Kolumbien: Geld aus den USA und der Schweiz für die Paramilitärs

Samstag, 28. Juni 2014

https://urgewald.org/presse/dunkle-seite-importkohle
25. Juni 2014

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Heffa Schücking

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0160-96761436

Die dunkle Seite der Importkohle


urgewald *** PowerShift
Auf Einladung von urgewald und PowerShift präsentiert Marianne Moor von der niederländischen Organisation PAX heute in Berlin den Recherchebericht „The dark side of Coal“. Darin untersucht PAX die Verstrickung zwischen den Kohleunternehmen Drummond und Prodeco/Glencore und Paramilitärs, die die kolumbianische Bergbauregion Cesar von 1996 bis 2006 mit einer Welle von Gewalt überzogen haben. PAX hat dafür in den vergangenen drei Jahren Interviews mit Opfern von Menschenrechtsverletzungen sowie ehemaligen Kommandeuren der Paramilitärs, Beschäftigten der Bergbauunternehmen und ihren Zulieferern geführt. Darüber hinaus wertete PAX gerichtliche Zeugenaussagen und eidesstattliche Erklärungen aus.

„Aus zahlreichen Aussagen geht hervor, dass besonders Drummond, aber auch Prodeco, in verschiedener Weise mit den Paramilitärs der Juan Andrés Alvarez Front kooperiert haben. Wir haben neun Quellen, die besagen, dass Drummond die Paramilitärs zwischen 1996 und 2006 mit bedeutenden Summen finanziell unterstützt hat“, erklärt Moor. Aus den Aussagen ehemaliger Paramilitärs geht hervor, dass die Bergbauunternehmen zudem Informationen an die Armee und die Juan Andrés Alvarez Front weitergegeben haben, etwa über Aktivitäten entlang der Eisenbahnlinie, oder kritische Gewerkschafter. Drei ehemalige Paramilitärs erklärten, dass die Ermordung von drei Gewerkschaftsführern im Jahr 2001 ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit war. „Die Zeugenaussagen sowohl von Opfern als auch Tätern machen deutlich, dass die Bergbauunternehmen bis heute von dieser Kooperation profitieren. Die Paramilitärs haben Zehntausende Einwohner aus der Region vertrieben. Die Morde und Morddrohungen haben den Kampf der Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen nachhaltig geschwächt. Und die Gewalt hat fast alle kritischen Stimmen aus der Zivilgesellschaft zum Schweigen gebracht“, so Moor.

Dies bestätigt der Gewerkschafter Rubén Morrón, der seit vergangenem Jahr im französischen Exil lebt, nachdem ein Anschlag auf sein Leben verübt wurde. „Bewaffnete Banden, die aus den Paramilitärs hervorgegangen sind, terrorisieren die Region weiter. Sie schüchtern all diejenigen ein, die Aufklärung, Gerechtigkeit, Wiedergutmachung und Landrückgabe verlangen“, erzählt Morrón.

Da Drummond und Prodeco bedeutende Kohlelieferanten der deutschen Energieversorger sind, konfrontieren urgewald und PowerShift sie mit diesen Problemen. „Wir waren sowohl vergangenes als auch dieses Jahr auf den Hauptversammlungen von RWE und E.ON und haben diese Fälle vorgebracht. Auch mit Vattenfall sind wir deswegen in Kontakt. Aber RWE, E.ON und Vattenfall verweisen bei jeder Kritik auf ihre Initiative ‚Better Coal’, die alle Probleme lösen soll. Sie sind jedoch noch nicht einmal bereit, sich von Kohlelieferanten zu trennen, die in so schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen verstrickt sind“, klagt Heffa Schücking, Geschäftsführerin von urgewald. „Dies zeigt, dass es sich bei ‚Better Coal’ lediglich um eine bedeutungslose Industrieveranstaltung handelt, die das Ansehen der Kohle verbessern soll“, sagt Sebastian Rötters, Kohleexperte von PowerShift. PAX bestätigt diese Kritik. Die Organisation war in einer beratenden Stakeholder Advisory Group der ‚Better Coal’ Initiative und verließ diese wieder, unter anderem weil Menschenrechtsfragen viel zu wenig berücksichtigt wurden. „Was wir wirklich brauchen, ist ein Fahrplan für den Kohle-Ausstieg statt simples Greenwashing der Kohle“, schließt Rötters.

Weitere Informationen:
Heffa Schücking, urgewald, 0160-96761436
Sebastian Rötters, PowerShift, 0163-4772758 (auch Kontakt zu Rubén Morrón)
Marianne Moor, PAX, +31-6-53221379

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http://www.multiwatch.ch/de/p97000708.htm

