Wahlen in Venezuela

Donnerstag, 12. Dezember 2013

Wahlen in Venezuela


Dario Azzellini

Am vergangenen Sonntag fanden in Venezuela Kommunalwahlen statt. Insgesamt
wurden 355 BürgermeisterInnen gewählt, 1.680 direkt gewählte Stadträte
und 686 über Listen, sowie 69 Indígena-VertreterInnen. Wahlberechtigt für
die Kommunalwahlen waren insgesamt 19.066.431 Personen. Die Wahlbeteiligung
lag bei 58,92%. Die höchste bei alleine stattfindenden Kommunalwahlen (also
nicht zeitgleich zu anderen Wahlen) in Venezuela und wesentlich höher als
der Durchschnitt in Europa (in Deutschland liegt die Wahlbeteiligung bei
Kommunalwahlen bei etwa 45%) und sogar immer noch etwas höher als bei
Präsidentshaftswahlen in den USA.

Mit 97,52% ausgezählter Stimmen kamen die Allianz rund um die Chávez-Partei
PSUV und weitere nahestehenden Parteien auf 5.111.336 Stimmen oder 49,24%,
und die rechte Oppositionsallianz MUD erhielt 4.435.097 Stimmen, 42,72%. Die
PSUV alleine erhielt 44,16% und die MUD 40,96%, die Kommunistische Partei
Venezuelas (PCV) 1,6% und sonstige Parteien 13,26%. Die Opposition und die
internationale Presse hatten ja im Vorfeld versucht die Wahlen zu einem
Plebiszit für oder gegen Präsident Maduro hochzustilisieren. Gut, dann
sollten sie nun ihre absolute Niederlage gemäß liberaler Maßstäbe
anerkennen (tun sie natürlich nicht): Der Abstand zwischen Maduro und der
Opposition, der bei den Präsidentschaftswahlen noch 1,5% betrug, lag nun bei
mindestens 6,5%. Das war eine deutliche Antwort auf den Wirtschaftskrieg der
oppositionellen Unternehmer in den vergangenen Monaten und auf die kürzlich
von der Regierung ergriffenen Gegenmaßnahmen
(http://berlinergazette.de/wirtschaftskrieg-in-venezuela/). Jenseits dessen
muss allerdings auch anerkannt werden, dass es kein Plebiszit war, das haben
die WählerInnen sich nicht aufbinden lassen. Die lokale Politik spielte für
die Wahlentscheidung die zentrale Rolle, auch wenn nicht geleugnet werden
kann, dass die allgemeine Situation Enfluss hatte.

Trotz dieses scheinbar großen Sieges und mit noch fehlenden Einzelresultaten
ging die Gesamtanzahl der von der PSUV gehaltenen Kommunen von 280 auf etwa
250 runter (im besten Fall können es noch 251 werden. Die MUD hingegen
konnte hingegen die Zahl ihrer Rathäuser von 53 auf etwa 70 steigern. Dabei
gewann das rechte Bündnis wichtige Städte wie Valencia, Iribarren, San
Cristóbal, Monagas, Mariño, Arismendi, Libertador (Mérida) und sogar
Barinas, Hauptstadt des gleichnamigen Bundesstaates in dem Hugo Chávez
geboren wurde. Die Hoffnungen Maracaibo und das Oberbürgermeisteramt von
Groß-Caracas zu gewinnen bewahrheiteten sich nicht. Sechs Bundeshauptstädte
wechselten die politische Zugehörigkeit ihres Bürgermeisters. Während in
Barquisimeto, Valencia, Barinas und Maturín das rechte Wahlbündnis gewann,
konnte der Chavismus der MUD nur zwei Hauptstädte abnehmen: San Carlos und
Ciudad Bolívar. Insgesamt sank die Anzahl der von der PSUV gehaltenen
Bundeshauptstädte von 15 auf 13 während die MUD nun 9 kontrolliert.

Eveling Trejo (MUD) und Ehefrau des ehemaligen Gouverneurs des Bundesstaates
Zulia (flüchtig wegen Anklagen aufgrund von Korruption) und bisherige
Bürgermeisterin von Maracaibo gewann die Bürgermeisterwahlen mit 51,74% der
Stimmen (288.071) gegen Miguel Ángel Pérez Pirela (PSUV) der als
politischer Newcomer (eigentlich Sozialwissenschaftler, Philosoph und
Moderator eines Politprogramms im Fernsehen) erhielt 46,64% (259.669). In
Caracas gewann ebenfalls erneut der leidige bisherige Oberbürgermeister
Antonio Ledezma (MUD) mit 690.193 Stimmen gegen Ernesto Villegas. Immerhin
sank Ledezmas Stimmenanteil von 52,4% bei den Wahlen 2008 auf 50,8%. Seine
Stimmen stammen aus den vier kleineren von der Opposition regierten
Hauptstadtmunizipien Baruta, Chacao, El Hatillo und Sucre. Während in
Libertador, dem größten Munizip (das was den meisten als Caracas bekannt
ist…) der regierende Bürgermeister Jorge Rodríguez (PSUV) mit 54,55% der
Stimmen gewann (474.227). Oscar Schemel, Leiter des Umfrageinstituts
Hinterlaces – und ganz und gar nicht der Regierung nahestend – hat sich
in den vergangenen Jahren als aufmerksamer Analyst gezeigt. Er wies nun
darauf hin, der Chavismus habe zwar in den wichtigsten Städten verloren
jedoch sei er aber auch in all diesen Städten gewachsen.

