Schweiz/Kuba: »Ein skandalöser Kotau vor den USA«

Montag, 28. April 2014



aus junge Welt

28.04.2014 / Ausland / Seite 2
»Ein skandalöser Kotau vor den USA«
Schweizer Credit Suisse weigert sich, Spende an Verein zur medizinischen Hilfe für Kuba zu überweisen. Ein Gespräch mit Beat Schmid
Interview: Volker Hermsdorf
Beat Schmid ist Koordinator von mediCuba-Suisse in Havanna. Der 1992 in Zürich gegründete, gemeinnützige Verein wird von knapp 1600 Mitgliedern und 4600 Spendern getragen und unterstützt Gesundheitsprojekte auf Kuba
Die US-Blockade gegen Kuba hat jetzt auch Ihre Organisation getroffen. Was ist passiert?
Eines unserer Mitglieder wollte Anfang April den Jahresbeitrag von 100 Franken aus Bern an unsere Zentrale in Zürich überweisen. Am 14. April teilte die »Credit Suisse«, das ist die zweitgrößte Bank der Schweiz, dem Auftraggeber mit, daß die Zahlung gelöscht und das Geld zurückgeschickt worden war. In der Begründung hieß es, Credit Suisse habe sich »zu höchsten ethischen Grundsätzen« verpflichtet. Demzufolge führe man keine Zahlungen aus, »die von sanktionierten Ländern (…) kommen, an solche gehen oder sonst einen Bezug zu solchen haben«. Der einzige Grund für die Ablehnung der Überweisung von Bern nach Zürich in Schweizer Währung durch diese Schweizer Großbank ist also der, daß der Empfänger »mediCuba« heißt. »Credit Suisse« unterwirft sich damit freiwillig der von den Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der Schweizer Regierung verurteilten US-Blockade gegen Kuba und deren exterritoriale Ausweitung.
Verfolgt mediCuba irgendwelche Ziele, die den Vorgang erklären könnten?
MediCuba-Suisse ist ein legaler Verein, dessen Gemeinnützigkeit vom schweizerischen Gütesiegel ZEWO anerkannt ist. Von 1992 bis 2012 wurden rund fünf Millionen Schweizer Franken, also knapp 4,1 Millionen Euro, in verschiedene Gesundheitsprojekte auf Kuba investiert. Dazu gehören zum Beispiel zwei HIV-Projekte, zwei zur Demenzvorbeugung und Unfallverhütung bei älteren Menschen, die langjährige Zusammenarbeit mit dem kubanischen Krebsinstitut und verschiedene Vorhaben in der Kindermedizin, aber auch der fachliche Austausch und die Ausbildung kubanischer Spezialisten. Unsere Arbeit wird von Medizinern und Wissenschaftlern in der Schweiz und weit darüber hinaus geschätzt und gelobt. Sie wird von Privatpersonen aus allen Schichten, aber auch von Bund, Kantonen und Gemeinden unterstützt.
Wie erklären Sie sich dann das Verhalten der Credit Suisse?
Es ist ein Skandal, daß eine Privatbank einen Geldtransfer in Schweizer Währung innerhalb der Schweiz wegen einer US-Sanktion ablehnt, die Jahr für Jahr einmütig von aller Welt verurteilt wird. Im November 2013 hatten 188 der 193 UN-Mitgliedsländer und auch die Schweiz die sofortige Beendigung der US-Blockade gefordert. Ich hoffe, daß die Bevölkerung, aber auch die Medien und Politiker sich dagegen wehren und die Bank diese verfehlte Politik korrigiert.
Halten Sie die Begründung der Bank für glaubwürdig?
In Anbetracht der unmenschlichen Auswirkungen der US-Blockade besonders im kubanischen Gesundheitssektor halte ich es für zynisch, daß sich die Credit Suisse bei ihrem skandalösen Kotau vor den USA ausgerechnet auf »ethische Grundsätze« beruft. Geradezu pervers ist diese Begründung aber angesichts der Geschichte dieser und anderer Schweizer Banken, die jahrzehntelang die bei ihnen deponierten Gelder jüdischer Naziopfer und Flüchtlinge nicht offengelegt und damit den Erben vorenthalten haben, die seit Jahrzehnten ein sicherer Fluchthafen für das Blutgeld grausamer Diktatoren sind, die bis zuletzt enge Beziehungen zum südafrikanischen Apartheid-Regime pflegten und die bis heute willige Helfer beim Verstecken der Vermögen von Steuerbetrügern aller möglichen EU-Länder sind. Wenn ausgerechnet eine solche Bank es verhindert, daß ein engagierter Bürger 100 Franken für Gesundheitsprojekte in einem Entwicklungsland überweisen kann, ist das für mich ein Mißbrauch wirtschaftlicher Macht und moralisch abstoßend.
Was erwarten Sie jetzt?
Zunächst erwarten wir, daß dieser Vorgang in der Schweiz und weit darüber hinaus bekannt wird. Wir denken, daß er so schwerwiegend ist, daß sich auch europäische Politiker einschalten müssen. Ansonsten hoffen wir, daß dadurch möglichst vielen Menschen der menschenverachtende Charakter der US-Blockade gegen Kuba bewußt wird – und die Tatsache, daß die Macht der USA so weit reicht, daß eine Schweizerin kein Geld an einen gemeinnützigen Schweizer Verein überweisen kann.