Prodeco Gruppe Kolumbien

Zur Prodeco Gruppe gehört der Kohlehafen in Santa Marta, die Calenturitas-Mine (La Loma) und drei verschiedene Minen in La Jagua (Kolumbien). Beide Minenstandorte befinden sich im Departement Cesar im Norden Kolumbiens und sind im Besitz von Glencore.
Auf dem Gebiet des Dorfes La Jagua betreibt Glencore drei Kohleminen (Carbones de la Jagua, CMU-Hierbabuena, Carbones del Tesoro). Der Rohstoff-Multi bezahlt dort zwar Abgaben, aber er nützt die schwachen staatlichen Strukturen gnadenlos zu seinen Gunsten aus. Die Bevölkerung leidet gesundheitlich unter dem Kohleabbau und Arbeitsplätze bringt er ihr nur wenige. Glencore erfüllt auch seine Umweltauflagen nur mangelhaft und ist mit Renaturierungen enorm im Rückstand. Schicht für Schicht wird in den Minen die Erde mit Explosionen aufgelockert und bis zu 200 Meter tief abgetragen. Flüsse, die zuvor die umliegenden Dörfer mit Trinkwasser versorgten, sind unterbrochen. Das Wasser wird in den Minen zur Säuberung der Kohle benutzt. Ungefiltert fliesst es anschliessend in die Bäche zurück und verseucht das Weideland. Vor den Minen warten Hunderte Lastwagen, um die Kohle zum 180 Kilometer entfernten Hafen zu fahren. Weder ihre Lastflächen, noch die Kohledeponien sind abgedeckt, und der Kohlestaub belastet die Luft. Er verursacht nachweislich Atemwegserkrankungen bei der Bevölkerung.
Zwischen 2006 und 2008 stand die Gewerkschaft Sintramienergética mit Glencore in einem Arbeitskonflikt. In den Minen und im Kohlehafen von Santa Marta entliessen Glencores Tochterfirmen gezielt gewerkschaftlich organisierte Arbeiter. Im Hafen waren die Verhandlungen über die Erneuerung des Gesamtarbeitsvertrags zwei Jahre blockiert. Eskaliert ist der Konflikt vor allem in den Minen von La Jagua. Dort war es der Gewerkschaft Sintramienergética im Jahre 2006 gelungen, Minenarbeiter der Temporärfirmen Operadores Mineros del Cesar (OMC) und Consorcio Minero Unido (CMU) zu organisieren. Diese beiden Temporärfirmen betrieben die Minen im Auftrag von Glencore. OMC und CMU schlossen mit den Arbeitern jeweils Verträge für maximal ein Jahr ab. Die Verträge wurden zwar jeweils erneuert, doch waren die Arbeiter dabei nicht vor willkürlichen Vertragsänderungen geschützt. OMC entliess daher zwischen 2006 und 2007 rund 350 Arbeiter. Höhepunkt war die Massenentlassung von 117 Arbeitern im August 2007, wonach die Gewerkschaft bei OMC zerschlagen war. Gleichzeitig beendete Glencore die Zusammenarbeit mit OMC, angeblich wegen mangelnder Rentabilität. Daraufhin blockierten die Entlassenen und ihre Familien die Mineneinfahrten über mehrere Tage und forderten nicht nur die Wiedereinstellung, sondern auch die Direktanstellung bei Glencore. Auch hier scheute sich Glencore nicht davor, für die Räumung der Blockade auf die Bereitschaftspolizei (ESMAD) zurückzugreifen, die bekanntlich vor nichts zurückschreckt. Nach äusserst schwierigen und zähen Verhandlungen konnte in letzter Minute, nur wenige Stunden vor Streikbeginn, am 14. Juli 2008 mit Glencore ein Abkommen erreicht werden und ein neuer Gesamtarbeitsvertrag zwischen der Gewerkschaft Sintramienergética und Glencore für zwei weitere Jahre (2008 bis 2010) unterzeichnet werden. Der neue Gesamtarbeitsvertrag galt aber nur für die Mine Carbones de la Jagua, nicht jedoch für CMU-Hierbabuena und Carbones del Tesoro, da Sintramienergética dort nach den Entlassungen bei OMC keine Mitglieder mehr hat. Dieselbe Szene wiederholte sich im Juni/Juli 2010, wobei die Gewerkschaft jedoch nach zweimonatiger erfolgloser Verhandlung am 17. Juni 2010 zum Streik aufrief. Auch dieser wurde von der Bereitschaftspolizei (ESMAD) brutal niedergeschlagen. Nach der gewaltsamen Räumung kam es am 26. Juli 2010 zu einer Einigung zwischen der Gewerkschaft Sintramienergética und Carbones de La Jagua. Obwohl längst nicht alle Verhandlungspunkte durchgebracht werden konnten, zeigte sich die Gewerkschaft zufrieden: es konnten einige wirtschaftliche Punkte durchgesetzt werden, bezüglich Lohnerhöhung, Jahresendprämien, Bildungszuschüssen. Vor allem aber konnte verhindert werden, dass der Gegenvorschlag von Glencore bezüglich einer Reduktion des Gesamtarbeitsvertrages durchgekommen ist.

