Brasilien: Syngenta verhängte Todesstrafe

Sonntag, 22. November 2015



(zas, 22.11.15) Syngenta ist im südlichen Staat Paraná von Brasilien wegen Mord und Mordversuch an AktivistInnen der Landlosenbewegung MST im Jahr 2007 verurteilt worden. Dies meldeten die Agrarmenschenrechtsorganisation Terra de Direitos und das MST am letzten Mittwoch, dem 18. November 2015 (portugiesisch, englisch  und spanisch). Nicht so natürlich die Schweizer Medien, die sich lieber über den Einfluss des Brasiliengeschäfts auf die Aktienkurse des Schweizer Multis auslassen.

Ein Richter in Cascavel (Paraná) sprach Syngenta am 17. November 2015 in einem Zivilrechtsverfahren für den Mord am Leader der Landlosenbewegung MST, Valmir Mota de Oliveira, bekannt als Keno, und den versuchten Mord an der MST-Aktivistin Isabel do Nascimento de Souza für schuldig. Die Verbrechen ereigneten sich am 21. Oktober 2007 und wurden vom privaten Syngentawerkschutz NF Segurança ausgeführt. Wenige Stunden zuvor hatten rund 150 MST-Mitglieder das Syngenta-Versuchsfeld Santa Tereza do Oeste besetzt, da der Multi hier, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Naturschutzgebiet Parque Nacional do Iguaçu, illegale Experimente mit gentechnisch manipuliertem Mais durchführte. Rund 40 Angehörige des Sicherheitsunternehmens fuhren im Bus vor und begannen auf die Leute zu schiessen. Keno wurde aus nächster Nähe erschossen, andere MST-AktivistInnen erlitten Verletzungen.
Wenige Tage vor diesem Mord fand in Curitiba (Paraná) eine Anhörung des brasilianischen Kongresses zu den berüchtigten Privatmilizen der Grossgrundbesitzer statt. Und am 20 Juli 2007 wurden mehrere Familien in einem Ort nahe der Versuchsanstalt „‘massiv durch schwer bewaffnetes Sicherheitspersonal bedroht, welches vom gleichen Multi [Anm. zas: Syngenta] unter Vertag genommen wurde‘, wie [ein] Dokument von Terra de Direitos aufzeigt“, schrieb Sergio Ferrari in seinem Artikel „Banden, Pestizide und Gentech-Saatgut“ (Correos 152, Dez. 2007). „Laut der Anzeige“, fuhr Ferrari fort, welche die Bewohner bei der Polizei machten, drang das Sicherheitspersonal der Firma Syngenta in ihr Land ein und blieb ungefähr 40 Minuten. Dabei feuerten sie während der Nacht grosskalibrige Waffen ab‘”.
Zur Argumentation des Schweizer Multis zum Mord erklärte der Richter: „… zu sagen, beim Vorfall habe es sich um eine Konfrontation gehandelt, heisst, die Augen vor der Realität zu verschliessen“. Und weiter führte er aus: „… die schlechte Auswahl des für die Sicherheit zuständigen Dienstleisters und die indirekte Finanzierung illegaler Aktivitäten stellt eine die zivilrechtliche Verantwortung her … So illegitim die Besetzung des Eigentums auch gewesen sein mag, war es dennoch nicht angemessen, auf eigene Faust vorzugehen und die Todesstrafe über die Besetzer zu verhängen, statt die legalen Konfliktlösungsmittel in Anspruch zu nehmen.“
Basel, 2008: Protest gegen den Mord an Keno vor dem Hauptsitz von Syngenta. Quelle: Terra de Direito
 Syngenta, das mit Saatgutkontrolle und Pestizideinsatz (besonders übel: Paraquat) intim in einen strukturellen Massenmord verwickelt ist – s. dazu Multiwatch und EvB – wird mutmasslich gegen das Urteil rekurrieren. Noblesse oblige.