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Zu diesem Thema s. auch: 

Kuba/Schweiz: Finma im Angriffsnachvollzug  (25.6.13)

und

Zürcher Kantonalbank gegen Kuba-TerroristInnen (19.6.13)

Trauer in Macondo

Freitag, 18. April 2014


Von Kuba nach Béziers: Seelige Pressefreiheit

Dienstag, 8. April 2014



(zas, 8.4.14) Vielleicht hören Sie ja hin und wieder das "Echo der Zeit" im Schweizer Radio SRF? Sie wissen, dort wo glänzende JournalistInnen ihr Bestes geben, um uns objektiv zu informieren und die Pressefreiheit zu verteidigen. Wie oft haben wir in letzterem Zusammenhang von SRF und all den anderen engagierten Medien nicht dankenswerterweise Informationen von Reporters sans Frontières (RSF) vermittelt bekommen, dieser grossartigen, topseriösen französisch-internationalen Watchdog-Organisation eben für die Pressefreiheit und das Recht auf ungefilterte Information!
Ja doch, da gab es immer welche, natürlich Linke, die was zu nörgeln hatten (s. etwa Les mensonges de Reporters sans frontières). Und das nur, weil RSF über die Jahre nachgewiesenermassen von der National Endowment for Democracy (NED) oder dem International Republican Institute (IRI), Emanationen der US-Geheimdienste, oder von CIA-kubanischen Organisationen in Miami Geld, viel Geld, erhalten hatte! 

Und deswegen sollten die brillanten RSF-Analysen über Diktatur und Meinungsunterdrückung in Kuba oder Venezuela nicht klarster Objektivität entspringen! Welch kleinliches Gezänk! Oder wenn RSF die Ermordung Invasions-kritischer Journalisten im Irak jahrelang unter den Tisch wischt, dann soll irgendwer Schlechtes dabei denken?
Nicht die JournalistInnen von SRF und "all den andern Medien".
Also auch nicht Charles Lieberherr. Er berichtet am 31. März über den neuen Bürgermeister der südfranzösischen Stadt Béziers, Robert Ménard. Ménard ist für den Front National Bürgermeister. Er vertrete ein rechtes Programm, weiss unser Reporter: Innenstadt säubern, Fremde raus etc. Ménard vertraut Lieberherr an, dass ihn jetzt manche mit "Monsieur Le Maire" ansprechen, was ihm, er gibt das offen zu, ein wenig komisch vorkommt. Denn schliess sagt er, der, wie uns Lieberherr nicht zu informieren unterlässt, "den Reportermantel locker über die Schulter" trägt: "Ich komme nicht aus dieser Politikerwelt."
Schade , Lieberherr hätte ja beim Stichwort Reportermantel noch was anderes assozieren können, weniger locker über die Schulter, sondern dass dieser Ménard 1985 RSF gegründet und bis 2008 präsidiert hat (anschliessend nahm er einen Job als Chef eines Pressefreiheitsvereins in Katar an, wo sonst?). Aber Übermenschliches darf man auch von SRF nicht verlangen. Natürlich hat Lieberherr gewusst, wen er da vor sich hatte. Aber am RSF-geschmierten Eigenlob der Mainstreammedien (Pressefreiheit, objektiv etc.pp.) sollte dann doch nicht gerüttelt werden. Ein Leuchtturm besagter Eigenschmiere als Bürgermeister des Front National …? Nun, vielleicht braucht es doch noch ein wenig Zeit, bis auch das beiläufigst verkleckert werden kann.
Jedenfalls hat der SRF-Reporter es vorgezogen, uns den Mann zu präsentieren, der so gar nicht aus "dieser Politikerwelt" kommt, als seine doch jahrelang gefeierten, von Mitterand, de Villepin und Washington unterstützten Verdienste um die Pressefreiheit auch nur im Nebensatz zu erwähnen.
Einfühlsam, diese Reportage. State of the art.

