindustrie und neuer der Goldbewirtschaftung noch beträchtlich grössere Mordlawinen ausgelöst hat (s. dazu Correos 194).
Und schon repetiert die «objektive Berichterstattung» den neuen Refrain.
Guaidós Stern scheint am Sinken, nachdem auch mit ihm keine namhaften Armeeteile zum Putschen bewegt werden konnten (anders als etwa in Bolivien). Am Schluss der Befehlskette, weit unten, drückt sich das im Gejammer wie in der erwähnten Sendung aus: Trotz Sanktionen sei «das Regime» weiter am Ruder. Einziger Stimmungsmacher: Mit schärferen internationalen Sanktionen (nicht so Wischiwaschi wie der britische Goldklau) könnte der Chavismus vielleicht doch noch gekippt werden. Dass Sanktionen den Regime Change anvisieren, wird als Selbstverständlichkeit vermittelt, was diese Sorte von Medienschaffenden das nächste Mal nicht daran hindern wird, die Belagerungsergebnisse als Missetaten der Diktatur zu propagieren.
Mit schärferen Sanktionen, also mit mehr Massenmord, gebe es Hoffnung. Die solche Propaganda nachplappern, sind meist nicht einmal offen pervers. Sie sind einfach folgsam und waschen ihre Hände in Einfalt.