Argentinien: Der Wirtschaftsschock von Macri

Samstag, 26. Dezember 2015




Alfredo Serrano Mancilla
(16.12.15) Macri klärte jeden Zweifel in wenigen Tagen. Die wirtschaftliche Ausrichtung seiner Parteiallianz Cambiemos wird fort zu evidenter. Kaum eine Woche ist seit seinem Regierungsantritt vergangen und die argentinische Rechte hat sich beeilt, keine Zweifel an ihren wirtschaftlichen Vorhaben für die nächsten Jahre aufkommen zu lassen. Am wichtigsten war der Positionsbezug für die argentinische Landwirtschaft, also der wenigen grossen Agroexportunternehmen. Er bestand in der Aufhebung der Exportabgaben auf Weizen, Mais und Fleisch und einer Reduzierung der Sojaabgaben um 5 Punkte. Dies bedeutet, dass Präsident Macri den grossen Agroexportunternehmen weitere USD 4 bis 8 Mrd. Gewinne gestattet. Ab jetzt kehren wir in die Zeit der Bittstellerei zurück. Von jetzt an wird bei diesen grossen Wirtschaftsmächten mit der Bitte angestanden, sie möchten „gut und grossherzig“ sein und der Republik helfen, indem sie einen Teil der Beute abliefern. Die Souveränität wird mit dieser neualten Idee des Bittstellens bei den wirklich wirtschaftlich Mächtigen absolut begraben werden. Die Dollarströme kehren in die Hände der Eigentümer von argentinischem Grossgrund zurück. Sie werden die reale Wechselkurspolitik machen. Man nennt das Markt, auch wenn es keiner ist. Vielmehr handelt es sich um einige wenige Personen mit Namen und Vornamen, die das Währungsoligopol in Argentinien wieder innehaben werden. Sie werden entscheiden, wie viel und wie ausgegeben wird, für was, für wen und für welches Wirtschaftsmodell. Das Ziel ist ein Revival für das 21. Jahrhundert: ein vom Agroexportsektor abhängiges Wirtschaftsmodell, in wenigen Händen konzentriert, mit einem Muster der ungleichen Eingliederung in die Welt.
Damit die wirtschaftspolitische Gleichung perfekt stimmt, bestand der nächste Schritt in der Aufhebung der Beschränkungen für den Dollar-Erwerb. Der Wechselmarkt wurde also liberalisiert. Erneut richtet der Euphemismus von der Freiheit Verheerungen an. Freiheit heisst, dass nur diejenigen, die über sehr grosse Wirtschaftsmacht verfügen, den realen Wechselkurs bestimmen können. Aber im Diskurs ist von ganz anderen Dingen die Rede. Verkauft wird die Idee, dass von nun an alle ArgentinierInnen freien Zugang zu Dollars bis zum Betrag von $ 2 Millionen haben. Es ist unnötig zu erwähnen, dass nur sehr, sehr Wenige Zugang zu dieser Monatssumme haben.
Der Dollar und sein Macri. Quelle: Celag.

So wird die aus der Kirchnerzeit stammende Limite eliminiert, die beabsichtigte, den Zugang der BürgerInnen zu Dollars kontrolliert zu handhaben. Natürlich war diese Massnahme sehr umstritten, denn niemand liebt eine Beschneidung des Zugangs zu der der eigenen Kaufkraft entsprechenden Dollarmenge. Doch war dies mehr als nötig, weil grundsätzlich nur so eine effektivere Devisenzuweisung für ein etwas einschliessenderes Wirtschaftsmodell möglich war, das soziale Rechte garantiert, souveräner in strategischen Bereichen ist und besser die Industrialisierung zwecks Importsubstitutionangehen kann. Es geht darum, zu entscheiden, ob der Dollar, von wem immer, wie immer, wann immer behändigt werden kann oder ob im Gegenteil Massnahmen zugunsten seines mehr entwicklungspolitischen Gebrauchs ergriffen werden.
Macri räumt alle Zweifel aus. Er will, dass der Dollar für alle frei verfügbar sei, die ihn erwerben können. Das bedeutet nicht, für alle ArgentinierInnen. Das bedeutet, dass ab diesem Moment es einige wenige mit grosser Wirtschaftskraft sein werden, die den neuen Wechselkurs bestimmen. Sie werden den Dollarpries bestimmen. Die Zentralbank wird durch nicht mehr als zehn Grossunternehmer (aus dem Agrarsektor) ersetzt. Die Falle ist perfekt. Es sind die Gleichen, die von der Exportzollaufhebung profitieren (mehr Dollars in ihren Händen), die jetzt den Wechselkurs festlegen. Und natürlich sind des die Gleichen, die bei einer Abwertung gewinnen. Wenn man also heute 10 argentinische Pesos für einen Dollar tauscht, wird diese Rate zunehmen, auf voraussichtlich mindestens 14 Pesos pro Dollar. So gewinnen die Exporteure, die für jeden Exportdollar nun mehr Pesos erhalten. Auf der anderen Seite sind auch immer die Geichen, die Mehrheit, deren Kaufkraft gemindert wird. Die Abwertung verteuert die Importe. Für jeden Import im Wert eines Dollars müssen nun mehr Pesos ausgegeben werden. Deshalb ist das Wirtschaftsmodell klar: Abwertung, die die Mehrheit schikaniert, um eine Minderheit zu begünstigen.
Und um auf diesen Teufelskries eins draufzugeben, verspricht Macri, dass es nicht an Dollars fehlen werde. Wie das? Woher nimmt er sie? Sehr einfach. Er wird sie bei den grossen internationalen Privatbanken ausleihen (schon verhandelt mit JP Morgan, Deutsche Bank, Citibank, HSBC, Goldman Sachs). Das heisst, dieses Fest wir die ArgentinierInnen mehr ausländische, also ewige Verschuldung kosten.
So hat Cambiemos, die macristische Allianz, angefangen, Argentinien zu ändern: mit Verschuldung, Abhängigkeit von sehr wenigen Agroexporteuren und, gewiss, mit Verarmung der Mehrheit aufgrund einer ungerechten Abwertung.
Nichts bleibt auf diesem eigentlichen macristischen Dollarweg dem Zufall überlassen.
* celag.org, 16.12.15: Electroshock económico de Macri. Der Autor leitet Celag, das Centro Estratégico Latinoamericano de Geopolítica