Kuba: BBC-Zensur

Sonntag, 6. April 2014

dieser Artikel aus der jungen Welt vom 03.04.2014 wird Ihnen empfohlen von VSC (Vereinigung Schweiz-Cuba)


Kritiker kaltgestellt

Die öffentlich-rechtliche BBC stellt ein Internetportal über Kuba ein, weil ein Journalist dort US-amerikanische Menschenrechtsverletzungen angeprangert hat

Volker Hermsdorf
Weil er nicht bereit war, einen kritischen Artikel über Menschenrechtsverletzungen und Doppelmoral der USA zu »entschärfen«, strafte die öffentlich-rechtliche britische Rundfunkanstalt BBC ihren langjährigen Korrespondenten in Havanna, Fernando Ravsberg, ab. Sein beliebter Blog Cartas desde Cuba (Briefe aus Kuba), auf dem er seit sieben Jahren auf dem Onlineportal des Auslandsprogramms BBC Mundo Eindrücke aus und über Kuba veröffentlichte, wurde in der vergangenen Woche geschlossen.

An Stelle des unbequemen Korrespondenten sollen, nach Ankündigung der BBC, künftig Personen schreiben, die »kritisch zur Revolution stehen und in den kubanischen Medien nicht zu Wort kommen«. Unter dem Arbeitstitel »Stimmen aus Kuba« wird der Onlineauftritt von Systemgegnern vorbereitet, die bereits jetzt in westlichen Konzernmedien bevorzugt vertreten sind. Ab Mai will die BBC diese »Stimmen der kubanischen Realität« weltweit verbreiten, kündigte Lateinamerika-Chef Hernando Álvarez letzten Freitag an. Dessen Pläne lesen sich wie eine Kopie des Onlineportals Voces Cubanas (Kubanische Stimmen), einer mit Hilfe von US-Diensten aufgebauten und verbreiteten Contra-Seite.

Der in Uruguay geborene Journalist Fernando Ravsberg lebt seit 20 Jahren in der kubanischen Hauptstadt und ist seit sieben Jahren für die einst angesehene BBC »unser Mann in Havanna«. Er interviewte kubanische Politiker und Systemgegner, katholische Würdenträger und Prostituierte, berichtete kurzum über viele Facetten der Gesellschaft. Gesprächspartner, Leser und Berufskollegen bescheinigen ihm »hohe Professionalität«, auch wenn sie mit manchen seiner Ansichten nicht einverstanden sind. Hin und wieder gab es Ärger. Er selbst berichtete amüsiert, daß er nach einer Kritik an der US-Blockade gut zwei Jahre lang weder Einladungen noch Informationen von Washingtons Interessenvertretung in Havanna erhalten hatte. Mit seinen Artikeln eckte Ravsberg häufig auch bei Vertretern von Ministerien, der Regierung, der Medien und der Partei in Kuba an, wurde dort jedoch nie in seiner Arbeit behindert oder von irgendeiner kubanischen Seite zensiert. Das besorgte jetzt sein Chef, die BBC, die bis heute als Monument westlicher Presse- und Meinungsfreiheit gepriesen wird.