"Gewerkschaften und Leitung blockieren die Arbeiterkontrolle"

Interview mit Alexis Adarfio von der Bolivarischen Arbeiteruniversität Jesus Rivero in Venezuela über die Schwierigkeit, sozialistische Demokratie in Venezuelas Staatsbetrieben einzuführen

Ciudad Guayana ist der größte Industriestandort Venezuelas. Fast die komplette Schwerindustrie – Eisen, Stahl und Aluminum – ist dort angesiedelt. Nach dem Erdöl stellen die Betriebe des Bundesstaates Bolívar den wichtigsten Wirtschaftszweig des Landes dar. Mit der Verstaatlichung zentraler Betriebe wie dem Stahlriesen Sidor im Jahre 2008 und der Entwicklung des Plan Guayana Socialista (PGS) im Jahre 2009 begannen Aktivisten und Regierung, die Wirtschaft im Bundestaat tiefgreifend umzugestalten.
Ihr erklärtes Ziel dabei ist es, die staatlichen Unternehmen effizienter zu gestalten, indem sie durch die Arbeiter selbst kontrolliert werden. Bis heute konnte die Arbeiterkontrolle jedoch in kaum einer Fabrik durchgesetzt werden.
Alexis Adarfio arbeitet in der staatlichen Fabrik Ferrominera del Orinoco und ist dort zuständig für die Organisation der Bolivarischen Arbeiteruniversität Jesus Rivero. Diese wurde nach dem Unternehmerstreik 2002/2003 von den Arbeitern aufgebaut und ist seit 2008 staatlich anerkannt.