Nach liberal-demokratischen Parametern scheint also alles gut zu Laufen. Es
ist zweifellos wichtig, dass das Ergebnis so deutlich ausgefallen ist.
Dennoch muss die Frage gestellt werden wo die zwei Millionen Stimmen hin sind
die Maduro noch im April mehr mobilisieren konnte. Warum konnten sie nicht
mobilisiert werden? Angesichts der für alle spürbaren Verbesserungen, den
Sozialprogrammen (Misiones), Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, einer
halben Million Wohnungen, die im Rahmen der Gran Misión Vivienda vergeben
wurden, angesichts einer Opposition, die jeden Tag Ernest ihre Bereitschaft
beweist das Land und die Bevölkerung auszuplündern, und angesichts ihrer
schrägen RepräsentantInnen, die keine Achtung vor den Wünschen der
Mehrheit zeigen, muss gefragt werden warum die Linke immer noch so wenig
Stimmen bekommt.

Interessant ist in diversen Orten KandidatInnen gewannen, die sich als
chavistisch definieren aber gegen die offiziellen KandidatInnen der PSUV
gewannen. Unter ihnen sind Kandidaten, die aus der PSUV ausgeschlossen
wurden, aus Basisbewegungen stammen oder von der Kommunistischen Partei oder
andren Parteien kommen, welche die Regierung unterstützen. Das bedeutet
keineswegs sie seien stets “besser” als die PSUV-KandidatInnen, aber es
zeigt auf, dass es möglich ist von der PSUV “durchgedrückte”
KandidatInnen mit anderen chavistischen KandidatInnen und popularer
Mobilisierung zu besiegen. Gegen die offiziellen PSUV-KandidatInnen gewannen
im Bundesstaat Portuguesa in José V De Unda, Oswaldo Zerpa (Tupamaro); in
Boconoito gewann Armando Rivas (PCV); in Papelón gewann Alirio Bonilla
(Poder Laboral) und in Ospino siegte Carlos Molina (PCV, PRT, CRV und
Tupamaro). In Buroz im Bundesstaat Miranda gewann Ramón Gómez (Juan Bimba)
und im Bundesstaat Trujillo gewann Luis Parrillo (VBR und Tupamaro) in Sucre
und in Juan Vicente Campo Elías gewann José Torrealba (PRT, Juan Bimba y
PCV). In Aragua gewann Alcides Martínez (MAS und Juan Bimba) die Wahl in
Santos Michelena.

Einheit wird aufgebaut nicht verordnet. Viele Parteien und Gruppierungen
haben ihre guten Gründe dafür gehabt bestimmte offizielle KandidatInnen
nicht zu unterstützen. Es hat ja auch erneut keine Primärwahlen gegeben, um
die KandidatInnen auszuwählen. Es muss aber die Basis sein, die ihre
KandidatInnen aufstellt, nicht die Parteiführung. Und sollte es nicht
ausreichen, dass die demokratische und populare Logik es so verlangt, kann
daran erinnert werden, dass Chávez vor seinem Tod unterstrich die Basis
müsse die KandidatInnen für die Kommunalwahlen ernennen. Was ist mit
Chávez’ Erbe?
Tatsächlich sind s wenige die FÜR die Opposition stimmen. Die meisten
stimmen GEGEN den Chavismus. Die Verwaltung in Venezuela ist weiterhin
häufig ineffizient, Korruption ist ein weit verbreitetes Problem und ihre
großen finanziellen Ausmaße sind auch Ursache diverser ökonomischer
Probleme. Auch wenn mit Nicolás Maduro der Kampf gegen die Korruption
intensiviert wurde, ist das allein nicht ausreichend. Auch wenn die
Maßnahmen zur Preiskontrolle und im Kampf gegen die Spekulation Resultate
gezeigt haben, sind diese nur vorübergehend. Es Bedarf einer Kontinuität
und diese können nur die organisierten communities  und die ArbeiterInnen
garantieren.

Venezuela muss sich nun darauf konzentrieren bezüglich der nationalen
Produktion Fortschritte zu machen, denn das ist auf mittlere Sicht der
einzige Weg die Spekulation und Korruption zu bekämpfen – wenn dabei die
populare Partizipation und Arbeiterkontrolle hochgehalten wird. Populare
Macht kann nicht übertragen werden, sie wird aufgebaut! Die ArbeiterInnen
von Industrias Diana, Lácteos los Andes, ABC Formas usw. sind mit gutem
Vorbild vorangegangen. Der sehr positive Aufbau von rätebasierten Comunas
muss vertieft werden. Jetzt gibt es mit Reinaldo Iturriza endlich einen
Minister für Comunas, der aus den Bewegungen kommt und Bereitschaft sowie
politische Vorstellungskraft zeigt.

Bis Ende 2015 werden nun kene erneuten Wahlen in Venezuela stattfinden (dann
kommen die Parlamentswahlen). Es gibt also keine Mobilisierungen denen es zu
folgen gilt noch Wahlkampagnen, in die Arbeit investiert werden müsste. Es
gibt keine Ausrede mehr. Jetzt ist das Pueblo dran. Nur das Pueblo rettet das
Pueblo.

Comuna oder nichts! Populare Macht schaffen und organisieren! Besetzen,
produzieren und Widerstand leisten!