Am 13. März schrieb Ravsberg einen Artikel mit der Überschrift »Die USA und der Splitter im Auge des Anderen«, in dem er deren Doppelmoral beim Thema Menschenrechte aufgriff. Er kritisierte, daß die USA zwar Kuba jedes Jahr Menschenrechtsverletzungen vorwerfen würden, selbst aber das Foltercamp in Guantánamo betreiben, in dem die größte Zahl politischer Häftlinge auf der Insel festgehalten werde. Weiter hinterfragte er Washingtons moralische Autorität, angesichts von 376 Drohnenangriffen in Pakistan und Jemen, bei denen 926 Menschen getötet worden seien, in der Mehrzahl Zivilisten und zahlreiche Kinder. Am Ende seines Artikels schlug er den USA vor, den Militärstützpunkt Guantánamo an Kuba zurückzugeben und damit die Wünsche von gleich zwei Präsidenten zu erfüllen: Raúl Castros Forderung nach Beendigung der US-Besetzung von Guantánamo und Obamas Versprechen, das weltweit kritisierte Straflager zu schließen.

So viel Meinungsfreiheit war für die BBC offenbar nicht mehr akzeptabel. »Zum ersten Mal seit sieben Jahren«, teilte der Autor mit, sei er von der Redaktion aufgefordert worden, »einige Dinge in dem Artikel zu ändern«. Der Vorwurf: Sein Beitrag erhebe Anschuldigungen gegenüber Washington in einer Ausdrucksweise, die er gegenüber »dem Regime in Havanna, der einzigen Diktatur in der westlichen Hemisphäre«, nie verwendet habe. »Da ich mich ihrer redaktionellen Sichtweise nicht anschließen wollte, entschieden die Kollegen in London und Miami, den Beitrag nicht zu veröffentlichen«, berichtete Ravsberg. In der darauffolgenden Woche sei ihm dann mitgeteilt worden, daß sein Blog Cartas desde Cuba, der auf dem Portal von BBC Mundo veröffentlicht wird und dort seit Jahren die meisten Leser und Kommentare hatte, »demnächst verschwinden werde«. Er sei aber »herzlich eingeladen«, an dem für Mai angekündigten »nicht journalistischen, neuen Blog« mitzuarbeiten, der »kritisch zur Revolution stehenden aber auch anderen Stimmen« eine Plattform bieten soll. Der nicht fest angestellte langjährige BBC-Korrespondent lehnte das ab und kündigte an, die Cartas desde Cuba weiter, dann eben privat, zu verfassen.

Leser des Blogs reagierten verärgert. »Tatsächlich wollt ihr BBC doch nur noch weiter nach rechts rücken«, fasste einer mit dem Pseudonym »Adrián« am Freitag die Kritik zusammen. BBC berichte tendenziös über Venezuela und die Ukraine, verschweige das von der NATO angerichtete Chaos in Libyen und die Proteste in Spanien, schreibt er und kommt zu dem Schluß: »Und jetzt behauptet ihr, objektiver über Kuba berichten zu wollen? Verarscht uns nicht!«
Den Artikel finden Sie unter: http://www.jungewelt.de/2014/04-03/006.php

Argentinien: die Malvinas sind eine NATO-Basis

Donnerstag, 3. April 2014



(zas, 3.4.14) Im Folgenden eine Zusammenfassung von Agenturmeldungen zu Äusserungen der argentinischen Präsidentin bezüglich des NATO-Aufmarschs im Südatlantik und einer verbreiteten Sicht im Süden auf die Vorgänge in der Ukraine.
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Die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner versicherte anlässlich des 32. Jahrestages des Kriegs um die Malvinen (Falkland Islands), dass die Inseln heute "die NATO-Base im Südatlantik" darstellt. "Die NATO-Base im Südatlantik ist die Wahrheit, die sie nicht weiter verheimlichen können. Unsere Botschaft hat nicht nur mit einer Einforderung von Souveränität zu tun, sondern mit dem Frieden. Es handelt sich um die grösste Militärbase im Süden, von wo aus der ganze britische Militäraufmarsch im Süden und die elektronischen Geheimdienstsysteme abgewickelt werden". Die Präsidentin fügte an, dass Grossbritannien "eine Nation ist, die fast immer auf der Seite des Aggressors steht. Sie ist in alle bewaffneten Konflikte verwickelt. Es wäre gut, sie würden sich weniger dem Krieg und mehr dem englischen Volk widmen."
Cristina Fernández bei einem früheren Malvinen-Gedenktag. Qulle: Clarín
 Fernández kritisierte auch, dass Russland für die Eingliederung der Krim nach dem Referendum verurteilt, aber umgekehrt eine Konsultation in den Malvinas letztes Jahr akzeptiert werde. "In der Krim "wurde die Gültigkeit des Referendums nicht anerkannt. Es handelt sich nicht um eine andere Sache, sondern um die gleiche. Es wird verheimlicht, dass, was die internationale Politik in Wirklichkeit bestimmt, nicht das Völkerrecht ist, sondern das Kräfteverhältnis, nicht die Respektierung von Menschenrechten und Frieden, sondern das Gesetz des Stärkeren. Der Stärkere trampelt auf dem Kopf des Schwächeren herum."