Wie kam das Thema Arbeiterkontrolle in Venezuela auf?
Das Thema Arbeiterkontrolle kam im Jahr 2009 hier in Ciudad Guyana während eines Treffens zwischen Präsident Hugo Chávez und den Arbeitern der staatlichen Fabriken der Schwerindustrie auf. Chávez bat die Arbeiter darum, Vorschläge zu machen, wie die Fabriken produktiv werden können. Und daraus entstand dann der Plan Guayana Socialista (PGS).
Wie sah dieser Plan Guayana Socialista aus?
Er bestand aus neun Leitlinien, die die Umsetzung verschiedener Ziele bis zum Jahre 2019 festlegten. Unter anderem ging es darum, die Leiharbeiter einzugliedern, weiterverarbeitende Industrien im Bereich Eisen und Stahl aufzubauen und den Export von Rohmaterial zu reduzieren. Außerdem sollte in den Fabriken die Trennung von geistiger und körperlicher Arbeit aufgehoben und die Arbeiter und die Arbeiterselbstkontrolle ständig weitergebildet werden.
Wie hat sich der PGS entwickelt?
Nach und nach sind Arbeiterräte entstanden, die eine Norm entwickelten, wie die Arbeiterräte funktionieren sollten. Zudem rief Chávez Arbeitsgruppen ins Leben, die zu den neun Leitlinien arbeiteten und es entstand eine Generalversammlung des PGS, in der die Arbeitsgruppen gemeinsam berieten. Außerdem organisierten wir uns als Multiplikatoren der Arbeiterkontrolle in den Fabriken der Schwerindustrie, um den Plan Socialista unter den Arbeitern bekannt zu machen.
Aber heute arbeitet ihr schon nicht mehr mit dem PGS. Warum?
Ein Grund ist, dass es auf politischer Ebene keine Entscheidung gab, den Versammlungen der Arbeiterkontrolle eine rechtliche Grundlage zu geben. Im Gegensatz zu den Kommunalen Räten, den Consejos Comunales, gibt es für die Arbeiterräte kein Gesetz. Deshalb war es stets eine politische Entscheidung in den einzelnen Fabriken, ob und was die Arbeiterräte entscheiden können.
Außerdem haben die Minister, die von Präsident Chávez eingesetzt wurden, dem Thema nicht genug Aufmerksamkeit zukommen lassen und als Präsident Chávez erkrankte, verloren wir unseren wichtigsten Verbündeten im Kampf um die Arbeiterkontrolle. Und es gab natürlich von verschiedenen Seiten großen Widerstand.
Woher kommt der Widerstand gegen die Arbeiterkontrolle?
Einige Gewerkschaften widersetzen sich, weil sie erstens Angst um ihre Privilegien haben und zweitens weil sie die Vermittler zu den Mafias sind. Diese Gewerkschaften bereichern sich daran, dass sie gemeinsam mit dem Fabrikmanagement den Vetrieb der Produkte organisieren.1
Zusätzlich kommt Widerstand von Seiten der Fabrikleitungen. Die Fabrikchefs der staatlichen Fabriken werden zwar normalerweise von der Regiergung eingesetzt und sind für den revolutionären Prozess, doch die Mehrzahl der Manager sind schon 20, 25 Jahre in der Fabrik und haben keine revolutionäre Einstellung.2
Ein weiterer Gegner der Arbeiterkontrolle ist das Großkapital. Insbesondere die transnationalen Konzerne sind daran interessiert, dass hier weiterhin keine weiterverarbeitende Industrie funktioniert und sie billig an Rohstoffe kommen.
Schon heute nennen sich staatliche Fabriken wie Sidor "sozialistisch". Was ist sozialistisch an diesen Fabriken?
Bis jetzt ist der Name sozialistisch, die Intention ist sozialistisch, teilweise auch die Arbeitsprozesse. Doch nach wie vor wird alles vom Managment entschieden und in Bezug auf den Vertrieb und die Weiterverarbeitung wurde nichts erreicht. Der Staat hat aber mittlerweile verstanden, dass nicht jede Fabrik unterschiedliche Strategien der Produktion, des Vertriebs und des Einkaufs verfolgen kann und hat damit begonnen, Produktionsketten zu organisieren.
Doch heute wird nicht mehr vom Plan Socialista gesprochen...
Im Jahr 2012 fand in Ciudad Guayana ein Kongress der Arbeiterkontrolle3 statt, um eine Zwischenbilanz des PGS zu ziehen. Unter anderem musste darüber gesprochen werden, warum nicht in allen Fabriken Fortschritte erreicht worden waren und insgesamt der Sprung von kapitalistischen zu sozialistischen Fabriken in Arbeiterhand nicht erreicht worden war.
Aus diesem Grund erarbeitete die Arbeiterversammlung des PGS einen Übergangsplan und wir beschlossen, dass ein Gesetz notwendig ist, das die Arbeiterräte regelt.
Gibt es dieses Gesetz mittlerweile schon?
Nein, doch wir haben einen Gesetzesvorschlag4 erarbeitet, in dem festgelegt ist, wie die Arbeiterräte funktionieren. Und das auf nationaler Ebene. Diesen Vorschlag haben wir während der Wahlkampagne 2012 Hugo Chávez vorgestellt, in der Presse publik gemacht, haben Veranstaltungen organisiert und übergaben ihn im Zuge einer großen Mobilisierung der Nationalversammlung. 
Und wie soll dem Gesetzesvorschlag nach die Organisation in den Fabriken funktionieren?
Die Arbeiter organisieren sich in Arbeiterräten und haben vollständige Einsichtsrechte in die Firmenunterlagen, also in den Bereichen Infrastruktur, Rohmaterial, Arbeitskräfte, Produktion und Vertrieb. Nur wenn wir Arbeiter diese Informationen haben, können wir Entscheidungen treffen. Damit die Arbeiter die Kontrolle übernehmen können, werden sie in unserer Universität Jesus Rivero ausgebildet. Und es ist festgelegt, dass Entscheidungen in Arbeiterversammlungen getroffen werden.
Zusätzlich zum Produktions- und Vertriebsplan müssen die Arbeiter auch die Kontrolle über den Einkauf haben. Das steht auch im Gesetzesvorschlag. Manager und Gewerkschaften kaufen das Rohmaterial beispielsweise lieber von multinationalen Konzernen, da sie dafür Provisionen bekommen. Eine Versammlung, in der alle Arbeiter teilnehmen, wird jedoch viel eher beschließen, von Kooperativen oder kleinen und mittleren venezolanischen Unternehmen zu kaufen.
Alles in allem sind das drei Planungsbereiche, die von den Arbeitern beschlossen werden müssen: Einkauf, Produktion und Vertrieb.
Ist die Arbeiterkontrolle eine Lösung für die schwierige wirtschafliche Situation Venezuelas?
Ja. Erstens, weil ich überzeugt bin, dass alle Unternehmen, die sich in staatlicher Hand befinden, strategisch wichtige Unternehmen sind. Zweitens bin ich überzeugt davon, dass die multinationalen Konzerne in diesen Unternehmen Sabotage betreiben. Das andere Problem sind die finanziellen Interessen der Leute, die die Fabriken verwalten, wie Gewerkschafter, Manager und Abnehmer der Produkte. Und es gibt ein Defizit in der Organisation der Arbeiterklasse. Wenn die Arbeiterklasse besser organisiert wäre, gäbe es viele der Probleme nicht. Nur wir Arbeiter haben die Fähigkeit, die Produkionsprozesse im Interesse aller zu kontrollieren.
Wie steht Präsident Maduro zur Arbeiterkontrolle?
Im Mai 2013 äußerte Präsident Maduro eine scharfe Kritik, indem er sagte, dass die Arbeiterkontrolle in Ciudad Guayana nicht funktioniere. Alle dachten, diese Äußerung würde die Basisorganisation kaputt machen. Doch stattdessen gab er uns eine Aufgabe - nämlich dass unsere Arbeiteruniversität José Rivero sich zum Epizentrum der Organisation und Einheit der Arbeiterklasse entwickeln solle. Das ist eine große Verantwortung für uns.
Präsident Hugo Chávez hat mit all seiner Kraft viele Entwicklungen angestoßen, zum Beispiel den Plan Guayana Socialista. Er war sehr tatkräftig und solidarisch. Im Gegensatz zu Chávez war Maduro jedoch lange Gewerkschaftsaktivist. Das ist ein Vorteil, denn er versteht aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen viele Sachen leichter.

Südmexiko-Soli-Newsletter Juni 2014


CHIAPAS

La Realidad: Trauerfeier von Galeano und Abschied von Sub Marcos
Rasend schnell verbreitete sich die Schlagzeile von Subcomandante Marcos Rückzug aus der EZLN in den internationalen Medien. Marcos sei eine Kunstfigur, die von und für die Medien kreiert worden sei und die nun nicht mehr gebraucht werde, sagte Marcos anlässlich der Gedenkfeier für den Mitstreiter Galeano am 24. Mai 2014.
Seinen Abschied hatte Marcos selber in einem Communiqué verkündet, nachdem die Bewegung Galeano verloren hatte. Galeano wurde beim Angriff auf die zapatistische Gemeinde La Realidad von Paramilitärs erschossen. Für Galeanos Begräbnis versammelten sich 2500 Solidarische in La Realidad, um mit einer eindrücklichen Zeremonie Abschied von ihrem Compañero zu nehmen.

