Kuba: BBC-Zensur

Sonntag, 6. April 2014

dieser Artikel aus der jungen Welt vom 03.04.2014 wird Ihnen empfohlen von VSC (Vereinigung Schweiz-Cuba)


Kritiker kaltgestellt

Die öffentlich-rechtliche BBC stellt ein Internetportal über Kuba ein, weil ein Journalist dort US-amerikanische Menschenrechtsverletzungen angeprangert hat

Volker Hermsdorf
Weil er nicht bereit war, einen kritischen Artikel über Menschenrechtsverletzungen und Doppelmoral der USA zu »entschärfen«, strafte die öffentlich-rechtliche britische Rundfunkanstalt BBC ihren langjährigen Korrespondenten in Havanna, Fernando Ravsberg, ab. Sein beliebter Blog Cartas desde Cuba (Briefe aus Kuba), auf dem er seit sieben Jahren auf dem Onlineportal des Auslandsprogramms BBC Mundo Eindrücke aus und über Kuba veröffentlichte, wurde in der vergangenen Woche geschlossen.

An Stelle des unbequemen Korrespondenten sollen, nach Ankündigung der BBC, künftig Personen schreiben, die »kritisch zur Revolution stehen und in den kubanischen Medien nicht zu Wort kommen«. Unter dem Arbeitstitel »Stimmen aus Kuba« wird der Onlineauftritt von Systemgegnern vorbereitet, die bereits jetzt in westlichen Konzernmedien bevorzugt vertreten sind. Ab Mai will die BBC diese »Stimmen der kubanischen Realität« weltweit verbreiten, kündigte Lateinamerika-Chef Hernando Álvarez letzten Freitag an. Dessen Pläne lesen sich wie eine Kopie des Onlineportals Voces Cubanas (Kubanische Stimmen), einer mit Hilfe von US-Diensten aufgebauten und verbreiteten Contra-Seite.

Der in Uruguay geborene Journalist Fernando Ravsberg lebt seit 20 Jahren in der kubanischen Hauptstadt und ist seit sieben Jahren für die einst angesehene BBC »unser Mann in Havanna«. Er interviewte kubanische Politiker und Systemgegner, katholische Würdenträger und Prostituierte, berichtete kurzum über viele Facetten der Gesellschaft. Gesprächspartner, Leser und Berufskollegen bescheinigen ihm »hohe Professionalität«, auch wenn sie mit manchen seiner Ansichten nicht einverstanden sind. Hin und wieder gab es Ärger. Er selbst berichtete amüsiert, daß er nach einer Kritik an der US-Blockade gut zwei Jahre lang weder Einladungen noch Informationen von Washingtons Interessenvertretung in Havanna erhalten hatte. Mit seinen Artikeln eckte Ravsberg häufig auch bei Vertretern von Ministerien, der Regierung, der Medien und der Partei in Kuba an, wurde dort jedoch nie in seiner Arbeit behindert oder von irgendeiner kubanischen Seite zensiert. Das besorgte jetzt sein Chef, die BBC, die bis heute als Monument westlicher Presse- und Meinungsfreiheit gepriesen wird.

Am 13. März schrieb Ravsberg einen Artikel mit der Überschrift »Die USA und der Splitter im Auge des Anderen«, in dem er deren Doppelmoral beim Thema Menschenrechte aufgriff. Er kritisierte, daß die USA zwar Kuba jedes Jahr Menschenrechtsverletzungen vorwerfen würden, selbst aber das Foltercamp in Guantánamo betreiben, in dem die größte Zahl politischer Häftlinge auf der Insel festgehalten werde. Weiter hinterfragte er Washingtons moralische Autorität, angesichts von 376 Drohnenangriffen in Pakistan und Jemen, bei denen 926 Menschen getötet worden seien, in der Mehrzahl Zivilisten und zahlreiche Kinder. Am Ende seines Artikels schlug er den USA vor, den Militärstützpunkt Guantánamo an Kuba zurückzugeben und damit die Wünsche von gleich zwei Präsidenten zu erfüllen: Raúl Castros Forderung nach Beendigung der US-Besetzung von Guantánamo und Obamas Versprechen, das weltweit kritisierte Straflager zu schließen.

So viel Meinungsfreiheit war für die BBC offenbar nicht mehr akzeptabel. »Zum ersten Mal seit sieben Jahren«, teilte der Autor mit, sei er von der Redaktion aufgefordert worden, »einige Dinge in dem Artikel zu ändern«. Der Vorwurf: Sein Beitrag erhebe Anschuldigungen gegenüber Washington in einer Ausdrucksweise, die er gegenüber »dem Regime in Havanna, der einzigen Diktatur in der westlichen Hemisphäre«, nie verwendet habe. »Da ich mich ihrer redaktionellen Sichtweise nicht anschließen wollte, entschieden die Kollegen in London und Miami, den Beitrag nicht zu veröffentlichen«, berichtete Ravsberg. In der darauffolgenden Woche sei ihm dann mitgeteilt worden, daß sein Blog Cartas desde Cuba, der auf dem Portal von BBC Mundo veröffentlicht wird und dort seit Jahren die meisten Leser und Kommentare hatte, »demnächst verschwinden werde«. Er sei aber »herzlich eingeladen«, an dem für Mai angekündigten »nicht journalistischen, neuen Blog« mitzuarbeiten, der »kritisch zur Revolution stehenden aber auch anderen Stimmen« eine Plattform bieten soll. Der nicht fest angestellte langjährige BBC-Korrespondent lehnte das ab und kündigte an, die Cartas desde Cuba weiter, dann eben privat, zu verfassen.

Leser des Blogs reagierten verärgert. »Tatsächlich wollt ihr BBC doch nur noch weiter nach rechts rücken«, fasste einer mit dem Pseudonym »Adrián« am Freitag die Kritik zusammen. BBC berichte tendenziös über Venezuela und die Ukraine, verschweige das von der NATO angerichtete Chaos in Libyen und die Proteste in Spanien, schreibt er und kommt zu dem Schluß: »Und jetzt behauptet ihr, objektiver über Kuba berichten zu wollen? Verarscht uns nicht!«
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