Venezuela: Paramilitärs in Lara

Mittwoch, 2. April 2014



(zas, 2.4.14) Julio Chávez, sozialistischer Abgeordneter, macht faschistische Offensiven in seinem Staat Lara bekannt. Die hier übersetzte Meldung - Muestran evidencias de incursión paramilitar en Lara (Fotos+Videos) – stammt vom heutigen Tag aus YVKE Radio Mundial.
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Belege für das Auftreten von Paramilitärs in Lara

Der nationale Abgeordnete Julio Chávez präsentierte in dem von Venezolana de Televisión übertragenen Programm Zurda Konducta eine Reihe Belege für das Ziel der paramilitärischen Gruppen, das Leben von mit der venezolanischen Politik verbundenen Personen auszulöschen.
Als erstes zeigte er den Angriff auf kubanische Ärzte in der Stadt Barquisimeto, die in ihren Wohnungen mit Brandbomben angegriffen wurden. "Sie haben sich wie durch ein Wunder retten können, obwohl man die Ausgänge versperrt hat", erläuterte er.
Anschlag auf Wohnungen kubanischer ÄrztInnen. Quelle: YVKE Radio Mundial

Weiter legte der Parlamentarier eine Liste von Personen vor, die von kriminellen, von paramilitärischen Gruppen ausgebildeten Banden angegriffen werden, um sie zu töten.
Namensliste von zu Ermordenden. Quelle: YVKE Radio Mundial


Er zeigte auch Fotos von mit einem "X" und einem "S.O.S." markierten Wohnungen  von mit der revolutionären Regierung verbundenen Personen. Chávez kommentierte: "Die gleiche Praxis, wie sie eine Zeit lang in Kolumbien gebräuchlich war und im [venezolanischen Grenz-] Staat Táchira."

Er unterstrich, dass die nationale Regierung in den kommenden Tagen handeln wird, um die Verantwortlichen für diese Gewaltakte, mit dem Ziel der Destabilisierung auf nationalem Gebiet vor die Justiz zu bringen.  

Venezuela: Der Krieg gegen das Soziale

http://www.azzellini.net/journalistische-artikel/der-krieg-gegen-das-soziale

Gewaltsame Destabilisierung und Paramilitarismus hängen in Venezuela eng zusammen


Im Laufe des Monats März sind die "Unruhen" zu Aktionen von kleinen Gruppen geschrumpft, die in etwas mehr als einem Dutzend Verwaltungsbezirken aktiv sind. Ihre Ziele und Methoden entsprechen immer deutlicher den traditionellen CIA-Vorgaben für einen Zermürbungskrieg, ähnlich dem, der auch gegen das sandinistische Nicaragua in den 1980er Jahren geführt wurde. Von den 37 Personen, die bis am 28. März in Verbindung mit den oppositionellen Aktivitäten getötet wurden, gehört nur eine Minderheit der Opposition an, davon sind wiederum die meisten von anderen Oppositionellen beziehungsweise von Unbekannten umgebracht worden oder bei Unfällen ums Leben gekommen.1 Acht der Opfer sind Angehörige von Sicherheitskräften (Nationalgarde und Polizisten). Sie fielen häufig gezielten Schüssen (meist in den Kopf) aus großer Entfernung zum Opfer. Aber auch diverse Regierungsangestellte, Regierungsanhänger und sogar Oppositionelle und sich keinem Lager zurechnende Personen wurden beim Abräumen von Barrikaden getötet. Vor allem in der Andenstadt Mérida, an der Grenze zu Kolumbien, wird scharf geschossen. Auf Dächern postiert, nehmen Schützen mit Gewehren zentrale Kreuzungen unter Beschuss, dabei töteten sie bereits diverse Personen.