In Zürich bemalten wir am 24.5.2014, dem internationalen Gedenktag für Galeano, Häuserwände mit kunstvollen Wandbildern. Der zapatistischen Gemeinde La Realidad und Galeanos Angehörigen schickten wir einen Solidaritätsbrief.

Weiterlesen:
https://amerika21.de/2014/05/101800/abschied-subcomandante-marcos
http://www.neues-deutschland.de/artikel/934237.sub-marcos-verschwindet.html?sstr=EZLN


Neue Communiqués der Zapatistas
Sub Marcos, der bald zu existieren aufhört, und Sub Moisés haben seit dem Angriff auf la Realidad und der Ermordung ihres Compañero Galeano am 2. Mai 2014 eine Reihe von Communiqués verfasst:

- Ein Meeting vor einigen Tagen im zapatistischen La Realidad, 8.6.2014: http://www.chiapas.eu/news.php?id=7617

- Beileid, 30.5.2014: http://www.chiapas.eu/news.php?id=7614

- Austausch mit dem CNI (Nationalen Indigenen Kongress), 29.5.2014: http://www.chiapas.eu/news.php?id=7615

- Kleine Schule, Friedenscamp, Austausch und Wiederaufbau. Communiqué des Subcomandante Insurgente Moisés, 27.5.2014: http://www.chiapas.eu/news.php?id=7613

- Communiqué der Generalkommandatur der EZLN, 26.5.2014: http://www.chiapas.eu/news.php?id=7605

- Zwischen Licht und Schatten, 25.5.2014: http://www.chiapas.eu/news.php?id=7588

- Fragmente aus La Realidad - Fragmente der Realität I, 13.5.2014: http://www.chiapas.eu/news.php?id=7574

- Der Schmerz und der Zorn, 8.5.2014: http://www.chiapas.eu/news.php?id=7548

- Angriff auf Zapatistas – Denuncia der Junta de Buen Gobierno (Rat der Guten Regierung), 5.5.2014: http://www.chiapas.eu/news.php?id=7546

Die Original-Communiqués auf Spanisch sind hier zu lesen: http://enlacezapatista.ezln.org.mx/



GUERRERO

Urgent-Action für verhafteten Staudammgegner, la Parota
Der Umweltaktivist Marco Antonio Suástegui wurde von der Polizei in Acapulco verhaftet, geschlagen und ins Hochsicherheitsgefängnis Tepic im Bundesstaat Nayarit verlegt. Suástegui ist Sprecher des Ejido- und Gemeinderates gegen den Staudamm La Parota, Cecop (Consejo de Ejidos y Comunidades Opositoras a la presa La Parota). Bereits in der Vergangenheit haben die Regierungsbehörden versucht, den Widerstand durch die Verhaftung von Cecop-Mitgliedern zu brechen.

Unterschreiben Sie die Urgent-Action des Menschenrechtszentrums Tlachinollan (Englisch/Spanisch): http://educaoaxaca.org/english/1323-urgent-action-illegal-detention-and-transfer-of-cecop-leader-to-federal-penitentiary-tlachinollan.html
Weiterlesen: http://www.npla.de/de/poonal/4752-staudamm-la-parota-cecop-sprecher-marco-suastegui-verhaftet



MEXIKO

Militär schützt Mega-Energieprojekt in Zentralmexiko
Das Militär schützt den umstrittenen Bau einer Gaspipeline in der Nähe des Vulkans Popocatepetl, welche Teil des Mega-Energiegewinnungsprojekts «Projekt Integral Morelos» in Investitionshöhe von 1,6 Milliarden US-Dollar aus spanischem und mexikanischem Kapital ist. Das Megaprojekt umfasst 80 Dörfer aus den drei Bundesstaaten Morelos, Puebla und Tlaxcala. Mehrere der betroffenen Dörfer haben sich zur Bürgerprotestbewegung «Frente de Pueblos y Pueblos del volcán en resistencia al gasoducto» zusammengeschlossen. Sie wehren sich gegen die Enteignung ihres Bodens und Wassers, Umweltzerstörungen und Sicherheitsrisiken im Zusammenhang mit dem Megaprojekt.

Am 27.5.2014 wurden die Arbeiten für den Bau der Gaspipeline vom Militär und der Polizei eskortiert. Nachdem die mexikanische Regierung zuvor drei Umweltaktivisten inhaftiert hatte, zeigt sie damit einmal mehr, dass sie das Megaprojekt mit Gewalt statt Dialog durchsetzt. 
Hintergrundpaper zu Energiegewinnungs-Megaprojekt in Zentralmexiko:
 
http://www.chiapas.eu/news.php?id=7538

News auf Spanisch: http://www.lajornadadeoriente.com.mx/2014/05/28/entra-el-ejercito-a-forzar-la-construccion-del-gasoducto-morelos/