In den Bundesstaaten Táchira, Aragua, Mérida, Zulia, Bolívar, Anzoátegui, Lara, Barinas und selbst in Caracas wurden Bomben- und Brandanschläge auf Strom- und Stromumspannungswerke verübt um die Energieversorgung zu sabotieren, ebenso wurden diverse Universitäten mit Brandbomben angegriffen, an denen vorwiegend Arme studieren. Ebenso waren Kindergärten, Lebensmittelvertriebe, die staatliche Telefongesellschaft und über ein Dutzend ihrer Fahrzeuge, Tourismusbehörden, Wahlbehörden, U-Bahnstationen, Nahverkehrsbusse, Ärztehäuser und andere Sozial- und Infrastrukturprojekte von Anschlägen betroffen. In Merida wurde das Trinkwasserreservoir absichtlich mit großen Mengen Treibstoff verunreinigt, in Caracas der Wald des Naturreservats an der Nordseite der Stadt angezündet, um die Stromtrassen, die die Stadt versorgen, zu zerstören.
Brennende Filiale des Wohnungsministerium in der hauptstädtischen Reichengemeinde Chacao am 11. März 2014.

 Hinter den Anschlägen und Angriffen stecken drei verschiedene Organisationsmuster, die alle derselben Destabilisierungsstrategie folgen. Gruppen von meist Jugendlichen bauen Barrikaden, versetzt mit Todesfallen aus Stacheldraht, greifen in Gruppen Ordnungskräfte und Institutionen mit Molotovcocktails an und attackieren jene Anwohner und Anwohnerinnen, die sich gegen die Aktionen aussprechen oder versuchen, Barrikaden abzubauen. Diese Gruppen zählen häufig auf sowohl militärisch erfahrene Berater wie auch auf bereitgestellte Infrastruktur (von Kampfmaterial wie Stacheldraht, Molotovcocktails, Benzin usw. bis hin zu Handfeuerwaffen und Orten um das Material in unmittelbarer Nähe der Auseinandersetzungen über Wochen zu lagern und darüber täglich zu verfügen). Dabei finden diese Aktionen fast ausschließlich in oppositionell regierten Bezirken statt, denn dort ist ihnen die vielfältige Unterstützung der Bürgermeister sicher: Müll wird nicht mehr beseitigt, damit Material für den Barrikadenbau vorhanden ist, und die lokale Polizei wird nicht eingesetzt, um Barrikadenbau zu verhindern oder Barrikaden abzubauen.


Drahtsperren, besonders gefährlich und mörderisch in der Nacht.


Anweisung per Tweet des Generals a.D. Angel Vivas: "Um mörderische kriminelle Motorradhorden zu neutralisieren, müssen Nylondrähte oder Stromkabel in 1m20 Höhe gespannz werden." Die "friedliche" Oppostiion zieht in der Praxis meist Stacheldraht vor.



In einem kürzlich veröffentlichten Video ist zu sehen, wie eine gut organisierte Gruppe (deren teure Autos auch eine eindeutige Klassenzugehörigkeit verraten) in Las Salías (gemeinhin als San Antonio de los Altos bekannt) im Bundesstaat Miranda Material für eine Straßenblockade heranfährt, Kisten voller Molotovcocktails entlädt, Benzin ausschüttet und schließlich den Wald anzündet. Seit Beginn der Ausschreitungen Anfang Februar gab es in Las Salías, einem Bezirk der oberen Mittelschicht, bereits 36 absichtlich herbeigeführte Waldbrände. Der Bürgermeister gehört der Partei Primero Justicia von Henrique Capriles an und hat enge Verbindungen zur Rechtspartei Voluntad Popular (VP).

Die rechtsextreme Partei Voluntad Popular des bereits inhaftierten Oppositionsführers Leopoldo López unterstützt die Gewalt offen. Aus diesem Grund wurden im März die VP-Bürgermeister Daniel Ceballos (San Cristobal, Bundeststaat Táchira) und Enzo Scarano (San Diego, Carabobo) vor Gericht gestellt und des Amtes enthoben. Ersterer wurde zu zehn Monaten und 15 Tagen Haft verurteilt, da er ein Urteil des Obersten Gerichthofes nicht befolgte, die Polizei einzusetzen und den Barrikadenbau zu verhindern. Letzterer hingegen wurde zu 12 Monaten Haft verurteilt, da er auch noch vermummt gewalttätigen Aktionen beiwohnte. Es ist kein Zufall, dass VP tief in diese Strategie involviert ist. Leopoldo López ist gut mit dem ehemaligen kolumbianischen Präsidenten Álvaro Uribe bekannt, der als wichtigster Förderer des kolumbianischen Paramilitarismus gilt, dem mindestens 250.000 Menschen zum Opfer gefallen sind.