Neue Gesetze in Chiapas und Puebla legitimieren Repression gegen Demos
Die Regierung des mexikanischen Bundesstaates Puebla hat ein Gesetz verabschiedet, das die gewaltsame Auflösung von Demonstrationen durch Polizeikräfte rechtlich legitimiert. Das Gesetz regelt die Voraussetzungen für die gewaltsame Auflösung von Demonstrationen sowie auch den Einsatz von Schusswaffen. Ein vergleichbares Gesetz wurde vor kurzem auch im Bundesstaat Chiapas mit 25 zu vier Gegenstimmen angenommen. Die Gesetze treten in einem Moment in Kraft, in dem aufgrund der kritischen politischen Lage des Landes vermehrt Proteste stattfinden. Ähnliche Gesetze werden in einem Dutzend weiterer Bundesstaaten diskutiert.
Weiterlesen: http://amerika21.de/2014/05/101611/besetz-anti-soziale-proteste
Stellungnahme von PBI dazu (Englisch): http://www.pbi-mexico.org/field-projects/pbi-mexico/news/news/?no_cache=1&L=0&tx_ttnews[tt_news]=4262

Amnesty-Kampagne gegen Folter in Mexiko
Die weltweite Amnesty-Kampagne «Stopp Folter» fordert insbesondere Mexiko auf, stärker gegen Folter vorzugehen und Gerechtigkeit für Folteropfer herzustellen. Die Online-Petition an den mexikanischen Generalstaatsanwalt kann hier unterzeichnet werden: http://action.amnesty.de/l/ger/p/dia/action3/common/public/?action_KEY=9643&d=1



HINWEISE

Sa, 28. Juni: «Power to the people» Antirassistische Demo zum Flüchtlingstag
Ab 14 Uhr, Bern Schützenmatte, Infos: http://antira.org

Sa, 28. Juni: 10 Jahre Salon Erika, Schützenwiese, Winterthu
Ab 16 Uhr, Kunst, Musik, Essen und Getränke
Mehr dazu: www.salonerika.ch

Do, 3. Juli: Mexiko-Forum offene Vorstandssitzung
19.15 Uhr Bern, Schwanengasse 9 in Bern (4. Stock bei der ask, Bürogemeinschaft)

Fr, 11. Juli bis So, 13. Juli: Grosses Sommerfest Labitzke-Areal
Mit feinem Essen, vielen Konzerten und Kinderprogramm.
Nach einer aussergerichtlichen Einigung mit der Mobimo muss die letzte verbliebene Mietpartei das Areal auf Anfang August verlassen. Wie es danach mit dem Areal weitergeht, ist unklar – vorbeikommen und vielleicht ein letztes Mal die Gebäude und kreativen Verschönerungen zu bestaunen, lohnt sich also auf jeden Fall. Das definitive Programm ist noch in Erarbeitung.
Aktualisierte Infos unter: http://autonomerbeautysalon.wordpress.com/, http://www.labitzke-areal.ch/
https://bleib-farbig.net/


Spaghettiplausch und Kino im Autonomen Beauty Salon Zürich
Mi, 16. Juli: "Berner Beben", Andreas Berger, 1990, 110'
Sozusagen „Züri brännt“ aus der Hauptstadt. Der Dok zeigt die Geschichte der autonomen Jugendbewegung ab 1980 bis zum Krawall an der Fichendemo 1990.

Mi, 23. Juli: "Dalle Alpi Apuane", Christina Ramsauer, 2008, 52'
Widerständige Geschichten aus den Apuanischen Alpen. Anarchistische und kommunistische PartisanInnen erzählen vom Kampf gegen die Nationalsozialisten und die italienischen Faschisten.

Mi, 30. Juli: "Pfade durch Utopia", Isabelle Fremeaux / John Jordan, 2012, 109'
Der Dok zeigt eine Reise durch Europa zu verschiedenen alternativen Projekten wie einem Klima-Camp, einer anarchistischen Schule oder einer besetzten und selbstverwalteten Fabrik.

Spaghis um 19.30 Uhr, Film um 20.30 Uhr, Autonomer Beauty Salon, Hohlstrasse 481, Zürich.
Details zum Programm: http://autonomerbeautysalon.wordpress.com


Vormerken:
Sa, 16. August: Lateinamerika-Solidaritätsfestival in Bern
Infos folgen im nächsten Newsletter...

Lesetipps zu Wirtschaftsterror und Krieg gegen unten

Mittwoch, 25. Juni 2014



Zwei Lesetipps:
Wikileaks veröffentlichte kürzlich ein geleaktes Dokument aus den von den USA, der EU und einer Reihe weiterer Staaten, darunter natürlich die Schweiz, vorangetriebenen Geheimverhandlungen zu einer weiteren Runde der „Liberalisierung“ im Dienstleistungssektor (Trade in Services Agreement, TISA). Das Dokument ist ein auf den Finanzsektor bezogenes Annex. Wenn du die Wirtschaftskrise ab 2007/08 estimierst, wirst du begeistert sein von den neuen Perspektiven. Zur Einführung in die Thematik ist die von Wikileaks mitveröffentlichte Einschätzung Memorandum on Leaked TISA Financial Services Text empfohlen. Beachtet auch das Dokument aus der Berner Uni!

Was auch wird, wenn TISA etc. Wirklichkeit wird, zeigt folgender Text:
Militarisierung für den Wohlstand
Von Aureliana Sorrento
Durch die immer stärker integrierte Oberschicht gibt es gleichzeitig wachsende explosive Spannungen in den ärmsten Unterschicht.
Die Kriege der Zukunft werden Kriege in urbanen Ballungsräumen sein, weil bald die Mehrheit der Menschheit in Megastädten leben wird. Es werden "asymmetrische" Kriege sein, die nicht gegen Heere, sondern gegen Terroristen und Aufständische geführt werden. [...]
MEHR HIER:
=> http://www.deutschlandfunk.de/zukunftsvision-militarisierung-fuer-den-wohlstand.1170.de.html?dram:article_id=285100

El Salvador: Unternehmerverband will "Modellstädte"

Sonntag, 22. Juni 2014



(zas, 22.6.14) Ich dachte, mich trifft der Schlag. Gestern jubelten die rechten Medien über die begeisternden "Reformvorschläge" des Grossunternehmerverbandes ANEP, die dieser an seiner kommenden ENADE-Jahrestagung der FMLN-Regierung unterbreiten will. Da weht ein herrlich frischer Wind: KMUs an die Börse, Investmentfonds "für" das Rentensystem etc. pp. Doch die Krönung stellt ohne Zweifel der medial besonders hervor gestrichene Vorschlag, sogenannte Modellstädte oder Charter Cities in El Salvador einzuführen, unter explizitem Verweis auf die entsprechende Anstrengung zur "Anlockung von Investitionen" in Honduras. Diese werden dort, ursprünglich vom erzreaktionären US-Wachstumsökonomen Paul Romer propagiert, seit Anfang 2011 mit ungewissem Schicksal gepusht. Solche Modellstädte haben, so die Jubelmedien, aus Singapur, Hongkong oder Shenzen Zentren der explodierenden Entwicklung gemacht. (Gerne wird auch auf angebliche solche Versuche in Ecuador und Kuba verwiesen, auf die "Wissensstadt" in Ecuador und die Wirtschaftssonderzone Mariel in Kuba. Auch wenn diese beiden Beispiele mit Bestimmtheit nicht dem angestrebten Bild der "Modellstadt" entsprechen, ist es nötig, sich dazu besser kundig zu machen.)
Die "Modellstädte" sind wie im honduranischen Modell, real extraterritoriale Zonen, ausserhalb der nationalen Verfassung und Gesetze, insbesondere des Arbeitsrechts, der persönlichen Freiheiten etc. Wie ANEP-Präsident Jorge Daboub meinte:  "Ohne die nötige Gesetzgebung nützen eine demokratische Stabilität oder zum Vorwärtsschreiten entschlossene Unternehmer nichts". (Eine demokratische Stabilität, in der der FMLN Wahlen gewinnt, schadet natürlich.) Aber auch die klassischen "Freien Produktionsszonen" taugen nur noch wenig, wie die ANEP weiss: "Eine Zone zu entwerfen, wo sich alles nur auf die Wirtschaftspolitik konzentriert, ohne die anderen Elemente einzubeziehen, heisst, eine unausgeglichene Sonderwirtschaftszone zu schaffen". Die ANEP meint unter Berufung auf Singapur-Diktator Lee Kwan Yen weiter: "Um Investoren anzuziehen, ist die Herrschaft des Rechtes ebenso oder noch wichtiger als die finanziellen Anreize". Das Oligarchieblatt El Diario de Hoy fasst zusammen, wie das gemeint ist: In den "Modellstädten" "stützen die Operateure ihre Geschäfte auf eine juristische, ökonomische, administrative und politische Sondergesetzgebung Die Charter-Städte werden von Dritten regiert, seien dies eine ausländische Regierung oder mehrere Regierungen von Ländern, die für ihre Wirtschaftserfolge Anerkennung finden". In Honduras sollen diese Städte von einem "aus nationalen und ausländischen Personen zusammengesetzten 'Komitee für die Anwendung der best practice' regiert" werden.
Espléndido! José Escobar, Präsident der Vereinigung der Textil- und Konfektionsindustrie, hilft uns beim Verstehen der Zielsetzung: "Wenn es eine gut analysierte und koordinierte Verständigung zwischen Regierung und Privatunternehmen gibt, kann" die "Modellstadt" "ein gutes Modell nicht nur für eine Zone, sondern für ganz El Salvador sein".
Glaubt man der Propaganda, sollen in Honduras ab übernächstem Jahr 12 solche "Modellstädte" existieren. Nach meinem Wissensstand ist dies aber noch offen; möglicherweise hat aber sich ein Kreis potenter Investoren – im Gegensatz zu einigen zu Beginn besungenen eher skurrilen Figuren aus dem ultrarechts-"libertären" US-Spektrum- - diskret gebildet. Während die Putschregimes in Honduras die Mär von komplett neuen, in "unbesiedelten", "jungfräulichen" (also von indigenen und Garífuna-Comunidades bewohnten) Gebieten zu errichtenden Städten verbreiten, dürfte dies im dicht bevölkerten El Salvador von vornherein wegfallen. Man darf gespannt sein, welche Gebiete nach Kommando der Kapitalkräftigen unter ihre Sonderjustiz fallen sollen.
Zwei Bemerkungen noch: Solange der FMLN regiert, hat dieser "Vorschlag" keine Realisierungschance. Was also steckt hinter dem Manöver?
Zum anderen ist bemerkenswert, wie offen kapitalistische Kräfte wieder zu faschistischen "Lösungen" tendieren. Auch in Zentralamerika. Die Zeiten keynesiansicher Reformvorstellungen, wie mörderisch auch immer sie in der Praxis waren, sind vorbei.
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Zu den "Modellstädten" in Honduras und zum Gedankengut hinter diesen Vorschlägen s. "Städte der Angst" in Correos 165, März 2011, oder hier.