Zum Zweiten agieren in den gewaltsamen Destabilisierungs-Aktionen auch bezahlte kriminelle Banden. Aussagen von polizeibekannten Bandenmitgliedern und veröffentlichte Telefonmitschnitte von Unterhaltungen oppositioneller Politiker bestätigen dies. Diese Banden kommen für den Straßenkampf, Plünderungen und gezielte Angriffe zum Einsatz. Rekrutiert werden sie bereits seit Jahren von paramilitärischen Sektoren, die den Drogenhandel kontrollieren und darüber kriminelle Banden in den Stadtteilen kooptieren. Diese werden auch für gezielte Morde an Aktivistinnen und Aktivisten in den Armenstadtteilen eingesetzt.  Und grundsätzlich sollen sie das soziale Geflecht zersetzen,   Terror und Angst sollen an die Stelle der wachsenden solidarischen Beziehungen treten.

Als dritte Variante der gewaltsamen Destabilisierung agieren paramilitärische Zellen mit gut bewaffneten und auch ausgebildeten Kämpfern aus Venezuela, Kolumbien und anderen Ländern. Diese treten bisher allerdings nicht offen als eine militärische Struktur (so wie die Contras in Nicaragua) auf, da dies in der momentanen Situation für die Opposition Spielräume in der internationalen Öffentlichkeit ebenso wie im Land selbst stark reduzieren würde. Das Bild der "friedlichen studentischen Proteste" und einer vermeintlich bösartig repressiven Regierung ließe sich nicht weiter aufrechterhalten, würde eine bewaffnete Oppositionsstruktur öffentlich als solche auftreten. Zugleich hatte auch die venezolanische Regierung bisher wenig Interesse daran, die Existenz einer solchen Struktur öffentlich zuzugeben, um Ängste nicht weiter zu schüren oder die Opposition stärker erscheinen zu lassen.

Die Strategie der Destabilisierung versucht die Bedingungen zu schaffen, damit die linke Regierung in Venezuela fällt. Eine direkte militärische Intervention der USA ist auch mittelfristig eher unwahrscheinlich. Die politischen Verhältnisse in Lateinamerika lassen dies kaum zu. Der Schaden für die USA könnte größer sein als der Nutzen, zumal die USA nicht riskieren können, Venezuelas Erdölexporte über längere Zeit ausfallen zu lassen. Eine militärische Intervention von außen könnte die Linke in Venezuela und Lateinamerika eher stärken. Auch die massive Finanzierung und Unterstützung der Opposition zeigte nicht die erwünschten Ergebnisse. So setzen die USA, die Rechte des Nachbarlandes Kolumbien und Teile der venezolanischen Opposition auf Paramilitarismus, Anschläge und Zerstörung. Dadurch sollen die Lebensbedingungen so weit verschlechtert werden, dass bei der nächsten Wahl die Opposition gewinnt.
"Wie sehr ich dich will, VENEZUELA"
Die beschriebene dreigliedrige gewaltsame Strategie ist bereits seit mindestens 2007 für Kenner von US-Geheimoperationen und paramilitärischer Vorgehensweisen ersichtlich. Ihre weitere Verbreitung ist nicht unwesentlich dem Umstand zu verdanken, dass sowohl die meisten Regierungsinstitutionen als auch die meisten Basisbewegungen in Venezuela das Problem lange stark unterschätzt haben.