Ana und die Widersprüche

Donnerstag, 12. Juni 2014



Ana ist eine Compañera, die das ihre zum FMLN-Wahlsieg letzten März beigetragen hat. In ihrer Gegend in der Gemeinde Perulapán, unweit der Hauptstadt gelegen, hat sie dafür gesorgt, dass in ihrem Bekanntenkreis alle, die noch keinen Personalausweis hatten und Frente stimmen würden, diesen bezogen. Ana hat kein Geld für Taxis. Sie suchte die Leute zu Fuss auf und koordinierte sich mit der Parteizentrale für deren Transport ins Ausweiszentrum  meist abends spät, nach der Arbeit und dem Kochen für die noch bei ihr lebende Tochter, oder an ihren Freitagen. Dank ihr gaben am 2. März mehrere Dutzend Menschen mehr ihre Stimme für den Frente ab.  Ana, die Hausangestellte, gehört zu den HeldInnen des cambio in El Salvador, deren Namen „logischerweise“ kaum je bekannt werden.
In Perulapán

Auch nicht in dieser Ehrung, da alle Namen geändert sind. Ich traf Ana nämlich am Tag nach der Amtseinsetzung der neuen Regierung, am 2. Juni, wieder. Sie wohnte jetzt bei ihrer Arbeitsgeberin, grundsätzlich ein unguter Zustand für jede Hausangestellte, in diesem Fall aber dankbar begrüsst. Denn sie war jetzt auf der Flucht. Sie hatte wenige Wochen zuvor unglücklicherweise an der gleichen Bushaltestelle gewartet wie der Mann, den die beiden Jungs auf dem Fahrrad erschossen. Ihr Kleid war blutgetränkt. Sie kannte die Mörder, Nachbarn, und diese kannten sie. Es waren Leute von „Kummer“ von der Mara 18. Der leitete aus dem Gefängnis das rentear, das Renten Besorgen, also die Erpressung von Zahlungen, und die Überfälle, die Morde. Kurz nach dem Mord bekam sie von „Kummer“ die Rechnung für ihre unerwünschte Anwesenheit beim Mord:  $ 80. 80 Dollars! Y cómo?! Die Verhandlungen mit den Jungs von „Kummer“ erbrachten nur eine geringfügige Reduktion der geforderten Summe. Mithilfe solidarischer Nachbarn brachte sie ihre Tochter anderswo unter und floh mit etwas Habe zu ihrer Arbeitsgeberin.
In Guatemala-Stadt habe sie Angehörige, die sie aufnehmen würden. In jenem Quartier gebe es fast keine Maras, dafür sei die pupusa, das typische salvadorianische Maisgericht, ein Verkaufsschlager.  Dort werde sie hingehen, sobald ihre Tochter fest woanders untergebracht sei, für eine Weile, und etwas Geld mit der pupusa machen.  
Wenige Tage später ein Moment der Sorge. Ihre Tochter war verschwunden und Ana aufgebrochen, um sie zu suchen. Nun hatte man auch von ihr keine Spur mehr. Am nächsten Morgen Entwarnung: Die Tochter hatte eine Freundin in einer anderen Gemeinde besucht, ohne Ana oder sonst wen zu benachrichtigen – auch in El Salvador legen Pubertierende Wert auf Unabhängigkeit, Mara hin, Mara her. Und Anas Handy musste natürlich just an diesem Tag seinen Geist aufgeben.
Gestern die frohe Kunde: „Kummer“ war im Gefängnis von einem Mitgefangenen niedergestochen worden und lebte nur noch, weil ihn der Täter für tot gehalten hatte. Zuvor hatte die Polizei mit dem Grossteil der Struktur von „Kummer“ aufgeräumt, einige seiner Subchefs sind von Spezialgerichten schon zu langjährigen Strafen verurteilt worden. Der Rest von „Kummers“ Bande versucht unterzutauchen und zu flüchten. Anas Gesicht leuchtet vor Freude. Heute kehrt sie nach Hause zurück, lebt wieder mit ihrer Tochter, die Gefahr ist vorbei und Guatemala bleibt weit weg. Und der, der „Kummer“ niedergestochen hat? Ah, der „Glanz“, den kennt sie auch, der ist auch von der 18, aber ein Feiner, der die Leute nicht behelligt, im Gegenteil. Er schützt die Comunidad. Und jetzt, mit unserem neuen Präsidenten, kann die Polizei vielleicht endlich wirklich mit den schlimmen Maras aufräumen, si Dios quiere.