In einer ersten Phase drang der kolumbianische Paramilitarismus wirtschaftlich in Venezuela ein. An ihn gebundene Personen aus Venezuela und Kolumbien haben gezielt Häuser und Grundstücke gekauft sowie massiv Kapital investiert. Sie haben diverse legale und illegale wirtschaftliche Aktivitäten unter ihre Kontrolle gebracht und konnten eine Infrastruktur und Logistik aufbauen, die es ihnen gestattet, sichere Orte zu haben, um zu agieren und sich zurückzuziehen, wenn es darauf ankommt. Der Paramilitarismus kontrolliert beispielsweise den Benzinschmuggel von Venezuela nach Kolumbien. Angesichts der venezolanischen Benzinpreise von nur einigen Cent pro Liter ist dies ein riesiges Geschäft. Der Paramilitarismus kontrolliert auch wesentlich den Kokainhandel und große Teile des Schmuggels von Lebensmitteln.

Der massive Schmuggel von Lebensmitteln nach Kolumbien ist auch zu einem beträchtlichen Teil für Versorgungsengpässe in Venezuela verantwortlich. Hinzu kommen weitere Erscheinungen des kolumbianischen Paramilitarismus auf venezolanischem Territorium wie zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Viehzüchtern. Viele der Killer der seit Erlass der Bodenreform 2001 ermordeten 300 Landarbeiter und Landarbeiterinnen sind kolumbianische Paramilitärs. Auch zahlreiche Basisaktivisten, Gewerkschaftsangehörige und PSUV-Angehörige wurden in den vergangenen Jahren Opfer von Mordanschlägen.

Der Paramilitarismus begann über die Grenzregionen zu Kolumbien wie Táchira und Merida nach Venezuela einzudringen. So sind diese Regionen auch aktuell Hochburgen der "Proteste", gewaltsamer Aktionen und Sabotage. Aus militärisch-strategischer Sicht bieten San Cristóbal und die Region Táchira eine Verbindung zu Kolumbien und den Zugang zu den Anden. Diese stellen einen "Korridor" in das venezolanische Territorium bis zur Küste und in eine der wichtigsten Regionen industrieller Produktion dar. Außerdem schneiden die Anden den wichtigsten erdölproduzierenden Bundesstaat Zulia vom Rest des Landes ab.

Kriegführung mit Guerilla-Taktiken baut auf der Schaffung von strategischen "Korridoren" auf, durch die Menschen und Material möglichst gefahrlos transportiert werden können und die geographisch den Zugang zu wichtigen Angriffszielen bieten. Der zweite wichtige Korridor ist der Küstenstreifen (also vor allem Valencia, Caracas, der Bundesstaat Anzoátegui und Sucre). Und schließlich der "Südkorridor", vor allem das Gebiet der Schwerindustrie im Bundesstaat Bolívar.

Tatsächlich ereignen sich die Sabotageaktionen schwerpunktmäßig entlang strategischer Punkte dieser Korridore. Angesichts des beschriebenen Kontextes kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Anschläge und Sabotageaktionen wieder von selbst abnehmen oder aufhören. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass bereits eine neue Phase der konterrevolutionären Aktivitäten eingeläutet wurde und die Anschläge und Sabotageaktionen auf wesentlich höherem Niveau als vor Februar 2014 fortgesetzt werden. Sollte die Destabilisierung nicht zum gewünschten Erfolg führen – also weder zum Fall der Regierung noch zu ihrer Niederlage bei den nächsten Präsidentschaftswahlen – dann ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Paramilitarismus in Venezuela der Regierung und den Basisorganisationen offen den Krieg erklärt. Ein naheliegendes Szenario wäre, dass bei erneuter Niederlage gegen den Chavismus, die Opposition mit Unterstützung der USA einen vermeintlichen Wahlbetrug denunziert und daraufhin bewaffnete "Befreiungskräfte" ihre Gründung bekanntgeben – als einziger Weg, um gegen das "Regime" vorzugehen.

Dario Azzellini, Politikwissenschaftler und Soziologe, ist mit Boris Kanzleiter Herausgeber des Buches "Das Unternehmen Krieg. Paramilitärs, Warlords und Privatarmeen als Akteure der Neuen Kriegsordnung", das in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Im Jahr 2009 erschien eine erweiterte Ausgabe in Venezuela unter dem Titel "El Negocio de la guerra"

    1. Am 29. März kamen zwei Oppositionelle ums Leben: In Maracaibo starb ein 33-Jähriger beim Hantieren mit einem selbstgebastelten Sprengsatz und im Bundesstaat Táchira starb ein 44-Jähriger an einem Stromschlag bei der Beschaffung von Material für eine Barrikade.